Protocol of the Session on January 20, 2005

Herr Nolle, vielleicht zur Erinnerung an Sie, da Sie ja schnell mal etwas vergessen: Seit 1998 haben sich die GA-Mittel halbiert. Sie sind nicht nur gesunken, sie haben sich halbiert – Punkt 1.

Punkt 2: Es ist nicht gelungen, in den Verhandlungen zum Korb II die darin enthaltenen 51 Milliarden Euro gesetzlich zu verankern. Im Gegenteil: Herr Müntefering und der Bundeskanzler haben sich strikt dagegen gewehrt, diese Mittel aus dem Korb II festzuschreiben.

Nun komme ich zu den GRÜNEN, die bei den Verhandlungen zum Korb II auch eine sehr unrühmliche Rolle gespielt haben. Die GRÜNEN sind im Deutschen Bundestag aufgetreten und haben ausgeführt, dass die Verankerung der Mittel des Korbes II in einem Gesetz womöglich ein zusätzliches Risiko für den Bundeshaushalt darstelle.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Herr Lämmel –

Nein, ich habe nicht so viel Zeit.

– Sie gestatten keine Zwischenfrage? Sie wissen aber, dass die Zeit gestoppt wird, Herr Lämmel? Das ist also kein Argument.

(Beifall bei der PDS, der NPD und der FDP)

– Ja. Okay! – Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die GRÜNEN sehen es als Haushaltsrisiko an, die Hilfen Ost gesetzlich zu verankern. Jetzt komme ich zu den „viertelprofessionellen“ Halbzeitparlamentariern der FDP.

(„Oh“ bei der CDU – Beifall bei der SPD)

Vielleicht, Herr Zastrow, ist Ihnen entgangen, dass die FDP-Fraktion im Bundestag bei den Haushaltsverhandlungen in namentlicher Abstimmung dagegen votiert hat, die Verpflichtungsermächtigungen für die GA um 146 Millionen Euro für die Jahre 2006 und 2008 aufzustocken. Das muss man hier ganz klar sagen. Zu Ihrem Antrag, Herr Zastrow: Wir werden ihm zustimmen, auch wenn er ziemlich dünn ist, denn er ist nach hinten gerichtet. Außerdem: Wissen Sie eigentlich, warum Sie hier im Parlament sitzen bzw. welches die Rechte der Parlamentarier sind? Sie werden den Haushalt verabschieden, und Sie fordern von der Staatsregierung, sie solle Leertitel einfügen. Offensichtlich sind Sie sich überhaupt nicht im Klaren, dass das Parlament den Haushalt verabschiedet, und Sie hätten sagen müssen: Wir als Parlamentarier werden einen Leertitel einfügen. Aber das werden Sie noch lernen. Ich denke, Sie haben noch einige Jahre Zeit. Meine Damen und Herren! Der Antrag der Koalition ist eigentlich der einzige, der nach vorn weist. Es geht darum, das Problem zu lösen; denn hinter jedem dieser Anträge, die bei der SAB liegen, steht ein konkretes Investvorhaben, und, meine Damen und Herren, man kann kein kleines oder mittleres Unternehmen ein halbes oder ein Dreivierteljahr warten lassen, bis eine Entscheidung über einen Antrag fällt.

(Karl Nolle, SPD: Ein Jahr!)

Oder ein Jahr, noch viel schlimmer! Das kann einfach nicht der Zustand sein. Man sollte die Diskussion andersherum führen: Wir sind doch in Sachsen hervorragend, meine Damen und Herren! Wir haben jeden Heller GA-Mittel ausgegeben.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Wirtschaft bringt solch eine starke Leistung, dass sie mehrere hundert Millionen an Investitionshilfen zusätzlich braucht. Das ist doch ein Riesenerfolg. Alle anderen neuen Bundesländer beneiden uns darum, dass wir hier in Sachsen auf diesem Wege weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion wird natürlich erst einmal dem Antrag der Koalition zustimmen

und ich hoffe, dass ihm auch das Hohe Haus zustimmt. Dem FDP-Antrag werden wir ebenfalls zustimmen. Wir werden den Bericht genau lesen. Aber, meine Damen und Herren von der FDP, etwas mehr Professionalität – –

(Lachen bei der FDP)

Lachen Sie ruhig, Sie lachen doch über sich selbst!

können Sie bei den nächsten Anträgen sicherlich an den Tag legen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich frage Herrn Zais noch einmal: beide Anträge punktweise oder nur einen?

Frau Präsidentin, den von der FDP bitte punktweise.

Gut. Dann rufe ich die Drucksache 4/0468 auf, Antrag der Fraktion der FDP, und lasse über den Punkt 1 abstimmen. Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Punkt 1 stattgegeben.

