Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! In Ihrem Koalitionsvertrag heißt es: „Die Koalitionspartner wollen Forschungsleistungen auf Spitzenniveau, die
Belassen Sie es nicht bei Lippenbekenntnissen! Haben Sie den Mut für einen Kurswechsel! Geben Sie unseren Hochschulen Gestaltungsfreiheit! Lassen Sie die Hochschulen handeln!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wage im Übrigen zu bezweifeln, dass Gottfried Wilhelm Leibniz, Student der Universität Leipzig, seinen Magister unter heutigen Studienbedingungen bereits mit 18 Jahren erworben hätte.
Aber das sind Spekulationen. Um 1664 gab es schließlich keine Große Koalition, die die Hochschulpolitik lieber jahrelang zurückstellt, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte Frau Staatsministerin Stange.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht so viel vorweg: Herr Dr. Schmalfuß, ich finde die Debatte mitnichten unangenehm. Im Gegenteil, ich kann Herrn Gerstenberg nur zustimmen: Ich wünschte mir, wir könnten einen ganzen Tag hier im Hohen Hause über das Thema Hochschulen, Hochschulreform und ihre Entwicklung diskutieren. Leider ist es mir in meiner Redezeit nicht möglich, auf alle Facetten, die jetzt angesprochen wurden, unter der – gestatten Sie mir den Hinweis – etwas sehr nebulösen und populistischen Fragestellung einzugehen. Aber die Facetten waren da, im Prinzip fast die ganze Bandbreite, die uns derzeit in den Hochschulen beschäftigt.
Ich kann mich auch nur einem Beitrag von Herrn Gerstenberg anschließen. Ich kann nur allen raten: Diskutieren Sie das auch einmal mit den Hochschulen selbst; dann werden Sie sehen, wie facettenreich unsere Hochschullandschaft in dieser Frage ist.
Es gibt in diesem Land nicht nur eine große Universität, die gern ein eigenes Gesetz hätte. Wir sollten in der Debatte ehrlich sein, weil es teilweise in der Diskussion um das Hochschulgesetz, zu dem ich dann noch kommen werde, nicht um die Frage wirklich der gesamten Hochschullandschaft geht – von den kleinen, feinen Hochschulen bis zur großen Technischen Universität Dresden –,
sondern es geht in dieser Debatte oftmals, ganz zugespitzt, um eine große Technische Universität in diesem Land. Ich bitte, das zu berücksichtigen; denn wir haben 15 Hochschulen, die unter das Dach eines gemeinsamen Hochschulgesetzes zu bringen sind.
Ich möchte zu dem Thema „Exzellenz statt Schneckentempo“, das hier schon mehrfach auseinandergenommen wurde, so viel sagen: Wir befinden uns im 17. Jahr der Umstrukturierung der Hochschullandschaft in Sachsen. Die Hochschulen in Sachsen, ähnlich wie die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, haben nicht bei null angefangen, aber sie haben seit dieser Zeit einen enormen Start vollzogen.
In der Exzellenzinitiative, die ich sehr begrüße und deren Fortsetzung ich ebenso begrüßen würde, wird leider nicht berücksichtigt, dass alle ostdeutschen Universitäten und die Universitäten Dresden und Leipzig – Dresden insbesondere – in diesen 17 Jahren einen sehr steilen Gradienten in ihrer Entwicklung aufzuweisen haben. Diesen Gradienten kann man am DFG-Ranking ablesen, mit dem Sie sich sicher auch befasst haben. An diesem DFGRanking wird deutlich, dass sich die Universität Dresden von 1995, als sie noch auf Platz 35 lag, im Jahre 2004 auf Platz 20 bewegt hat und nach inoffiziellem Ranking – die aktuellen Zahlen liegen noch nicht vor – derzeit auf Platz 14 bzw. 15 liegt. Das ist eine ungeheure Entwicklung, die andere Universitäten, die heute zu den Universitäten in der dritten Forschungslinie – also den Zukunftskonzepten – zählen, nicht vorzuweisen haben.
