Protocol of the Session on September 28, 2007

und das, obwohl es uns mit unserem Antrag nicht um die Vergangenheit, sondern um die Gegenwart geht, um die Probleme der Gegenwart, die von Ihnen eben tabuisiert und kriminalisiert werden. So mögen Sie, die Sie sich längst vom Volk entfernt haben, sich hier in diesem Elfenbeinturm ruhig wieder selbst beweihräuchern und beklatschen. Vergessen Sie auch nicht, obwohl heute nur wenige Leute da sind, Ihre stehenden Ovationen für die aufgesetzte emotionale Ergriffenheit von Herrn Weiss. Uns juckt das wenig, schließlich wissen wir, dass wir hier im Sächsischen Landtag für immer mehr Deutsche sprechen, die die Schnauze voll haben von den Betroffenheitsriten dieser Berliner Narrenrepublik.

(Beifall bei der NPD)

Sie, meine Damen und Herren, lassen sich immer als aufrechte Demokraten feiern.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Aufhören!)

Doch ist es wirklich demokratisch, wenn Sie nicht die argumentative Auseinandersetzung suchen, sondern sich feige hinter Verboten verstecken?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Nein, meine Damen und Herren, Sie heucheln Demokratie, sind aber allesamt Demokratieverächter, die das hohe Gut der Meinungsfreiheit in diesem Lande mit Füßen treten. Wer sich nicht länger an der Demokratie versündigen will, der sei aufgerufen: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Singen Sie nicht länger das Hohelied der angeblich wehrhaften Demokratie, sondern stimmen Sie für unseren Antrag, für Demokratie und Toleranz gegenüber der Meinung des Andersdenkenden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion hat keinen Redner gemeldet. – Die Linksfraktion, soviel ich sehe, auch nicht. – Dann spricht Herr Prof. Weiss von der SPD-Fraktion für die Koalition.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Demokraten! Nein, ich neige nicht zu Tränenausbrüchen, schon gar nicht bei Ihren Ausführungen. Mit dem vorliegenden Antrag zur Abschaffung des § 130 des Strafgesetzbuches hat sich die NPD-Fraktion wieder einmal die senfbraune Jacke angezogen, die bestens zu ihr passt und die sie in ihrem wahren Gewand zeigt.

Worum geht es? § 130 Strafgesetzbuch lautet – ich zitiere Abs. 1: – „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, erstens zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder zweitens die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich

macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ – So weit der Text des Paragrafen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist gut so!)

Wenn Sie, die NPD, diesen Paragrafen streichen wollen, dann kann das doch nach den Gesetzen der Logik nur bedeuten, dass Sie straflos zu Hass oder zu Gewalt und Willkürmaßnahmen aufstacheln oder aufwiegeln wollen. Sie wollen straflos die Menschenwürde anderer Menschen durch gezielte Agitation angreifen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD: Nein, eine freie Debatte wollen wir!)

Einerseits bin ich ja ganz froh, dass Sie mit diesem Antrag für alle sichtbar Ihre Maske fallen lassen und Ihre verfassungsfeindliche Gesinnung offenbaren, andererseits überkommt mich bei dem heutigen Antrag und insbesondere nach der hasserfüllten Rede des Herrn Apfel Abscheu und Ekel. Angesichts von Millionen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

(Holger Apfel, NPD: Sie hätten vielleicht einmal zuhören sollen!)

verschlägt es einem fast die Sprache, wenn die NPD in diesem Hohen Hause die Abschaffung des Straftatbestandes der Volksverhetzung fordert.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Aber, meine Damen und Herren, angesichts dieser schamlosen Provokation dürfen wir einfach nicht sprachlos bleiben. So zynisch wie dieser Antrag ist auch seine Begründung. So heißt es, der Straftatbestand der Volksverhetzung sei grundgesetzwidrig, nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar und behindere die Artikulation gesellschaftlich legitimer Auffassungen. Das ist nun wirklich pervers, Herr Apfel!

Meine sehr verehrten Damen und Herren Demokraten! Die NPD scheut also nicht einmal davor zurück, unsere Verfassung und die Meinungsfreiheit als Kronzeugen zu bemühen, um ihre infamen Thesen von der sogenannten Auschwitzlüge und von dem angeblich falschen historischen Bild des sogenannten Dritten Reiches

(Jürgen Gansel, NPD: Davon war gar nicht die Rede, Sie haben nicht zugehört!)

gesellschaftlich und juristisch hoffähig zu machen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 13. April 1994 jedoch sehr deutlich die Verfassungsmäßigkeit des Straftatbestandes der Volksverhetzung bestätigt. Die Mär von der sogenannten Auschwitzlüge und die verklärende Rückschau auf das sogenannte Dritte Reich sind keine legitimen Meinungen, sondern greifen in ihrer Aussage und Zielsetzung den Schutz der Men

schenwürde in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes fundamental an.

Der Staat ist berechtigt und angesichts der bedrohlichen Virulenz rechtsextremer Ideologien sogar verpflichtet, das Gedenken an unwiderlegbare historische Tatsachen wie den Holocaust und die Schrecken der NS-Gewaltherrschaft gegen solche Behauptungen und gezielten Legendenbildungen zu verteidigen,

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

die nichts anderes im Sinn haben, als zu versuchen, die Geschehnisse der deutschen Geschichte zu relativieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Holger Apfel, NPD: Argumente statt Verbote!)

