Protocol of the Session on January 25, 2007

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir haben nichts gegen Zusammenarbeit!)

Das haben wir 40 Jahre erlebt, als Sie in der Verantwortung waren. Wir wollen ein freies Europa, aber auch ein sicheres Europa!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nicht, dass wir etwas gegen Zusammenarbeit haben!)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Porsch, wünschen Sie noch das Wort?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein, danke!)

Gut. – Dann Herr Staatsminister Dr. Buttolo, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, Sachsen ist europäisch. Wir sind ein aktiver Teil Europas, aber gleichzeitig eine eigenständige Region. Ich möchte nur an unsere Bedeutung innerhalb Europas erinnern, wenn ich den Tourismus benenne, die europäischen Planungen nenne und dabei beispielsweise auf die Euregia in Leipzig, die alle Jahre stattfindet, hinweise.

Meine Damen und Herren! Sachsen ist aber auch sicher. Es ist Fakt, dass wir einen deutlichen Rückgang der Kriminalität haben. Wir haben höhere Aufklärungsquoten. Im Jahre 2006 haben wir auch an der Grenze eine deutlich zurückgegangene Kriminalität, mit Ausnahmen in den Städten Görlitz und Zittau. Das Sicherheitsempfinden unserer Bürger ist hervorragend. Bei einer letzten Umfrage haben 95 % unserer Bürger geäußert, dass sie sich in ihrer Wohnumgebung sicher bzw. sehr sicher fühlen.

Aber Kriminalität macht vor Grenzen nicht halt! Aus diesem Grund haben wir in Görlitz und Zittau diese erhöhte Kriminalität. Wenn man dem nachgeht, stellt man

fest, es handelt sich im Wesentlichen um Kleinkriminalität, Eigentumsdelikte und Ladendiebstähle, die die Ziffer nach oben bringen.

Ich halte den Zeitpunkt der Debatte für sehr gut. Vom 14. bis 16. Januar tagte der Informelle Rat der Justiz und des Innern hier in Dresden. Herr Schiemann sprach sehr ausführlich davon. Herr Dr. Martens hat die Überführung des Prümer Vertrages benannt. Am Rande dieser Konferenz hatte ich die Möglichkeit, mich mit meinem tschechischen Kollegen zu unterhalten. Darauf werde ich noch zurückkommen.

Der Rat der EU hat die Bedingungen für den Wegfall der Schengen-Grenze am 4. und 5. Dezember 2006 noch einmal klar formuliert: die parallele Weiterentwicklung von SIS II und die Entwicklung von „SIS one 4 all“, die bei Öffnung der Grenze in allen neuen SchengenraumStaaten funktionieren sollen. Gleichzeitig hat der Rat das Ergebnis der Evaluierung in Tschechien und Polen bekannt gegeben und festgestellt, dass zumindest in Polen noch Nachbesserungen vorzunehmen sind. Es wird eine Nachevaluierung geben. Es wird überprüft werden, ob „SIS one 4 all“ tatsächlich funktioniert.

Aus meiner Sicht werden wir zum Jahresende sicher die Erfüllung all dieser Bedingungen durch die Staaten Polen und Tschechien bestätigt bekommen. Das bedeutet, die EU wird die Schengen-Grenze fallen lassen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie es danach weitergeht. Dazu, Herr Kosel, muss ich sehr deutlich sagen: Ich brauche den Hinweis nicht, dass wir uns gemeinsam ein Konzept darüber erarbeiten müssen, was danach passiert. Wir sind gegenwärtig dabei, ein derartiges Konzept zu erarbeiten. Mir liegt sehr wohl daran, das festzustellen. Nicht, dass ich in einem halben Jahr, wenn ich es vorstellen sollte, dann gesagt bekomme, Sie hätten mich aufgefordert, dieses Konzept zu erarbeiten.

Was werden wir tun? Wir werden für die Sicherheit im Grenzbereich natürlich unsere Maßnahmen planen. Auf der einen Seite müssen wir eine weitere Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit anstreben. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass wir im Rahmen der Ziel-III-Förderung Nachfolgeprojekte für die InterregIIIa-Förderung benötigen. Wir werden im polizeilichen Bereich natürlich dafür Sorge tragen, dass entsprechende Möglichkeiten genutzt werden, um über verdachtsunabhängige Kontrollen und mobile Einsatzkommandos im grenznahen Raum zu kontrollieren. Es handelt sich nicht um eine Passkontrolle, sondern um eine verdachtsunabhängige Kontrolle, die eine Überprüfung der genutzten Verkehrsmittel beinhalten wird. Es geht nicht nur um Personen, die zu kontrollieren sind, sondern es geht auch darum, in welchem Zustand sich die Fahrzeuge befinden.

