Protocol of the Session on January 20, 2005

einer Gesellschaft, mit Minderheiten umzugehen und Toleranz zu entwickeln. Das ist eine sehr wichtige Voraussetzung für ein weltoffenes Sachsen und eine bedeutende Qualifikation für Integration in unserem Land. Deshalb wiederhole ich hier unsere Forderung nach einem Integrationskonzept, das auch schon angesprochen wurde, für das Land Sachsen. Hier sind Vereine und Institutionen, die in der Migrantenarbeit tätig sind, zur Mitarbeit gebeten.

Ich möchte noch auf ein Memorandum hinweisen, das heißt „Zuwanderung und Integration in den neuen Bundesländern – Chancen, Risiken und Aufgaben“. Es ist entstanden in einem Diskussionsprozess unter ostdeutschen Ausländerbeauftragten und Migrantenvertretern. In diesem Memorandum finden wir eine Fülle von Anregungen und Beispielen, die wir bei der Umsetzung eines Integrationskonzeptes beachten sollten.

Abschließend möchte ich den Wunsch unserer Fraktion an die neue Ausländerbeauftragte nach einer intensiven und sachorientierten Zusammenarbeit ausdrücken. Wir freuen uns darauf.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das waren die Mitteilungen der Fraktionen in der ersten Runde. Jetzt hat die Ausländerbeauftragte, Frau Friederike de Haas, die Möglichkeit zu sprechen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Auch ich möchte mich in den Reigen der Danksagenden an Heiner Sandig einreihen. Ich freue mich, in seine Fußstapfen treten zu können. Ich freue mich auf die Arbeit als Sächsische Ausländerbeauftragte. Ich sage das ganz bewusst,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der SPD, der PDS, der FDP und den GRÜNEN)

weil ich denke, dass klare Worte notwendig sind und nicht Begrifflichkeiten, die mehrfach gedeutet werden können. Genau das war auch das Anliegen von Heiner Sandig. Ich bin vom Sächsischen Landtag gewählt und bin nicht die Ausländerbeauftragte der Regierung. Das nur zur Klarstellung.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der PDS, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! In der heutigen Aussprache geht es um den elften Bericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten, meines Amtsvorgängers. Er zeigt die Themen auf, die in Sachsen für Ausländerinnen und Ausländer relevant waren. Er zeigt auf, welche Fortschritte erzielt worden sind bzw. wo es weiteren Handlungsbedarf gibt. Sachsen will weltoffen und fremdenfreundlich sein. Der Bericht regt zum Diskurs an, macht aber auch deutlich, dass wir uns in Deutschland und in Sachsen intensiver mit den Fragen der Kultur und der Integration zu beschäftigen haben, dies ganz besonders vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in unserem

Land. Der Bericht ist damit gleichzeitig Auftrag an mich, die dort aufgeführten Fragestellungen aufzunehmen und mit allen Beteiligten zu diskutieren. Insofern sind Sie, sind wir alle gefragt, Stellung und Position zu beziehen.

Heiner Sandig hatte von 1992 bis zu meiner Wahl das Amt des Sächsischen Ausländerbeauftragten inne; er hat dieses Amt von ganzem Herzen geführt und sich für die Belange der Ausländerinnen und Ausländer in Sachsen eingesetzt. Seine Stimme wurde sowohl im Landtag als auch außerhalb des Landtages gehört und geachtet. Für ihn war der humanitäre Umgang mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, insbesondere auch mit den Flüchtlingen des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo, ein inneres Anliegen. Er hat sich nie beirren lassen und immer dazu beigetragen, einen gerechten Weg für den Umgang insbesondere mit Flüchtlingen zu finden. Er engagierte sich ganz besonders auch in Einzelfallfragen und hat sich dabei stets von dem Gedanken leiten lassen, dass Verwaltungsentscheide nachvollziehbar und für die Beteiligten menschlich akzeptabel sein müssen. So hat er während seiner Amtszeit Gespräche mit dem Innenministerium initiiert, Gespräche, die in zahlreichen schwierigen Fällen Lösungen herbeigeführt haben. Sie können quasi als Vorläufer der Härtefallkommission gelten, zu der ich mit dem Innenminister im Gespräch bin, und ich habe positive Anzeichen dafür, dass wir zu einem guten Ende kommen werden.

(Beifall bei der PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Heiner Sandig hat sich immer für Toleranz und Weltoffenheit im Freistaat Sachsen eingesetzt. Die Einrichtung des Kuratoriums für ein weltoffenes Sachsen ist ein beredtes Zeugnis dieses Engagements.

Frau Ernst, es war eine ganz bewusste Entscheidung, dieses Kuratorium einzusetzen und eben nicht einen Integrationsrat, und ich bin sehr dankbar dafür, denn all die Dinge, die Sie angeführt haben, werden da behandelt. Nun weiß ich nicht, was dann falsch an dem Titel sein soll. Das „Kuratorium für ein weltoffenes Sachsen“ ist ein wichtiger und guter Begriff, denn in ihm sind alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten und machen deutlich, dass Sachsen in einer Tradition gegenüber Bürgern anderer Länder steht.

