nein, es wird auch ganz massiv in landsmannschaftliche und regionale Identitäten eingegriffen. In dieser Hinsicht haben wir nicht einmal die Altlast der 1994er Kreisgebietsreform bewältigt, wenn man bedenkt, wie stark die Bürger noch immer in den Dimensionen der Altkreise denken.
Die geplante Liquidierung des Niederschlesischen Oberlausitzkreises ist aber deshalb für alle, die sich dort als Schlesier fühlen, und für alle anderen Deutschen, deren Wurzeln in den Vertreibungsgebieten Ostdeutschlands liegen, so schmerzlich, weil ihnen nach dem Schrecken der Vertreibung und dem darauffolgenden Schweigegebot über diese Vertreibung in der DDR damit auch noch der letzte Rest ihrer alten Heimat genommen wird, und zwar durch einen kalten Verwaltungsakt, der an irgendeinem grünen Tisch im Innenministerium ausgekungelt wurde.
Unsere schlesischen Landsleute hier im Freistaat Sachsen ebenso wie diejenigen Bürger, die in und um Görlitz wohnen und sich in erster Linie als Oberlausitzer verstehen, haben dafür kein Verständnis.
Unsere schlesischen Landsleute hier im Freistaat Sachsen ebenso wie diejenigen Bürger, die in und um Görlitz wohnen und sich in erster Linie als Oberlausitzer verstehen, haben dafür kein Verständnis.
Denn in der derzeit verwendeten Bezeichnung Niederschlesischer Oberlausitzkreis finden beide Aspekte der im Osten unseres Freistaates vorherrschenden identitätspolitischen Gemengelage, der schlesische und der auf die Lausitz bezogene, einen guten und von den Bürgern akzeptierten Ausdruck.
Darauf hat vor Kurzem der auch in Niesky ansässige Schlesische Heimatbund hingewiesen. Es gibt keine Gründe, die wirklich gegen eine Beibehaltung des Namens sprechen würden. Ein echter infrastruktureller Vorteil durch die Schaffung eines Neißekreises – –
Ein echter infrastruktureller Vorteil durch die Schaffung eines Neißekreises im Gegenzug für die ideelle Auflösung des niederschlesischen Kulturraumes mit all seinen Besonderheiten ist nicht zu erkennen. Eine reine Zusammenführung wirtschaftlich schwacher Partner ist noch lange keine Patentlösung zur Auslösung von Synergieeffekten und wirtschaftlichen Aufbruchimpulsen. Das gilt für den geplanten Neißekreis oder Kreis Görlitz genau so wie für die anderen ins Auge gefassten sächsischen Megakreise. Lassen Sie uns wenigstens den Namen dieses Kreises noch beibehalten.
Das war das Schlusswort und somit kommen wir zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 4/8808, Antrag der NPD-Fraktion. Bei
Bei einer Enthaltung und einer kleineren Anzahl von Jastimmen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Die einreichende Fraktion eröffnet die Runde und danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Herbst beginnt für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 25,9 % aller vierjährigen Kinder in sächsischen Kindertagesstätten werden derzeit trotz gesetzlicher Vorschriften durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nicht untersucht. Noch schlechter sieht es bei den Schuluntersuchungen in der 2. und in der 6. Klasse aus. Hier gibt es für 26,7 % bzw. 27,1 % der Schüler keine ärztliche Untersuchung.
Meine Damen und Herren! Das sind Zahlen, die alarmieren. Das sind Zahlen, die auf ein erhebliches Defizit bei der Gesundheitsfürsorge für Kinder in Sachsen hinweisen.
Die im Gesetz verankerten Untersuchungen sind kein Ergänzungsangebot. Sie erfüllen eine wichtige Rolle. Eine ganze Reihe von Entwicklungsstörungen, motorischen und sprachlichen Defiziten, Seh- und Hörstörungen werden durch diese Untersuchungen frühzeitig erkannt und können dann von Fachärzten behandelt werden.