Jedoch können wir sehen – ich will nicht auf Details eingehen, die bereits genannt worden sind –, dass alle Universitäten, die jetzt in der zweiten Runde die Möglichkeit haben, aus ihrer Projektskizze einen Vollprojektantrag für das Thema Zukunftskonzept zu machen – an dessen Ende nach fünf Jahren vielleicht eine exzellente Universität steht –, dass all diese Universitäten – mit Ausnahme von Konstanz – unter den ersten 20 im DFGRanking gelegen haben. Das heißt ganz konkret, dass diese Universitäten – man mag nur die letzten 17 Jahre zugrunde legen, so weit reicht die Liste zurück – in den letzten 17 Jahren aufgrund einer universitären und außeruniversitären Forschungslandschaft enorm viel an DFGMitteln einwerben konnten, die sie über 40 Jahre, teilweise sogar noch länger, aufbauen konnten.
Vor diesem Hintergrund finde ich es schon schwierig – ich bin etwas gnädig damit –, von einem Schneckentempo zu reden, weil andere Universitäten, die jetzt in dieser Zukunftslinie vorn liegen und sicher in den nächsten Jahren noch zulegen werden, sehr viel Zeit hatten, um genau diese Forschungslandschaft aufzubauen.
Ich weiß nicht, woher Herr Dr. Schmalfuß die Information hat – wir haben sie noch nicht –, auf welcher Grundlage die Bewertung der Universität Dresden jetzt in dieser zweiten Runde stattgefunden hat. Mir liegt die Bewertung aktuell noch nicht vor. Es kann sein – manchmal geht am Ministerium etwas vorbei –, dass sie Ihnen vorliegt. Soweit ich informiert bin – und so ist auch die Universität
bisher informiert –, lag es nicht an der Projektskizze. Das heißt, das Projekt, das eingereicht wurde, ist ein hervorragendes Projekt und könnte die Universität in den nächsten fünf Jahren enorm voranbringen.
Die hauptsächliche Ursache ist, dass in dieser Exzellenzinitiative der Status quo berücksichtigt wurde und nicht der Gradient der Entwicklung in den letzten Jahren. Zum Status quo habe ich gerade etwas gesagt. Da steht die Universität Dresden eben nicht unter den ersten zehn, sondern war 2004 noch auf Platz 20. Das ist – um es vorsichtig auszudrücken – ein wenig unfair in diesem Wettbewerb, aber wir stellen uns dennoch diesem Wettbewerb und auch die Universität Dresden hat sich dem gestellt.
Alle Universitäten, Herr Dr. Schmalfuß, bewegen sich im öffentlichen Raum. Es sind öffentliche, sprich: staatliche Universitäten; es sind keine privaten, keine Stiftungsuniversitäten. Sie arbeiten unter einem Hochschulgesetz des jeweiligen Landes, und alle Hochschulgesetze, die wir hier zugrunde liegen haben, sind unterschiedlich.
Das NRW-Hochschulgesetz spielt noch gar keine Rolle; dieses Gesetz ist erst dieses Jahr in Kraft getreten. Die Hochschule, die Universität, die sich jetzt erfolgreich beworben hat, hat mit Sicherheit nicht erst in diesem Jahr angefangen zu arbeiten. Die RWTH Aachen hat eine lange Tradition und ist eine exzellente Universität, auch ohne die Exzellenzinitiative.
Insofern sind es mitnichten die Rahmenbedingungen allein – obwohl sie natürlich eine wichtige Rolle spielen –, die die Universität Dresden hier behindert hätten.
Ich möchte, bevor ich zum Thema Hochschulgesetz, das Sie in Ihrem Gesamtkomplex mit angesprochen haben, komme, noch auf einen anderen Punkt eingehen; der vielleicht bei der ganzen Debatte nicht so deutlich geworden ist: Wir haben in Sachsen in den vergangenen 16, 17 Jahren enorm viel in den Bereich Forschung und Entwicklung investiert. Wir haben mittlerweile eine außeruniversitäre Forschungslandschaft, und unsere Universitäten – auch jene, die jetzt mit einer Graduiertenschule oder mit einem Exzellenzcluster gestartet sind – könnten sich in der Exzellenzinitiative gar nicht erfolgreich bewerben, wenn es diese außeruniversitäre Forschungslandschaft nicht gäbe.
