Protocol of the Session on June 6, 2007

rungserfahrung. Meine Kollegin Herrmann hat auf diesen Sachverhalt im Ausschuss deutlich hingewiesen.

Wieder einig sind wir uns wahrscheinlich darin, dass wir das Verantwortungsbewusstsein der Eltern stärken müssen. Warum nehmen manche Eltern diese Verantwortung wahr, auch wenn sie Arbeitslosengeld-II-Bezieher sind, und andere nicht? Die Linksfraktion.PDS vermittelt den Eindruck – das steht auch so nachzulesen –, dass diese Verantwortung nicht querbeet wahrgenommen wird.

(Falk Neubert, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte.

Frau Dr. Schwarz, ich habe eine Zwischenfrage zu dem Komplex, den Sie gerade beendet haben: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie die Kinder lieber hungrig als stigmatisiert sehen wollen?

Diese Alternative, Herr Neubert, ist ziemlich unsachlich. Das muss ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Sie vermitteln den Eindruck, dass querbeet von Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -beziehern diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird. Das muss ich zurückweisen.

(Beifall bei der CDU)

Was ist mit den Kindern, Herr Neubert, deren Eltern durchaus auskömmlich verdienen und die den Kindern Geld zustecken, damit sie sich zu Mittag etwas kaufen? Wie wollen Sie damit umgehen?

Wir fordern mit unserem Ganztagsschulkonzept, dass auch der Aspekt der Mittagsversorgung einbezogen wird. Das kann den sozialen und gesundheitsbezogenen Aspekt des Konzeptes untersetzen. Der Schulträger muss die Verantwortung für den ganzen Tag übernehmen. Auch da sind wir auf dem Weg. Sie sagen immer, es werde nichts getan und Sie seien die Heilsbringer. Im Ziel sind wir uns einig: Kein Kind vom Kindergarten bis in höhere Klassenstufen darf ohne ein gesundes Frühstück oder Mittagessen bleiben, aber der vorgelegte Gesetzentwurf ist ungeeignet, dies zu erreichen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion; Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir finden es sehr bedauerlich, wie die Linksfraktion.PDS durch ihre populistischen Schnellschüsse durchaus sinnvolle Anliegen torpediert. Auch der vorliegende Antrag kann nur als ein Eigentor bezeichnet

werden. Die Beratungsresistenz der Fraktion trat dabei besonders im Ausschuss deutlich zutage.

Grundsätzlich – darin stimmen wir sicher alle überein – ist einer kostenfreien Mittagsversorgung, zumindest aber einer stark subventionierten, nur zuzustimmen. Der Bedarf ist da. Das zeigt auch die drastisch gestiegene Anzahl an Ausgabestellen der „Tafel“ und der Suppenküchen. Der vorliegende Antrag ist in erster Linie für die Kinder der Hartz-IV-Empfänger gedacht, aber diese Zielgruppe wird damit nicht erreicht, ohne vom Gesetzgeber abgestraft zu werden. Das ist der Linksfraktion.PDS sehr wohl bekannt. Insofern ist es auch nicht nachvollziehbar, warum Sie nicht nachgebessert haben.

Der vorliegende Antrag ist rechtlich nicht haltbar und bestraft genau die, die eine Unterstützung brauchen würden. Es müsste berücksichtigt werden, dass Ihr Gesetz mit der Bundesgesetzgebung kollidieren würde. Schließlich kann man die Kinder nicht erst zum Mittagessen einladen, um dann die Eltern kräftig abzukassieren oder durch die Hartz-IV-Gesetzgebung die Leistung noch weiter zu kürzen. Die Landesregierung müsste auf Bundesebene aktiv werden, damit kommunale Leistungen nicht auf das Einkommen angerechnet werden. Nur hierdurch ist der Konflikt zwischen gutem Willen, kommunalem Engagement und den geltenden gesetzlichen Regelungen zu lösen. Das haben wir übrigens bereits heute als Antrag mit der Drucksache 4/8944 eingebracht.

Der Freistaat Sachsen erwartet Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt circa 1 Milliarde Euro. Es wäre ein Skandal, wenn davon nichts bei den Hilfsbedürftigen ankommen sollte.

(Beifall bei der NPD)

Dabei haben es gerade Kinder von Hilfsbedürftigen sowie der rasant steigenden unteren Einkommensgruppen bitter nötig.