Ich verweise auf eine Anfrage des Kollegen Krauß von der CDU. Da hat die Staatsregierung geantwortet, dass allein bei 38 % der Kinder in den Kitas bei diesen Untersuchungen Sprachstörungen festgestellt wurden.
Das zeigt, wie wichtig diese Untersuchungen für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder sind. Wir unterstützen ausdrücklich, dass der Landtag diese Untersuchungen gesetzlich beschlossen hat. Doch der Blick in die Realität zeigt, dass der politische Wille des Gesetzgebers in vielen Regionen nicht umgesetzt wird.
Es nützt doch den betroffenen Kindern nichts, wenn die Gesundheitsvorsorge zwar in Paragrafen gegossen ist, vor Ort aber die entsprechenden Ärzte fehlen. Im Regierungsbezirk Chemnitz beispielsweise wird nur noch jedes zweite Kind in den Kitas vorschriftsmäßig untersucht. Mit dieser Situation können wir nicht zufrieden sein.
In vielen Kreisen ist der Kinder- und Jugendärztliche Dienst der Kommunen offenbar überfordert. Aber auch die Staatsregierung hat es bisher nicht geschafft, in Zusammenarbeit mit den Kommunen eine Verbesserung der Versorgungssituation zu erreichen. Ganz im Gegen
teil. Sowohl bei den Untersuchungen in den Kitas als auch in den Schulen gab es im Schuljahr 2005/2006 gegenüber dem Vorjahr massive Verschlechterungen und auch für 2006/2007 sind keine Verbesserungen zu erwarten.
Wir wissen, dass es nicht die eine einfache Lösung gibt. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Fachärzte im Kinder- und Jugendärztlichen Dienst mehr als halbiert. Neue Ärzte sind im Moment kaum in Sicht und zahlreiche Stellenausschreibungen laufen ins Leere. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist leider wenig attraktiv. Einige der Kommunen behelfen sich mit Honorarverträgen. Das ist eine der möglichen Lösungen.
Aber ohne die Unterstützung der Staatsregierung werden es die Kommunen kaum schaffen, qualifizierte Ärzte für den Gesundheitsdienst zu gewinnen. Wir müssen über eine verstärkte Aus- und Weiterbildung reden. Wir müssen sicher auch über finanzielle Anreize reden sowie über eine Aufwertung des Berufsbildes.
Die Staatsregierung kennt das Problem schon lange und sie muss handeln. Ich glaube, für uns alle als Gesetzgeber ist es nicht hinnehmbar, dass über Jahre gesetzliche Bestimmungen einfach ins Leere laufen.
Man kann keinem Sachsen erklären, dass er sich an Recht und Gesetz zu halten hat, aber dort, wo wir die Gesetze machen, es zulassen, dass die Kinder keine Untersuchungsangebote erhalten. Der Sächsische Landtag hat sich aus guten Gründen für eine gesetzliche Verankerung der Untersuchung in Kitas und Schulen eingesetzt, vielleicht auch, weil viele von uns damit gute Erfahrungen gemacht haben.
Es ist klar, wenn wir hier im Landtag sinnvolle Regelungen zum Wohle aller Kinder beschließen, dann müssen wir auch sicherstellen, dass die Kinder diese Untersuchungen erhalten.
Ich habe gesehen, dass die Koalition einen Änderungsantrag gestellt hat, und möchte auch gleich darauf eingehen. Die ersten beiden Punkte sind ja identisch mit unserem Antrag. Der dritte Punkt greift eine mögliche Lösung auf – auch ein Vorschlag von uns –, über Honorarverträge zu schauen, ob es möglich ist, diese Untersuchungen auf niedergelassene Ärzte auszuweiten. Wir sind der Mei
nung: Jedes Instrument, das hilft, dass wir diese Versorgungslücken schließen können, müssen wir ergreifen.
Wir wollen keine Spielverderber sein, wir werden dem Antrag der Koalition zustimmen. Es ist im Interesse unserer Kinder, dass wir diese Versorgungslücken schließen, meine Damen und Herren.