Ich kann Ihnen darin Recht geben, wenn wir das Leipziger Kolorit mit hineinnehmen wollen. Das ist daran zu erkennen, wie schwer sich die CDU getan hat, in Leipzig einen OB-Kandidaten zu finden. Damit wird das untermauert, was Sie eben gesagt haben. interjection: (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch einmal die Möglichkeit, das Wort zu nehmen. – Sie verzichtet. Dann bitte für die PDS-Fraktion Frau Dr. Höll.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Apfel, kurz zu Ihrer Aufklärung: Die Landesregierungen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin haben auf Druck der PDS nicht zugestimmt. Wir haben auf keiner Ebene den Hartz-IV-Gesetzen zugestimmt, weder auf Bundes-, noch auf Landes-, noch auf kommunaler Ebene. Das zum Ersten. Zum Zweiten. Wenn Sie sich unsere Arbeit genau anschauen, werden Sie feststellen, dass unsere Sozialsenatorin in Berlin, Frau Dr. Heidi Knake-Werner, gestoppt hat, dass Umzüge veranlasst werden, weil nach dem Hartz-IV-Gesetz einige Leute über dem Limit der Wohnungsgröße oder der Miete lagen. Wir tun, was wir können. Wir beraten, wir helfen aber auch ganz konkret auf der Ebene, wo wir können.
Frau Nicolaus, Sie hatten zweimal die Möglichkeit gehabt zu reden. Das ist eigentlich viel. Was Sie geleistet haben, war ein bisschen wenig. Der einzige konstruktive Vorschlag von Ihnen war die Einführung des Null-EuroJobs als Hausfrau: keine Bezahlung, kein Rentenanspruch, alles für ein Lächeln und vielleicht ein Dankeschön. Dafür bedanke ich mich recht herzlich.
Herr Weichert, ich bin wirklich ein wenig enttäuscht über das, was Sie hier abgeliefert haben. Es geht doch wohl nicht nur um 345 Euro oder um 331 Euro. Beide Leistungen sind viel zu niedrig.
So hat zum Beispiel Prof. Matthias Frommann ausgerechnet, dass mindestens 445 Euro notwendig wären, hätte man nur die Sozialhilfe adäquat umgerechnet. Da aber die vielen einmaligen Leistungen willkürlich weggefallen sind und zum Beispiel der Kulturbeitrag von 85 Euro auf 35 Euro gesenkt wurde, für ein Haustier in einer Familie monatlich nur noch 4 Euro veranschlagt werden, ist dieses Hartz-IV-Gesetz nur eine heruntergerechnete schlechte und erweiterte Sozialhilfe.
Herr Milbradt hat in der vorigen Woche das Familienwahlrecht gefordert. Es gab große Diskussionen. Kinder müssen mehr Möglichkeiten bekommen. Die Bundesfamilienministerin hat in dieser Woche ausgeführt, Deutschland müsse nicht nur familienfreundlicher und kinderfreundlicher werden, nein, Deutschland müsse das kinderfreundlichste Land Europas werden. Sehen wir uns Hartz IV genau an, ist festzustellen, dass dieses Gesetz frauen-, familien- und kinderfeindlich in einer nie gekannten Größenordnung ist.
Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen. Das erste Beispiel betrifft die Bedarfsgemeinschaft. Die Bedarfsgemeinschaft ist nichts anderes als die Ausweitung des konservativen Versorgerehemodells jetzt auf viele andere Konstellationen, wie sie die Bürgerinnen und Bürger leben, ob das unverheiratete Paare gleichen oder verschiedenen Geschlechts sind, ob das Konstellationen sind, bei denen betagte Eltern oder Elternteile mit Kindern oder Enkeln zusammenleben oder ob das allein erziehende Väter oder Mütter sind. Es wird jetzt auf alle ausgeweitet. Das hat eklatante Folgen. Insbesondere für Frauen: Es ist bekannt, dass die Frauenarbeitslosigkeit wesentlich höher ist als die Männerarbeitslosigkeit. Wenn die Männer noch einen Verdienst haben, fallen die Frauen oftmals aus dem Leistungsbezug heraus. Dazu müssen wir wirklich die Augen öffnen und nicht immer nur auswischen.
Ich muss natürlich auch sagen, dass die Bundesregierung konsequent gewesen ist. Die speziellen Regelungen für Berufsrückkehrerinnen, wie zum Beispiel die Frauenför
Genau, betteln müssen. Frau Nicolaus, wir beide haben ein eigenes Einkommen. Können Sie sich vorstellen, dass Sie um jeden Euro bitten und auch noch nachweisen müssen, wofür Sie ihn ausgegeben haben? Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet? Wenn das nicht familienzerstörend wirkt, dann weiß ich nicht, was sonst.
Die Frauen haben natürlich noch weitere Probleme. Wenn sie keinen Leistungsbezug haben, dann haben sie auch keinen Rentenanspruch. Sie haben nur noch Anspruchszeiten mit null Punkten.
