Protocol of the Session on March 16, 2007

Tagesordnungspunkt 10

Iran-Krieg verhindern – keine Nutzung sächsischer Infrastruktureinrichtungen

Drucksache 4/8187, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die NPD-Fraktion beginnt, danach die Reihenfolge wie gewohnt. Herr Schmidt als fraktionsloser Abgeordneter

hat auch um das Wort gebeten. – Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeichen mehren sich: Die US-Administration bereitet offenbar einen Militärschlag gegen den Iran vor. Nach der verbalen Aufrüstung der letzten Monate kreuzen mittlerweile drei Flugzeugträger im Persischen Golf. Von detaillierten Angriffsplänen mit Bunker brechenden Bomben ist die Rede. Nach Angaben des renommierten Magazins „The New Yorker“ lägen Pläne für einen mehrwöchigen Luftkrieg gegen den Iran in der Schublade, die gerade erst vom obersten Kommando der Luftwaffe in Florida abgesegnet worden seien. Darin sind angeblich 10 000 Ziele für Raketen mit Atomsprengköpfen benannt, darunter Bereiche der zivilen Infrastruktur, also Angriffe auf die Strom- und Wasserversorgung, was entsetzliches Leid über das iranische Volk bringen würde.

Für den „The New Yorker“-Bericht ist der amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh verantwortlich. „Falls George Bush den Befehl gebe“, so Hersh, „könnte die USA den Iran innerhalb von 24 Stunden angreifen, da die Amerikaner nun schon in sieben Nachbarländern des Iran Landbasen mit Kampfflugzeugen und Raketen unterhalten.“ US-Flugzeugträger kreuzen längst in der Arabischen See und im Persischen Golf. Diese könnten rasch durch Bomberflotten ergänzt werden, die zum Beispiel im Indischen Ozean parat stehen. Der profilierte US-Journalist schreibt, dass er sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass Bush nicht aus dem Amt scheiden wolle, ohne etwas gegen den Iran unternommen zu haben.

Das alles erinnert fatal an die Zeit vor dem Irak-Krieg. Damals wurde gegen den Willen der UNO ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg vom Zaun gebrochen, und zwar mit Fälschungen, die dem Irak den Besitz von chemischen und biologischen sowie die Arbeit an nuklearen Waffen unterstellten – ein Krieg, der Zehntausende unschuldige Menschenleben kostete und das Land bis heute in einer sich steigernden Agonie und einem mörderischen Bürgerkrieg zurückließ.

Während in den USA vor den Särgen von über 3 000 Soldaten die Debatte über diesen Krieg an Schärfe zunimmt, scheint Präsident Bush unbeirrt den nächsten Krieg nach gleichem Muster anzusteuern. George Bush will die Lebenslüge der westlichen Führungsmacht fortschreiben, dass es bei den US-Kriegen gegen den Terrorismus um Freiheit und Demokratie gehen würde. Wieder werden Propagandalügen über den angeblichen Schurkenstaat, diesmal Iran, verbreitet, dessen einziges Verbrechen darin besteht, eine von den USA und Israel unabhängige Regierung zu haben.

Dabei, meine Damen und Herren, ist das eigentliche Kriegsziel der von US-Öl- und Rüstungskonzernen getragenen Administration kaum zu verbergen: die strategische Vorherrschaft über die Öl- und Gasvorräte des Vorderen und Mittleren Orients. Dafür nimmt der Präsident in Kauf, als ein Kriegsverbrecher in die Geschichte einzugehen, der sich von Afghanistan über den Irak bis zum Iran permanent über das Völkerrecht hinweggesetzt hat. Denn die Eskalation im Atomkonflikt mit dem Iran

ist nur begründbar, wenn man den Atomwaffensperrvertrag missachtet und uminterpretiert. Er erlaubt allen Unterzeichnerstaaten die friedliche Nutzung der Atomenergie und verpflichtet zugleich die kernwaffenbesitzenden Staaten zur Abrüstung. Das haben diese – allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika – verdrängt. Eine friedliche Konfliktlösung gibt es nur auf der Basis des Völkerrechts, das alle Seiten beachten müssen.

Angesichts der Atomwaffen von Indien, von Pakistan und von Israel – alles strategische Nachbarn des Irans – wird das nur gehen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Atomwaffen besitzenden Staaten müssen allesamt abrüsten. Der Iran braucht Sicherheitsgarantien, die vor allem von Israel gegeben werden müssen, das den Atomwaffensperrvertrag seit nunmehr vier Jahrzehnten bricht. Die friedliche Nutzung der Atomenergie kann dem Iran nicht verwehrt werden. Wer hingegen die Sanktionsschraube anzieht, setzt auf Eskalation des Konflikts bis hin zum militärischen Angriff. Dieser hätte für die gesamte Region verheerende Konsequenzen.

Deutschland muss gerade jetzt während der EU-Ratspräsidentschaft aus dieser Logik der Zuspitzung ausbrechen und sich von der Außenpolitik der Amerikaner loslösen. Frühzeitig müssen die Deutschen und die Europäer signalisieren, dass es eine Koalition der vermeintlich Willigen mit ihnen nicht geben wird!