Der Aspekt des weltoffenen fremdenfreundlichen Sachsen soll auch im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen. Beides – der Umgang mit dem Fremden, mit dem Nächsten und die Weltoffenheit – ist für die Zukunft Sachsens, das Bild Sachsens in der weltweiten Öffentlichkeit von großer Bedeutung. „Eine solche Politik der Weltoffenheit und Fremdenfreundlichkeit ist ganz gewiss nicht ein Gegensatz zu einer Politik der inneren Sicherheit, sondern das notwendige Pendant dazu.“

(Beifall bei der CDU)

So steht es im Bericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten Heiner Sandig. Dies ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen. Ich habe bei der Gestaltung und Umsetzung mitzuwirken, Dinge anzustoßen und gegebe

nenfalls auch anzumahnen, denn ich weiß, was ich zu tun habe, und ich brauche nicht die Nachhilfe der PDS.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS: Hilfe schon!)

Ich bin sicher, dass wir in dieser Arbeit an einem Strang ziehen, und ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Dr. Cornelia Ernst, PDS: Das war das Letzte!)

Ich frage die Staatsregierung, ob Redebedarf besteht. – Herr Staatsminister de Maizière, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch für die Sächsische Staatsregierung nehme ich den Elften Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten zum Anlass, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ehemaligen sächsischen Landesbeauftragten, aber auch Heiner Sandig in Person sehr herzlich für seine Arbeit zu danken. So wichtig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind – natürlich hat der Name und die Person, die Kraft und der Charakter von Heiner Sandig dieses Amt über zwölf Jahre geprägt, und das verdient großen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Liebe Frau de Haas, ich wünsche Ihnen als neu gewählte Ausländerbeauftragte zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Sächsischen Staatsregierung viel Erfolg und biete Ihnen für die gesamte Staatsverwaltung und auch für mich eine gute Zusammenarbeit an.

Lassen Sie mich nur kurz drei Bemerkungen zur Debatte machen; erstens zum neuen Zuwanderungsgesetz. Wie immer man dazu stehen mag – es ist verabschiedet, es ist in einem großen Konsens verabschiedet, und wir sollten die Diskussion nicht von vorn beginnen. Ich will aber gerne einen Punkt ansprechen, der außer von der NPD noch nicht angesprochen worden ist: Natürlich war das zentrale Konfliktfeld des Zuwanderungsgesetzes das Thema: Wie gehen wir mit dem Zuzug von Ausländern um fernab des Themas Asyl? Soll es eine wirkliche Migration in Deutschland geben oder soll es eine im Blick auf deutsche Interessen gezielte Zuwanderung geben? Das war die Konflikt- und Interessenlage. Es hat hierzu einen Kompromiss gegeben, zu dem wir stehen, und das wollen wir auch weiter so halten. Das heißt, dass Arbeitsplätze, die wir zu vergeben haben, natürlich zuerst, wenn es irgend geht, deutschen Erwerbstätigen zur Verfügung stehen müssen.

Wo wir allerdings – neben der Frage der politischen Verfolgung – auch zu unserem wirtschaftlichen Nutzen ausländische Investoren, hochqualifizierte Wissenschaftler, Studenten benötigen, wo sie uns bereichern, wo sie einen Vorteil für Sachsen und Deutschland bringen, eröffnet das Zuwanderungsgesetz neue Chancen und in diesem Sinne sind weit über Asylbewerber hinaus solche Aus

länderinnen und Ausländer herzlich willkommen, und – Herr Abg. Leichsenring – auch ohne Rückfahrkarte. Sie gehören dann zu uns, sie bauen mit uns an unserer Heimat.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Der zweite Gedanke: In dem Zuwanderungsgesetz gibt es die Möglichkeit, eine Härtefallkommission einzurichten. Das Thema der Härtefallkommission war – das ist ja kein Geheimnis, da muss man nicht lange darum herumreden – auch zwischen CDU und SPD sehr umstritten. Auch ich war bis zum In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes kein Freund einer Härtefallkommission; ich habe das bilateral schon in dem einen oder anderen Zusammenhang erwähnt. Warum? – Weil die Härtefallkommission die Gefahr in sich birgt, dass nach einem Verwaltungs- und nach einem Gerichtsverfahren erneut ein Verfahren, ein förmliches Verfahren, in Gang gesetzt wird, das eigentlich, nachdem die Gerichte rechtskräftige Urteile erlassen haben, in unserem Rechtssystem in dieser Weise keinen Platz hat.

