Protocol of the Session on January 24, 2007

Dabei ist das Ergebnis Ihrer Politik buchstäblich mit Händen zu greifen. Dies ist Ergebnis einer zunehmend amorphen, einer gestalt- und bindungslosen Spaßgesellschaft, die auf „Events“ und „Happenings“ hin lebt. Das sind auch die in diesen jugendlichen Banden untergründig wirkenden psychologischen Mechanismen. Sie wollen den „Super-Event“, den ultimativen „Kick“. Fragen Sie einmal Psychologen, die werden Ihnen unsere Auffassung bestätigen.

Allein deshalb, weil Sie alle, wie Sie hier versammelt sind, unserer Jugend Tag für Tag aufs Neue den unmittelbaren Lebenssinn rauben, weil Sie an die Stelle der deutschen Solidargemeinschaft eine multikulturelle, das heißt, eine wurzellose Globalgesellschaft setzen wollen, und genau deshalb bekommen Sie genau das, was Sie auch verdienen: nämlich die ungebremste Aggression sinnentleerter Individuen, meine Damen und Herren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Könnten Sie uns das auf Deutsch sagen?)

Das Einzige, was Ihnen einfällt, meine Damen und Herren von der CDU, ist die Formatierung der Gesellschaft durch ausufernde Überwachungstechnik. Wie erbärmlich, Herr Bandmann, Herr Dr. Buttolo!

Doch nun noch einige Worte an die Linksfraktion.PDS, die Antragstellerin. Es ist schon lächerlich und grotesk, wenn sich ausgerechnet die Nachfolgeorganisation des Überwachungs- und Bespitzelungsstaates DDR als Hüterin der Freiheitsrechte aufspielt. Was steckt letztendlich dahinter? Schließlich betreiben Sie doch nichts anderes als lupenreine Klientelpolitik. Reflexartig haben Sie einen dürren Antragstext aus Ihrem roten Hut gezaubert, und es ist völlig klar, warum. Sie wollen sich Ihre antifaschistischen Radautruppen warm halten, damit Frau Klinger, Frau Köditz und ihr grüner Antifagenosse Lichdi auch künftig genügend Personal für zwielichtige Aktionen zur Verfügung haben.

(Beifall bei der NPD – Karl Nolle, SPD: Frau Präsidentin, wir brauchen einen Notarzt!)

Bei Ihnen hilft das schon lange nicht mehr.

Früher, meine Damen und Herren, wurden marodierende Banden mit Sold bezahlt. Heute verschafft man ihnen Rückzugsgebiete und finanziert sie skrupellos aus staatlichen Steuergeldern.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So kommen Sie nie ins Fernsehen!)

Meine Damen und Herren! So bedenklich die Planungen der Landesregierung auf dem Weg in den Überwachungsstaat auch sind – dem Antrag der Linksfraktion.PDS können wir nicht zustimmen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Gott sei Dank!)

da er, wie gesagt, reinste Klientelpolitik ist und berechtigte Sicherheitsaspekte nicht etwa freiheitlichen, sondern schlichtweg anarchistischen Erwägungen geopfert würden.

Aber eines, meine Damen und Herren, ist auch klar: Die grundsätzliche Staatskrise wird nicht etwa durch Polizeikameras gelöst. Was wir dafür brauchen, ist eine umfassende Wiederbesinnung auf die bewährten Gemeinschaftstraditionen unseres deutschen Volkes.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD – Stefan Brangs, SPD: Keine NPD!)

Für die FDP spricht der Abg. Dr. Martens.

Herr Gansel, ich wäre eigentlich geneigt, mich in irgendeiner Weise dem zu widmen, was Ihr Fraktionsvorsitzender gerade von sich gegeben hat. Es fällt mir aber schwer; ich glaube, er ist aus Versehen bei der Taste einfach nur auf den WorthülsenGranatwerfer-Knopf gekommen.

(Leichte Heiterkeit)

Ich habe wirklich nicht auch nur den geringsten Bezug zum Thema dieser Debatte finden können – deshalb fällt das heute hier leider aus.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Dann haben Sie nicht zugehört!)

Es geht um ein Problem: Gewalttaten und Krawalle in der Äußeren Neustadt. Die gibt es, die gibt es nicht nur anlässlich der „Bunten Republik Neustadt“, sondern auch an ganz normalen Wochenenden. Das ist unbestreitbar; das können auch die Antragsteller nicht in Abrede stellen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein, das wollen wir auch nicht!)

Dagegen setzt das Innenministerium nun auf eine Videoüberwachung an vier Plätzen in der Äußeren Neustadt nach § 38 Polizeigesetz und sagt, damit wolle man versuchen, dieses Problems Herr zu werden.

Ich habe da so meine Zweifel, meine Damen und Herren, auch die Auffassung der Staatsregierung und des Kollegen Bandmann, die Beeinträchtigung des nicht straffälligen Bürgers bestehe bei der Videoüberwachung einzig darin, dass unter Umständen so ein Verhalten in der Öffentlichkeit wahrgenommen würde, vermag ich so nicht zu teilen; es ist etwas sehr verharmlosend und vereinfachend, wie das Ganze hier serviert wird.

