Ich bin wirklich ungern nachtragend, aber was Sie vor einem halben Jahr gegen das kostenlose Mittagessen vorbrachten, war echt die Krönung. Ein Hauptargument für Ihre Ablehnung des kostenfreien Mittagessens für
arme Kinder war eine behauptete Stigmatisierung, also nicht etwa die Stigmatisierung armer Kinder, die nicht am Essen teilhaben, nein, die Stigmatisierung dadurch, dass sie kostenlos am Mittagessen teilnehmen können. Das ist Zynismus, sehr geehrte Damen und Herren.
Falls sich Ihnen diese tatsächlich krude Logik nicht erschließen sollte, verweise ich auf das Redeprotokoll der betreffenden Sitzung.
Kollege Neubert, erinnern Sie sich, dass es in der Anhörung zu diesem Thema gerade der Kinderschutzbund war, der uns dieses Argument vor Augen geführt hat?
Erinnern Sie sich auch daran, dass wir in der Diskussion darüber gesagt haben, dass man bei der Umsetzung natürlich Wege und Möglichkeiten finden muss, dass das Kind eben nicht stigmatisiert wird. Das Kind läuft doch nicht mit einem roten Button herum, auf dem steht, dass es kostenlos zu Mittag isst.
Inzwischen hat sich die Welt etwas geändert. Herr Müntefering und der SPD-Parteitag finden das kostenlose Mittagessen inzwischen in Ordnung. Also, werden auch Sie in Sachsen endlich aktiv!
Sehr geehrte Damen und Herren! Was bei dem Thema Kinderarbeit nötig ist, sind nicht Worte, sondern Taten, welche den Kindern helfen. Aber egal, welche Initiative hier von uns eingebracht wurde, Sie haben als Koalition all diese Vorschläge abgelehnt. Nun sind Sie in der Verantwortung, endlich selbst etwas zu tun und nicht nur unsere Vorschläge abzulehnen.
Mit jedem Jahr, sehr geehrte Damen und Herren, welches wir nur mit dem folgenlosen Reden über Kinderarmut verbringen, werden gesundheitliche Schäden bei Hunderten Kindern irreversibel, schlägt hundertfach persönlicher schulischer Misserfolg in Resignation um, bleibt das Zeitfenster größter Aufnahme- und Lernfähigkeit wegen fehlenden Zuganges zu entsprechenden Angeboten ungenutzt, werden Tausenden sächsischen Kindern nahezu unwiederbringlich die Zukunftschancen verbaut. Während Sie hier im Parlament das Problem geduldig vor sich herschieben, wird für viele von Armut betroffene Kinder die Hilfe zu spät kommen, und das, sehr geehrte Damen und Herren, werden wir nicht zulassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Neubert, ich denke, ich kann Ihnen ein wenig Nachhilfe bezüglich der Instrumentarien geben, was das Begegnen und Vermeiden von Armutsrisiken im Freistaat Sachsen betrifft. Sie wissen bestimmt auch – ich denke, lesen können Sie durchaus –, dass es eine Konzeption der Sächsischen Staatsregierung gibt, die diese Dinge aufgegriffen hat und die ihnen entgegenwirken soll und das auch tun wird.
Wir wissen in diesem Hohen Hause sehr wohl, dass das nicht einfach ist. Gerade das Thema Kinderarmut ist eines der sensibelsten Themen, die dieses Hohe Haus zu beraten hat. Das ist keine Frage. Aber wir müssen gleichzeitig die Dinge objektiv betrachten, sachlich betrachten, um Lösungsmöglichkeiten zu offenbaren und diese den Menschen anzubieten.
Fakt ist eines: Kinderarmut ist ein Übel, welches schlimmer nicht sein könnte. – Ich denke, darüber sind wir uns alle hier im Hohen Hause einig. – Diese zu bekämpfen ist eine Aufgabe, die uns weiterhin im Bewusstsein sein muss und, denke ich, auch sein wird. Aber ich habe mich wieder des Eindrucks nicht erwehren können – gerade bei Ihnen, Herr Neubert, und das werden vielleicht auch nachfolgende Redner noch tun –, dass man das so darstellt, als ob wir uns mit diesem Thema nicht auseinandersetzen würden.
Aber – das habe ich Ihnen eingangs schon präsentiert – wir tun dies und wir werden das auch weiterhin tun.