Umgekehrt weiß jeder, dass es natürlich Härtefälle gibt und dass es – Frau de Haas hat es erwähnt – in den bilateralen Gesprächen des Ausländerbeauftragten mit den Innenministern ganz oft – wenn auch nicht immer, aber ganz oft – befriedigende Lösungen gegeben hat. Aber sie waren auf Goodwill angewiesen, sie waren auf Wohlwollen angewiesen, und auch dort konnte nach der alten Rechtslage der Innenminister die zuständigen Ausländerbehörden nur bitten, in dem Härtefall von einer Abschiebung abzusehen, eine Duldung zu erlassen oder Ähnliches.

Jetzt gibt es eine neue Rechtslage: Härtefallentscheidungen kann nach der neuen Rechtslage nur noch die oberste Ausländerbehörde, also der Innenminister, treffen, und er darf sie nur dann treffen – nach § 23a, der schon erwähnt worden ist –, wenn es eine Härtefallkommission gibt. Das heißt, die alten ideologischen Gefechte bis zum In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes haben sich erledigt. Wenn es Härtefälle gibt – und diese wird es geben –, dann können sie nur entschieden werden, wenn es eine Härtefallkommission gibt.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, PDS)

Die meisten Länder haben davon Gebrauch gemacht – in unterschiedlicher Weise –, und ich möchte heute mitteilen, dass ich nach gründlicher Prüfung und Erörterung mit der Ausländerbeauftragten und nach Abstimmung mit den Arbeitskreisen in unserer Koalition zu der Entscheidung gekommen bin, dem sächsischen Kabinett vorzuschlagen, auch in Sachsen eine Härtefallkommission einzurichten.

(Beifall bei der PDS, der SPD und vereinzelt bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Das setzt voraus – dazu gibt das Zuwanderungsgesetz ja auch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen –, dass ein Verfahren gefunden wird, das sich auf die wirklich außergewöhnlichen Härtefälle beschränkt; dass wir

eine enge Zusammensetzung der Kommission zustande bringen, in der alle Beteiligten vertreten sind; dass es ein hohes Entscheidungsquorum gibt, um zu einer Entscheidungsfindung zu kommen. Das Härtefallverfahren darf nicht zu einem Instrument werden, mit dem die gesetzlichen Vorschriften ausgehebelt werden. In diesem Sinne wird es den Entwurf einer Härtefallkommission geben, und ich hoffe, wir kommen dann auch recht bald zu einer Entscheidung.

Frau de Haas und ich sind im Gespräch, wie wir bis zum In-Kraft-Treten der Härtefallkommission mit Härtefällen umgehen wollen.

Meine dritte Bemerkung. Der Ausländerbeauftragte spricht in seinem Bericht an, dass es für Ausländer im Freistaat Sachsen nicht leichter geworden ist, hier zu leben, nachdem die NPD im Landtag sitzt. Ich teile diese Auffassung ausdrücklich nicht. Es wäre zu viel Ehre für die NPD. Meine Damen und Herren, durch generelle Herabsetzung der Ausländer, durch Missachtung ihrer Würde, werden nicht nur wichtige Grundwerte der demokratischen Völkergemeinschaft und zentrale christliche Werte verletzt; solche Haltungen bedrohen auch unser Gemeinwesen. Es ist immer das Problem – ich habe es schon einmal gesagt –, wenn man auf Redebeiträge der NPD zu wenig oder zu viel eingeht, macht man es jeweils falsch. Deswegen will ich mich auf zwei Bemerkungen begrenzen, Herr Abg. Schmidt, die etwas mit dem Sprachgebrauch zu tun haben. Der Sprachgebrauch ist ja sehr verräterisch.

Das Erste ist, Sie haben meines Erachtens, jedenfalls für mich als Christen, in einer unerträglichen und zynischen Weise

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

mit dem Begriff der Barmherzigkeit gespielt. Das ist ein Ehrenbegriff, eine innere Haltung, die nicht verschleudert werden darf, mit der man aber vor allen Dingen nicht zynisch umgeht. Das Zweite ist, und das ist genauso schlimm: Sie haben den Bericht des Ausländerbeauftragten mit dem Begriff der „Absonderung“ bezeichnet. Wissen Sie, das erinnert mich an bestimmte – – Das kann man sprachlich sagen, Herr Abg. Apfel.

(Holger Apfel, NPD: Das ist auch das Papier wert!)

Aber der Begriff der Absonderung erinnert an – sagen wir mal – menschliche Ausscheidungen. Das ist die Assoziation, die ich dabei habe. Wie immer man zu diesem Bericht stehen kann, in dieser Art sprachlicher Bezeichnung den letzten Bericht von Heiner Sandig zu qualifizieren, finde ich unglaublich.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren, dabei will ich es aber auch bewenden lassen.

Der verantwortliche mitmenschliche Umgang mit Ausländern ist und bleibt unser Anliegen. Einfache Wege, Frau Abg. Ernst, gibt es nicht. Wir müssen den Miss

brauch des Asylrechts und auch die illegale Einwanderung konsequent bekämpfen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)