Nach einer Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Sachsen sind die Preise im Bereich des Grundbedarfs an Lebensmitteln rasant angestiegen und werden – so die Prognose – weiter ansteigen. Demgegenüber sind allerdings keinerlei Anpassungen der Leistungen vorgesehen. Es ist also notwendig, endlich aktiv zu werden, zumal das einzelne Kommunen – wir sprachen schon davon – im Vorgriff tun, das allerdings vor dem Hintergrund, dass diese Hilfen entweder rechtswidrig sind oder denen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, als geldwerte Leistungen bei Hartz IV abgezogen werden.

Kurz gesagt, der Gesetzesantrag ist zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht. Er stigmatisiert die Kinder der Hilfsbedürftigen und ist rechtlich nicht durchsetzbar, da diese Leistungen als Einkommen auf Hartz IV angerechnet werden.

Die Stigmatisierung besteht darin, dass nur die Kinder der sozial Schwachen dieses kostenlose Mittagessen bekommen würden. Unsere Kinder sollten uns aber alle gleich viel wert sein. Gerade die Linksfraktion lässt keine Gelegenheit aus, um auf soziale Ungerechtigkeiten

hinzuweisen. Hier hätten wir aber auch eine Ungerechtigkeit mit umgekehrten Vorzeichen, denn wer garantiert, dass Kinder von Besserverdienenden das gesunde Mittagessen bekommen? Das Ziel muss ein kostenloses gesundes Mittagessen für alle Kinder sein!

Die Linksfraktion hat ihr Vorgehen damit begründet, es sei ein Teilschritt, ein Anfang, aber, meine Damen und Herren, wir, die NPD-Fraktion, sind nicht für halbe Sachen.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS und der NPD)

Rein formal müsste der Antrag abgelehnt werden. Da wir aber das Grundanliegen der Linksfraktion für richtig halten – Herr Prof. Porsch –, werden wir uns der Stimme enthalten.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Abg. Herbst, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für 2,71 Euro soll sich ein Kind am Tag ernähren. Das hat der Hartz-IV-Gesetzgeber ausgerechnet. Ich weiß nicht, ob CDU und SPD wissen, was ein Schulessen heute kostet. Es sind bis zu 2,00 Euro für das Mittagessen zu zahlen. Wenn man den Rest des Tages betrachtet, dann dürfte ein Kind wahrscheinlich auf Wasser und Brot angewiesen sein. Dennoch – ich glaube, das ist auch die Auffassung hier im Haus – liegt unabhängig vom Einkommen den Eltern das Kindeswohl am Herzen. Trotz geringer Einkommen ermöglichen sie ihren Kindern die Teilnahme am Mittagessen in der Schule.

Ich bin mir auch bewusst, dass es für die meisten Eltern wichtig ist, dass ihre Kinder eine regelmäßige Mahlzeit bekommen und dass sie sich gesund ernähren. Es gibt natürlich auch wenige Ausnahmen. Aus den unterschiedlichsten Gründen bezahlen Eltern das Mittagessen für die Kinder nicht und geben ihnen auch kein Essen mit. Das ist moralisch nicht zu vertreten, aber geholfen ist den Kindern damit am Ende auch nicht. Wer hungrig ist, der wird nicht gut lernen, von den negativen gesundheitlichen Konsequenzen ganz zu schweigen. Darüber sind wir uns sicher hier im Haus einig. Doch wie lösen wir das Dilemma?

Wir sorgen auf der einen Seite dafür, dass die Eltern an ihre Verantwortung erinnert werden, auf der anderen Seite aber auch dafür, dass kein Kind auf der Strecke bleibt. Ist dafür der PDS-Vorschlag für ein Landesgesetz der Königsweg? Aus unserer Sicht nicht. Die Initiative ist sicher gut gemeint, aber der Gesetzentwurf löst eben nicht nur ein Problem, sondern er schafft eine ganze Reihe neuer. Einige Vorredner haben es schon erwähnt.

Wollen wir wirklich Kinder stigmatisieren, indem wir beim Mittagessen eine Zweiklassengesellschaft schaffen? Ich glaube nicht, dass das hier im Hause gewollt wird. Solidarität kann man eben auch nicht per Gesetz verord

nen. Wir halten es für sinnvoller, dass in den wenigen Fällen, in denen es wirklich Probleme gibt, eine Lösung in der Schule oder auf der kommunalen Ebene gefunden wird. Es gibt genügend Beispiele in Sachsen, bei denen bereits jetzt so verfahren wird.

