Protocol of the Session on June 6, 2007

(Beifall bei der SPD)

Bei mir beginnt die Diskussion. Wir sind hier im Sächsischen Landtag und in den Ausschüssen, und ich bin auch kein Landrat. Vielleicht entwickelt sich da einmal etwas in Zukunft, um das auch noch einmal klar zu sagen.

Was mich wirklich stört, ist, dass der Kollege Scheel von der Linksfraktion.PDS so tut, als hätte es ausschließlich in Sachsen eine solche Debatte gegeben. Ich habe in der Tat gesagt, man sollte sich überraschen lassen. Ich glaube,

dass uns das auch gelungen ist. Oder nicht? Es ist uns doch gelungen. Eines können Sie doch nicht abstreiten. Sie können uns doch nicht ernsthaft abstreiten, dass wir uns als Koalition Gedanken über die Zukunft des Landes machen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wenn Sie mir vorwerfen wollen, dass ich mich im Lenkungsausschuss innerhalb der Koalition mit der Staatsregierung über einen gangbaren Weg mit Kompromissen verständigen will, dann muss ich mich vielleicht bei Ihnen entschuldigen, dass ich mir Gedanken über das Land mache.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege Scheel, es ist Aufgabe der Koalition, die diese Regierung trägt, dass man sich Gedanken darüber macht. Die Opposition kann das begleiten, das tut sie auch. Diese Reform ist eine große Herausforderung. Die Sorgen, die Nöte und die Ängste müssen ernst genommen werden – keine Frage. Es ist auch für den Parlamentarismus wichtig, dass wir das tun. Aber es ist auch wichtig, dass wir versuchen, darüber einen Kompromiss zu finden, denn wir können nicht in allen Fragen strittig in eine Entscheidung gehen. Das heißt, wir werden uns hoffentlich eine lange Zeit nehmen, um zu diskutieren, aber am Ende muss eine Entscheidung stehen.

Bei dieser Entscheidung bin ich froh, noch einen Punkt zu nennen, der eine klare sozialdemokratische Handschrift trägt, denn in diesem Zusammenhang hat das Thema der Beschäftigten für uns eine besondere Rolle gespielt. Da bitte ich meine Kollegen der Linksfraktion.PDS, einen Blick nach Mecklenburg-Vorpommern zu werfen. Die Regelung der Verwaltungsreform in MecklenburgVorpommern, was die Frage der Beschäftigten, der Beteiligung der Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte anbelangt, kann bei Weitem nicht Schritt halten mit dem, was wir in Sachsen im Moment als Vorschlag auf dem Tisch liegen haben. Das gehört auch zur Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Genauso gehört es zur Wahrheit, dass wir in Teilen unterschiedlicher Auffassung waren und teilweise noch sind. Natürlich nehmen wir die fachliche Kritik ernst, die uns entgegenschlägt. Ich habe noch nie so viele Zuschriften erhalten, seitdem ich im Landtag bin, wie zu diesem Thema. Es wäre doch arrogant zu sagen, das interessiert uns alles nicht. Natürlich interessiert uns das und werden wir uns über solche Fragen verständigen und diskutieren müssen, was mit solchen fachlichen Fragen zum Sachsenforst, zu Umweltfachbereichen, zu Ämtern für ländliche Entwicklung passiert. Das sind Themen, die uns berühren. Deshalb gibt es eine Anhörung und werden wir mit Experten darüber diskutieren und deren Vorschläge ernst nehmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wie immer!)

Nicht wie immer, sondern das ist für mich die Grundvoraussetzung, vernünftige Politik zu machen.

Wenn wir auf der einen Seite kritisieren, dass das, was jetzt vorgelegt wurde, nicht dem entspricht, was manche sich wünschen oder einfordern, dann muss man auf der anderen Seite aber auch sehen, welche Herausforderungen wir zu bewältigen haben. Dazu hat der Herr Innenminister ausführlich Stellung bezogen; ich will das nicht wiederholen. Es ist die Frage der Demografie, der Entwicklung dieses Landes, wie sich die Bevölkerung entwickelt und wie andere Verwaltungen mit einer sich reduzierenden Bevölkerung umgehen. Das ist eine Herausforderung. Auch die Finanzsituation darf man nicht außer Acht lassen und dass wir uns gefallen lassen müssen, dass man uns bei der Verwaltungsreform mit nationalen und europäischen Maßstäben vergleicht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Welche Prognosen liegen Ihnen vor, in welchem Umfang im Rahmen der vorausgesagten demografischen Entwicklung der sächsische Wald schrumpfen wird?

