Es ist sicher kein Zufall, dass der Direktwahlvorschlag von einem Bundespräsidenten stammt, der selbst gar nicht aus der politischen Klasse im engeren Sinne kommt; denn wäre Horst Köhler den Weg über die Parteien und die Parlamente gegangen, wüsste er, dass allein die Direktwahl des Bundespräsidenten bei Weitem nicht ausreicht, um an dem politischen Grundübel der Bundesrepublik etwas zu ändern: der allumfassenden Herrschaft einer Parteienoligarchie.
Wie gesagt, Prof. von Arnim hat die legendäre Formulierung gebraucht, dass sich die Parteien diesen Staat zur Beute gemacht haben. Das Grundübel ist diese Parteienoligarchie, die alle möglichen Interessen vertritt, aber bestimmt nicht die der meisten Deutschen und erst recht nicht der sozial Schwachen.
Die real existierende parlamentarische Demokratie ist gar keine wirkliche Volksherrschaft, ja sie ist noch nicht einmal eine parlamentarische Demokratie im Sinne der strikten Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung. Die Judikative lasse ich hier einmal außen vor, obwohl die aktuelle sächsische Korruptionsaffäre auch große Zweifel an der Unabhängigkeit und der Funktionstüchtigkeit der Justiz nährt. Dass die Parlamente weitgehend nur von Parteiinteressen instrumentalisiert und monopolisiert werden und von einer Gewissensfreiheit der Abgeordneten de facto keine Rede sein kann, weil diese von ihren Partei- und Fraktionsführungen an der kurzen Leine gehalten werden, ist auch in diesem Hause ganz offensichtlich. Man muss nur an das konzertierte und auch ideologiegeleitete Ausgrenzungsverhalten der anderen Fraktionen gegenüber der NPD-Fraktion denken, ganz egal, um welches – auch rein sachpolitische – Anliegen es geht.
Auch von einer Kontrolle der Regierung durch das Parlament kann keine Rede sein, wenn es als politisch tödlicher Regelverstoß gilt, als Abgeordneter der Mehrheitsparteien einmal einem Antrag der Regierung die Zustimmung zu verweigern. Ich kann mich gut daran erinnern, wie Frau Weihnert hier im Landtag einmal eine leidenschaftliche Rede für einen Oppositionsantrag hielt, um 10 Minuten später prompt dagegen zu stimmen. Der Gedanke von Bundespräsident Köhler sollte Anlass zu einer grundsätzlichen Debatte über die zahlreichen Fehlentwicklungen, Erstarrungen und zur Korruption einladenden Formen des real existierenden Parlamentarismus sein, eines Parlamentarismus, der in Alltagsformen nur die Karikatur einer Volksherrschaft ist.
Ein Bundespräsident – und damit schließe ich – aus dem Volk, für das Volk und durch das Volk selbst gewählt, könnte eine solche nötige Reform –
(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das waren die finsteren Dreißigerjahre!)
Gibt es weiteren Redebedarf? – Ich frage die Staatsregierung. – Nein. Dann ist die Aktuelle Debatte abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 3 beendet.
Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt, außerdem erhält die Ausschussvorsitzende als Berichterstatterin das Wort. Ich erteile zunächst der Ausschussvorsitzenden, Frau Simon, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Petent regte an, Ausnahmeregelungen zur Parkerleichterung für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde bei nicht besserungsfähigen Körperschäden unbefristet zu erteilen. Da dies unter Widerrufsvorbehalt nach der aber offensichtlich nicht überall bekannten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung ohnehin bereits möglich ist, sagten SMWA und Regierungspräsidium zu, diese Bestimmungen besser bekannt zu machen – auch, um den Behörden unnötige Arbeiten zu ersparen. So konnte dem Anliegen des Petenten entsprochen und Gutes für viele andere getan werden.
Einem anderen Petenten sollten Fahrtkosten für eine vorstationäre Behandlung nicht erstattet werden. Wegen der Petition prüfte das Sozialministerium diesen Fall nochmals. Dabei stellte sich heraus, dass die Krankenkassen unter bestimmten Bedingungen diese Leistungen zu tragen haben, was dann auch erfolgte. So konnte einem durch epileptische Anfälle stark belasteten Petenten doch noch geholfen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind nur zwei Beispiele aus dem Jahr 2006, bei denen der Petitionsausschuss erfolgreich war. Sie gehören zu den 926 Petitionen, die im genannten Jahr an den Sächsischen Landtag gerichtet wurden und von denen 192 zu Lösungen im Sinne der Petenten führten. Darüber hinaus wurden 94 weitere Petitionen an die Staatsregierung überwiesen mit der Bitte des Parlaments, die Beschlussempfehlung zu berücksichtigen, das Anliegen als Material zu prüfen oder andere im Sinne des Petenten geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Auch dadurch konnten weitere positive Entscheidungen erreicht werden.
