Protocol of the Session on July 4, 2007

Nein, nein. Die Verfassung schützen Sie vor; über die Verfassung hat Herr Bartl gesprochen.

Sie wollen entweder einen Untersuchungsausschuss, der Ihrer Interessenlage entspricht, oder – Sie haben es angedeutet – Sie drohen damit, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses zumindest zu torpedieren versucht wird, indem Zeugen nicht aussagen, indem Sie sich auf irgendwelche Behauptungen, die Sie heute aufgestellt haben, berufen, und ähnliche Dinge.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie Argument gegen Behauptung stellen, dann sollten Sie als Ministerpräsident in diesem Land mit den Argumenten anfangen. Sie haben vorhin nur Behauptungen aufgestellt – böswillige oder nicht belegbare Behauptungen, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich gehe auf die Kalte-Krieg-Rhetorik – sowohl von Herrn Hähle als auch von Ihnen – nicht ein. Dabei gäbe es ja dann viel über Akten zu diskutieren, trefflich zu diskutieren: was man bewahrt, was man schreddert, was man wieder zusammensetzt, was man zerschreddert lässt usw. Das ist nicht der Stil, den wir hier brauchen, das hilft auch nichts in diesem ganzen Zusammenhang.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn Sie die Energie

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: … die Aufregung!)

und die Aufregung, die Sie heute in Ihren Vortrag gelegt haben, von Anfang an verwendet hätten, um sich erst

einmal über den Sauhaufen Innenministerium und den Sauhaufen Verfassungsschutz aufzuregen –

(Beifall bei der Linksfraktion – Antje Hermenau, GRÜNE: Richtig!)

und dann zu sagen: Wollen wir einmal gemeinsam die Sache anpacken und versuchen, wieder Ordnung hineinzubringen, und aufklären, was schiefgegangen ist; und dann wollen wir uns mit dem auseinandersetzen, was schiefgegangen ist. Da schaue ich nicht so sehr nach Opposition oder Regierung, sondern es geht doch im Grunde, denke ich, um Sachsen. Kann das sein?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es geht nicht darum, ob Sie nun die Wahrheit gepachtet haben und die anderen nicht. Ich gehe nicht auf die KalteKrieg-Rhetorik ein, aber die Methode „alte Stasi“, die Sie uns unterstellt haben, weise ich entschieden zurück. Einen Untersuchungsausschuss einzusetzen – wenn das die Methode „alte Stasi“ ist, dann haben Sie gehörige Probleme mit der Verfassung, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es gibt eine andere Methode. Es gibt die Methode „Paunsdorf“, und zur Methode „Paunsdorf“ gehörte, dass Staatsanwälte Weisungen bekommen haben, Dinge zu unterdrücken, und dass Staatsanwälte, die dies nicht tun wollten, versetzt und aus dem Amt gebracht wurden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nun einmal eine ganz elementare Unterrichtseinheit: Sie haben Herrn Bartl gesagt, wenn er Vorsitzender des Untersuchungsausschusses werden will, dann ist er nicht Ankläger, sondern Gericht. Das ist doch klar. Wir haben dieses Gericht doch noch gar nicht eingesetzt. Erst müssen wir den Untersuchungsausschuss einsetzen, das heißt das Gremium, in dem es dann um Anklage und Gericht geht. Zunächst einmal muss dafür eine Anklage vorliegen. Selbstverständlich ist der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eine Anklageschrift, in der Dinge benannt werden, die im Untersuchungsausschuss zu untersuchen sind.

Es trifft zu, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses völlig ergebnisoffen ist. Wieso denn nicht? Aber wir haben Fragen gestellt und wir haben auch Behauptungen aufgestellt. Wir wollen sie in einem Untersuchungsausschuss überprüft wissen. Wir wollen dann ein Ergebnis haben. Das kann so oder so aussehen. Das hat doch niemand von uns bestritten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Also, das ist doch genau die Flucht. Sie wollen uns zwar gestatten, dass wir einen Untersuchungsausschuss einrichten, aber Sie wollen uns nicht gestatten, dass wir in diesem Untersuchungsausschuss etwas untersuchen, von dem wir behaupten, dass es untersuchungswürdig sei. Wie sollen wir denn das machen? Das ist doch eine Abstraktion von Untersuchungsausschuss, die nicht geht. Sie können ja auch kochen ohne Zutaten, wenn Sie wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linksfraktion)

Das stammt nicht von mir, das habe ich irgendwo gelesen.

Zu dem, was die Akten betrifft, und dazu, was vernichtet werden darf und was nicht, haben Juristen sicherlich differenziertere Auffassungen. Da gibt es Klassifikationen von Akten, über Sachakten, Beiakten, Beweismittelakten usw. Darüber will ich mich nicht laienhaft auslassen. Aber ob Akten vernichtet werden durften oder nicht, wäre vielleicht auch eine Frage, die der Untersuchungsausschuss zu klären hätte.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Die PKK!)