Ein weiteres Problem besteht bei der Krankenversicherung unverheirateter Paare. Hat ein Partner ein gutes Einkommen, erhält der andere Partner keinen Leistungsbezug und ist nicht mehr rentenversichert. Es ist also nicht nur zu verkraften, dass ein Einkommen, die Arbeitslosenhilfe, weggefallen ist, sondern es ist auch noch die Krankenversicherung für den anderen Partner zu zahlen.
Wir haben bei der Telefonhotline Anrufe bekommen, in denen gefragt wurde, ob es nicht besser sei, sich dann von dem Partner zu trennen. Die Kehrseite ist, dass nunmehr die Kosten für die Pille nicht mehr eingerechnet werden. Wenn das die aktive Familienpolitik ist, dann schönen Dank.
Ich möchte noch kurz auf den Aspekt der Kinder zu sprechen kommen, der sehr verheerend ist. Gerade bei allein erziehenden Müttern und Vätern – 85 % der allein Erziehenden sind Frauen – heißt das künftig, dass der Unterhalt ihrer Kinder zum Familieneinkommen gerechnet wird. Es ist tatsächlich so. Es ist so, wie das Beispiel von Herr Dr. Pellmann zeigte; die Realität ist oft noch schlimmer.
Ein Beispiel dafür: Eine Frau war verheiratet, der Ehemann ist verstorben. Die Frau ist langzeitarbeitslos und auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Ihr Kind bekommt Halbwaisenrente. Diese Halbwaisenrente wird auf ihr Familieneinkommen angerechnet. Schlimm genug, dass der Vater verstorben ist, nein, hier wird jetzt auch noch gegengerechnet. Es wird noch weniger Geld, den Kindern wird das Geld weggenommen.
Es ist ein wirklicher Systemwechsel vorgenommen worden. Bei der Arbeitslosenhilfe hatte bisher der Unterhaltsanspruch der Kinder Vorrang vor dem Anspruch des Partners, mit dem man zusammenlebt. Das ist jetzt umgekehrt. Jetzt hat die Bedarfsgemeinschaft den Vor
rang. Wenn der eine Partner noch gut verdient, aber natürlich seine Partnerin mit versorgen muss, weil das Gesetz das so möchte, dann heißt das, dass die Kinder, die er hat, die aber bei seiner Expartnerin leben, keinen Unterhalt mehr bekommen werden.
Wenn man selbst als Unterhaltsverpflichteter in das Arbeitslosengeld II rutscht, ist man – das wissen Sie auch – überhaupt nicht mehr unterhaltsfähig. In diesem Falle hilft auch kein Unterhaltsvorschussgesetz. Dieses gilt nämlich nur für Kinder bis zwölf Jahre und auch nur für einen Zeitraum von maximal sechs Jahren.
Das heißt, eine große Anzahl von Kindern rutscht in die Armut. Ich bin froh, dass dem PDS-Antrag auf einen Armuts- und Reichtumsbericht in Sachsen stattgegeben wird – das wurde im Ausschuss auch von den anderen Fraktionen signalisiert –, damit wir in dieser Hinsicht endlich ein klares Bild bekommen, wie schlimm die Situation ist. Es sind nicht nur ein paar Einzelschicksale, für die wir ein bisschen Mitgefühl ausdrücken können. Aber von diesem Mitgefühl können sich die Leute herzlich wenig kaufen. Die Leute brauchen konkrete Analysen und sie brauchen Änderungen, die ihnen ein ordentliches Leben ermöglichen.
Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die anderen Fraktionen. – Auch das ist nicht der Fall. Dann bitte die Frau Ministerin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zusammenführung der bisherigen Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zur neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende ist, denke ich, ein seit langem überfälliger Reformschritt im Rahmen des Sozialrechts. Auch Sie, meine Damen und Herren von der PDS und der NPD, geben mir sicherlich Recht, wenn ich sage, dass das System der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe total überfordert war. Es gab keine andere Möglichkeit, als diese Reform zu beginnen und den ersten Schritt zu tun. Ich gebe Ihnen Recht, dass es im Zusammenhang mit Hartz IV im Vorfeld – das haben Frau Nicolaus und Herr Gerlach bereits ausgeführt – viel berechtigte Kritik gab und dass vor allen Dingen in den letzten Wochen und Monaten des Jahres 2004 die Umsetzung von Hartz IV erhebliche Probleme ausgelöst hat. Diese Probleme konnten wir aber – das sei an dieser Stelle noch einmal deutlich gesagt – gegen Ende des Jahres Gott sei Dank mit den Anstrengungen vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sie sind heute schon mehrfach angesprochen und gelobt worden, ich schließe mich dem an – sowohl in der BA als auch in der Arge und in den optierenden Kommunen lösen.
Ich darf dazu noch einige Zahlen nennen. Noch im Herbst des vergangenen Jahres war Sachsen Schlusslicht in Deutschland, was die Abarbeitung der Anträge betraf.
Wir konnten diese Aufgabe Gott sei Dank gegen Ende des Jahres bewältigen, sicherlich noch mit einigen territorialen Unterschieden. Aber insgesamt sind 96 % der Anträge zum Jahresende bewältigt gewesen. Ich spreche dabei von 306 000 Anträgen, von denen rund 295 000 bearbeitet waren. Ich glaube, die Quote spricht für sich.