Ich rufe Punkt 2 auf. Wer möchte diesem zustimmen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch dem Punkt 2 wurde stattgegeben.

Nun rufe ich den Antrag insgesamt auf. Wer dem Antrag der FDP-Fraktion, Drucksache 4/0468, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Es gibt eine Reihe von Stimmenthaltungen. Dem Antrag wurde mehrheitlich zugestimmt.

Ich rufe nun den Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion, Drucksache 4/0357, auf. Wer möchte ihm die Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Eine Gegenstimme. Enthaltungen? – Eine Anzahl von Enthaltungen. Dem Antrag der Koalitionsfraktionen wurde mehrheitlich zugestimmt. Wir beenden diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

„Entwicklungszusammenarbeit als dauerhafte Aufgabe des Freistaates Sachsen“

Drucksache 4/0472, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, PDS, FDP, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der Abg. Frau Hermenau das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Auch wenn einige fluchtartig den Saal verlassen, weil sie annehmen, die Wirtschaftsdebatte sei zu Ende, kann ich Ihnen versichern, dass das mitnichten der Fall ist. Wenn wir heute über Entwick

lungszusammenarbeit sprechen, reden wir auch in ganz erheblichem Maße über die wirtschaftlichen Perspektiven des Freistaates Sachsen. Es geht nicht mehr nur darum, dass man Nothilfe leistet, wie es noch im letzten Jahrhundert, als die Entwicklungshilfe skizziert wurde, der Fall gewesen ist. Wir sind inzwischen weiter.

Ich habe wohl vernommen, dass Ministerpräsident Milbradt in seiner Neujahrsansprache den guten Vorsatz formulierte – ich zitiere -: „Aber es kann nicht nur um kurzfristige Hilfe bei der Linderung der akuten Not ge

hen. Die von der Flut betroffenen Staaten brauchen noch jahrelang die Unterstützung der übrigen Welt.“ Das ist hoffentlich mehr als ein guter Vorsatz. Sie finden das auch in dem Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, widergespiegelt.

Es geht dabei um zweierlei. Das eine ist vor allem die entwicklungspolitische Bildungsarbeit. Die Bundesrepublik Deutschland leistet insgesamt Entwicklungshilfe über den bundesweiten Zusammenhang. Aber es ist wichtig, dass wir vor Ort viel stärker in die politische Bildungsarbeit eintreten. Es geht darum, bereits Schülern und jungen Leuten deutlich zu machen, wie die Lebensperspektive in südlichen Ländern wirklich ist und wie zum Beispiel auch Migrationshintergründe von Menschen, die inzwischen in Deutschland leben, zu bewerten und zu beurteilen sind. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite hat vor etwa anderthalb Jahren JeanClaude Juncker, seines Zeichens ein recht konservativer Politiker und keineswegs ein Verfechter grüner Ideen, in einer Konferenz in Frankfurt (Main) deutlich gemacht, als er sinngemäß formulierte: „Es ist sehr wesentlich, dass wir den jungen Menschen in Europa mehr anbieten können als einfach nur unser Leben, wie wir es uns aufgebaut haben. Solange diese jungen Menschen täglich im Fernsehen beobachten, mancher auch aus eigener Anschauung, dass anderswo Menschen verhungern, egal welchen Alters, werden es viele junge Menschen in Europa nicht für nötig halten, Europa tatkräftig zu unterstützen, weil sie glauben, dass das als zivilisatorischer Anspruch zu wenig und zu gering gedacht ist.“ – Ich glaube, dieser Mann hat Recht.

Jetzt werden Sie sich fragen: Wo ist die Wirtschaftspolitik? Sie ist ganz nah. Es wird entscheidend sein, ob es einem Land wie Sachsen und seinen Bürgern gelingt, sich den Herausforderungen der Globalisierung erfolgreich zu stellen. Das ist einer dieser markanten Sätze, die man immer hört. Dahinter steckt aber zum einen, dass wir es schaffen – wir sind auch dazu verpflichtet –, uns langsam, aber sicher aus dem kolonialen Erbe der letzten Jahrhunderte herauszuarbeiten. Das betrifft die Deutschen genauso wie die anderen Europäer. Es ist immer noch so, dass viele Menschen, die in Europa leben, der Meinung sind, es genüge völlig, von den Grundsätzen entweder der internationalen Solidarität oder der Nächstenliebe motiviert, ein wenig zu helfen und Nothilfe zu leisten. Aber darum geht es mitnichten, sondern es geht darum, dass wir uns davon lösen anzunehmen, wir hätten den Stein der Weisen, sowohl was die Wirtschaft als auch was andere Fragen der Entwicklung betrifft, gefunden, und uns immer noch auf ganz subtile Art und Weise so zu benehmen, als seien wir die Herren dieser Welt.