Nein, die Videoüberwachung auch an einzelnen ausgewählten Plätzen ist ein Grundrechtseingriff, ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Bürger, die einer maschinellen Erhebung von Daten und deren Speicherung ausgesetzt werden. Hier sollte man in der Tat abwägen, ob dieses Mittel geeignet und erforderlich ist, um den angestrebten Zweck zu erreichen.

Ich teile insofern auch die Bedenken, die der Datenschützer in dieser Hinsicht geäußert hat, ob es tatsächlich das geeignete und damit mildeste, am geringsten beeinträchtigende Mittel ist, der Probleme Herr zu werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Die Datenerhebung und -speicherung bei der Videoüberwachung betrifft anonym jeden, der sich auf diesen öffentlichen Plätzen bewegt, ohne dass er im Einzelfall erkennen kann, ob der Eingriff nun stattfindet oder nicht. Das ist bei einer physischen Polizeipräsenz anders. Eine Polizeistreife wird wahrgenommen, sie wird erkannt, sie hat auch – wie Studien zeigen – in der Regel einen wesentlich besseren Effekt, was die Kriminalitätsverhinderung angeht, als eine Videokamera. Die Videoüberwachung von öffentlichen Räumen – das hat sich in der Vergangenheit gezeigt – führt bisweilen, aber nicht immer, zu Verdrängungseffekten, sodass sich die Kriminalität dann an anderen Orten abspielt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es gibt auch Gewöhnungseffekte und sogenannte inverse Effekte; das heißt, man sieht eine Kamera und weiß, man ist an einem unsicheren Ort mit entsprechenden Konsequenzen für das Sicherheitsgefühl – wobei sich diejenigen, die sich darüber beschweren, wahrscheinlich keine Gedanken über diesen inversen Effekt machen werden. Nein, in der Tat geht es darum, dass Polizeipräsenz tatsächlich oft besser wäre als die Videoüberwachung, nur leider fehlen dafür oftmals die Stellen und das Geld. Stattdessen werden Videokameras hingestellt. Ich halte das in guten Teilen für ein Stück Alibipolitik.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Richtig!)

Wer es erlebt hat, wie die Polizeibeamten vor Ort in der Dresdner Neustadt mit Diensten belastet sind, wie sie ausgestattet sind, welche Möglichkeiten sie haben, kurzfristig – auch mit einer entsprechenden Mannschaftsstärke – auf solche Ereignisse einzugehen, der weiß, dass ihre Arbeit nicht leicht ist und dass sie mit Videokameras allein nicht leichter gemacht wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Was wir brauchen, ist eine Durchsetzung des Rechts und der rechtsstaatlichen Prinzipien. Wir sagen, Videoüberwachung kann ein geeignetes Mittel sein – an einzelnen Punkten, wenn es gar nicht anders geht. Aber dieser

Nachweis, dass es gar nicht anders geht, ist bisher nicht geführt worden – das möchte ich ganz deutlich feststellen.

Den Antrag der PDS werden wir allerdings ablehnen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Was?!)

Denn das, was Sie in dieser Schlichtheit fordern, meine Damen und Herren, ist alles andere als sachgerecht. Sie sagen pauschal, hier soll auf jegliche Form von Videoüberwachung verzichtet werden. Nein, a priori bin ich nicht bereit, dies so zu unterschreiben. Stattdessen verlangen Sie ein Konzept präventiver Maßnahmen unterhalb der Schwelle grundrechtseingreifender Repressionsmaßnahmen. – Fräulein Bonk: Videokamera ist keine Repressionsmaßnahme, sondern eine Präventivmaßnahme. Repression sieht anders aus – nur so viel dazu, falls Sie sich in den Bereich Polizei und Rechtsstaat verirren sollten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da haben Sie wohl mehr Erfahrung?)

Das Zweite ist die Frage der Prävention. Nein, es gibt Erscheinungen – nämlich in Form von Krawallen in der Äußeren Neustadt –, bei denen mit Prävention nichts mehr getan ist. Da richte ich keinen Workshop für gewaltfreies Töpfern ein, sondern schicke halt mal zehn oder 20 Polizisten mit einer entsprechenden Einsatzausrüstung vorbei.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Da geht es um die Durchsetzung eines Mindestmaßes an rechtlichen Normen. Auch diesem Punkt – das werden Sie verstehen – können wir so nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren, Video ist kein Allheilmittel; es beeinträchtigt Grundrechte – das wird bisweilen übersehen. Es gilt hier – auch in der Neustadt –, den Rechtsstaat durchzusetzen. Es kann nicht sein, dass Leute in manchen Teilen – aus welchen Gründen auch immer – glauben rechtsfreie Räume etablieren zu können. Aber wenn dagegen der Rechtsstaat durchgesetzt werden muss, dann mit geeigneten Mitteln. Die Videoüberwachung allein wird das nicht richten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Herr Abg. Lichdi, bitte.

(Jürgen Gansel, NDP: Der Kanarienvogel aus der Neustadt!)

Dafür erhalten Sie jetzt einen Ordnungsruf.

(Jürgen Gansel, NPD: Für den Kanarienvogel?)

Ja, weil es eine persönliche Beleidigung ist.

Bitte, Herr Abg. Lichdi.