Wir wollen optimale Lernbedingungen, unabhängig vom sozialen Status und Einkommen der Eltern. Insofern ist die Zielrichtung, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf haben, vielleicht auch von vielen tragbar. Es bleibt trotzdem festzustellen, dass die Linksfraktion diese Zielstellung vielleicht im Auge hat; aber wir stimmen nicht über Zielvorstellungen, sondern über einen konkreten Gesetzentwurf ab.
Ich habe Ihnen in verschiedenen Punkten begründet, warum wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Linken verfolgt im Wesentlichen folgende Ziele: uneingeschränkter Rechtsanspruch über neun Stunden in einer Kita bzw. sechs Stunden für Hortkinder, kostenfreies Vorschuljahr als Einstieg in die Kostenfreiheit, Absenkung des Betreuungsschlüssels auf eins zu zwölf und „positive“ Diskriminierung für Kitas in sozialen Brennpunkten.
Zunächst einmal sind wir uns sicher fast alle einig, dass diese Zielsetzungen grundsätzlich zu begrüßen sind. Dennoch enthält dieser Entwurf aus Sicht der NPDFraktion einige fragwürdige Punkte.
Wir stimmen mit den Linken überein, wenn sie den uneingeschränkten Rechtsanspruch jedes Kindes auf einen Platz in Kita oder Hort im Gesetz verankern wollen. Zugangskriterien sollte es auf keinen Fall mehr geben. Natürlich kann man auch zu Recht fragen, ob Kinder arbeitsloser Eltern nicht auch zu Hause betreut werden könnten, zumal sich gerade meine Fraktion und meine Partei immer dafür stark machen, die häusliche mit der außerhäuslichen Erziehung und Betreuung gleichzustellen, und zwar auch finanziell. Aber angesichts der Verwahrlosung von Kindern stellt sich diese Frage nicht. Meine Fraktion vertritt in diesen Fällen die Ansicht, dass die frühkindliche bzw. kindliche Entwicklung unter fachgerechter Betreuung erheblich stärker profitieren kann als bei einem Verbleib zu Hause. Außerdem können in diesem Fall Entwicklungsstörungen früher erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Deshalb erhebt die NPD-Fraktion auch keine Einwände gegen die geforderte doppelte Landespauschale für Kinder mit Auffälligkeiten oder Defiziten.
Es ist erschreckend, dass in bestimmten Bereichen sächsischer Großstädte bis zu 70 % der Kinder im Vorschulalter schwere Verhaltensauffälligkeiten und massive Sprachentwicklungsverzögerungen aufweisen. Aber hier geht es nach unserer Ansicht nicht nur darum, Schadensbegrenzung zu betreiben. Wir fragen auch, wie es dazu kommen konnte, dass in unserem Land viel zu wenig deutsche Kinder geboren werden, sondern unter den wenigen zum ersten Mal so viele sind, die körperliche, geistige und Verhaltensanomalien aufweisen. Wir stellen auch die Frage, wer dafür die Verantwortung trägt.
Wir stimmen den Linken ebenfalls zu, dass die Kindertageseinrichtungen vor allem in sozialen Brennpunkten kostenlos, also elternbeitragsfrei, sein sollten; beitragsfrei zumindest für diejenigen, die es bei finanzieller Belastung des Familienbudgets vorziehen würden, die Kinder daheim zu behalten.
Aber der Gesetzentwurf hat auch seine Pferdefüße. Dabei beziehe ich mich vor allem auf die gebundene Ganztagsschule im Grundschulbereich, die von den Linken als Ziel angesehen wird, wie Herr Abg. Neubert bei der Einbringung betont hatte. Das können wir nicht mittragen. Sie sprechen von einer allgemein zunehmenden Akzeptanz der Förderung für Ganztagsschulen. Wir haben in Sachsen eine offene Form, und in der Anhörung wurde es auch deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen mit der neuen Richtlinie sehr zufrieden ist.
Abschließend noch kurz zur Finanzierung: Mit einer solchen Kostenfreiheit würden natürlich in Sachsen Standards geschaffen, die weit über denen der alten Bundesländer liegen. In der Anhörung äußerte der Vertreter des SSG, dass mit einer solchen Maßnahme der notwendige Solidarpakt von den alten Bundesländern infrage gestellt werden könnte, zumindest eine Debatte über die weitere Notwendigkeit für zusätzliche soziale Leistungen angestoßen würde. Diesen Bedenken müssen wir uns anschließen. Den politischen und sozialen Forderungen
des Gesetzentwurfes aber möchte sich die NPD-Fraktion nicht versagen. Wir werden deshalb trotz einiger Bedenken zustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu den Vertretern der Koalition haben wir kein Problem, dem Gesetzentwurf der Linksfraktion zuzustimmen. Es wird Sie vielleicht auch nicht verwundern, wenn Sie auf die parlamentarischen Initiativen der FDP-Fraktion schauen. Wir haben bereits im November 2005 die Einführung eines kostenlosen Vorschuljahres in Sachsen beantragt. Wir haben eine Initiative gestartet, die ein Verbot von Zugangskriterien zu Kinderkrippen und Kindergärten vorsah. Nicht zuletzt haben wir uns im März für die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz von Geburt an starkgemacht.
Wir glauben, dass der Gesetzentwurf der Linksfraktion ein Instrument ist, um Sachsen auf dem Weg zu einem der kinder- und familienfreundlichsten Bundesländer weiter voranzubringen.
Sachsen hat in der Vergangenheit nicht alles falsch gemacht, sondern im Gegenteil wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Wir wissen heute, dass ein kinder- und familienfreundliches Umfeld ein Trumpf im Wettbewerb mit anderen Bundesländern ist und auch eine Magnetwirkung auf Familien entfalten kann.
