Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann die Staatsregierung; bitte, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, insbesondere der Oppositionsfraktionen! Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Ein Blick in die Sächsische Verfassung klärt Ihre und meine Zuständigkeit. Ich kann den Staatsvertrag unterschreiben, bedarf aber der Genehmigung des Landtages.
Diese Genehmigung des Landtages müssen Sie in Form eines Ratifikationsverfahrens erteilen. Dieses Gesetz kommt – wenn überhaupt – frühestens im März in diesen Landtag. Sie haben also genügend Zeit, den Staatsvertrag und das Gesetz zu behandeln, und können davon Ihre Zustimmung oder Ablehnung abhängig machen.
Die Frage, ob ich den Staatsvertrag unterschreibe, hängt von meiner Beurteilung des vorliegenden Staatsvertrages ab, ob er den Zielen Sachsens dient oder nicht.
Es ist eben gesagt worden – unwidersprochen –: Wir reden für die gesamte Bundesrepublik von Staatseinnahmen von 4 bis 5 Milliarden Euro, die im Wesentlichen in Sport, Kultur und ähnliche gemeinnützige Zwecke fließen, auch in Sachsen. Wenn diese Gelder wegfallen, wird es natürlich weniger Sportförderung geben. Die Vorstel
lung, durch ein anderes Modell als ein Monopolmodell würde man diese Summen nur annähernd erreichen, ist illusionär.
Man kann der Meinung sein, dass aufgrund der technischen Möglichkeiten, insbesondere des Internets, und der europarechtlichen Rahmenbedingungen auf Dauer das Monopol nicht haltbar ist; aber zumindest sollte man es so lange wie möglich halten – auch im Interesse gerade der Destinatäre, des Sports und der Kultur.
Ich kann mich – wie die FDP – auf den Standpunkt stellen, Glücksspiel ist ein Gewerbe wie jedes andere; nur sind die Vorstellungen, dann würden die staatlichen Einnahmen im Wesentlichen in Deutschland oder in Sachsen stattfinden, illusionär. In demselben Augenblick, in dem Sie den Sektor wettbewerbsmäßig organisieren, müssen Sie nach der Dienstleistungsrichtlinie zulassen, dass Anbieter aus dem Ausland im Inland anbieten können. Ich wundere mich schon über die Position der NPD, die ständig über Europa wettert, aber offensichtlich diesen Zusammenhang nicht gesehen hat.
Ich wundere mich auch über die PDS; denn wenn man ein staatliches Monopol machen will, kann es einem doch nur recht sein, wenn es ein Monopol ist. Ich kann aber nicht sagen, ich lasse ein paar Private zu.
Dann müssten Sie nämlich andere auch zulassen. Ihre Position, Herr Hahn, bedeutet: Es gibt kein Monopol. Ein „Monopol“ sozusagen mit ein paar Konzessionären, die aber nicht erweiterungsfähig sind, ist kein Monopol und würde sofort aufgehoben. Wenn Sie ein Monopol haben wollen, müssen Sie schon in den sauren Apfel beißen, dass dann das andere nicht möglich ist.
Hier wird immer über Arbeitsplätze gesprochen: Natürlich gibt es Arbeitsplätze bei den privaten Anbietern, nur sind die überwiegend schon heute im Ausland, und auch die Steuern werden überwiegend im Ausland gezahlt. Der Sitz von bwin ist in Gibraltar, die Rechenzentrale in Wien. Was wir in Neugersdorf haben, ist im Grunde die Abwicklung der restlichen über die Post erfolgten Wetten.
Wenn alle übers Internet gehen, brauchen Sie Neugersdorf nicht. Nur, Herr Hahn, über die Arbeitsplätze, die im Augenblick in dem System existieren – nämlich rund 3 000 –,
in Sachsen –, spricht keiner. Wenn Sie das staatliche Wettmonopol streichen, ist die bisherige Quersubventionierung in vielen Zigarrenläden überhaupt nicht mehr
möglich, und die Arbeitsplätze bei der Sächsischen Lottogesellschaft werden auch gestrichen. Wenn Sie über Arbeitsplätze sprechen, bitte ich, den Saldo richtig zu ziehen.
Ich kann ja, liebe FDP, Ihrer Meinung sein – ich bin es zwar nicht –, aber dann sollten Sie klipp und klar sagen, in Ihrem Modell gibt es diese Einnahmen in Zukunft nicht mehr, weil das ein ganz normaler Wirtschaftsbetrieb ist wie jeder andere auch, der aufgrund der Bedingungen des europäischen Marktes im Wesentlichen im Ausland stattfinden wird.