Diese Frage endet in dem Moment, da wir uns bewusst machen, dass die Umweltzerstörung in Sachsen durchaus zuschlagen kann, aber ganz woanders verursacht wird. Vor anderthalb Jahren hat der damalige Umweltminister Flath eine Studie vorgelegt, die deutlich gemacht hat, dass Sachsen damit rechnen muss – das betrifft die sächsische Landwirtschaft, also einen Wirtschaftsfaktor in diesem Land –, dass die Sommer trockener werden. Das heißt auch, dass dies Auswirkungen darauf hat, was in der sächsischen Landschaft in Zu

kunft angebaut werden kann. Es verändert sich also wahrscheinlich einiges für die Forstwirtschaft, weil bestimmte Baumsorten schwierigere Bedingungen vorfinden werden. Das heißt, es gibt Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation in Sachsen, aber die Ursachen müssen wir weltweit in Angriff nehmen. Das kann man aber nur, wenn man eine partnerschaftliche Verständigung erreicht. Dazu muss man sich von seinem jahrhundertelang gesattelten hohen Ross langsam wieder herabschwingen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Toleranz ist deutlich mehr als nur die Haltung: Na ja, die sind ein bisschen anders, lassen wir sie so sein, wie sie sind! – Das ist Laisser-faire und hat mit Toleranz noch gar nicht viel zu tun. Toleranz bedeutet ein aktives Konzept. Das heißt, man setzt sich dafür ein, dass es Verschiedenartigkeit gibt, und verteidigt sie auch. Dieser Lernschritt muss meines Erachtens in Sachsen noch flächenweit getan werden. Dazu haben wir einen Beitrag zu leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wäre mit der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit durchaus möglich. Es gibt sehr viele kleine Vereine und Nichtregierungsorganisationen, die sich seit Jahren darum bemühen, von der Bundesebene oder aus privaten Börsen Mittel zusammenzutragen, um entwicklungspolitische Bildungsarbeit in diesem Lande zu leisten. Dies sollte man dringend unterstützen.

Ich gehe davon aus, dass die Worte von Herrn Milbradt in seiner Neujahrsansprache nicht nur ein guter Vorsatz waren, den man einmal ausspricht, weil man gerade noch vom Jahresende gerührt ist, sondern ich gehe schon davon aus, dass eine gewisse Programmatik zu erwarten ist. Wir werden dies auch in der Debatte immer wieder aufgreifen. Für uns ist wichtig, dass der Freistaat Sachsen nicht in dem Gefühl lebt, er sei wirtschaftlich eine kleine Insel. Es reicht auch nicht, sich immer nur nach West- oder Osteuropa zu orientieren. Das ist auf lange Sicht zu kurz gedacht. Wenn es um Marktanteile im Export geht – auch davon ist Sachsen durchaus abhängig und dürfte nach meiner Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtstruktur des Freistaates noch mehr davon abhängig werden –, dann muss man sich auch aktiv auf andere Kontinente, andere Völker, andere Länder einlassen und sich partnerschaftlicher bewegen.

Ich habe einigen Verhandlungen beigewohnt. Es soll niemand mehr glauben, dass, wenn zum Beispiel ein Vertrag mit Brasilianern abgeschlossen würde, irgendwelche Leute kämen, die nicht wüssten, worum es ginge. Meistens kommen die Brasilianer mit sehr gut ausgebildeten Leuten, die in Harvard oder sonstwo studiert haben, die deutlich besser vorbereitet sind und deutlich mehr wissen als die deutschen Verhandlungspartner. Das sollte uns zu denken geben.

Ich meine, wir müssen uns diesen Fragen stellen. Wer eine gute Entwicklungspolitik betreibt und das auch offen tun kann, weil die Bevölkerung dies unterstützt, der betreibt auch die richtige Außenpolitik, wenn es zum Beispiel um die Stärkung der Uno geht, der unter

stützt auch eine globale Sicherheitspolitik, bei der es darum geht, Bürgerkriege und damit auch potenzielle Konfliktherde, in die wieder für viel Geld eingriffen werden müsste, einzudämmen, der unterstützt, wie ich finde, einen ganz wesentlichen Aspekt der globalen Umweltpolitik, bei der daran gearbeitet wird, den großen Klimaveränderungen gemeinsam zu begegnen, und der unterstützt ganz entschieden Wirtschaftspolitik, wenn es zum Beispiel darum geht, den Handel zu fördern, oder wenn es um Fragen der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft geht.