Was für mich als Allererstes dazugehört, ist ein Gespräch mit den betroffenen Eltern, denn in der Regel sind diese bekannt. Ich glaube nicht, dass wir immer mit einem Gesetz das Problem sofort lösen.

Meine Damen und Herren der Linksfraktion! Ihr Gesetzentwurf ist rechtlich problematisch. Ich möchte gar nicht über das Thema „Anrechnung auf Hartz IV“ diskutieren. Das ist ein anderes Problem.

Wir müssen auch nicht eine andere Frage stellen. Wie wollen Sie das Gesetz praktisch durchsetzen? Der Gesetzentwurf richtet den Anspruch auf eine kostenlose Mittagessenversorgung gegen den Träger der örtlichen Jugendhilfe. Das ist in Sachsen zumeist der Landkreis. Doch für die Essensversorgung sind die Städte und Gemeinden zuständig. Wie sich dieser Konflikt lösen lässt, das verrät uns Ihr Gesetzentwurf nicht.

Wir können wegen der vielen ungeklärten Fragen diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Herrmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Erfahrungen, die Kinder heute in Deutschland machen, von denen wir meinen, dass es sie eigentlich gar nicht mehr gibt. Dazu gehört sicher, wenn Kinder nicht genug zu essen haben. Kinder gehen ohne Frühstück aus dem Haus und haben auch nichts in ihrer Brotbüchse. Dazu gehört eben auch, wenn Kinder in Schule oder Kita nicht mitessen können, obwohl sie das wollen.

Die Linksfraktion macht mit diesem Gesetzentwurf genau auf diesen Aspekt von Kinderarmut aufmerksam. Als Ursache nennt die Linksfraktion eine. Das Essensgeld liegt laut Anhörung im Sozialausschuss vom Mai zwischen 1,80 Euro und 2,40 Euro täglich. Im Regelsatz für Familien mit Leistungsbezug nach SGB II sind 1,45 Euro pro Mittagessen berechnet. Damit geraten Familien mit Kindern durch die Teilnahme der Kinder am Mittagessen in eine schwierige Situation. Sie müssen nämlich an anderer Stelle sparen. Das kann der Kinobesuch oder die Kleidung sein, eben anderswo; oder sie müssen Schulden machen oder sie melden ihr Kind vom Mittagessen ab. Es gibt also diese Linie. Einkommensarmut der Eltern führt zu Armutserfahrungen der Kinder.

Was lernen die Kinder für ihr weiteres Leben? Die Frage lasse ich erst einmal offen. Es ist aber auf alle Fälle wichtig, dass Verbesserungen der Lebenslage von Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft am Lern- und Lebensort Kita und Schule sehr wohl im öffentlichen

Interesse sind. Leider ist der Gesetzentwurf der Linksfraktion für eine solche Offensive ungeeignet. Zunächst fehlen im Entwurf die Kitas und angesichts der Tatsache, dass gerade die unter Siebenjährigen besonders gefährdet sind, ist das nicht sinnvoll.

Nun gut, Sie sagen, es ist ein Anfang. Andere Kritikpunkte, wie Anrechnung auf Hartz IV, sind schon genannt worden und ebenfalls die Kollision zwischen Schulträgern einerseits und den Jugendhilfeträgern andererseits.

Der Vorwurf der Stigmatisierung stammt im Übrigen nicht von den Ausschussmitgliedern, sondern von Dr. Schönfelder vom Kinderschutzbund. Genau das müsste uns doch zu denken geben. Er hat gesagt, dass es in der Form, wie Sie das im Gesetzentwurf vorschlagen, zu einer Stigmatisierung von Kindern kommt, die darauf angewiesen sind, ein kostenloses Mittagessen zu bekommen.

Nach unserer Meinung liegt das Problem tiefer und ist offenbar mit einem so griffigen Gesetz wie dem Ihren nicht zu lösen. Dazu drei Aspekte:

Welche Erfahrung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wiegt für Kinder schwerer? Ich kann nicht mitessen oder meine Eltern kümmern sich nicht um mich. Wenn Kinder kein Mittagessen bekommen, dann machen Eltern einen Fehler. Sie nehmen nämlich die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht wahr

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

oder sind nicht in der Lage, diese zu erfüllen. Das bedeutet aber, dass Eltern Hilfe brauchen, dass die Familie Hilfe braucht.