In den anderen Fällen konnte der Ausschuss nicht helfen, da entweder das kritisierte Verwaltungshandeln nicht zu beanstanden war oder die gewünschten Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen nicht erfolgen konnten. Ihnen ist sicherlich das auch hier im Hause heiß diskutierte Anliegen der Garagennutzer, eine Novellierung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes zu erreichen, noch in guter Erinnerung.
Ebenso werden die umfangreichen und leidenschaftlichen Bemühungen, den Astronomieunterricht als selbstständiges Fach zu erhalten, in die Geschichte des Landtages eingehen. Immerhin gab es dazu Einzelpetitionen aus ganz Deutschland und anderen europäischen Staaten, Sammel- und Massenpetitionen mit insgesamt 34 600 Unterschriften, eine Anhörung im Schulausschuss mit einem eindeutigen Unterstützungsvotum der Sachverständigen sowie zahlreiche persönliche Kontakte mit Abgeordneten und sehr viel interessantes Material.
Auch sonst war Kultus wieder Spitzenreiter bei den Petitionen: Allein 177 gingen zu diesem Bereich ein. Ein großer Teil davon bezog sich auf Änderungen in der sächsischen Schulstruktur. Den zweiten Platz belegten das Justizwesen und der Justizvollzug mit 100 Petitionen. Am aktivsten schrieben die Großstädter Petitionen, in der Reihenfolge Dresden, Leipzig, Chemnitz. Die zufriedensten Sachsen leben offenbar im Niederschlesischen Oberlausitzkreis, denn von dort kamen die wenigsten Petitionen.
Als großes Problem empfinde ich immer wieder die Dauer der Bearbeitung einer Petition, obwohl sich diese dank der Arbeit der Ausschussmitglieder sehr verkürzt hat. Dafür danke ich als Vorsitzende allen Mitgliedern des Petitionsausschusses.
Immerhin konnten 373 Petitionen innerhalb von nur sechs Monaten, zwölf davon sogar innerhalb von nur drei Monaten abgeschlossen werden. Aber bei 20 % aller Petitionen dauerte die Bearbeitung länger als ein Jahr. Dies ist jedoch nicht unbedingt Ausdruck schleppender Arbeit des Ausschusses. Eine gründliche und umfassende Beschäftigung mit den Anliegen, unter anderem durch Akteneinsichten und Vor-Ort-Termine, dauert seine Zeit, ist aber im Sinne der Petenten und wird von diesen auch so verstanden, zumindest von den meisten.
Ebenso muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass der Petitionsausschuss eben auch wirklich viele Male die letzte Instanz ist, nachdem sich die Bürgerinnen und Bürger zum Teil schon seit der Wende mit Anliegen herumgeschlagen haben und sie nicht in ihrem Sinne klären konnten. Daher empfinde ich zunehmend die Bearbeitungsdauer von Anträgen, zum Beispiel beim Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, als sehr bedrückend. Eine Petition aus der
In den Jahren meiner Zugehörigkeit zum Petitionsausschuss habe ich auch erlebt, dass Petenten vor Abschluss ihres Petitionsverfahrens entnervt aufgegeben haben, weil sich dieses wegen ausbleibender Entscheidungen zuständiger Ämter über zu viele Jahre hinzog. Ebenso habe ich erlebt, dass Bürger sogar bei sich abzeichnendem Erfolg ihre Petition zurückzogen, weil sich in den vielen Jahren des Verfahrens der Zustand des Gebäudes, dessen Rückerlangen ihr Anliegen war, so verschlechtert hatte, dass die nun notwendige Instandsetzung ihre Kräfte überstiegen hätte.
Fast alle Petenten solcher jahrelangen Verfahren beklagen ständig wechselnde Ansprechpartner in den Behörden und gegenüber diesen das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins. Ich glaube, solche Fälle bieten ausreichend Anlass, darüber nachzudenken, wer eigentlich wem zu dienen hat: die Verwaltung dem Bürger oder umgekehrt.
Dass sich unter diesen Bedingungen viel Ärger anstaut, ist sicherlich verständlich. Dennoch sind dafür weder die Vorsitzende und noch viel weniger die Mitarbeiter des Referats Petitionen der richtige Adressat. Was Letztere sich manchmal anhören müssen, erfordert schon viel Vertrauen in das Gute im Menschen. Das können Sie mir wirklich glauben. Dass sie dennoch mit viel Schwung und Elan mehr als nur ihre Arbeit machen und dank ihres Referatsleiters, Herrn Scholz, in guter Atmosphäre mit viel persönlichem Engagement, Geduld und Ausdauer sowie nie versiegender Freundlichkeit eine tolle Unterstützung für die Ausschussmitglieder sind, möchte ich heute einmal ganz besonders benennen und den Dank des Ausschusses dafür aussprechen.
