Wenn schon die Planung unzuverlässig ist, wird auch die Bekämpfung des Ärztemangels erschwert. Statt Zulagen
und Beihilfen, wenn eine drohende Unterversorgung festgestellt wurde, braucht der ländliche Raum schon viel eher Anreize, damit sich Ärzte niederlassen. Schon seit dem Jahr 2000 wurde auf die Gefahr für die ärztliche Unterversorgung im ländlichen Raum hingewiesen, doch erst seit Kurzem wird überhaupt etwas in diese Richtung getan. Hier darf die Staatsregierung nicht nur auf die Kassenärztliche Vereinigung verweisen. Diese bemüht sich, im Rahmen der Vorgaben das Beste zu erreichen, doch Leistungen über den Sicherstellungsauftrag hinaus kann die KV nicht erbringen. Deshalb ist hier der Freistaat in der Pflicht.
So ist in einer Stellungnahme zu einem Antrag der PDS aus dem Jahre 2004 zu lesen, dass weiterführende Hilfen wegen der angespannten finanziellen Haushaltslage des Freistaates nicht möglich sind. Bei solch einer Politik darf man sich nicht wundern, wenn wir bei der Gesundheitsstudie nicht so gut abschneiden. Wenn es die Situation verlangt, muss der Freistaat auch Geld in die Hand nehmen. Sie werden dabei unsere Unterstützung haben.
Sehr geehrte Frau Orosz, die Folgen des Ärztemangels werden weitaus größer sein als das Geld, welches der Freistaat hierfür ausgeben muss.
Das Problem, welches vor der Tür steht, ist immens, doch durch die Politik teilweise selbst verschuldet. Selbst auf der Gesundheitskonferenz 2003 wurde bereits festgestellt: Junge Mediziner bevorzugen die alten Bundesländer, größere Städte, nicht die Selbstständigkeit, auf keinen Fall die Hausarzttätigkeit, auf gar keinen Fall die Hausarzttätigkeit in den neuen Bundesländern und noch viel weniger die Hausarzttätigkeit im ländlichen Raum in den neuen Bundesländern. Das Ergebnis mag erschrecken, doch wer arbeitet als junger Arzt bei einem Drittel mehr Behandlungsfällen, aber fast einem Drittel weniger Gehalt schon gern in Regionen, in denen kulturelle Einrichtungen durch die Kommunen finanziell nicht mehr getragen werden können oder Schulen gerade geschlossen werden?
Die Konkurrenz um junge Ärzte ist mächtig; Sachsen hat dabei schlechte Karten. Helfen kann nur ein Bündel von Maßnahmen. Wir brauchen in Sachsen eine gezielte Förderung der Facharztausbildung und die gezielte Vernetzung mit den Regionen. Wir brauchen einen ländlichen Raum, der für junge Ärzte attraktiv ist. Schulschließungen zum Beispiel bewirken dabei das Gegenteil.
Wir brauchen auch eine Förderung der Ansiedlung junger Ärzte für ganz Sachsen, die über die Sicherstellungszulage und Ansiedlungsprämie durch die Kassenärztliche Vereinigung hinausgeht. Wir brauchen regionale Maßnahmenpakete und die Zusammenarbeit von Kommunen, Land und Universitäten, um Studenten für die Arzttätigkeit zu gewinnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung muss endlich gegen die rigide Gesund
heitspolitik auf Bundesebene intervenieren, die den Arztberuf unattraktiv macht. Bürokratie und Kostendruck belasten die Ärzte. Die Aussicht darauf treibt Studenten ins Ausland oder in die Pharmaindustrie, wie wir bereits gehört haben.
Frau Orosz, Sie führen immer wieder Modellprojekte in Torgau-Oschatz an und loben das Modellprojekt „Schwester Agnes“, erwähnen das Modellprojekt mit der Leipziger Universität und deren Kooperation mit dem Landkreis Torgau-Oschatz. Doch wissen Sie, was ein Grund für das schlechte Abschneiden Sachsens ist? Wir machen immer nur Modellprojekte, aber keine flächendeckenden Projekte.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die sächsischen Ärzte leisten trotz widriger Bedingungen eine hervorragende Arbeit. Nicht die Arbeit der Ärzte ist schlecht, sondern die Gesundheitspolitik von CDU und SPD.
Frau Schütz, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie aufgrund Ihrer jungen Mutterschaft, worüber ich mich ja auch freue, wenig Zeit haben, sich mit richtigen Fachleuten auseinanderzusetzen; siehe das Fehlen beim Parlamentarischen Abend, als es um das Thema ging.
Niemand hat negiert, dass wir in Sachsen abnehmende Einwohnerzahlen und einen wachsenden Altersdurchschnitt haben. Durch die Folgen des demografischen Wandels, Herr Dr. Müller, entstehen steigende Kosten im Arzneimittel- und Pflegebereich. Auch vor den Ärzten macht der demografische Wandel nicht halt. Seit 2000 sprechen wir hier darüber und bemühen uns um Lösungen. Seit 2002 gibt es eine gemeinsame Gesprächsrunde im Sozialministerium mit allen Verantwortungsträgern, wie KV, Landesärztekammer und Krankenkassen. Sie negieren das, verehrte Damen und Herren der FDPFraktion.
