Protocol of the Session on May 10, 2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unbestechlichkeit gehört zu den Grundfesten unserer Gesellschaft und ist Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens. Durch Korruption wird diese Funktionsfähigkeit bedroht. Korruption verletzt Grundwerte des sozialen und demokratischen Rechtsstaates, blockiert Entwicklung und Innovation und führt zu einem Verlust des Vertrauens in die Integrität und Rechtmäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit von staatlichem Verwaltungshandeln, aber auch von Handeln der Wirtschaft.

Besonders gefährlich ist es, wenn Korruption verniedlicht und unterschätzt wird; denn dann kann sie sich ungehindert, ungebremst ausweiten. Experten glauben, dass in den deutschen Ländern, gerade weil Korruption jahrzehntelang tabuisiert wurde, unbemerkt von Justiz und Öffentlichkeit, weitverzweigte Beziehungsgeflechte heranwachsen konnten. Die aufgeklärten Fälle bildeten wohl nur die Spitze des Eisbergs. Nach Einschätzung der Experten beträgt das Dunkelfeld in Deutschland mindestens 95 %. Es ist jedoch schwer zu erforschen, wie weit verbreitet

Korruption wirklich ist. Als sicher gilt jedoch, dass die Profiteure in ihrer großen Mehrheit unbehelligt – ich betone das noch einmal: unbehelligt – bleiben. Diesen Zustand, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir nicht länger akzeptieren. Hier muss der Staat härter als bisher reagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Strafgesetzbuch versteht man unter Korruption seit den Änderungen durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz aus dem Jahre 1997 die Amtsdelikte nach den §§ 331 bis 335 Strafgesetzbuch – nochmals erläutert: Vorteilsnahme, Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung und Bestechung – und die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach den §§ 299 und 300 sowie § 108b Wählerbestechung und § 108e Abgeordnetenbestechung.

Hinter diesen Begriffen verbirgt sich jedoch im Grunde genommen immer dasselbe: Es ist Machtmissbrauch. Korruption ist ein Missbrauch von Macht, und zwar als Missbrauch eines öffentlichen Amtes bzw. Mandats oder einer Funktion in der öffentlichen Wirtschaft. Wer korrupt ist, missbraucht die ihm anvertraute Macht zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil des Unternehmens. Diesem Persönlichen Nutzen steht großer Schaden gegenüber, und zwar materieller als auch immaterieller Natur.

Korruption verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten. Es kommt zu Investitionen, die nicht erforderlich oder überdimensioniert sind. Korruption sorgt dafür, dass weniger Leistung für mehr Geld erbracht wird. Sie verursacht Staatsverschuldung und vernichtet Arbeitsplätze. Fairer Wettbewerb zwischen Unternehmen wird verhindert und der Markt zulasten derjenigen Unternehmen verzerrt, die das Recht achten. Ehrliche, unbestechliche Unternehmer werden bis an den Rand ihrer Existenz getrieben. Der jüngste Korruptionsskandal um den Bau der A 72 hat uns allen vor Augen geführt, welche Ausmaße derart kriminelle Praktiken annehmen können. Es ist anzunehmen, dass das keine Einzeltäter sind, sondern dass anscheinend bei manchen Unternehmen eine Firmenphilosophie dahintersteht. Diese Firmen haben in Sachsen nichts zu suchen!

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Korruption ist nicht hinnehmbar. Sie muss systematisch aufgespürt und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft und wirkungsvoll zurückgedrängt werden.

Ich glaube, dass es grundsätzlich in der Verantwortung des Einzelnen liegt, in welchem Ausmaß sich Korruption im Freistaat Sachsen etabliert. Der Kampf gegen Korruption wird in den Köpfen der Bürger entschieden, egal, in welcher beruflichen oder gesellschaftlichen Stellung sie sich befinden. Wir brauchen ein korruptionsfeindliches Klima. Korruption muss auf allen gesellschaftlichen Ebenen auf Ablehnung stoßen. Das wird nur gelingen, wenn allen klar wird, dass sich Korruption nicht lohnt und dass sie bestraft und hart verfolgt wird. Es besteht deshalb dringender Handlungsbedarf für die Schaffung neuer Instrumente zur Korruptionsbekämpfung.