Wir haben mittlerweile sieben Leibniz-Institute, ein Helmholtz-Institut, sechs Max-Planck-Institute, 14 Fraunhofer-Gesellschaften und zehn landeseigene Forschungseinrichtungen. Das ist eine außeruniversitäre Forschungslandschaft, wie sie sich manches andere Land wünscht. Die Universitäten sind nur aus diesem Grund in der Lage, sich überhaupt erfolgreich in dieser Exzellenzinitiative zu bewerben und einzubringen.
Ein Punkt, der vielleicht auch zu wenig berücksichtigt wird: Anders, als es in den westlichen Bundesländern der Fall ist, investieren im Osten und insbesondere in Sachsen in den Bereich Forschung und Entwicklung der Staat drei
Viertel der Mittel und die Wirtschaft ein Viertel – im Westen ist es genau umgekehrt. Das heißt, wir investieren enorm viele öffentliche Mittel, die Sie ja in jedem Haushaltsjahr wieder beschließen, in den Bereich Forschung und Entwicklung, der nicht durch gleichwertige Anstrengungen vonseiten der Wirtschaft in diesem Bereich substituiert werden kann.
Natürlich ist es unter diesen Bedingungen nicht möglich gewesen, gleichzeitig in den außeruniversitären Forschungsbereich einschließlich der angewandten Forschung und in den Forschungsbereich der Universitäten zu investieren. Dabei muss man berücksichtigen – dies noch einmal an die Verfechter der Exzellenzinitiative –: Es geht ausschließlich um eine Exzellenzinitiative im Bereich der Forschung. Unsere Hochschulen haben aber neben dem Bereich der Forschung maßgeblich Lehre zu betreiben.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig! – Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und ganz vereinzelt bei der CDU)
Wir haben seit Anfang der Neunzigerjahre eine Verdopplung unserer Studierendenzahlen an den Hochschulen, was eine enorme Belastung der Hochschulen darstellt, einschließlich der zu erstellenden Studiengänge usw. usf.
Was ich damit deutlich machen will, ist – und dies vor allem unter dem Thema „Schneckentempo“ –: Es mag ja auch schnelle Schnecken geben, aber Sachsen gehört mit Sicherheit nicht dazu; denn das, was hier in den letzten Jahren an den Tag gelegt wurde, gehört zur Exzellenz, nur kann man es halt nicht vergleichen mit der Entwicklung, die vor über 40 Jahren gestartet werden konnte. Wenn Bayern heute mit zwei Universitäten in der Exzellenzinitiative in der dritten Linie ist, dann hat das etwas damit zu tun, dass in den vergangenen Jahren Tafelsilber verkauft wurde, was ausschließlich den Universitäten zugute gekommen ist. Man muss sich überlegen, ob man das für Sachsen auch will.
Ich möchte etwas zum Thema Hochschulgesetz sagen, das Sie damit vermengt haben; auch hier eine kleine Richtigstellung: In der schon genannten Gläsernen Werkstatt war Prof. Künzel. Er ist vielleicht einigen bekannt als langjähriger Rektor der Universität Osnabrück und Berater in vielfältigen Hochschulentwicklungsprozessen und in der Akkreditierungsagentur. Niedersachsen hat für sein Hochschulgesetz, das zu einem der zeitgemäßesten gehört, zwölf Jahre gebraucht; zwölf Jahre intensivste Diskussionen in der Landesrektorenkonferenz und mit den Hochschulen, um dieses Gesetz so zu gestalten, dass es jetzt auch einen Regierungswechsel überstanden hat – mit kleinen Veränderungen –, es in der Hochschullandschaft also akzeptiert ist. Auch insofern kann ich also nicht sagen, dass wir uns im Schneckentempo bewegen, auch wenn ich mir manchmal etwas mehr Tempo dabei wünschte, um einfach den Kopf für andere Dinge freizubekommen, die wir im Hochschulbereich dringend zu tun haben.