An dieser Stelle möchte ich auf das schon erwähnte Gespräch mit meinem tschechischen Innenministerkollegen eingehen. Wir sind uns darüber einig, dass es beidseitig der derzeitigen Grenze derartige verdachtsunabhängige Kontrollen geben muss. Mein Kollege Dr. Langer hat gute Voraussetzungen dafür, denn er wird die tschechische

Grenzpolizei in die normale Schutzpolizei integrieren, sodass auf der tschechischen Seite die gleiche Polizeipräsenz wie bisher da ist. Wir sind übereingekommen, dass wir die verdachtsunabhängigen Kontrollen nach Möglichkeit auf der deutschen Seite mit tschechischer Beteiligung und auf der tschechischen Seite mit deutscher Beteiligung vornehmen sollten;

(Beifall bei der CDU)

denn es darf durch diese Kontrollen nicht der Eindruck entstehen, dass Sachsen oder Tschechien in irgendeiner Abwehrhaltung zum anderen stehen. Nein, wir haben eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Sicherheit für unsere Bürger zu garantieren.

An dieser Stelle ist es mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir natürlich an den Bund appellieren müssen, trotz Umstrukturierung der Bundespolizei dafür Sorge zu tragen, dass sich die Bundespolizei im Grenzbereich zu Polen und Tschechien auch künftig engagiert.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich werde hierfür Herrn Dr. Schäuble beim Wort nehmen. Er hat mir am Rande der November-Innenministerkonferenz zugesagt, dass er die Polizei aus diesem Bereich nicht zurückziehen wird. Mir liegt jetzt sehr viel daran, dass wir über die Höhe der Präsenz der Bundespolizei in diesem Bereich sprechen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich wollte Ihnen an dieser Stelle eigentlich nur verdeutlichen, dass wir uns systematisch im Polizeibereich auf den Wegfall der SchengenGrenze vorbereiten, ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt sie kommt. Wir müssen darüber hinaus natürlich noch andere Bereiche im Blick haben.

Es wurde in der Diskussion schon angesprochen, dass wir Regelungen zum Rettungswesen brauchen. Im Moment ist es so, dass die polnische und die tschechische Grenze den Halt für unsere Rettungsmannschaften darstellt, ob es nun die Bergrettung ist oder ob es die ganz normalen Träger des Rettungswesens sind. Man kommt über diese Grenze nicht hinweg. Wenn es keine Grenze mehr gibt, ist es für den Bürger erst recht unverständlich, wenn Tschechen auf deutscher Seite und Deutsche auf tschechischer Seite nicht helfen können, nur weil eine vertragliche Regelung fehlt. Auch hier bin ich mir mit meinem tschechischen Innenministerkollegen Dr. Langer einig geworden, dass es schnellstens zu Regelungen kommen muss, damit im Interesse unserer Bürger dieser Wegfall der Grenze dann auch zu einer Verbesserung im Rettungswesen führt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD zum Thema „Sachsen – europäisch und sicher“, beendet.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Zukunft der Wirtschaftsförderung und strukturschwacher Regionen in Sachsen

Antrag der Linksfraktion.PDS

Zunächst hat, wie immer, die antragstellende Fraktion, die Linksfraktion.PDS, das Wort. Die weitere Reihenfolge: CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Linksfraktion, das Wort zu nehmen. Frau Mattern, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition hat sich in den letzten Tagen um die neue Förderrichtlinie für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur gestritten. Nun hat sie sich geeinigt. Doch die Unternehmer, Bürgermeister, Landräte wie auch die Wirtschaftsförderer haben Sie einigermaßen verwirrt zurückgelassen.

Ja, Herr Wirtschaftsminister Jurk, es gibt offenbar kein Fettnäpfchen, das Sie auslassen. Fast jede wirtschaftspolitische Frage wird bei Ihnen zum Problem, ein Missgeschick folgt dem anderen. Wieder einmal ließen Sie sich von der CDU am Nasenring durch das Kabinett und durch die Koalition führen. Wieder einmal – das muss man konstatieren – haben Sie sich nicht durchsetzen können. Doch auch Ihnen, Herr Tillich, und Ihrem Kollegen Flath ging es nicht darum, die Probleme der strukturschwachen Regionen zu lösen. Es ging Ihnen nicht um den Mittelstand. Nein, Sie wollten ein weiteres Mal den SPDWirtschaftsminister demütigen, und dies haben Sie ja auch geschafft.

Allerdings ging das auf Kosten der strukturschwachen Regionen, denn für die gibt es keine reale Verbesserung. Oder glauben Sie, dass eine um sieben Prozentpunkte höhere Förderung ausreicht, ansiedlungswillige Unternehmen aus Dresden in die Lausitz zu bewegen? Das hat bisher schon nicht funktioniert, und es hat nicht funktioniert, weil es Ausnahmetatbestände gab, weil schon heute auch in Dresden oder Leipzig eine Förderung auf Höchstniveau möglich war. Diese Ausnahmeregelungen sind weiterhin möglich. Mit diesem Kompromiss, meine Damen und Herren, halten Sie die Investoren zum Narren. Ja, dieser Kompromiss verspottet die strukturschwachen Regionen. Eine wirtschaftliche Entwicklung aus eigener Kraft wird so nicht gefördert.