Ein bundesweites Korruptionsregister könnte ein solches Instrument werden. Unternehmen, gegen die eine rechtskräftige Verurteilung oder aber eine eindeutige Beweislage für Bestechung, Preisabsprachen, Schwarzarbeit oder Nichtzahlung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen vorliegt, können in einem solchen Register erfasst werden. Das Unternehmen wird dann für einen bestimmten Zeitraum von der Vergabe weiterer öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen ausgeschlossen. Damit können wir sicherstellen, dass Aufträge nur an zuverlässige Bewerber vergeben werden. Gleichzeitig handelt es sich um einen Sanktionsmechanismus, der hilft, vor Korruption abzuschrecken und ihr damit vorzubeugen. Für die Unternehmen selbst wird ein Anreiz zur Schaffung von Präventionsmaßnahmen gegeben.

Unternehmen, die korrupt sind, haben kein Recht, am Wettbewerb teilzunehmen. Sie müssen vom Wettbewerb um öffentliche Aufträge rigoros ausgeschlossen werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass auch im Wirtschaftssystem eine Doppelmoral herrscht, dass diejenigen, die korrupt sind, an die Aufträge gelangen, und diejenigen, die ehrlich sind, bereits von der Vergabe der Aufträge ausgeschlossen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein solches Register kann ein sehr wirksames Abschreckungsinstrument gegen Korruption sein. Wenn Firmen von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, können sie sehr schnell einen erheblichen Teil ihres Marktes verlieren, und zwar zu Recht. Ein Unternehmen, das sich diesen Gefahren gegenübersieht, wird sich zweimal überlegen, ob es versucht, sich rechtswidrige Vorteile zu verschaffen.

Unser Hauptziel ist ein bundesweites Korruptionsregister. Korruption macht nicht an Landesgrenzen Halt. Derartigen Unternehmen darf nicht die Möglichkeit gegeben werden, in anderen deutschen Ländern öffentliche Aufträge zu beziehen.

Ich bedauere sehr, dass bisher keine Regelung dazu geschaffen wurde, obwohl diese schon seit Jahren angemahnt und auch von vielen in der politischen Diskussion angestrebt wurde. Gerade weil dieses Vorhaben bisher auf Bundesebene scheiterte, sollte der Freistaat Sachsen jetzt selbst aktiv werden.

Herr Schiemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lichdi?

Bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Schiemann. – Ist Ihnen bekannt, dass der erste Anlauf zu einem Korruptionsregistergesetz auf Bundesebene – ich glaube, es war im Jahr 2001 und damals ein rot-grüner Gesetzentwurf – an der CDU-Mehrheit im Bundesrat gescheitert ist?

Das ist mir bekannt und ich bedauere sehr, dass dieser Entwurf die Diskussion darüber abgebrochen hat.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Sächsischen Landtag bereits 1997 dieses Thema diskutiert und aufgegriffen haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

1997, Herr Kollege Dr. Martens. – Ich gehe davon aus, dass es uns zumindest jetzt mit den praktischen Hinweisen, wie stark die Korruption tätig ist, gelingt, die Mehrheiten für eine solche Initiative politisch zu interessieren. Wichtig ist, nach vorn zu schauen und nicht die verlorenen Gefechte der Vergangenheit zu bedauern. Besser ist es, ein Ergebnis zu erreichen.

Herr Lichdi hat noch eine Nachfrage.

Ich weiß nicht, ob es jetzt besser wird, aber bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Schiemann. – Aus welchen Gründen wurde denn im Jahre 2004 der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, der unter

anderem auf die Einführung eines Korruptionsregistergesetzes gerichtet war, mit der CDU-Mehrheit abgelehnt?

Kollege Lichdi, Sie werden Verständnis dafür haben, dass mir das Protokoll jetzt nicht vorliegt und ich Ihnen die Gründe hier nicht nennen kann. Ich bitte Sie, dass Sie selbst noch einmal nachlesen.

Das ist mir bekannt; ich kenne das Gesetz.

Dann können wir noch einmal nachschauen, wie das gewesen ist. Ich bitte Sie, Herr Kollege Lichdi, schauen wir nach vorn und sehen wir, was wir selbst dazu beitragen können, dass es weniger Korruption gibt.