Darüber hinaus haben wir – auch das möchte ich noch einmal deutlich sagen – nicht verhehlt, dass auch wir der Meinung sind, dass aufgrund der von mir erwähnten schwierigen Situation im Vorfeld auch mit Widersprüchen zu rechnen ist. Auch das habe ich vor einigen Wochen schon ausgeführt. Ob die Zahl, die heute hier genannt worden ist, wirklich realistisch wird, wage ich im Moment zu bezweifeln, aber es ist korrekt, dass aufgrund von vielfachen Problemlagen in der Software und in anderen Bereichen natürlich auch Fehler in der Bearbeitung der Anträge entstanden sind. Deswegen haben wir die Bürgerinnen und Bürger gebeten, ihre Bescheide sehr genau anzuschauen und bei Fragen auf die entsprechenden Einrichtungen und die zuständigen Mitarbeiter zuzugehen.
Aber unabhängig davon ist es wichtig, denke ich, dass die begonnene Reform von allen politischen Verantwortungsträgern unterstützt wird und dass nicht durch populistische Sprüche noch mehr Unsicherheit geschaffen wird. Wir haben mit den 23 Arge, die wir in Sachsen haben, gut begonnen. Die Zusammenarbeit mit der BA verbessert sich zunehmend. Auch die sechs optierenden Landkreise haben es in weniger als drei Monaten geschafft, sich auf eine neue Situation einzustellen. Sie haben nicht nur wirtschaftlich selbständige Einrichtungen geschaffen, sondern sie haben auch die Arbeiten, die im Vorfeld durch die BA erledigt worden sind, für ihre Arbeit ab 1. Januar übernommen und begleitend dazu natürlich auch die Anträge der Sozialhilfeträger bearbeitet.
Ich glaube, die geschaffenen Voraussetzungen sind gut. Ich möchte an dieser Stelle aber auf einzelne Redner eingehen und an der einen oder anderen Stelle den Ausführungen widersprechen.
Herr Dr. Pellmann, wenn Sie einzelne Fälle schildern, kann ich von hier aus nicht beurteilen, ob sie in Gänze, so wie Sie sie darstellen, realistisch sind oder nicht.
Selbstverständlich wird niemand bestreiten, dass es Härtefälle gibt. Das will ich gern akzeptieren. Auch uns ist das bekannt. Diese Härtefälle werden wir natürlich entsprechend begleiten. Wir haben auch schon sehr zeitig deutlich gemacht, dass an der einen oder anderen Stelle Nachjustierungen notwendig sind. Sie wissen, dass es dazu ein entsprechendes Arbeitsgremium beim Bundeswirtschaftsminister gibt, die so genannte Monitoringgruppe.
Ich möchte noch einmal deutlich sagen, dass wir in den vergangenen Wochen und Monaten in dieser Gruppe sehr intensiv über die Umsetzung von Hartz IV diskutiert haben, wobei wir sicherlich nicht immer einer Meinung waren. Aber ich darf auch sagen, dass Bundesminister Clement die Zusage gegeben hat, nach entsprechender Evaluierung in den nächsten Wochen,
spätestens in den nächsten Monaten zu einer Neujustierung an der einen oder anderen Stelle zu kommen. Das betrifft auch die Frage „331 und 348 Euro?“ sowie die heute angesprochene Problematik der Hinzuverdienstmöglichkeit.
Gestatten Sie mir, in einem Nebensatz darauf hinzuweisen, dass die CDU nicht nur, wie von Herrn Morlok ausgeführt, diesen Vorschlag zur Erweiterung der Hinzuverdienstmöglichkeit abgelehnt hat, sondern dass dieser Vorschlag aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten vom BMWA abgelehnt worden ist. Das zur Richtigstellung.
Weiter möchte ich auf einzelne Redner nicht im Detail eingehen. Es war aber mehrfach davon die Rede, dass Hartz IV nicht in der Lage sei, Arbeitsplätze zu schaffen. Frau Lay, wenn Sie das denken – das war, glaube ich, eine Aussage von Ihnen –, dann haben Sie das Ziel und das Substanzielle des Gesetzes nicht verstanden.
Ich glaube, es hat noch niemand behauptet, dass mit der Einführung von Hartz IV zum 1. Januar 2005 Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen werden sollen, sondern wir haben gesagt, dass Hartz IV ein erster Schritt ist und dass es natürlich notwendig ist, begleitend zu den Maßnahmen, die bei Hartz IV eine dominante Rolle spielen, auch wirtschaftspolitisch einiges zu tun. Ich glaube, daher ist es richtig zu sagen, dass der Freistaat sehr gute Voraussetzungen hat. Ich erinnere zum einen an die GAFörderung der letzten Jahre mit ihren Konsequenzen, mit der Schaffung von Tausenden von Arbeitsplätzen. Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass wir im Moment neben Bayern das einzige Land sind, das eine mehr als 20-prozentige Investitionsrate hat. Genau das sind die begleitenden Maßnahmen.