Protocol of the Session on January 25, 2007

Schon im Koalitionsvertrag des Bundes vom 11. November 2005 bekennen sich die Koalitionsfraktionen zu

längerfristigen Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit Vermittlungshemmnissen. Darin heißt es – Zitat –: „Personen, deren Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist und die keine Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt finden können, müssen eine Perspektive bekommen.“

(Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Ja, und das Ergebnis?)

Hören Sie doch bitte zu, Frau Lay, Sie werden dann auch vieles darüber hören.

Auch der Ombudsrat, der Bundesrechnungshof und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung haben darauf hingewiesen, dass Ein-Euro-Jobs für bestimmte Personengruppen eben kein geeignetes Instrument darstellen. Alle drei Organisationen haben die Bundesregierung bestärkt, für Langzeitarbeitslose mit schweren Vermittlungshemmnissen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit längerfristiger öffentlicher Förderung zu schaffen. Drei Missverständnisse sollten dabei tunlichst vermieden werden.

Erstens. Die Förderung solcher Beschäftigungsverhältnisse muss auf Menschen beschränkt bleiben, die mittelfristig kaum Chancen haben, in eine reguläre Beschäftigung integriert zu werden.

Zweitens. Die Förderung ersetzt nicht andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, sondern ergänzt sie. EinEuro-Jobs zum Beispiel werden keineswegs abgeschafft, sondern weiterhin für solche Personenkreise und solche arbeitsmarktpolitischen Zwecke eingesetzt, für die sie sinnvoll sind. Das sind zum Beispiel der Erhalt oder die Erprobung der Beschäftigungsfähigkeit.

Das dritte Missverständnis betrifft die Frage der Ausrichtung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Der vorliegende Antrag sagt dazu Folgendes – ich zitiere wieder –: „Arbeitsverhältnisse sollen im Regelfall nur noch im ersten Arbeitsmarkt gefördert werden. ArbeitslosengeldII-Empfänger sind in der Praxis hiervon weitgehend ausgeschlossen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt nicht, dass ALG-II-Empfänger von Maßnahmen ausgeschlossen werden, die eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt zum Ziel haben. Im Vorjahresvergleich von Dezember 2006 zu Dezember 2005 sind im Rechtskreis des SGB II besonders die Maßnahmen verstärkt worden, die vorwiegend eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt zum Ziel haben, während die Zahl der Ein-Euro-Jobs, deren Integrationsquote eher niedrig ist, leicht abnahm. Um hierfür nur zwei Zahlen als Beleg zu nennen: Die Zahl der Ein-Euro-Jobs sank im Vorjahresvergleich um 0,8 %, die Zahl der beschäftigungsbegleitenden Maßnahmen stieg demgegenüber um 107,5 %.

Arbeitsmarktinstrumente, die auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt setzen, sind auch im Rechtskreis des SGB II unverzichtbar. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Orientierung auf den ersten Arbeitsmarkt nicht einschränken, sondern noch deutlich verstärken müssen. Das von mir in Auftrag gegebene Gutachten von Bofinger und

Walwei zeigt, wie mit einer intelligenten Kombination von negativer Einkommensteuer, Einschränkung der steuerlichen und abgabenbezogenen Begünstigung von Mini- und Midijobs sowie der Einführung eines Mindestlohnes im Bereich niedrig qualifizierter Beschäftigungsverhältnisse Hunderttausende zusätzlicher existenzsichernder Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden können.

Richtig ist aber auch: Es gibt einen Personenkreis, für den auch bei weiterer Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt und trotz aller zur Verfügung stehenden Instrumente eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt mittelfristig eher unwahrscheinlich ist. Der Abg. Stefan Brangs hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung um rund 400 000 Menschen handelt, von denen viele erst seit den Arbeitsmarktreformen überhaupt in der Arbeitsmarktstatistik auftauchen. Das sind Menschen, die häufig sehr lange ohne Arbeit sind – allein 200 000 Menschen sind länger als fünf Jahre ohne Beschäftigung –, die über keine oder keine verwertbare Qualifikation verfügen, gesundheitliche Probleme haben oder – leider – über 50 Jahre alt sind.