(Beifall bei der SPD)

Doch gerade, weil dieses Vorhaben auf Bundesebene bisher scheiterte, sollte der Freistaat Sachsen jetzt aktiv werden. Deshalb begrüße ich den Vorschlag des sächsischen Staatsministers für Wirtschaft und Arbeit, ein solches sächsisches Korruptionsregister zu prüfen bzw. einzurichten. Damit macht der Freistaat einen wichtigen Schritt zur Korruptionsbekämpfung in unserem Land und setzt ein Zeichen dafür, dass Korruption im Freistaat Sachsen keine Duldung findet. Ein Landesregister ist kein Ersatz für ein Bundesregister, doch es ist allemal besser, als der Korruption in unserem Land freie Fahrt zu gewähren. Auch in Sachsen haben sich einige an dem Gabentisch der Gefälligkeiten gut eingerichtet. Wer daran glaubt, dass nur Sizilien oder Neulinge in der EU – Rumänien oder Bulgarien – betroffen sind, der irrt sich gewaltig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Er kennt Österreich nicht!)

Es wird deshalb Zeit, diesen Verhältnissen mit aller Schärfe zu begegnen. Zu einer effektiven Korruptionsbekämpfung gehört ein scharfes Korruptionsstrafrecht. Dies allein reicht nicht. Bei der Korruptionsbekämpfung geht es auch um ethische Einstellungen. Die Unternehmen selbst müssen die Grenzen des Rechts akzeptieren. Sie müssen Nein sagen, wenn es um Wirtschaftskriminalität geht. Wenn der kleine Mann im Land sich an Normen zu halten hat, dann erwarten wir, dass von den Vorständen großer Konzerne, genauso wie von ihren Abteilungsleitern, Recht akzeptiert, respektiert und eingehalten wird. Wir brauchen ein Korruptionsregister, um Verbraucher, Steuerzahler und die seriös arbeitenden Wirtschaftsunternehmen zu schützen, das heißt, auch die Wirtschaft des Freistaates Sachsen zu schützen.

Natürlich löst ein solches Register nicht alle Probleme. Damit weitergehend müssen die Vergabevorschriften genau eingehalten, ein hoher Grad an Transparenz des Vergabeprozesses gewährleistet und effektive Sanktionen angewendet werden. Sowohl gegen Unternehmen als auch Verwaltungen, gegen Korrumpierende und Korruptierte muss vorgegangen werden. Ich hoffe auch, dass der

Ausbau der Innenrevision in den einzelnen sächsischen Ministerien gut vorangeht und die Schaffung einer zentralen Innenrevision zügig gelingt.

Korruption ist kein neues Problem. Deshalb hat sich die CDU-Fraktion bereits in mehreren Anträgen der vergangenen Jahre mit den Fragen und Problemstellungen der Korruption befasst und die Schaffung eines Korruptionsregisters angemahnt. Polizei und Justiz müssen klar und deutlich im Auftrag des Staates und seiner Steuerzahler reagieren. Korruption bedroht die Wirtschaft, den Staat und die gesamte Gesellschaft. Die Kosten tragen letztendlich die Bürger. Alle Bürger zahlen die Kosten. Korruption ist Gift für unsere soziale Marktwirtschaft, für den Wettbewerb und für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltungen.

Die Folge ist, dass der Glaube unserer Bürger an die Integrität der Verwaltung zu Recht mehr und mehr schwindet. Korruption untergräbt das Vertrauen in die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Freistaates Sachsen. Wird dieses Vertrauen zerstört, brauchen wir uns nicht über Politikverdrossenheit oder eine Zunahme betrügerischer Verhaltensweisen in einigen Bereichen der Gesellschaft zu wundern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verfolgungsdruck auf korrupte Strukturen muss deutlich erhöht werden, damit der gute Aufbau im Freistaat Sachsen den Wettbewerbsregeln entsprechend weitergeführt werden kann. Ich würde mich freuen, wenn Sie in diesem Sinne dem Antrag der beiden Koalitionsfraktionen Ihre Zustimmung geben, und bedanke mich herzlich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Pecher von der SPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Korruption ist nach dem ältesten Gewerbe der Welt wahrscheinlich das zweitälteste.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein, das ist die Spionage!)

Das zweitälteste, Herr Porsch.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist Spionage, das ist belegt in der Literatur! – Heiterkeit im Saal – Zuruf von der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hat der CIA festgestellt!)

Sie bekommen eine Minute länger, Herr Pecher.

Das ist nett.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit im Saal)

Herr Porsch, ich formuliere es anders: Für mich ist Korruption nach dem ältesten Gewerbe der Welt das

zweitälteste. Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist, dass das Beispiel von VW zeigte, wie man beides bis zur Perfektion verknüpfen kann.