Ich sage Ihnen noch etwas: In Gesprächen, die ich geführt habe, kam die blanke Empörung über den Populismus zum Ausdruck, den Sie in der Pressemeldung verbreitet haben, Herr Zastrow. Sie reden die Bemühungen aller, die ich gerade nannte – und da habe ich noch nicht einmal alle genannt –, so in Grund und Boden, dass Sie damit nicht nur die sächsische Politik schlechtmachen, sondern auch die Bemühungen aller bisherigen Akteure, und das ist das Problem.
(Interner Wortwechsel zwischen Abgeordneten der Linksfraktion und der FDP – Holger Zastrow, FDP: Jetzt sind wir schuld! Das ist ein Armutszeugnis!)
Ich komme noch einmal zur sogenannten offenen Methode der Koordinierung. Sie steckt in den Anfängen und ist überhaupt noch nicht qualitativ datenmäßig untersetzt. Das ist meine Kritik an diesem Gutachten. Das geben die Gutachter selbst zu.
Frau Herrmann, danke für Ihren sachlichen Beitrag. Dank auch meinem Kollegen Gerlach. Frau Lauterbach, Sie nannten das Modell „AGnES“. Dieses Modell ist ausgezeichnet, um zukünftig beispielsweise den ländlichen Raum besser abzudecken. Es ist nicht durch Sie initiiert, meine Damen und Herren der Linksfraktion, sondern durch Herrn Prof. Dr. Hoffmann aus Greifswald! Er bietet es bundesweit an und es wird auch umgesetzt. Für alle, die nicht wissen, worum es geht: „AGnES“ ist ein
Frau Strempel, nehmen Sie zur Kenntnis, dass nach der Faktenlage in circa fünf bis zehn Jahren keine Hausärzte mehr vorhanden sein werden, an denen „AGnES“ angebunden sein kann?
An dieser Schwarzmalerei beteilige ich mich nicht. Es ist bekannt, dass bundesweit in zehn Jahren ungefähr 70 000 Ärzte fehlen. Das ist auch bei der KBV nachzulesen. Weil die Entwicklung so ist, werden schon seit Jahren alle Bemühungen – ich nannte es – unternommen, um diesem Problem entgegenzutreten. Es ist als anständige Politikerin auch Ihre Pflicht,
und, wie Frau Herrmann es gesagt hat, dass Sie konkrete Maßnahmen anbieten. Aber von Ihrer Seite kommt null, nichts.
Das ist Ihr gutes Recht, aber Sie brauchen nur die Pressemitteilung von Herrn Zastrow mit der schamlosen Überschrift und den Fakten, die dort genannt sind, lesen – das ist blanke Schwarzmalerei. Es ist gegenüber der Bevölkerung unanständig, so eine Panik zu verbreiten.
Ich möchte trotzdem noch einmal auf das Projekt „AGnES“ zurückkommen. Sie werden auch gleich sehen, warum. Herr Prof. Hoffmann hat vorgestellt, dass seit März dieses Jahres 206 Hausbesuche durch sechs beteiligte Ärzte bzw. die Schwestern, die bei diesen Hausärzten angestellt sind, stattgefunden haben. Und jetzt hören Sie: 87 % der besuchten Patienten erklären sich mit diesem Projekt zufrieden und begrüßen, dass diese Form der Betreuung eingeführt wurde.
Jetzt kommt unsere Aufgabe als Politiker. Wir wissen alle, dass der ländliche Raum in den nächsten Jahren in seiner Versorgung sicherlich extrem bedroht ist. Weil „AGnES“ ein Lösungsmodell ist, gilt es – im Übrigen berufe ich mich auch auf den Sachverständigenrat und sein Gutachten vom Juli 2007 –, eine bundesrechtliche Regelung zu finden, damit solche Projekte nicht nur als Modell existieren, sondern gänzlich übernommen werden können. Hier ist der Bundesgesetzgeber am Zuge, Regelungen, beispielsweise für „AGnES“ im SGB V, zu formulieren. Das wurde übrigens auch bei diesem Parlamentarischen Abend genannt, wo Sie nicht da waren, werte FDP-Fraktion. Es geht weiterhin darum, finanzielle Regelungen aufzustellen, die mit den Kostenträgern gefunden werden müssen. Auch das ist an diesem Parlamentarischen Abend besprochen wurden. Momentan ist „AGnES“ nur ESF-finanziert.
Da meine Redezeit leider nicht ausreicht, kürze ich ab. Wir konnten uns in Finnland davon überzeugen, dass solche Projekte funktionieren. Und zwar funktionieren sie auch mithilfe von Telemedizin. Dort müssen wir auch hin. Im Übrigen wird in Finnland in der Zwischenzeit für Flächenentfernungen von 460 Kilometern unverzichtbar mit Telemedizin gearbeitet, um Patienten in solchen Entfernungen versorgen zu können. Auch dort müssen wir hin. Wir reden in Deutschland gar nicht von solchen Entfernungsdimensionen! Wir haben Lösungsansätze und müssen in der Lage sein, sie auch in Deutschland zu übernehmen bzw. uns gegen Vorbehalte zu wehren und endlich vernünftig und sachlich miteinander zu diesen Lösungen kommen.
Die Koalition ist dazu bereit, den eingeschlagenen Weg mit Lösungsmaßnahmen weiter zu bestreiten. Ich fordere Sie auf, werte FDP-Fraktion, bevor Sie hier irgendwelche Fakten, die qualitativ nicht hundertprozentig untersetzt