Die biologische Vielfalt gilt als eine der Grundvoraussetzungen für die Stabilität der weltweiten Ökosysteme. Allerdings ist Vielfalt nicht in allen Fällen mit Stabilität gleichzusetzen. Als Standard-Gegenbeispiel werden oft die relativ artenarmen Fichtenwälder genannt, die zum
Beispiel Waldbrandschäden gegenüber sehr tolerant sind – im Gegensatz zu den artenreichen tropischen Urwäldern, deren Erholungsfähigkeit nach Waldbränden eher als gering einzuschätzen ist.
Dem Erhalt der biologischen Vielfalt wird in unserem Lande zu Recht eine hohe Priorität eingeräumt. Das gilt auch im Freistaat und wird – liebe GRÜNEN, jetzt einmal genau zuhören! – durch die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt dann durchaus umgesetzt. Ich sage „dann“, denn da hat die Staatsregierung sehr wohl recht in ihrer Antwort auf diesen Antrag: Das alles ist jetzt gerade noch ein Entwurf in Abstimmung.
Über eine Landestrategie sollten wir dann reden, wenn wir wissen, was auf uns mit der nationalen Strategie des Bundes überhaupt zukommt. Ich erwarte auch noch einige harte Fakten, wenn das Umweltbundesamt in der von mir schon in der Klimadebatte zitierten Studie die schon jetzt für Ostdeutschland prognostizierten starken Einflüsse genauer darstellen kann.
Was machen wir denn in Zukunft mit den Arten, die die zu erwartenden Starkregen oder Hitzeperioden nicht aushalten? Man kann zukünftig nicht mehr alle Arten hier schützen und erhalten – das ist die traurige Wahrheit. Auch diese Erkenntnis muss in der Novelle zum Naturschutz berücksichtigt werden. Während auch hier die GRÜNEN-Verbände offensichtlich langsam umdenken, ist dieser Antrag wieder nur der Griff in die berühmte Mottenkiste. Einige ihrer Forderungen sind geradezu absurd, bedürfen überhaupt keiner Beschlussfassung, da sie – nicht nur aus liberaler Sicht, wie wir auch der Antwort der Staatsregierung entnehmen konnten – schon realisiert werden oder über Maßnahmenpläne abgesichert sind.
Sie outen sich mehr und mehr als die „Ewiggestrigen“ – wobei es im Zusammenhang mit diesem Thema eigentlich gar nicht passt: Das erste Abkommen über Biodiversität wurde 1979 als Berner Konvention unter dem Titel „Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume“ verabschiedet. Ihre Partei – wie wir alle wissen – wurde aber erst 1980 gegründet. Sie sehen: Artenschutz fand schon vorher und findet auch außerhalb Ihrer Partei statt, und das ist gut so! Dieser Antrag ist jedenfalls großer Murks und kein Beitrag zum Erhalt der Arten und zum Erhalt der GRÜNEN-Fraktion.
Es ist scheinbar grüne Logik, dass mehr Geld und mehr Fläche immer auch mehr Naturschutz bedeuten. Dieser scheinbare Zusammenhang wird aber auch vom ständigen Wiederholen nicht wahrer, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN:
Die Staatsregierung hat bereits zahlreiche fachlich fundierte Maßnahmen eingeleitet, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Dabei gibt es durchaus Erfolgsmeldungen: In den letzten 15 Jahren ist eine Reihe von Pflanzen und Tierarten zurückgekehrt oder es gelang deren Wiedernachweis. So wurden Fischadler und Wanderfalke wieder heimisch. Zwergseeschwalbe, Moorente, Würgfalke waren kurzzeitig bei uns zu Gast, was auf günstige Rückkehrbedingungen in Sachsen schließen lässt. Mit dem Wolf erreichte uns ein ganz besonders prominenter Rückkehrer einer lange Zeit abwesenden heimischen Tierart.
Aber auch die Pflanzenwelt erobert sich wieder Lebensräume in Sachsen. Die Gefäßpflanzen Deutscher Ziest
und Breitblättrige Wolfsmilch konnten, nachdem sie lange Zeit verschollen waren, wieder entdeckt werden.
Neben diesen Wiederankömmlingen gibt es auch Bestände, die sich bei uns prächtig erholt haben: Dazu zählen zum Beispiel Seeadler und Kranich. Aber auch Pflanzen gehören in Sachsen zu den Gewinnern, wie der Braungrüne Streifenfarn und Sumpf-Siegwurz. Die Präsenz all dieser Arten zeugt einerseits von unseren günstigen Umweltbedingungen, andererseits von guter Naturschutzarbeit, bei der wir uns immer wieder auf zahlreiche ehrenamtliche Naturschützer stützen konnten.
Unsere Stellungnahme zu Ihrem Antrag liegt dem Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss vor. Daher fasse ich hier nur noch einmal die wichtigsten Punkte zusammen:
Sie haben sicherlich gelesen, dass der Freistaat mit der erneuten Meldung von Vogelschutzgebieten im Sommer dieses Jahres nunmehr fast 16 % seiner Landesfläche als FFH- und Vogelschutzgebiete ausgewiesen hat. Damit sichert der Freistaat großflächig ökologisch wertvolle Landschaftsräume für unsere Flora und Fauna. Bei der Auswahl dieser Gebiete wurden die Erfordernisse des Biotopverbundes berücksichtigt. Außerdem wurde mit der Einbindung zahlreicher Fließgewässer in diese Gebietskulisse die Voraussetzung geschaffen, Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie quasi in einem Zug mit umzusetzen. Dies geschieht bereits, sodass sich der Antrag nicht nur in diesem Punkt erübrigt.
Sie sollten auch bedenken, dass sich das ökologische Netz Natura 2000 europaweit gerade im Aufbau befindet, sodass dessen Wirkungen noch gar nicht abgeschätzt werden können. Warten wir doch erst einmal ab, wie sich dieser Schutz auf unsere Flora und Fauna auswirkt. Immer neue und zusätzliche Schutzgebiete sowie höhere Prozentmarken für Vorrangflächen des Naturschutzes zu fordern, ohne die Wirksamkeit des Bestehenden im Auge zu behalten, ist für mich blinder Aktionismus, der niemandem weiterhilft und nur zu einer sinkenden Akzeptanz des Naturschutzes führt!
Wir setzen daher in bewährter Weise weiter auf freiwillige Vereinbarungen. Eine Erfolgsgeschichte – auch für den Erhalt der biologischen Vielfalt – war das von meinem Haus und der Sächsischen Landesstiftung für Natur und Umwelt geförderte Bergwiesenprojekt.
Auch das Sächsische Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007 bis 2013 unterstützt naturschutzgerechte Landnutzungsformen, die zur Wahrung der biologischen Vielfalt beitragen – allen voran den ökologischen Landbau, aber auch Investitionen zur Sicherung und Gestaltung von Biotopen sowie den Waldumbau. Mittel dafür stehen in ausreichendem Umfang aus dem ELER bereit.
Analog zum Vorrang freiwilliger Maßnahmen setzt das SMUL auch bei auftretenden Konflikten auf kooperative Lösungen. So konnten Meinungsverschiedenheiten, die bei der Ausweisung der europäischen Vogelschutzgebiete auftraten, im Rahmen von Informationsveranstaltungen
und Einzelkonsultationen sachlich diskutiert und geklärt werden. Wir brauchen daher keine Mediationsverfahren, sodass sich der Antrag auch in diesem Punkt erübrigt hat. Alle Stellungnahmen wurden ausgewertet – auch die des NABU, sodass eine erneute Bewertung, wie von Ihnen gefordert, nicht notwendig ist.
Eine Landesstrategie zur Sicherung der biologischen Vielfalt in der Form, wie sie beantragt wird, steht nicht auf der Agenda des SMUL. Das kann sie auch gar nicht, da eine Landesstrategie in eine nationale Strategie eingebunden sein muss. Eine solche wird gerade erst von der Bundesregierung erarbeitet. Ein erster Entwurf wird derzeit in der Bundesregierung diskutiert.
Nach unseren Prüfungen dieses Entwurfs sind die Ziele und Aufgaben dieser Strategie bereits größtenteils Bestandteil der laufenden Naturschutzarbeiten und Umsetzungsmaßnahmen im Freistaat Sachsen, sodass bis zum Vorliegen der nationalen Strategie keine Zwischenlösungen in Sachsen notwendig sind.
Der Schutz unserer Flora und Fauna ist nur mit den Menschen und nicht gegen sie umsetzbar. Das ist uns einmal mehr bei der Ausweisung der europäischen Vogelschutzgebiete bewusst geworden. Lassen Sie uns daher im Einklang mit den Betroffenen nach Lösungen suchen. Das hilft mehr, als ständig neue Anträge zu schreiben; denn im Ziel sind wir uns einig: Die Sicherung der biologischen Vielfalt gehört weiterhin zu unseren wichtigsten Aufga
ben, der wir uns, auch im Interesse zukünftiger Generationen, mit größtem Engagement stellen müssen.
Neil Armstrong sagte einmal: „Große Gedanken brauchen nicht nur Flügel, sondern auch ein Fahrgestell zum Landen.“ Das gilt nicht nur fürs Fliegen, sondern auch für den Naturschutz. Große Ideen könnten aber auch nur umgesetzt werden, wenn ein Bezug zum Boden, also zur Realität, vorhanden ist.
Zur Bodenhaftung gehört für mich, Naturschutz in einem sinnvollen und bezahlbaren Kontext zwischen Schutz und Nutzung umzusetzen. Unsere Kulturlandschaft wurde von Menschen geschaffen. Sie kann deshalb nur gemeinsam mit allen Nutzern bewahrt werden. Machen Sie mit!
Dies war der letzte Tagesordnungspunkt, den ich hiermit schließe. Die Tagesordnung der 72. Sitzung ist abgearbeitet. Das Präsidium hat den Termin für die 73. Sitzung auf Mittwoch, den 14. März 2007, 10:00 Uhr, festgelegt. Die Einladungen und die Tagesordnung gehen Ihnen noch zu. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.