Jawohl, es gibt einige, wenn auch wenige Petenten, die mit Drohungen, mit persönlichen Beleidigungen und Beschimpfungen den Mitarbeitern das Leben schwer machen. Es gibt aber auch Petenten, deren persönliches Schicksal nach Krankheiten, Unfällen, vermeintlichen oder tatsächlichen Ungerechtigkeiten betroffen macht, wo die Mitarbeiter helfen wollen und ihr Bestes geben. Ich bitte daher auch im Namen des Ausschusses die Landtagsverwaltung um weitere Unterstützung durch mögliche Schulungen für Konfliktbewältigung und Aggressionsabbau. Das Referat hat jetzt neue und junge Mitarbeiterinnen, denen derartige psychologische Hilfen angeboten werden müssen.
In diesem Zusammenhang bitte ich auch die Ministerien um besonderes Verständnis. Petitionen sollten nicht ausschließlich unter juristischen Aspekten geprüft werden, sondern es sollten die Bürger und ihre Anliegen im Vordergrund stehen. Ermessensspielräume sollten nicht
Wir müssen es ebenso gemeinsam schaffen, die Würde des Petenten auch dann zu wahren, wenn seinem Anliegen nicht entsprochen werden kann. Um mein Anliegen zu verdeutlichen, ein Beispiel aus einer Stellungnahme eines Ministeriums – das könnte für jedes Ministerium gelten – zum Umgang mit dem Anliegen eines Petenten, wie wir ihn gemeinsam nicht akzeptieren sollten: Eine Petentin, vertreten durch eine Rechtsanwältin, bemühte sich im Jahre 2006 um eine Opferentschädigung, die sie nicht erhielt. Ihr Lebenslauf ist kurz erzählt: sexueller Missbrauch durch den Vater, Kinderheim, Jugendwerkhof, endlose Gewaltspirale ein Leben lang, psychisch krank. In der Stellungnahme wurde eingeschätzt – ich zitiere –, „der sexuelle Missbrauch sei zwar traumatisierend gewesen, die jetzt vorliegende Persönlichkeitsstörung hätte sich aber wahrscheinlich auch ohne den sexuellen Missbrauch entwickelt“.
Ist das nicht furchtbar? Ist es wirklich notwendig, sich zur Abwehr unberechtigter Ansprüche einer derartigen eiskalten und entwürdigenden Argumentation zu bedienen? Der Petitionsausschuss entschloss sich, diesem Geist nicht zu folgen. Ich war ihm dafür wirklich sehr dankbar.
Dennoch möchte ich Ihnen auch dieses Jahr wieder und aus Anlass des schon im Mai fertiggestellten Jahresberichts 2006 versichern, dass mir persönlich der Petitionsausschuss der liebste Ausschuss ist. Er verkörpert das pralle Leben, gibt viele Anregungen für zu Verbesserndes, schärft den Blick für manche Kleinigkeiten mit großer Wirkung. Deshalb sollten seine Berichte für alle Politiker Pflichtlektüre bleiben im Interesse guter Bodenhaftung und Wirklichkeitsnähe.
Den Ministerien und Behörden danken wir für ihr Engagement, der Sächsischen Ausländerbeauftragten für ihre große Unterstützung, dem Datenschutzbeauftragten für seine Anregungen und allen Mitgliedern des Ausschusses und des Petitionsdienstes nochmals sehr herzlich für ihre gute Arbeit.
(Beifall bei der Linksfraktion, der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Klaus Baier, fraktionslos)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist ein Tag des Dankes. Das ist schön. Man muss sich ja nicht immer streiten, man kann auch wie heute vielen Danke sagen.
Gemäß der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages legt der Petitionsausschuss dem Landtag jährlich einen schriftlichen Bericht über seine Tätigkeit vor.
Hier ist er, meine Damen und Herren. Sie haben ihn alle und wie ich Sie kenne, haben Sie schon interessiert darin gelesen und alle Beispiele wohlwollend verarbeitet.
Dass wir den Jahresbericht des Petitionsausschusses erstmals vor der Sommerpause im Plenum behandeln können, verdanken wir zum einem dem Referat Petitionsdienst – Frau Simon sagte es schon –, das unter der Leitung von Manfred Scholz die wichtigsten Daten für den Berichtszeitraum zusammengetragen und den Bericht dem Petitionsausschuss schon sehr frühzeitig zur Beratung vorgelegt hat.