Wenn wir an der Klimaentwicklung nichts tun werden und weiter so viel CO2 in die Atmosphäre abgeben, kann der Wald weiter schrumpfen; das wäre möglich. Wir tun aber alles dafür, dass das nicht passiert. – Ich weiß im Kern allerdings nicht, was diese Frage mit einem solch wichtigen Thema zu tun haben soll. Wenn Sie damit den Sachsenforst ansprechen möchten, dann würde ich Sie bitten, die Frage auch so zu stellen.

(Unruhe und Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Wenn es Ihnen um den Sachsenforst geht, dann ist es kein Geheimnis, dass es dazu unterschiedliche Positionen gibt; dass uns als Parlamentarier eine Reihe von Interessengruppen angeschrieben und dringend gebeten hat, diese Reform nicht in dem Sinne umzusetzen, wie sie jetzt vorliegt. Am Ende werden wir das aber entscheiden, wenn die Anhörungen gelaufen und die Argumente ausgetauscht sind.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Was also wichtig ist: Wir müssen bei einem solchen Gesetzgebungsverfahren mit großer Sorgfalt vorgehen. Wir müssen abwägen und die unterschiedlichen Interessenlagen berücksichtigen, und wir müssen – das will ich durchaus selbstkritisch sagen – am Ende aus Sicht der Sozialdemokratie eine Art Bilanz ziehen, was tatsächlich herausgekommen ist. Das werden wir auch tun.

Wir hätten uns an der einen oder anderen Stelle natürlich andere Strukturen gewünscht – auch das ist kein Geheimnis –; und dass wir als Sozialdemokraten eine Reform

wollten, in der wesentlich mehr Bürgernähe entsteht, und dass uns das Ergebnis nicht befriedigen kann, liegt auf der Hand.

Auch da muss man allerdings ins Detail gehen. Wir haben ein Problem damit, dass die kommunalen Spitzenverbände auf unsere Aufforderung, den kreisangehörigen Raum zu stärken, eben nicht reagiert haben. Sie haben in den konkreten Auseinandersetzungen und Diskussionen im Lenkungsausschuss nicht in dem Maße reagiert, wie wir es uns gewünscht hätten. Jetzt im Nachgang zu sagen, wir hätten uns viel mehr an Übertragung gewünscht, wir fordern viel mehr ein, das ist immer leicht. Aber wenn es um die Entscheidung geht, etwas voranzutreiben, dann waren sie nicht hörbar.

Von daher ist es richtig, dass wir uns mit den Fachleuten der Kommunen, aber auch mit den Menschen vor Ort, mit den Interessenverbänden auseinandersetzen, dass wir die Gespräche suchen, dass wir weiterhin als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten versuchen werden, diese Ansätze ernst zu nehmen und da, wo es geht, das eine oder andere einfließen zu lassen. Die Basis dafür muss sein, dass es ein Sachverstand ist, der uns alle überzeugt; der uns in der Koalition gemeinsam überzeugt, ein solch großes Vorhaben wie eine Verwaltungs- und Funktionalreform in einem Guss umzusetzen.

Eines darf nicht passieren: dass durch die Partikularinteressen – ob es die Frage der Kreissitze ist oder was auch immer – ein Gesamtvorhaben gefährdet wird. Deshalb muss man abwägen, und das werden wir tun.

Insofern freue ich mich, dass der Landtag jetzt die Gelegenheit hat, in diese Diskussion einzusteigen. Ich hoffe, dass wir die Möglichkeiten in den Anhörungsverfahren nutzen. Wenn es am Ende dazu kommt, dass es substanzielle Änderungen geben wird, dann hat das einzig und allein die Debatte gebracht und das Abwägen der unterschiedlichen Interessen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Danke schön. – Für die NPD-Fraktion Herr Dr. Müller, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wie sehen Sie das mit dem Raum?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt aus einer ganzen Reihe von Gründen die beiden vorliegenden Entwürfe der Staatsregierung zur Neuordnung der sächsischen Verwaltung bzw. zur Neugliederung der sächsischen Landkreise ab; denn diesen Gesetzentwürfen liegt eine Philosophie zugrunde, die wir niemals akzeptieren werden: die Philosophie lediglich der Anpassung an einen vermeintlich unaufhaltsamen Schrumpfungsprozess im Freistaat allgemein und hier besonders in den ländlichen Räumen bei gleichzeitiger und aus meiner Sicht – ich

betone – nur vorübergehender Stärkung der Ballungszentren und damit verbundener entsprechender Schwächung der Selbstverwaltungsstrukturen.