Als Ultima Ratio – das heißt, vorausgegangene Integrationsversuche mit den bestehenden Arbeitsmarktinstrumenten waren nicht erfolgreich oder scheiden nach Einschätzung des Fallmanagers wegen fehlender Erfolgsaussichten aus – plant die Bundesregierung für diese Menschen eine spezielle Beschäftigungsstrategie. Dazu werden dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten mobilisiert. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass durch die Beachtung des Gebotes der Zusammenarbeit der Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes die bestehende Arbeit möglichst nicht verdrängt wird. Die Pläne sehen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die tariflich oder ortsüblich entlohnt wird, vor. Als Einsatzfelder bieten sich an: Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, die Sozialwirtschaft bzw. soziale Betriebe und Integrationsunternehmen.

Neben dem Einsatz im gewerblichen Bereich bietet auch der soziale Bereich vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten. Hier geht es zum Beispiel um Zusatzangebote in der Alten- und Jugendarbeit oder um zusätzliche soziale Dienste. Auch die Bürgerarbeit bietet Möglichkeiten, beispielsweise die Beschäftigung in Sportvereinen oder bei zusätzlichen kulturellen Angeboten. Darüber hinaus kann die Beschäftigung auch auf dem regulären Arbeitsmarkt erfolgen. Aktuell wird diskutiert, etwa 100 000 solcher Arbeitsplätze zu schaffen und die Finanzierung im Sozialgesetzbuch II zu verankern. Die Staatsregierung ist mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und den Arbeitsmarktakteuren im Freistaat im Gespräch, um das Programm, sobald es vorliegt, rasch umzusetzen und gegebenenfalls ergänzen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, dass wir gerade in der Arbeitsmarktpolitik ein sehr differenziertes Vorgehen brauchen.

Es gibt nicht das eine Instrumentarium, das allen Arbeitsuchenden eine rasche Integration in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht. Wie die aktuellen Arbeitsmarktdaten belegen, haben sich die Chancen Langzeitarbeitloser, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, deutlich verbessert.

Der vorliegende Antrag lässt meiner Ansicht nach die erforderliche Differenzierung vermissen. Der Antrag war zu dem Zeitpunkt, als er geschrieben wurde, im Oktober 2005 nämlich, zumindest auf der Höhe der Diskussion.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Bitte.

Bitte, Frau Lay.

Verehrter Herr Jurk, wo entnehmen Sie denn unserem Antrag, dass wir mit diesem einen Instrument, das wir für wichtig halten und das wir deswegen vorschlagen, alle anderen möglichen und differenzierten Instrumente in einem Zug abschaffen wollen?

Ihr Antrag ist schon sehr einseitig formuliert. Das ist auch in der Debatte zum Ausdruck gekommen. Sie haben ein Stück weit versucht, ein Allheilmittel darzustellen, was dieser Antrag nicht leisten kann. Die Debatte hat auch deutlich gemacht, dass Ihnen viele andere Fraktionen in dieser Auffassung nicht folgen wollen.

(Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Das ist leider richtig!)

Meine Damen und Herren! Heute – das muss ich ehrlicherweise jetzt so sagen, das wissen Sie selbst – ist Ihr Antrag natürlich angestaubt, er ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Wir müssen uns nicht mehr im Bundesrat oder auf „andere geeignete Weise“, wie Sie es formuliert haben, für ein neues Instrument einsetzen, denn an neuen und gut geeigneten Instrumenten wird im Freistaat Sachsen gearbeitet.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion.PDS. Frau Abg. Lay, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Antrag ist nicht angestaubt, weil er älter ist. Dass dieser Antrag ein älteres Einreichungsdatum hat, belegt nur, dass die Linksfraktion.PDS sehr früh erkannt hat, dass wir in den Bereich öffentlich geförderter Beschäftigung oder meinetwegen auch in den Bereich „Bürgerarbeit“ denken müssen, lange bevor Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien in dieser Frage aufgewacht sind.

Herr Jurk, wenn Sie betonen, dass im Koalitionsvertrag festgehalten sei, dass man Langzeitarbeitslosen Perspektiven eröffnen möchte, dann sage ich: Schön! Aber wo sind die Ergebnisse? Wo ist denn Ihr Engagement, Langzeitarbeitslosen Perspektiven zu eröffnen? Vor allen Dingen: Wo bleibt Ihr Engagement, sich koordinierend beispielsweise mit der Bundesagentur für Arbeit oder mit den ARGEn und Optionskommunen hinzusetzen und endlich das zu tun, was man von einem Arbeitsminister auch erwarten kann: koordinierend Arbeitsmarktpolitik zu betreiben?