Weil Sie gerade „PKK“ sagen, ich hätte es beinahe vergessen: Das ist für mich eigentlich ein Nebenschauplatz, aber er zeigt natürlich, wie Sie bei diesen Dingen vorgehen. Wenn Sie ernsthaft behaupten, die PKK wäre dem Vorschlag des Innenministers gefolgt und nicht umgekehrt, dann wissen Sie entweder wirklich nicht, wovon Sie sprechen, und dann sind Sie fehl im Amt, oder Sie wissen sehr genau, wovon Sie sprechen, dann werden wir überprüfen müssen, ob das im Amt so geht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sie unterstellen uns generelles Misstrauen gegenüber dem Vorgehen der Staatsregierung. Na ja, das ist zwar von einem Klassiker des Marxismus-Leninismus, wenn ich das richtig weiß, aber es ist allgemein gültig: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! – Und die Kontrolle ist in der Verfassung vorgeschrieben, komischerweise nicht das Vertrauen. Davon steht nichts drin.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Wir haben Vertrauen in die Justiz. Wir haben selbstverständlich Vertrauen in die große Zahl von Polizisten, von Beamten, von Richtern, von Staatsanwälten. Das haben wir nie bestritten. Den Dank und die Anerkennung kann ich nur unterschreiben. Genau deshalb müssen die schwarzen Schafe gefunden werden, und genau deshalb muss aufgeklärt werden, wenn es Unregelmäßigkeiten gibt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Und dann muss gefragt werden, wer die einzelnen schwarzen Schafe sind. Mein Verdacht – ich sage „mein Verdacht“, er muss aufgeklärt werden – ist, sie sitzen ganz oben, nicht unten! Darum auch Dank an Polizisten, Richter und Staatsanwälte. Es ist kein Generalverdacht, sondern es ist unsere Pflicht, wenn so ein Verdacht da ist, ihn von der Ebene des Generalverdachts auf die Ebene der Aufklärung zu bringen und zu fragen, wer der Einzelne war. Dann ist es kein Generalverdacht mehr.

Wenn Sie daran Interesse haben, dass der Generalverdacht aus der Welt geschafft wird und dass wir wissen, wer was wann falsch gemacht hat, absichtlich, zufällig, missgeschicklich oder ähnlich, dann müssen Sie allerdings diesem Untersuchungsausschuss zustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem, was vorhin der Ministerpräsident gesagt hat, eines vorweg als Vorbemerkung: In der Tat, diese Auseinandersetzung ist mit Argumenten zu führen, Herr Ministerpräsident. Aber das Gewicht von Argumenten wird nicht in Dezibel gemessen.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, dass diejenigen, die einen Untersuchungsausschuss beantragen, Sachsen mit Schmutz bewerfen oder den Freistaat madig machen wollen, dann erliegen Sie einem Grundirrtum.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Das habe ich nicht gesagt!)

Genau das haben Sie gesagt! Das ist die Methode: „Haltet den Dieb!“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Richtig!)

Nicht diejenigen müssen sich verantworten, die Aufklärung verlangen, sondern diejenigen müssen Auskunft geben, die Verantwortung für das tragen, was im Freistaat Sachsen geschieht und was nicht geschieht.

In diesem Zusammenhang lassen Sie mich eines sagen: Wenn gesagt wird, der Untersuchungsausschuss sei ein Gericht – sowohl der Ministerpräsident als auch Herr Porsch haben das gesagt –, widerspreche ich. Ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich meinte das in Anführungsstrichen!)

Es geht hier nicht um Schuld und Sühne, es geht nicht um eine Anklage, weder der Regierung noch des Freistaates, noch der Justiz, sondern es geht um etwas ganz Einfaches,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Einen Untersuchungsausschuss!)

das gleichzeitig relativ schwierig ist: die Suche nach der Wahrheit, nach dem, was war, und nach dem, was das Parlament braucht, um zukünftig Entscheidungen treffen zu können.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

In dieser Diskussion ist manches vielleicht etwas schief geraten, auch was die Redlichkeit der Argumente angeht. Wenn hier gesagt wird, dieser Antrag sei verfassungsrechtlich bedenklich, kann ich das nicht näher überprüfen, denn keines dieser Bedenken liegt uns schriftlich vor.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die FDP hat vor mehr als einem Monat einen Katalog mit 75 Fragen als möglichen Untersuchungsauftrag eines Untersuchungssausschusses erstellt und allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses zugeleitet mit der Aufforderung, sich gegebenenfalls an der Erarbeitung eines Untersuchungsauftrages zu beteiligen. Herr Hähle, diesen Katalog haben auch Sie bekommen. Bedenken gegen die von der FDP aufgeworfenen Fragen sind nicht geäußert worden.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Der Antrag, der jetzt vorliegt, ist seit dem 28. Juni im Geschäftsgang des Landtages. Änderungsanträge dazu, Anregungen, Wünsche, Bedenken sind uns weder schriftlich noch mündlich mitgeteilt worden.