Protocol of the Session on November 7, 2007

Von Herrn Neubert war der Vorwurf zu hören, der Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht, sei in unveränderter Form von der Koalition übernommen worden. Das stimmt so nicht; denn sonst hätten wir nicht unsere Änderungsanträge gestellt. Wir meinen: Für diejenigen, die das Landeserziehungsgeld direkt im Anschluss an das Bundeselterngeld nehmen, wird es für das zweite und dritte Kind einen Monat länger gewährt, als es der Vorschlag der Staatsregierung vorsah. Das führt auch dazu, dass wir mit dem Geld ein bisschen noch oben gehen. Darauf möchte ich schon hinweisen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn die Frage von Herrn Neubert ganz kurz ist, gern.

Bitte, Herr Neubert.

Herr Krauß, da Sie mich angesprochen haben, frage ich Sie: Stimmen Sie mir zu, dass der Gesetzentwurf hinsichtlich der beiden von mir genannten Kernkritikpunkte von Ihnen in unveränderter Form hier vorgelegt wurde: auf der einen Seite Kita

Besuch, auf der anderen Seite unterschiedlicher Bezug im zweiten und dritten Lebensjahr?

Sie haben gesagt, der Gesetzentwurf sei in ungeänderter Form hier vorgelegt worden. Das stimmt nicht. Darauf habe ich hingewiesen.

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Fahren wir fort. Wünschenswert ist natürlich, dass wir noch mehr Geld für Familienpolitik ausgeben; das ist klar. Wir würden uns auch mehr Mittel für das Landeserziehungsgeld wünschen. Hätten wir aber 900 Euro in den Gesetzentwurf geschrieben – das fordern Sie; wir haben das Geld leider nicht –, dann hätten Sie als nächsten Vorwurf gebracht, wir wollten nicht nur eine kleine, sondern eine riesengroße Herdprämie einführen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Ihre Argumentation ist also ein Stück weit unehrlich, insbesondere wenn Sie nicht sagen, woher Sie das Geld nehmen wollen.

Ich fasse zusammen: Das Landeserziehungsgeld ist eine tolle Sache. Diese finanzielle Unterstützung gibt es nur noch in drei weiteren Bundesländern: Bayern, BadenWürttemberg und Thüringen. Wir in Sachsen wollen gern daran festhalten.

Dennoch steht natürlich fest, dass Familien in der Gesamtgesellschaft finanziell benachteiligt sind – ich denke nur an das Thema Rente –; denn diejenigen, die später einmal Rente erhalten, erhalten sie von den Kindern derjenigen, die sich früher entschieden haben, Kinder zu bekommen. Das ist eine Benachteiligung von Familien mit Kindern.

Meinhard Miegel hat in seinem Buch „Epochenwende“ aufgelistet, was ein Kind kostet. Er kommt auf 1 400 Euro pro Monat, wenn man die aufgewandte Zeit von anderthalb Stunden pro Tag einbezieht. Das macht zusammen 338 000 Euro für ein Kind, bis es 20 Jahre alt ist.

Daran wird deutlich: Wir müssen in der Familienpolitik noch viel mehr tun, um jungen Menschen Mut zur Familie zu machen. Das Finanzielle ist nur das eine, aber doch ein wichtiger Punkt. Deswegen werden wir als Koalition das Thema Familienpolitik weiterhin fest im Blick behalten. Wir wollen auch das Landeserziehungsgeld weiterentwickeln, wenn wir über den Landeshaushalt beraten. Wir wollen den erfolgreichen Weg, den Sachsen eingeschlagen hat, nämlich Familien stärker zu fördern, weitergehen und bitten Sie um Unterstützung dieses Gesetzes.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann Frau Staatsministerin Orosz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! DIE LINKE beschreibt seit Neuestem unsere Familienpolitik in Schrittfolgen. Der eine oder andere hat das vielleicht in einer Pressemitteilung von gestern gelesen, in der es heißt, Ursula von der Leyen ginge einen Schritt vor und ich zwei zurück. Damit soll offenbar der Eindruck erweckt werden, Ursula von der Leyen und ich hätten nicht mehr dieselben familienpolitischen Ziele. Es ist ganz klar, dass ich diese Vermutung heute widerlege.

Man kann das natürlich auch ganz anders sehen, Herr Neubert. Die beschriebene Schrittfolge kennt der eine oder andere vielleicht als elegante Tanzfigur aus der Promenade. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, wie diese getanzt wird, Herr Neubert. Ich kann Ihnen aber sagen, dass dabei beide Partner vorwärtsgehen und in die gleiche Richtung blicken.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion – Heiterkeit bei der Linksfraktion)

Sie lachen. Aber über Ihre Äußerungen kann man nur noch lächeln; so bedauerlich sind sie.

Ich sage Ihnen von dieser Stelle aus noch einmal: Frau von der Leyen und ich gehen zusammen, was die Ziele der Familienpolitik in Deutschland und damit auch in Sachsen betrifft. Wir arbeiten im gleichen Takt. Wir wollen dasselbe und wir tun dasselbe. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Wir tun das mit den unterschiedlichen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Meine Damen und Herren! Wir sind gegen einen Staat, der Lebensmodelle definiert und diese den Menschen aufzwingt.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind für einen Staat, der den Menschen die größtmögliche Freiheit lässt, so zu leben, wie sie es wollen. Wir sind für einen Staat, in dem Eltern als gleichberechtigte Partner die Wahl haben, ihr Kind in den ersten Jahren selbst zu betreuen oder bald nach der Geburt des Kindes wieder arbeiten zu gehen. Wer das Landeserziehungsgeld als „Herdprämie“ bezeichnet, wie Sie, meine Damen und Herren der Linksfraktion, und damit zum Ausdruck bringt, es sei altmodisch, für eine gewisse Zeit die Kinder zu Hause zu erziehen, der diskriminiert die Eltern, die sich für diese Möglichkeit entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht darf ich Ihre Wissenslücken etwas auffrischen. Unternehmen wie BASF, die Deutsche Bank, Volkswagen und eine Vielzahl weiterer großer und mittelständischer Unternehmen geben zum Beispiel ihren Mitarbeitern bzw. deren Angehörigen ebenfalls die Möglichkeit, über den Anspruch des Bundeselterngeldes hinaus die Kinder zu Hause zu betreuen. Die Unternehmen erkennen, dass es richtig ist, die Eltern in ihrem ganz individuellen Wunsch zu unterstützen. Ich begrüße an dieser Stelle auch das

