Gegenstand der Untersuchung des Ausschusses sollen aus unserer Sicht dabei folgende Punkte sein: Zunächst einmal geht es natürlich um die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, der jetzt langsam tätig werdenden Strafverfolgungsbehörden und der öffentlichen Berichterstattung bezüglich der offenbar sehr komplexen Sachverhalte zu kriminellen und korruptiven Netzwerken in Sachsen sowie deren Zustandekommen bzw. Begünstigung infolge von Versäumnissen, Fehlentscheidungen, direkten oder indirekten Einflussnahmen der Staatsregierung bzw. nachgeordneter Behörden.
Wir wollen wissen, welchen Kenntnisstand die Mitglieder der Staatsregierung und nachgeordneter Behörden über die Umstände, den Umfang und das Ausmaß des Wirkens dieser Netzwerke in Sachsen in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Justiz, Polizei, Verwaltungs- und anderer Behörden zu verschiedenen Zeitpunkten hatten, eingeschlossen die persönliche Verstrickung von Politikern, Richtern, Staatsanwälten und anderen Landesbediensteten, und welche Maßnahmen dagegen ergriffen wurden oder auch unterlassen worden sind.
Wir wollen mit dem Untersuchungsausschuss die strukturellen Ursachen und Gründe für eine über Jahre hinweg offenkundig unzureichend wirksame Aufklärung und Verfolgung der Organisierten Kriminalität in Sachsen durch die zuständigen Behörden feststellen, wobei es neben den Staatsanwaltschaften und dem Landeskriminalamt auch um die Verfolgung von auf OK spezialisierten Diensteinheiten der sächsischen Polizei gehen wird. In diesem Zusammenhang wird das martialische und nach derzeitigem Stand nicht zu rechtfertigende Vorgehen von LKA-Beamten gegen das für die Verfolgung Organisierter Kriminalität zuständige Kommissariat der Polizeidirektion Leipzig im Jahr 2002 mit Sicherheit eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus wird in dem gesamten Vorgang auch die Rolle des Innen- und des Justizministeriums sowie der Generalstaatsanwaltschaft näher zu untersuchen sein.
Wir wollen weiterhin wissen, warum insbesondere die Parlamentarische Kontrollkommission über Jahre hinweg von den brisanten Beobachtungen des Landesamtes für Verfassungsschutz durch die zuständigen Innenminister nicht unterrichtet wurde, obwohl es sich dabei ja ganz eindeutig um Vorgänge von besonderer Bedeutung handelte. Insbesondere der frühere sächsische Innenminister und jetzige Kanzleramtschef Thomas de Maizière spielt
hier eine immer dubiosere Rolle. Einerseits behauptet er, dass zu seiner Amtszeit im Sommer 2005 die Erkenntnisdichte nicht ausgereicht habe, um die PKK zu informieren; andererseits hat Herr de Maizière mehrfach betont, dass er es gewesen sei, der angeordnet hätte, die staatsgefährdenden Vorgänge trotz des Verfassungsgerichtsurteils weiter zu beobachten, da die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr sei. Eines aber kann doch nur richtig sein: Entweder waren die Erkenntnisse zu dürftig, dann hätte eine weitere Beobachtung nicht stattfinden können, oder aber es gab tatsächlich konkrete Anhaltspunkte für staatsgefährdende Aktivitäten, dann aber hätte die PKK zwingend informiert werden müssen.
Zu untersuchen sein wird auch, ab welchem Zeitpunkt das Landesamt konkrete Erkenntnisse zu Straftaten hatte, was die Staatsregierung davon wusste und warum diese Erkenntnisse in aller Regel nicht an die Staatsanwaltschaften übergeben wurden.
Sollte sich dabei herausstellen, dass durch politisches Versagen Straftaten verjährt sind und die Schuldigen nicht mehr bestraft werden können, dann allerdings dürften auch die Tage von Herrn de Maizière als Minister gezählt sein.
Wir wollen und können in einem Untersuchungsausschuss – auch das will ich betonen – keine rechtskräftigen Urteile aufheben. Niemand von den Einreichern stellt die richterliche Unabhängigkeit infrage, im Gegenteil, wir wollen diese Unabhängigkeit schützen und – wo nötig – wiederherstellen.
Aber wenn Verfahren wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord wegen angeblicher Geringfügigkeit gegen eine lächerliche Geldbuße eingestellt werden und wenn Angeklagten eine deutlich mildere Strafe zugesagt wird, wenn sie vor Gericht nicht umfassend aussagen, sondern in entscheidenden Punkten die Aussage verweigern und Hintermänner nicht nennen, dann müssen eventuelle rechtswidrige Einflussnahmen auf die Justiz aufgedeckt und für die Zukunft möglichst ausgeschlossen werden.
In diesem Zusammenhang muss aus unserer Sicht auch die in Sachsen nach wie vor existierende politische Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften und das ausufernde Berichtswesen der Staatsanwaltschaft auf den Prüfstand gestellt werden.
Natürlich wollen wir im Ausschuss auch das desolate Krisenmanagement der Staatsregierung im Zusammenhang mit den öffentlich bekannt gewordenen, das Ansehen des Freistaates Sachsen gefährdenden Vorwürfen genauer unter die Lupe nehmen. Wir wollen wissen, warum offenbar über Jahre hinweg Erkenntnisse zu mittleren bis schweren Straftaten vorlagen, ohne dass die
zuständigen Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet wurden. Sollte es Versuche gegeben haben, Informationen zu Straftaten weiterzugeben, die aber durch Vorgesetzte unterbunden wurden, dann ist das ein Fall für den Untersuchungsausschuss, am Ende wohl aber auch für die Staatsanwaltschaft.
Wir wollen wissen, wer die politische und juristische Verantwortung dafür trägt, dass offenbar in großem Stil Akten des Verfassungsschutzes, aber auch Originalunterlagen von Gerichten und Staatsanwaltschaften vernichtet worden sind, wodurch nun eine umfassende Aufklärung massiv erschwert wird. Letztlich wollen wir auch wissen, welche Konsequenzen zur künftigen Gewährleistung der uneingeschränkten Funktionsfähigkeit elementarer rechtsstaatlicher Informations- und Kontrollmechanismen, zur Beseitigung etwaiger Regelungslücken, zur Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften die Staatsregierung aus den Vorgängen und deren Aufarbeitung gezogen hat.
Wenn die Regierung dazu unfähig sein sollte, dann muss das Parlament im Ergebnis des Untersuchungsausschusses dazu die notwendigen Entscheidungen treffen. Eine neuerliche Übertragung der Beobachtung der Organisierten Kriminalität an den Verfassungsschutz, womöglich noch mit einer entsprechenden Verfassungsänderung, wäre mit Sicherheit das absolut falsche Signal.
Wer jetzt so etwas ernsthaft fordert, der hat offenkundig weder den Ernst der Lage noch die Ursachen für die eingetretene Situation begriffen. Diese Aussage gilt auch für alle eventuellen Versuche, die Einsetzung des nun wirklich unvermeidbar gewordenen Untersuchungsausschusses mit Geschäftsordnungstricks bzw. an den Haaren herbeigezogenen verfassungsrechtlichen Bedenken zu blockieren oder zumindest hinauszuzögern.
Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren, insbesondere von der Koalition: Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben für derartige Spielereien kein Verständnis!
(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN – Staatsminister Thomas Jurk: Dann hören Sie damit auf!)
Die Bürgerinnen und Bürger wollen, wie die Einreicher des vorliegenden Antrages, eine schnelle und umfassende Aufklärung sowie eine nachhaltige Zerschlagung der kriminellen Netzwerke.
Die Koalition wird sich entscheiden müssen: Entweder sie missbraucht ihre Mehrheit, um die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu behindern, denn verhindern kann sie ihn ohnehin nicht, oder aber CDU und SPD beweisen, dass auch sie die Vorgänge aufklären und die richtigen Konsequenzen daraus ziehen wollen; dann aber dürfen sie das in der Verfassung verankerte Minderheitenrecht zur
Ich sage auch hier mit aller Deutlichkeit: Wir waren und wir sind gesprächsbereit, was einzelne Formulierungen angeht, wenn tatsächlich etwas missverständlich sein sollte, es also um konkrete Missverständnisse geht. Der Antrag liegt seit Donnerstag vor. Es waren sechs Tage Zeit, irgendwelche Bedenken zu artikulieren. Bis zum heutigen Tag haben wir keine offizielle Information über eventuelle Änderungswünsche, Missverständnisse oder Probleme weder von den Koalitionsfraktionen noch vom Juristischen Dienst des Landtages, zu denen wir uns hätten positionieren können. Sie haben es einfach versäumt, Ihre Bedenken zu äußern.
Deshalb sage ich Ihnen mit allem Nachdruck: Wir werden definitiv nicht zulassen, dass der Untersuchungsauftrag des Ausschusses durch die Koalition verwässert wird.
Wenn Sie den Untersuchungsausschuss verhindern wollen, dann stellen Sie sich hier hin und sagen Sie es offen!
Aber das Grundanliegen des Untersuchungsauftrages steht nicht zur Disposition. Auch Sie müssen das Minderheitenrecht der Verfassung akzeptieren.
Wir bleiben dabei: Der Ausschuss ist notwendig und er wird letztlich sowieso zustande kommen. Deshalb – das ist meine Bitte – sollte heute auf parteipolitisches Geplänkel verzichtet werden.
(Lachen bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Frank Kupfer, CDU: Über so viel Unfug müssen Sie selbst lachen!)
Herr Ministerpräsident, lassen Sie uns den Untersuchungsausschuss unverzüglich einsetzen und damit auch gegenüber der Bevölkerung dokumentieren, dass wir unseren Kontrollauftrag als gesamtes Parlament ernst nehmen. Der Ausschuss ist überfällig. Wir sollten ihn einsetzen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte darum, dass wir die Reihenfolge der Redner der Fraktionen verändern, da neben der Linksfraktion auch die Fraktionen der FDP und der GRÜNEN Miteinreicher des Antrages sind. Wenn Sie damit einverstanden sind, könnten wir so verfahren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Antrag vorweg ein Zitat – es ist immer gut, wenn man sich das vor Augen hält: „Ein Untersuchungsausschuss des Landtages hat die Aufgabe, Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen und dem Landtag darüber Bericht zu erstatten.“
Insofern verstehe ich die Aufregung nicht, wenn man darauf hinweist, was im Untersuchungsausschussgesetz steht.
Es geht um Sachverhalte, also abgeschlossene Geschehnisse, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, um das, was diesen Untersuchungsausschuss erforderlich macht. Und das, was Gegenstand des Untersuchungsauftrages sein soll, liegt zweifelsfrei im öffentlichen Interesse, meine Damen und Herren.
Es gibt im Freistaat Sachen ein Verfassungsschutzgesetz. Auch das ist ein Gesetz, das mit den Stimmen der Union verabschiedet worden ist. Es ist ein Gesetz, an das sich alle zu halten haben, selbst die Staatsregierung. Auch der Verfassungsschutz hat sich an das Gesetz zu halten, sollte man meinen. Nach den Vorkommnissen oder den Kenntnissen der letzten Wochen besteht allerdings die Befürchtung, dass das Gesetz möglicherweise selbst beim Verfassungsschutz in den Schredder geraten ist.