Unsere Philosophie ist genau entgegengesetzt: Wir möchten die regionale und kommunale Vielfalt im Land erhalten und stärken und dadurch einen wirklichen Aufschwung im ganzen Land, gerade auch in der sogenannten Provinz, erreichen und dem Verfassungsgrundsatz gleicher Lebensbedingungen überall im Freistaat gerecht werden. Grundsätzlich muss es zwar kein Unglück sein, wenn Sachsen 3,7 statt 4,3 Millionen Menschen hat, meine Damen und Herren; denn sogar mit nur drei Millionen Einwohnern wäre das Land, global gesehen, verhältnismäßig dicht besiedelt.

Ganz gewiss ist es aber ein Unglück, wenn durch den Sog der derzeitigen Bevölkerungsentwicklung viele Regionen ihre sozioökonomische Basis verlieren und dadurch ein sich selbst verstärkender Schrumpfungs- und Verfallsprozess einsetzt. Das ist eine nicht akzeptable Entwicklung, und diese gilt es aus unserer Sicht mit allen Mitteln der Politik zu stoppen. Darin, meine Damen und Herren, sehen wir Nationaldemokraten das entscheidende Kriterium bei der Beurteilung der vorliegenden Gesetzentwürfe.

Ich möchte einige Hauptmerkmale nennen, gegen die sich unsere Kritik insbesondere richtet.

Erstens: gegen die Ausdünnung der kommunalen Selbstverwaltungsstrukturen mit mehr als einer Halbierung der Anzahl der Landkreise und kreisfreien Städte und – als mittelfristige Folge davon – wahrscheinlich auch mit einer Halbierung der Anzahl der kreisangehörigen Gemeinden.

Zweitens: gegen die Degradierung der verbliebenen kommunalen Gebietskörperschaften zu Erfüllungsgehilfen der Staatsverwaltung durch weisungsgebundene Übertragung von Aufgaben, die mit der kommunalen Selbstverwaltung gar nichts zu tun haben.

Drittens: gegen die umgekehrte Tendenz, nämlich Staatsaufgaben, die wirklich von regionalem Belang sind und bisher relativ gemeindenah organisiert waren, zu zentralisieren und dadurch ihren regionalen Bezug zu schwächen.

Viertens: gegen die Gründung einer Reihe von Staatsbetrieben, die erkennbar einer späteren Privatisierung dienen soll.

Fünftens ist zu prüfen, inwiefern die Kommunalisierung von Staatsaufgaben dazu führt, dass die Kommunen zu Vollstreckern von Maßnahmen werden, die gegen Interessen verstoßen, die sie andererseits selbst im eigenen Zuständigkeitsbereich zu vertreten haben. Das könnte zum Beispiel im Bereich des Naturschutzes und der ländlichen Entwicklung der Fall sein.

Wir brauchen aus Sicht der Nationaldemokraten eine Stärkung der Regionen und damit der Widerstandskräfte gegen einen weiteren schleichenden Rückbau unseres Landes. Können oder wollen Sie nicht erkennen, dass

auch heute in den Regionen zum Beispiel noch immer in den Kreisgliederungen von vor 1994 gedacht wird und somit schon jetzt die Integrationskraft der Strukturen für die Bevölkerung fehlt? In den sächsischen Regionen steckt jetzt allerdings noch viel Kraft und Potenzial für die Zukunft, meine Damen und Herren. Dennoch muss man erkennen, dass diese Regionen bereits jetzt in einen Teufelskreis der strukturellen Schwächung geraten sind, den es zu durchbrechen gilt.

Das kann man aber sicher nicht dadurch erreichen, dass man die regionalen Verwaltungsstrukturen und damit das regionale Engagement der Menschen mit ihrer Teilhabe an Entscheidungen vor Ort – also den politisch organisierten Lokalpatriotismus – weiter schwächt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Den deutschen Lokalpatriotismus!)

Genau zu einer solchen Schwächung führen aber die von der Staatsregierung vorgelegten Gesetzesnovellen. Wir als NPD-Fraktion werden mit allen uns zur Verfügung stehenden politischen Mitteln gegen diesen Kahlschlag ankämpfen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ihre Zwischenrufe, Kollege Porsch, brauche ich wohl nicht zu kommentieren.