Protocol of the Session on July 4, 2007

Damit das ganz klar ist: Diese 15 600 Seiten sind nicht die Unterlagen, die gelöscht oder vernichtet worden sind. Der Stein des Anstoßes ist also völlig unbeschädigt erhalten. Das wollen wir erst einmal feststellen. Dazu später noch mehr.

Kommen wir zum Text des Einsetzungsbeschlusses, zum Untersuchungsauftrag des geplanten Untersuchungsausschusses, der weitgehend die Handschrift des ehemaligen Abteilungsleiters Staat und Recht der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt trägt. – Herr Lichdi, zum Beispiel. – Hier ist nichts mehr mit vornehmer Zurückhaltung und einer Formulierung im Konjunktiv. Hier ist die Rede von der Verantwortung der Staatsregierung für schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung krimineller und korruptiver Netzwerke.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ja!)

Anmerkung: Den Begriff „korruptiv“ findet man, auch wenn man noch so sehr sucht, nicht im „Duden“.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Macht aber nichts!)

Vielleicht ist das Stasi- oder SED-Jargon.

(Gelächter bei der Linksfraktion)

Das weiß nicht einmal ich.

Also, krimineller und korruptiver Netzwerke.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident. Ich möchte das einmal zusammenhängend darstellen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Aber Sie dürfen nichts Falsches sagen!)

In einer Minute und 30 Sekunden habe ich schon manchmal etwas in die Kamera gesagt. Heute will ich einmal länger über die Dinge sprechen und lasse mich da nicht durch Ihre Zwischenfragen stören. Diese dienen ja auch nicht der Aufklärung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich wollte Ihnen helfen, Herr Hähle!)

Also, es geht um „kriminelle und korruptive Netzwerke unter Beteiligung“ – das steht alles schon fest – „von Vertretern aus Politik und Wirtschaft, von Richtern, Staatsanwälten, sonstigen Bediensteten der sächsischen Justiz, von Polizei, von Landes- und Kommunalbehörden sowie um das Versagen rechtsstaatlicher Informations-,

Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen in Sachsen“, in Klammern noch einmal zusammengefasst: „kriminelle und korruptive Netzwerke in Sachsen“.

Das, was bisher noch niemand sicher weiß und noch nicht wissen kann, wird zur absolut feststehenden Tatsache erhoben, ohne dass bisher ein einziger Beweis dafür erbracht worden ist.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Aber es wird schon Tage vorher, seit der Ankündigung der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von Herrn Hahn und anderen der Eindruck erweckt, nur dieser Ausschuss könne nun Licht in das Dunkel bringen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Auch dieser Ausschuss!)

Die sächsische Bevölkerung, die sehnsüchtig darauf wartet – wir eingeschlossen –, dass endlich offenbar wird, was an den Vorwürfen dran ist, sieht sich getäuscht, denn in dem gesamten Antrag ist zum Auftrag des Untersuchungsausschusses an keiner Stelle die Rede davon, dass man sich die Aufzeichnungen des Verfassungsschutzes überhaupt irgendwann einmal ansehen will, um vielleicht wenigstens die Beschuldigungen im Einzelnen kennenzulernen.

(Zurufe der Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nein, nichts von alledem. Lesen Sie doch Ihren eigenen Antrag! Es geht einzig und allein darum, die Verantwortung der Staatsregierung zuzuschieben – wohlgemerkt für etwas, das noch gar nicht festgestellt worden ist –,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Was Sie heute sagen, können Sie nicht mal verschenken!)

und man lässt keinen Zweifel daran, dass die Verantwortlichen eigentlich schon feststehen: die Staatsregierung.

Wissen Sie – nun muss ich Herrn Lichdi schon wieder enttäuschen, ich kann nicht anders, es kommt mir immer wieder hoch –, das ist aus meiner Sicht SED-Klassenjustiz pur.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der Linksfraktion)

Eine selbst ernannte Avantgarde bestimmte nach Gutdünken über Wohl und Wehe von Menschen. Rechtsstaatliche Prozesse fanden nicht statt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie können sich nicht lösen vom kalten Krieg!)

Wie das Urteil auszusehen hatte, bestimmte die führende Partei im Staat der Arbeiter und Bauern. Das ist zumindest geschichtlich erwiesen.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Schön, dass Sie schreien.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hören Sie auf mit kaltem Krieg!)

Nun – jetzt kommt es – soll nach dem gleichen Muster die Unabhängigkeit der Justiz im demokratischen Rechtsstaat ignoriert werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Dann darf kein Mensch Klage erheben nach Ihrer These! – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Jeder macht sich auf seine Weise interessant!)

Der Untersuchungsausschuss des Landtags soll zum Beispiel die Urteile der zuständigen Strafgerichte einer Beurteilung unterziehen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Wo steht das?)

Das steht hier drin, im Einsetzungsantrag. Lesen Sie es nach!

(Zurufe von der Linksfraktion: Wo denn? – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf um Aufmerksamkeit bitten. Ich darf darauf verweisen, dass den anderen Rednern auch zugehört worden ist.

Es ist von Kontrolle der Strafgerichte die Rede. Jeder kann es doch nachlesen.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Also, wenn Sie jetzt schon leugnen, was Sie geschrieben haben! Natürlich wollen Sie die Urteile nicht anzweifeln, aber irgendwie revidieren wollen Sie sie doch. Oder wie haben Sie sich das sonst vorgestellt?

Ich meine, das alles sind Ungeheuerlichkeiten, die wir bei allem Aufklärungswillen so nicht durchgehen lassen können.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion – Weitere Zurufe von der Linksfraktion)

Die Urteile der dritten Gewalt können nicht durch die erste Gewalt kontrolliert und schon gar nicht revidiert werden.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Klaus Bartl und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das hatten wir schon zweimal in der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert und das soll nie wieder so sein.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Aber die Regierung darf Einfluss nehmen?)

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die CDUFraktion – ich erwähnte es schon – ist für schonungslose Aufklärung.

(Beifall bei der CDU – Gelächter bei der Linksfraktion)