Die Vorstellung, man könnte sogar mit einem liberalisierten Modell mehr Einnahmen erreichen, klingt nur unter zwei Bedingungen logisch: Entweder es wird noch mehr kassiert, also mehr für den Staat zurückgehalten – das hieße, dass die Gewinnquoten schlechter werden müssten; ganz im Gegenteil, wenn Sie in einem privaten Bereich anbieten, müssen doch die Gewinnquoten höher sein, damit die Leute zu diesen Anbietern wechseln. Oder das Zweite ist, es gelingt Ihnen, eine rasante Marktvermehrung durchzuführen – dann sind wir genau bei dem Thema Spielsucht.
Ihre Position geht also nicht auf – zumindest wenn Sie die staatlichen Einnahmen im Hinterkopf haben. Das ist die Situation. Deswegen, Herr Hahn, ist die einzige Möglichkeit, das, was im Augenblick auf dem Tisch liegt und auf das sich zumindest 15 Länder geeinigt haben, anzunehmen und hier im Landtag zu prüfen und zu beraten, ob es akzeptabel ist.
Denn eines ist auch klar: Wird der 31.12.2007 nicht mehr erreicht, ist die Frage, über die wir diskutieren, eine theoretische, weil dann
das Monopol unwiederbringlich vorbei ist. Das ist genau das, was die FDP will: Sie möchte die Sache so weit wie möglich nach hinten schieben, ständig neue Bedenken machen, um auf diese Art und Weise – schlicht durch Zeitablauf – ihr Modell zu bekommen.
Jetzt komme ich zu der Frage der Solidarität der Länder untereinander. Natürlich kann ich den Versuch unternehmen, die Gesamtheit der Länder zu schädigen, das heißt, vier Milliarden Euro wegfallen zu lassen, um mich für einen Judaslohn besserzustellen. Wenn die Kollegen in Schleswig-Holstein diesen Weg gehen wollen, so sollen sie das tun; ob sie damit erfolgreich sein werden, bezweifle ich. Moralisch ist das nicht.
Meine Position zu dieser Frage lautet schlicht und einfach: Wir als Sachsen, die wir von der Solidarität der
Länder in vielerlei Hinsicht abhängen, sollten die Solidarität der Länder in dieser Frage nicht brechen, vor allen Dingen, wenn sie in unserem eigenen Interesse liegt.
Deswegen werde ich den Staatsvertrag unterschreiben. Herr Dr. Hahn, im Übrigen ist auch der Beschluss gefasst worden – das haben Sie ganz vergessen –, ein Notifizierungsverfahren durchführen zu lassen, um die europarechtliche Seite zu klären. Damit soll verhindert werden, dass wir einen Staatsvertrag bekommen, der zwar nach deutschem Recht gültig wäre, das heißt vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, aber europarechtlichen Maßstäben – Dienstleistungsfreiheit und Wettbewerb – möglicherweise nicht genügen würde.
Genau daran orientieren wir uns. Die Zeit ist verdammt knapp, wenn wir alle Prüfungen durchführen wollen und wenn es noch gelingen soll, bis zum 31.12. im Sächsischen Landtag eine Entscheidung hinzubekommen. Wenn Sie uns zumindest die Chance dazu geben wollen, dann muss das Verfahren möglichst schnell in Gang gesetzt werden; sonst hätte sich die Frage durch Zeitablauf erledigt.
Dann kommen wir zu den Schlussworten. Ich bitte zuerst die Fraktion der FDP, das Schlusswort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, für eines muss ich Ihnen danken: Sie haben die Debatte auf den Kern, auf das Wesentliche gebracht. Es war nicht mehr die weinerliche Rede von Suchtprävention und den armen Menschen, die es vor dem Zocken zu schützen gelte. Sie haben klargemacht, worum es geht: um das Geld.
Es geht um die Einnahmen, die die Länder – auch der Freistaat Sachsen – aus dem staatlichen Monopol für Lotto, Glücksspiel und Sportwetten erwirtschaften.
Es bleibt aber dabei, dass es ein Monopol ist. Ein Monopol ist alles andere als zukunftsfest. Die europarechtliche Lage – das haben Sie selbst eingeräumt – wird dieses Monopol schleifen. Was macht die Sächsische Staatsregierung im Verbund mit 14 von 16 anderen Landesregierungen? Sie versucht, dieses Monopol, und sei es nur für eine letzte Minute, zu verlängern. Das ist gleichzusetzen mit Intensivstation, Zwangsbeatmung und Herz-LungenMaschine. Das Arbeiten an einem Zukunftsmodell bedeutet es nicht.
Es handelt sich um den Versuch, die Milchkuh bis zum Letzten zucken zu lassen. Das wird aber nur begrenzt funktionieren. Eine zukunftsgerichtete Politik in dieser Frage sähe anders aus.
Man könnte sich hier mit Konzessionsmodellen beschäftigen, die privaten Anbietern mit ihren Dienstleistungen auf einem weiterhin regulierten Markt den Zugang zu den Verbrauchern ermöglichten.
Auch das Argument der Niedrigsteuergebiete verfängt nicht; denn auch mit dem Konzessionsmodell lässt sich diese steuerbezogene Abwanderung umgehen.