Wie dünn das Eis des Kompromisses ist, zeigt Herr Pecher. Nur einen Tag später schiebt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion die Schuld für diesen Kompromiss ausschließlich der CDU-Fraktion und den CDU-Ministern zu. Herr Pecher, wieso sind Sie eigentlich solch ein schlechter Verlierer und wieso treten Sie nach? Weil Sie – das vermute ich – wieder einmal nichts verstanden haben. Denn wie kommen Sie darauf, dass die beiden Großstädte Dresden und Leipzig künftig erheblich

schlechter gestellt sein werden? Wie bisher, gibt es auch für diese Städte Ausnahmeregelungen.

Herr Jurk hätte im Prinzip bei seiner Position bleiben können. Er hätte sich lediglich auf den Koalitionsvertrag berufen müssen, dann wäre es hier vielleicht gar nicht zu dem Problem gekommen; denn Sie, CDU und SPD, haben ja Folgendes vereinbart: „Die wirtschaftliche Entwicklung in allen Teilen Sachsens ist im Interesse des ganzen Landes. Neben der Entwicklung von Wachstumskernen werden auch in den strukturschwachen Regionen vorhandene Wirtschafts- und Innovationspotenziale erkannt und verstärkt.“ Mit dieser Zielsetzung hätte man auch leicht die neuen EU-Anforderungen an die GA umsetzen können.

Es ist richtig, dass es in der sächsischen Wirtschaft erhebliche regionale Unterschiede gibt. Darauf muss die Politik reagieren. Ja, wir brauchen, so wie Sie es im Koalitionsvertrag formuliert haben, sektorale Wachstumspole. Sie sind das einzige Mittel, um den strukturschwachen Regionen eine Zukunft zu ermöglichen. Dafür brauchen wir eine gezielte Regionalpolitik.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ja, meine Damen und Herren, nicht nur die Linksfraktion.PDS will, dass in den strukturschwachen Regionen Wachstums- und Innovationspotenziale erkannt und besonders gefördert werden. Sie haben das im Koalitionsvertrag eben so festgehalten. Ich fordere Sie auf, Ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen. Doch stattdessen haben Sie in den letzten Tagen und Wochen vorgeführt, wie Sie als Koalition eine Spiegelfechterei ohne Beispiel vom Zaune brechen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte sehr, Herr Schowtka.

Frau Kollegin Mattern, erinnere ich mich recht, dass das, was Sie jetzt anfordern, früher von Ihnen als Leuchtturmpolitik gegeißelt wurde?

Herr Schowtka, ich kann Ihnen ein Exemplar unseres Alternativen Landesentwicklungskonzeptes schenken. Dort werden Sie lesen, dass wir sowohl eine Politik, die die Leuchttürme weiter stärkt, als auch eine besondere Konzentration auf die strukturschwachen Regionen befürworten und befördern wollen. Für uns zählt beides. Bei Ihnen liegt das Problem doch auf der Hand: Sie sehen nur noch auf die

Leuchttürme, und mit Ihrer aktuellen Politik, auch mit dieser Förderrichtlinie, ziehen Sie sich sukzessive aus den strukturschwachen Regionen zurück. Sie haben sie jetzt endgültig abgeschrieben. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Sie müssen sich auch heute von uns fragen lassen, wie Sie das alles entscheidende Ziel der GA erreichen wollen. Im aktuellen Rahmenplan für den Zeitraum 2006 bis 2009 heißt es: „Primäre Zielsetzung der Regionalpolitik im Rahmen der Gemeinschaftspolitik ist es, dass strukturschwache Regionen durch Ausgleich ihrer Standortnachteile Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung halten können und regionale Entwicklungsunterschiede abgebaut werden.“ Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie dieses Ziel mit diesem faulen Kompromiss erreichen werden! Denn es geht nicht um die Marginalie einer geringen regionalen Differenzierung innerhalb der Fördersätze um sieben Prozentpunkte, sondern um die Frage, wie die massiven Strukturunterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb Sachsens abgebaut werden können. Es geht also um Wirtschaftspolitik, die mit politischen Entscheidungen dafür sorgt, dass in allen Regionen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, – –

Bitte zum Schluss kommen.

– dass Arbeitsplätze entstehen und die regionale Wirtschaft eine Chance auf Zukunft bekommt.

Dieser Kompromiss, meine Damen und Herren, macht nur eines deutlich: Das Kabinett hat den Koalitionsvertrag gebrochen; Sie haben ein falsches Signal gesetzt, und dieses Zeichen, das Sie hier abgelassen haben, ist zum Schaden der sächsischen Unternehmer, zum Schaden der sächsischen Wirtschaft.