Engagement der Unternehmerschaft für eine familienfreundliche Arbeitswelt und ihre Unterstützung der Eltern, wenn es um deren Wünsche bzw. Wahlmöglichkeiten geht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon öfter darauf hingewiesen worden: Der Freistaat Sachsen gehört in der Tat zu den wenigen Bundesländern, die ihren Bürgern die Wahl erleichtern, wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren. Wenn wir heute das Gesetz verabschieden, wird dieses familienpolitische Ziel der Staatsregierung bekräftigt.

Es ist schon angesprochen worden, dass mit der Anhebung der Einkommensgrenzen nach diesem Gesetzentwurf circa 1 000 Familien mehr als bisher die Möglichkeit haben zu wählen. Diejenigen, die unmittelbar nach dem Bundeselterngeld wieder arbeiten möchten – oder arbeiten müssen –, können auf ein qualitatives Angebot an Krippenplätzen zurückgreifen. Wer sich die Beiträge für die Einrichtungen nicht leisten kann, bekommt diese erlassen. Diejenigen, die sich dafür entscheiden, vorerst nicht in den Beruf zurückzukehren, können das Landeserziehungsgeld bereits im zweiten Lebensjahr beanspruchen. Mütter und Väter, die die dreijährige Elternzeit komplett ausschöpfen wollen, erhalten im dritten Lebensjahr des Kindes das Landeserziehungsgeld deswegen länger, weil sie länger auf ihr Einkommen verzichten. Damit haben sächsische Eltern die Wahl zwischen dem Landeserziehungsgeld als staatliche Förderung und der staatlich geförderten Kinderbetreuung. Jeder und jede hat hier die Freiheit, diese Entscheidung zu treffen.

Herr Neubert, Wahl heißt schon immer „entweder – oder“ und nicht „beides“. Das sollten Sie sich merken.

Das, meine Damen und Herren, ist sozial gerecht. Sozial gerecht ist auch, dass wir das Landeserziehungsgeld an die Kinderzahl koppeln. Je mehr Kinder man hat, desto schwieriger ist es leider noch, wieder voll in den Beruf einzusteigen. Daher brauchen kinderreiche Familien auch eine größere Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Sozial ungerecht ist dagegen die Forderung, Landeserziehungsgeld und Kita-Betreung in einen Topf zu werfen. Ich frage mich zum einen, worin der Sinn eines Vorstoßes bestehen soll, Eltern den Krippenbesuch ihres Kindes zu ermöglichen, ja geradezu aufzudrängen, wo sie sich doch gerade nicht für den Besuch einer Kindergrippe, sondern für die häusliche Betreuung entschieden haben.

Zum anderen: Wir wollen und wir können die verfügbaren Mittel nur einmal ausgeben. Herr Krauß hat schon darauf hingewiesen: Wir haben die Pflicht – das ist anscheinend in Ihnen Köpfen noch nicht angekommen –, die Mittel, die andere erwirtschaften, maßvoll auszugeben und Prioritäten zu setzen. Für soziale Härtefälle machen wir

von dieser Regel eine Ausnahme und das, meine Damen und Herren, ist gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Sozial ungerecht ist es wiederum, wenn in keinem Ihrer Änderungsanträge steht, woher wir die zusätzlichen Millionen für den gleichzeitigen Bezug von Landeserziehungsgeld und den Anspruch auf einen Kita-Platz nehmen sollen. Es wird im Gegenteil der Frage ausgewichen, wo an anderer Stelle im Sozialetat gespart werden soll, um diese Mittel aufzubringen. Das fällt Ihnen natürlich leicht, denn Sie tragen ja keine Verantwortung, die Finanzen in Sachsen auch tatsächlich geordnet zu verwalten.

Meine Damen und Herren von den Linken! Wenn Sie Ihrem eigenen Anspruch gerecht werden wollen, kann ich Sie eigentlich nur auffordern, sich von Ihrem Staatsverständnis zu lösen. Schreiben Sie den Menschen nicht länger vor, wie sie leben sollen, und stimmen Sie dem Gesetz zu; denn es ist ein Gesetz, das soziale Gerechtigkeit für die schafft, die ihre Kinder zu Hause betreuen und die es auch ganz bewusst so wollen und für die, die nach kurzer Zeit nach eigenem Verständnis und Wunsch wieder in ihren Beruf zurückkehren wollen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Herr Neubert, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich nach den Diskussionen und teilweise persönlichen Anreden zu vier Punkten eine Bemerkung machen.

Erstens: Ich bin etwas verwirrt, wie Sie, Herr Krauß, frühkindliche Bildung in Kindertagesstätten schlechtreden. Es scheint so, als ob an Ihnen in den letzten Jahren die bildungspolitische Diskussion im Bund wie auch in Sachsen – Einführung Bildungsplan etc. pp. – vollkommen vorbeigegangen ist.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Zweitens: Frau Orosz, wir wollen keine Lebensmodelle vorschreiben.