Wir wissen aber auch, dass viele dieser Weichenstellungen nicht allein in den letzten 17 Jahren vorgenommen wurden. Der Erfolg, den Sachsen bei der Betreuungsquote im Vergleich zu anderen Bundesländern heute noch hat, geht zum großen Teil auf eine Vergangenheit zurück, die wir aus DDR-Zeiten geerbt haben.
Natürlich in der Kinderbetreuung! – Dieses Erbes muss sich Sachsen auch in Zukunft erst noch als würdig erweisen. Wenn man schaut, was die Staatsregierung vorhat, wie sie argumentiert, dann kommen einem schon manchmal Zweifel. Wir sind in der glücklichen Situation, dass die Geburtenzahlen in einigen Gebieten Sachsens steigen. Doch wenn ich mir die Diskussion der Staatsregierung anschaue, gerade auch, was der Kultusminister in der bundesweiten Diskussion geäußert hat, dann, glaube ich, hat sie ein eigenartiges Verständnis zum Thema Kinderbetreuung.
Natürlich hat die Staatsregierung einiges getan. Die Unterstützung, die Kofinanzierung für die Krippenplätze ist von 15 auf 20 Millionen Euro aufgestockt worden.
Wir wissen aber auch aus Anfragen in diesem Hohen Haus, welchen enormen Bedarf wir haben. Aus der Anfrage des Kollegen Neubert zur Kita-Sanierung haben wir erfahren, dass allein 264 Millionen Euro benötigt werden. Wenn wir uns den Neubaubedarf anschauen, dann kommen weitere 121 Millionen Euro hinzu. Schauen wir uns ein Beispiel an:
Die Stadt Dresden, Frau Orosz: 1 000 neue Kitaplätze sollen in den nächsten Jahren geschaffen werden. Darin besteht im Übrigen auch fraktionsübergreifend Übereinstimmung. Das kostet 12 Millionen Euro. Sie sehen, 20 Millionen Euro des Landes sind hier ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele Kommunen können die gigantischen Aufgaben mit diesen Zuschüssen nicht bewältigen.
(Beifall bei der FDP – Staatsministerin Helma Orosz: Die Kommunen sind zuständig, das vergessen Sie wohl?!)
Die Koalition ist der Meinung, dass dies wünschenswert, aber nicht finanzierbar ist. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Wir haben in diesem Haus – das ist nicht allzu lange her – 60 Millionen Euro für die Sächsische Aufbaubank und 23 Millionen Euro für das Weingut Wackerbarth beschlossen. Das Geld ist also schon vorhanden, die Frage ist nur, wo Sie die Prioritäten setzen.
(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion – Staatsministerin Helma Orosz: … 55 Millionen Euro für die Kitas beschlossen!)
Meine Damen und Herren! Genau dieses Beispiel zeigt, dass CDU und SPD ihren familienpolitischen Offenbarungseid geleistet haben.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist gut, er macht Sachsen kinder- und familienfreundlicher und er fördert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir können dem Gesetzentwurf zustimmen und ich kann Sie nur bitten, ihm auch zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Kollegin Herrmann hat mich gebeten, dass ich sie vertrete. Das mache ich natürlich gern.
Seit dem Sächsischen Bildungsplan ist klar, dass die Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind. Das bestreitet hier niemand. Und, Herr Neubert, natürlich
heißt das in Zukunft auch, dass es eine Beitragsfreiheit geben muss – aber eben in der Zukunft. Wir sprechen über ein schrittweises Vorgehen. Das ist der Unterschied.
Es geht überhaupt nicht darum, dass DIE LINKE etwas ganz anderes als die meisten in dieser Runde will – das ist nicht der Fall –, sondern es geht um die Frage, was in welcher Zeit und in welchem finanziellen Umfang getan wird. Dabei hat die große Mehrheit unserer Fraktion eindeutig entschieden, dass das kostenfreie Vorschuljahr der zweite vor dem ersten Schritt wäre, wobei wir bei dem begrenzten Geld der Meinung sind, dass der Qualitätsausbau vorgehen muss.
Nun zur Praxis. In der Praxis haben wir im Kita-Bereich einen Personalschlüssel von eins zu 13. Damit ist dieser ehrgeizige Bildungsansatz nicht machbar, das wissen auch Sie, Frau Orosz. In der Praxis heißt das: In der Regel arbeitet eine Erzieherin in einer Gruppe mit 15 bis 18 Kindern. Eine Erzieherin kann 18 Kinder nicht individuell fördern. Das ist abwegig. Es geht nicht nur um individuelle Anregungen, sondern auch um intensive Zuwendung, um Vor- und Nachbereitungszeiten, um berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung und um Elterngespräche.
Wir hatten, wie ich finde, mit soliden Vorschlägen zur Finanzierung versucht, im Haushaltsverfahren einen Betreuungsschlüssel von eins zu zehn für dieses Land zur Regel zu machen. Damit hätten wir sehr schnell eine Verbesserung der Qualität erreicht. Die Staatsregierung ist dem nicht gefolgt. Das war Ihre Entscheidung. Aber – nun sind wir beim Entwurf der Linksfraktion – nach welchen Kriterien wollen Sie ohne Stigmatisierung diese 900 Euro festlegen? Welche benachteiligten Kinder sollen das Geld bekommen? Was passiert dann mit dem Geld? Ist es nicht so, dass es auch bildungsnahe, gut situierte Eltern gibt, die sich keine Zeit für ihre Kinder nehmen und es an Zuwendung fehlen lassen? Emotionale Verwahrlosung ist doch kein negatives Privileg einer Klasse.