Es gibt vielfältige Politikfelder, die hierbei mitwirken müssen, und das ist auch in dieser Konzeption der Staatsregierung dokumentiert. Es bedarf vieler Politikfelder, nicht nur der Sozialpolitik, sondern allumfassend eingreifend der Bildungspolitik, der Sozial- und Gesundheitspolitik. Aber auch die Stadtentwicklung und die Wohnungspolitik müssen mitwirken, um diesen Armutsrisiken entgegenzuwirken. So sind die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Schaffung neuer Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die Unterstützung einer sich selbst tragenden Wirtschaft politische Anliegen der Staatsregierung. Auch hier in diesem Hohen Hause ist das so zu sehen.
Genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind die wichtigste Voraussetzung, um Kindern und deren Eltern die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das ist ganz klar. Wenn die finanzielle Grundlage vorhanden ist, dann haben die Kinder die bestmöglichen Chancen, nicht in Armut zu geraten.
Aber und vor allen Dingen schwerpunktmäßig muss man die Bildungschancen betrachten, die die Kinder momen
tan haben und in Zukunft haben sollen. So haben Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt und dementsprechend ein niedriges Arbeitseinkommen.
Frau Kollegin Nicolaus, können Sie mir im Lichte Ihrer Ausführungen, die Sie gerade hinsichtlich der Bildungspolitik gemacht haben und die ich hundertprozentig unterstütze, die Äußerung von Herrn Colditz interpretieren, dass man in der Schule keine Sozialpolitik machen könne?
Ich denke – um noch einmal darauf zu reflektieren –, dass wir gerade in der Schulpolitik eine Vernetzung haben und dass bestimmte unterstützende jugendpolitische Maßnahmen durchgeführt werden in der Vernetzung zwischen jugendpolitischen Aufgaben – – Sie hören mir gar nicht zu, Herr Prof. Porsch!
Ehrlich? Na gut. Ich bin tief beeindruckt. – Ich möchte meinen Faden noch einmal aufgreifen, was die Bildungspolitik betrifft:
Wir haben in diesen Bereich viel investiert. Gerade im frühkindlichen Bereich ist es enorm wichtig, dass die Kinder gestärkt werden, damit sie zeitig an den bildungspolitischen Maßnahmen des Freistaates teilhaben können, um dementsprechend gut auf die Grundschule vorbereitet zu sein und ihr weiteres bildungspolitisches Bestreben dann weiter fortsetzen zu können. Wir haben hier angesetzt und werden dies auch weiter tun, damit eine Chancengleichheit für alle Kinder in diesem Freistaat vorhanden ist. Wir haben viel Geld in die frühkindliche Ausbildung investiert, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Das haben wir gestern schon vorgetragen
und das ist in diesem Hohen Haus schon oft – auch von den anderen Fraktionskollegen – bestätigt worden. Aber wir müssen noch einmal, auch was den Bildungsbereich
betrifft, im Besonderen und offensiv für die Zukunft ansetzen. In den nächsten Jahren stehen 120 Millionen Euro für Bildungsprogramme zur Verfügung, um eine Chancengleichheit herzustellen.
Das sind nur einige Beispiele aus dem Konzept der Staatsregierung. Wir wissen wohl, dass wir uns diesem Problem in der Zukunft noch stellen müssen und auch stellen wollen. Aber wir haben hier ein handfestes Handwerkszeug, um den Dingen entgegentreten zu können, damit die Armutsrisiken zurückgedrängt werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beginnen möchte ich mit einer Zahl, die die Realität in Deutschland so richtig und so falsch widerspiegelt wie keine andere: 5,8 Billionen Euro. – So viel Geld besitzen wir alle, 80 Millionen Deutsche, nach einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung. Diese Zahl gibt die Realität richtig wieder, weil diese unglaubliche Summe zeigt: So reich wie im Jahr 2007 war unsere Gesellschaft noch nie. – Dass diese Zahl die Realität, wenn es um die Verteilung des Reichtums geht, gleichzeitig vollkommen falsch darstellt, erleben 90 % der Bevölkerung, weil zwei Drittel aller Vermögenswerte den restlichen 10 % der Bevölkerung gehören.
Die 5,8 Billionen Euro geben die Realität aber auch vollkommen falsch wieder, weil diese unglaubliche Summe zeigt: So ungleich wie im Jahr 2007 war der Reichtum noch nie verteilt.
Kurz zusammengefasst: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Opfer dieser wachsenden Spaltung der Gesellschaft sind Familien und damit vor allem Kinder.