Das Motiv meiner Fraktion für die Einbringung dieses Antrages ist die Furcht vor den schrecklichen Konsequenzen eines drohenden Iran-Krieges, die Deutschland und natürlich auch Sachsen mit voller Wucht treffen würden. Nicht nur die Sicherheitslage würde sich in ganz Mitteleuropa dramatisch verschlechtern, sondern auch die Finanzmärkte würden verrückt spielen. Dies wiederum hätte dramatische Konsequenzen für die Beschäftigung und das Wirtschaftswachstum in Deutschland.

Eine Studie der niederländischen Bankengruppe ING beschäftigt sich mit den möglichen Folgen eines IranKrieges. Sie kann nur als dringender Hinweis an die Politik verstanden werden, alles, aber wirklich alles zur Verhinderung dieses Krieges zu tun.

Im Fazit geht die Studie davon aus, dass Israel den Angriff führen wird, wenn es wirklich zu einem Militärschlag kommt. Wörtlich heißt es – ich zitiere –: „Israel befürchtet, dass der Iran die Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen erlangt haben könnte, wenn die BushRegierung Ende 2008 aus dem Amt scheidet. Da eine diplomatische Lösung offenbar in weiter Ferne liegt, könnte Israel die Chance zum Angriff nutzen.“

Die beiden US-Flugzeugträgergruppen würden danach als Absicherung des israelischen Militärschlages dienen. Für ihre Großanlegerkunden weist die ING-Bank darauf hin, dass die Finanzmärkte im Falle eines solchen Angriffs dramatische Einbrüche erleben würden.

Natürlich, meine Damen und Herren, steht auch die Politik in Sachsen in der Pflicht, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um dieses Szenario abzuwenden. Die

Möglichkeiten, eine eigene sächsische Friedenspolitik zu betreiben, sind dabei größer, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Wenn die Staatsregierung der Bundesregierung erklären würde, dass der Freistaat einen Angriff auf den Iran für völkerrechtswidrig hält und sich deswegen verfassungsrechtlich gegen jedwede Unterstützung eines solchen Angriffs durch Deutschland zur Wehr setzen würde – besonders dann, wenn sächsische Einrichtungen wie der Flughafen Schkeuditz in Anspruch genommen würden oder wenn Überflugrechte über sächsisches Gebiet verwehrt würden –, dann, meine Damen und Herren, wäre dies ein starkes Signal für den Frieden, ein starkes Signal in Richtung der viel zu US-hörigen Bundeskanzlerin Merkel. Wir machen damit deutlich, dass Deutschland nicht auf Gedeih und Verderb am Rockzipfel der Amerikaner hängt.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen viele Initiativen dieser Art, um unser Land aus den gegenwärtigen und möglicherweise zukünftigen Kriegen im Nahen Osten und in Asien herauszuhalten. Wir brauchen jetzt echten Mut und Zivilcourage, also das Gegenteil dessen, was die politische Klasse in ihren Sonntagsreden immer beschwört. Die Anti-Kriegshaltung der PDS um Oskar Lafontaine und einzelner Unionsabgeordneter findet natürlich genauso unsere Zustimmung wie die Bemühungen vieler parteiloser Friedensaktivisten. Stellvertretend für diese seien nur die Autoren des offenen Briefes „Kein Angriff auf den Iran!“ an die Bundeskanzlerin genannt. Darin heißt es unter anderem – ich zitiere –:

„Die Situation heute erinnert an die Lügenpropaganda vor dem Irak-Krieg. Leider gibt es keinen Anhaltspunkt, dass der amerikanische Präsident auf eine diplomatische Lösung hinarbeitet. Den Dialog mit dem Iran lehnt er trotz der Empfehlung der Baker-Kommission ab. Seine ständigen Beteuerungen, den diplomatischen Weg bevorzugen zu wollen, dienen der Täuschung des amerikanischen Volkes und der Europäer. Der US-Präsident handelt mit seinen Wahnsinnskriegsplänen gegen die Mehrheit der Amerikaner, auch gegen viele in seiner eigenen Partei. Ein weiteres gemeinsames Vorgehen mit Bush im IranKonflikt entbehrt unseres Erachtens jeglicher politischer und moralischer Legitimation, vielmehr kann es nur als Billigung seiner Angriffspläne verstanden werden. Sehr verehrte Frau Merkel! Wegen Gefahr im Verzug bitten wir Sie zu handeln. Verhindern Sie diesen Krieg und dass Deutschland und die Europäische Union für ein Desaster unvorstellbaren Ausmaßes mit verantwortlich gemacht werden wird.“

Meine Damen und Herren! Die NPD reicht als Friedenspartei

(Lachen bei der CDU und der FDP)

jedem die Hand, der eine weitere Eskalation der Kriege und Konflikte im Nahen Osten aus dem Wissen heraus vermeiden will, dass diese Eskalation auch für Deutschland und für Europa schlimmste Folgen hätte.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war die einbringende Fraktion. Herr Prof. Dr. Schneider spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst um Nachsicht, dass ich meine Rede nicht zu Protokoll gebe. Diesen Unsinn, den wir eben gehört haben, darf man nicht so im Raum stehen lassen. Seht!, möchte ich sagen, Herr Apfel, wie friedlich Sie dasitzen, die Reihe der Straftäter, die in Ihren Reihen sitzen.

(Jürgen Gansel, NPD: Haben Sie einen an der Waffel? – Dr. Johannes Müller, NPD: Moment mal! Herr Präsident? – Holger Apfel, NPD: Haben Sie sich einen Joint von Frau Bonk geliehen?)

Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion versucht sich wieder einmal auf dem Gebiet der Außenpolitik. Der heutige Versuch, der dieses Mal die Haltung der Bundesregierung auf dem Feld der Nahostpolitik zum Gegenstand hat, ist missraten, abstrus und im Grunde ohne jede intellektuelle Konsistenz.

Der Initiativantrag unterstellt das Bevorstehen eines Angriffskrieges gegen den Iran, der angeblich von den USA und von Israel geplant werde. Zum eigenen Antrag, zum Verhältnis der Bundesrepublik und zu den Zuständigkeiten des Freistaates Sachsen habe ich vom Fraktionsvorsitzenden der NPD keine Silbe gehört.

(Jürgen Gansel, NPD: Es kommen doch noch Redebeiträge!)

Zu Ihrem eigenen Antrag haben Sie offensichtlich nicht viel beizubringen. Die Bundesrepublik Deutschland – darum geht es in Ihrem Antrag – ist in die Weltgemeinschaft eingebunden. Unsere gesamte Rechtsprechung ist darauf ausgerichtet, das Völkerrecht und die Integrität der Staatengemeinschaft zu wahren. Das deutsche Grundgesetz legt demgemäß, Herr Apfel, ausdrücklich fest, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts vorrangiger Bestandteil der deutschen Rechtsordnung sind. Das Grundgesetz bestimmt, dass jegliche Handlungen, die geeignet sind, etwa einen Angriffskrieg vorzubereiten, verfassungswidrig sind.

Vor dem Hintergrund des geltenden Verfassungsrechts und der Kontrolle der Exekutive durch das Parlament und durch das Bundesverfassungsgericht ist Ihr Antrag abstrus und, wie ich meine, auch fadenscheinig.

Ich komme nicht umhin, den Antrag der NPD unter einem ganz anderen Blickwinkel zu bewerten. Herr Apfel, Sie sind offensichtlich nicht willens, mit Ihren Kollegen zur Kenntnis zu nehmen, dass es doch gerade umgekehrt der Iran ist, welcher der Weltgemeinschaft keine Rechenschaft darüber ablegen will, was er mit seiner Atompolitik und mit seiner Atomproduktion vorhat. Ich hätte gern von Ihnen eine Silbe dazu gehört.

(Zuruf des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Ich hätte von Ihnen gern auch eine Silbe darüber gehört, welche Bemühungen von der Weltgemeinschaft – –

(Jürgen Gansel, NPD: Die Beweispflicht liegt bei den USA!)

Herr Prof. Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage.

– Nach meinem Satz.

und vor allem von den Vereinten Nationen unternommen werden, um die Herstellung von Atomwaffen durch den Iran zu verhindern.

Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Prof. Schneider, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Urananreicherung, die der Iran betreibt, eine Anreicherung auf etwa 5 % ist und dass für kernwaffenfähiges Material eine über 90-prozentige Anreicherung notwendig wäre? Dies ist auch von der Internationalen Atomenergiebehörde so festgestellt worden. Das wurde auch von niemandem bestritten, weil die Atomenergiebehörde dies als Fakt so bestätigt hat. Das wird noch nicht einmal von den USA bestritten.

Herr Dr. Müller, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Vereinten Nationen geradezu auf der Grundlage der Berichte der Kontrollkommission doch den Versuch unternehmen, den Iran zu Sinnen zu bringen?

(Zuruf des Abg. Peter Klose, NPD)

Ich komme nicht umhin, Ihnen vor dem Hintergrund der mir gestellten Frage, Herr Apfel – Ihr Verhältnis und das Ihrer Mitglieder in der Fraktion und wohl auch in der Partei –, zur deutschen Geschichte und Ihre Beziehungen zum Nationalsozialismus offenzulegen,

(Zurufe von der NPD: Zum Thema!)

und zwar deshalb, weil es in Ihrem Antrag um jemanden geht, der Staatschef der iranischen Republik ist. Sie haben sich bis heute nicht vom Rassenwahn des Dritten Reiches distanziert.

(Jürgen Gansel, NPD: Reden Sie doch mal zum Thema!)

Bis heute werden in Ihren Reihen Straftäter wegen der Leugnung des Holocaust verurteilt, und bis heute fehlt von Ihrer Seite jegliche inhaltliche Distanzierung vom Nationalsozialismus und von Hitlerdeutschland.