Der in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes allen anderen Verfassungsnormen vorangestellte Schutz der Menschenwürde ist Ausdruck der konsequenten Absage des Grundgesetzes an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und verkörpert den personalisierten Anspruch der Opfer auf Schutz vor Diskriminierung ihres Schicksals. Wer die Verbrechen des Nationalsozialismus zu leugnen versucht, spricht den Opfern ihre Menschenwürde ab und bewegt sich außerhalb der grundgesetzlichen Garantien gegen eine Wiederholung diktatorischen Unrechts. Genau deswegen wird die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos, sondern im Lichte der Menschenwürde gewährt, einer Menschenwürde natürlich, der die NPD und ihre Hetzkampagnen keinen Platz einräumen und keinen Respekt zollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jüngsten Schulhof-CDs und Schülerzeitungen, die von der NPD verbreitet werden, zeigen deutlich, dass die NPD den Straftatbestand der Volksverhetzung zu Recht fürchten muss. Nicht die Sorge um die Meinungsfreiheit in unserem Land, sondern das Bestreben, eine menschenverachtende Ideologie gegen das Grundgesetz und seine Werte zu stellen, sind der Antrieb der NPD, Volksverhetzungen zu legalisieren.

Dies allerdings wird eine wehrhafte Demokratie wie die unsere niemals dulden – niemals, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Danke schön.

Herr Dr. Martens, Sie sprechen für die FDP – oder für die gesamte Opposition.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, den § 130 Strafgesetzbuch abzuschaffen, wird schon eigenartig begründet. Wenn man sich das anschaut, dann geht es der NPD scheinbar tatsächlich um die Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundsätze durch eine Inkriminierung von Meinungsäu

ßerungen. Dem möchte man entgegentreten. Die NPD sorgt sich also um eine liberale Republik, die Meinungsfreiheit

(Holger Apfel, NPD: Genau, Sie haben es erkannt! – Alexander Delle, NPD: Ein guter Mann!)

und sogar – auch das ist in der Begründung zu finden – um den pluralistischen Austausch von Meinungen und Argumenten.

Wer von Ihnen möchte denn über den pluralistischen Austausch von Meinungen und Argumenten vor den Skinheads Sächsische Schweiz oder dem Sturm 34 mal ein Referat halten?

Welche Meinungsäußerungen sind es denn, die da nicht länger der angeblichen Gesinnungsjustiz zum Opfer fallen sollen? Herr Apfel hat es gesagt: Das ist alles Heimatbewusste. Nein, das ist nicht alles Heimatbewusste. Das geht schon noch ein bisschen weiter. Da geht es um die Aussagen von Herrn Ernst Zündel, der den Holocaust als bösartige Erfindung einer jüdisch-amerikanisch-bolschewistischen Weltverschwörung aufdeckt, und zwar durch fröhliche Verbreitung des „Leuchterreports“, eines unsäglichen pseudowissenschaftlichen Aufsatzes, mit dem nachgewiesen werden soll, dass Auschwitz gar nicht stattgefunden hat. Darum geht es. Es geht darum, dass Sie gern verbreiten möchten, was Gerry Lauck von der NSDAP/AO verbreitet, der NSDAP-Auslandsorganisation, die sich übrigens rührend einsetzt für die Rechte dieser verfolgten NPD, aber gleichzeitig verkündet: „In unerschütterlichem Glauben schwören wir, die Nationalsozialisten, aufs Neue zu kämpfen, bis der Endsieg errungen ist.“ Das ist doch eine klare Ansage. Das ist der Kampf gegen die Demokratie.

(Alexander Delle, NPD: Das ist Meinungsfreiheit!)

Das ist der Kampf gegen die Zivilisation an sich. Dem möchten Sie hier gern einen entsprechenden Raum verschaffen. Dem treten wir entgegen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Vielleicht ist es nicht einmal das, was Sie umtreibt, sondern einfach nur der Wunsch, die von Ihnen angenommenen und gewähnten Ressentiments bei manchen Menschen anzustacheln, Hass und Hetztiraden zu verbreiten. Worum es dabei geht, zeigt ein Blick auf einschlägige Internetseiten. Da werden Asylbewerber grundsätzlich nur als Schmarotzer oder Betrüger bezeichnet. Farbige Mitbürger werden als Nigger bezeichnet und entsprechend beschimpft, und zwar regelmäßig.

(Zuruf von der NPD: Nicht auf der NPD-Seite!)

Das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Nach Auffassung der NPD sollen dies angeblich Meinungsäußerungen sein. Die sollen dann in einem gewünschten pluralistischen Austausch von Meinungen und Argumenten stattfinden. Im Leben nicht!

Wie ein solcher pluralistischer Austausch aussieht, wenn sich Nationalisten und vor allem ihre geistigen Väter daran beteiligen, ist sattsam bekannt.

Ich sage ganz deutlich: Der Ruf „Juda verrecke!“ wird nie wieder in Deutschland öffentlich zu hören sein dürfen.

(Starker Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD: Aber „Deutschland verrecke!“ ist erlaubt?)