Wir werden ein zeitgemäßes Hochschulgesetz machen. Es sind heute schon viele Punkte angesprochen worden, bei denen ich auch den Eindruck habe, wir liegen gar nicht so weit auseinander, zumindest wenn ich einige Beiträge aufmerksam verfolgt habe.
Aber die Hochschulen bleiben – und dabei bleibe ich, und darin sind wir uns auch in der Koalition einig – staatliche Veranstaltungen.
(Beifall bei der SPD, der CDU sowie der Abg. Heike Werner, Linksfraktion.PDS, und Johannes Lichdi, GRÜNE)
Das heißt, wir werden keine Rechtsformänderung der Hochschulen vornehmen. Ob sich das Experiment Nordrhein-Westfalen mit dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz in den nächsten Jahren bewähren und ob es verfassungsrechtlich standhalten wird – denn wir haben in diesem Land immer noch eine Wissenschaftsfreiheit, durch das Grundgesetz geschützt –, wage ich sehr zu bezweifeln.
Ich möchte dieses Experiment nicht eingehen; die Hochschulen sind mir einfach ein bisschen zu viel wert, um mich auf dieses Experimentierfeld zu bewegen. Wir werden ein Hochschulgesetz vorlegen, das der Stärkung der Leitungsebenen, also der Kompetenzen innerhalb der Hochschulen, entspricht, die auch Verantwortung übernehmen müssen.
Ich habe hier schon einmal gesagt, dass ich nichts von einem Hochschulfreiheitsgesetz halte, weil der Begriff der Freiheit, ohne gleichzeitig zu sagen, dass es auch um Verantwortung geht, die hier vergeben wird, in die Irre führt. Ich erwähne noch einmal Prof. Künzel, der mit Sicherheit in den letzten Jahren ein ganzes Maß an Erfahrungen sammeln konnte. Diese Stärkung der Leitungsverantwortung, der Leitungsebene in den Hochschulen, der Rektoren, der Rektorate und auch der Senate verlangt eine intensive Professionalisierung. Wir würden unsere Hochschulen – ich denke, für die Mehrzahl der Hochschulen sprechen zu können – überfordern, wenn wir sie von heute auf morgen in eine Situation bringen würden, mit der sie gar nicht verantwortungsbewusst umgehen könnten. Deswegen brauchen wir auch ein unterschiedliches Tempo.
Wir werden im Hochschulgesetz eine Hochschulgremienstruktur verankern, die eine sachgerechte und zügige Entscheidungsfindung ermöglicht. Zugegeben, hier gibt es noch einigen Diskussionsbedarf – aber wir sind auf einem guten Weg –, weil die Balance zwischen einem veränderten Konzil auf der einen Seite und einer sehr schmalen Gremienstruktur auf der anderen Seite sicherlich noch austariert werden muss.
Wir werden die Gestaltungsrechte der Hochschulen durch Verlagerung der staatlichen Aufgaben stärken, zum Beispiel – das ist schon von Dr. Schmalfuß angesprochen worden – auch bei den Berufungsverfahren. Aber selbst gestandene Rektoren in diesem Land sagen uns, dass eine der schwierigsten Aufgaben einer Hochschule das Beru
fungsverfahren ist. Auch das ist eine Erfahrung aus anderen Ländern: Berufungen sind sozusagen Lebensentscheidungen, auch für die Fachbereiche der Universitäten und der Hochschulen. Wir werden dieses Verfahren in die Hände der Hochschulen geben, und wir gehen davon aus, dass sie damit sehr verantwortungsbewusst umgehen werden.
Zum Thema Hochschulfinanzierung: Natürlich brauchen wir eine hochschuladäquate Steuerung durch Globalhaushalte und Zielvereinbarungen – aber bitte eine hochschuladäquate Steuerung und nicht die Steuerung eines Unternehmens;
denn Hochschulen sind hochkomplexe, komplizierte Institutionen. Leistung wird dort anders beschrieben als in einem Produktionsunternehmen. Insofern brauchen wir eine hochschuladäquate Steuerung.
Diese hochschuladäquate Steuerung wird auch – gerade in einem ostdeutschen Land – gut ohne Studiengebühren auskommen können; darin bin ich mir absolut sicher.