Sie, Herr Jurk, auch Sie, Herr Weichert von den GRÜNEN, haben in einer Sache recht: Es gibt unterschiedliche Hartz-IV-Empfänger, deswegen brauchen wir auch unterschiedliche Instrumente. Genau aus diesem Grund haben wir – wenn ich Sie daran erinnern darf – in der Haushaltsverhandlung auch gesagt, dass wir zwei wesentliche Schwerpunkte setzen müssen. Für die unter 25Jährigen wollen wir in Ausbildung, in Berufsorientierung und in Berufseinstiegsprogramme investieren. Für ältere Langzeitarbeitslose über 25 schlagen wir andere Instrumente vor, von denen das, was heute zur Debatte steht, ein wesentliches sein soll.

Ich bin auch der Ansicht, dass wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu viele Instrumente haben. Aber wer hat denn diese Instrumente eingeführt, wer hat sie vorgeschlagen, die Minijobs, die Personal-Service-Agenturen, die Ich-AGs und die ganzen anderen uneffektiven Maßnahmen? Und wer hat sich die Ein-Euro-Jobs ausgedacht und wer hat sie beschlossen? Das war doch nicht die Linksfraktion.PDS, sondern das war die rot-grüne Bundesregierung

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

mit Unterstützung der CDU und auch der FDP.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich finde es übrigens sehr bedauerlich, dass die CDU in arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Fragen hier regelmäßig so schlecht abschneidet. Ich würde mich an Ihrer Stelle, Herr Hähle, schon fragen, ob man es sich wirklich langfristig leisten kann, auf einen Arbeitnehmerflügel in einer Volkspartei zu verzichten und hier solch eine offene sozialpolitische Flanke zu bieten.

Ich freue mich, dass sich die SPD wenigstens die Zeit genommen hat, unseren Antrag sehr ausführlich zu diskutieren. Aber richtig ist: Nicht alles, was auf den Niedriglohnbereich zielt, kommt unserem Anliegen öffentlich geförderter Beschäftigung nahe. Herrn Bofingers Vorschlag einer negativen Einkommensteuer ist in der Tat etwas, was einem völlig anderen Konzept folgt. Es ist nahe am Kombilohn, und deswegen sehen wir es eben skeptisch.

Das Einzige, was tatsächlich für uns zur Debatte steht, sind die sogenannten Verdrängungseffekte. Das ist der einzige Punkt, in dem ich der FDP recht gebe. Aber diese

Frage stellt sich nicht nur bei unserem Vorschlag; sie stellt sich bei allen anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten – was aber im Umkehrschluss nicht heißen kann, dass wir komplett auf sie verzichten. Wir haben nach wie vor Massenarbeitslosigkeit in Sachsen und wir sind als Politik in der Verantwortung, uns auch Maßnahmen für die Integration dieser Menschen auszudenken, Maßnahmen, –

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Bitte zum Ende kommen!

– meine Damen und Herren, die keinen Pfennig mehr kosten würden als die Finanzierung von Arbeitslosigkeit.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich rufe den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/7750 zum Antrag auf und darf Frau Abg. Lay fragen, ob sie diesen Antrag gern noch einbringen möchte oder ob das mit ihrer Rede schon erledigt war.

Frau Präsidentin, ich möchte die Gelegenheit kurz nutzen, den Antrag noch einmal einzubringen.

Wir haben in dem ursprünglichen Antragstext beantragt, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass die gegenseitige Deckungsfähigkeit hergestellt werden kann, was auf § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB II basiert. Das ist die sogenannte Entgeltvariante. Wir haben dann in unseren Änderungsantrag beantragt, dass Sachsen, auch wenn diese Möglichkeit auf Bundesebene bislang noch nicht besteht, dennoch ein eigenes Modellprojekt einführt, wie es Berlin und mit Abstrichen Sachsen-Anhalt tun, und dass wir deswegen, etwa kofinanziert durch ESF-Mittel, in Form von Modellprojekten beginnen, öffentlich geförderte Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wer möchte sich noch zum Antrag äußern? – Es möchte sich niemand mehr äußern.

Dann lasse ich jetzt über den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS, Drucksache 4/7750, abstimmen. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und einer Reihe von Für-Stimmen ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich stelle nun die Drucksache 4/3196 zur Abstimmung. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt