Protocol of the Session on January 20, 2005

Viele Betroffene sind unzufrieden mit ihren Rehabilitierungsbescheiden. Das ist eine Erfahrung, die teilen auch viele andere, die teilen Rechtsanwälte, die teilen Politiker in Gesprächen in Bürgerbüros. Umso nötiger ist es aber, mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis zu nehmen, dass die überwiegende Zahl der Ablehnungen rechtlich korrekt ist oder korrekt erscheint, dass aber Rehabilitierung sachlich geboten wäre. Ich glaube, diese Einschätzung des Landesbeauftragten sollte für uns Anstoß sein, über eine Weiterentwicklung des Rehabilitierungsrechts nachzudenken. Wir müssen nach neuen – und ich sage es ganz offen – und auch finanzierbaren Lösungen suchen. Das scheint sachlich geboten, ist aber zugleich – ich sagte dieses bedeutende Wort hier in diesem Landtag einmal – eine moralische Verpflichtung für uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Der zweite Bereich, den ich sehr wichtig finde, ist der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Bildung. Wir begrüßen die Erweiterung der Tätigkeit, die im letzten Jahr in diesem Bereich vorgenommen wurde. Das betrifft sowohl die Veranstaltungen als auch die neu gestaltete Eigenreihe der Landesbehörde und die Kooperation mit anderen. Das betrifft auch die Publikationen.

Insgesamt ist diese Öffentlichkeitsarbeit sehr gut geeignet, das weite Feld der Repression unter dem DDR-Unrechtsregime und auch des Widerstands dagegen auszuleuchten.

Besonders bedeutsam scheint uns aber der Weg zu sein, der mit dem Schülerprojekt „DDR-Jugend und Staatssicherheit“ eingeleitet wurde. Herr Bräunig hat hier aus einer seinem Alter gerechten Perspektive gesprochen. Ich habe in vielen Gesprächen mit Schulklassen, mit Jugendgruppen Erfahrungen gesammelt. Es gibt ein gewachsenes Interesse unter den jungen Menschen an diesem Bereich der DDR-Vergangenheit.

Es sind bei vielen jungen Leuten die Fragen nicht zu klären: Wie konnte in der DDR dieses System der Repression geschaffen werden? Wie konnte dieses Spitzeltum am Leben erhalten werden? Andererseits stellen sich aber auch die Fragen: Wie war Widerstand möglich? Wie war es zugleich möglich, in der DDR unter diesen Rahmenbedingungen glücklich zu leben?

Um diese Fragen zu beleuchten und das Informationsund Gesprächsbedürfnis zu befriedigen, ist der Landesbeauftragte gefragt mit seinem Schülerprojekt, mit den Vorträgen, mit Gesprächen, auch mit Zeitzeugen. Das, denke ich, wird in den nächsten Jahren einen noch wichtigeren Schwerpunkt in der Arbeit bilden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Der dritte Teil, den ich ansprechen möchte, ist der Bereich der Koordinierungsarbeit, also Dinge, die eigentlich nicht in den Aufgabenbereich hineinfallen, aber die Kontakte betreffen.

Das eine ist – es wurde bereits von einem Vorredner angesprochen – das neue Regionalkonzept der Bundesbeauftragten. Für Sachsen heißt das, die Archive sollen in Leipzig konzentriert werden. Der Sächsische Landtag hat sich in der vergangenen Legislaturperiode sehr klar und deutlich zu dieser Frage positioniert. Auch der Landesbeauftragte hat sich zu Wort gemeldet. Ich finde diese Position, die er vor allem in seinem Tätigkeitsbericht noch einmal zusammenfasst, höchst überlegens- und unterstützenswert.

Die Archivkonstruktion, wie sie jetzt beim neuen Regionalkonzept vorgeschlagen ist, sieht Einsparungen vor; Einsparungen, die aber von Kennern der Konzepte bereits bezweifelt werden. Vor allem ist es eine Konstruktion, die deutlich den zweiten Schritt vor dem ersten macht. Zuerst sind die Fragen der mittel- und langfristigen Archivierung zu klären, wie sie im Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten aufgeführt sind. Dann geht es um eine Lösung, wie die nächsten Jahre zu regeln sind.

Das heißt, der Landesbeauftragte stellt in seinem Bericht die richtigen Fragen. Sie sind dringend zu beantworten mit Hilfe des Sächsischen Landtages, vor allem aber auf Bundesebene.

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Gedenkstättenarbeit. Wir haben hier in Sachsen auch in dieser Legislaturperiode immer noch eine Situation mit unserer Stiftung Sächsische Gedenkstätten, in der der Eklat um diese Stiftung nachwirkt. Für uns von BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN ist es klar, dass die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes von besonderer Bedeutung ist. Ich sage es hier auch deshalb noch einmal, weil es umso wichtiger ist, dies in den Mittelpunkt zu stellen, als wir mit der NPD Vertreter einer Partei im Sächsischen Landtag haben, die in ihrer Ideologie und in ihrer Tradition direkt an den Nationalsozialismus anknüpft.

(Beifall bei den GRÜNEN – Uwe Leichsenring, NPD: Käse!)

Ich bin meinem Vorredner ganz besonders dankbar, dass er mit klaren Worten den Versuch zurückgewiesen hat, einen Vergleich zwischen dem Wirken der DDR-Staatssicherheit und den Verfassungsorganen bzw. Verfassungsschutzorganen der Bundesrepublik Deutschland zu konstruieren. Das ist der Versuch, hier ein BRD-Unrecht zu konstruieren, und das ist ein Teil der Ideologie, die die Partei versucht in den Sächsischen Landtag zu tragen. (Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Uwe Leichsenring, NPD: Das ist die Wahrheit!)

Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verbrechen wenden wir uns deshalb gegen alle Versuche, durch eine einseitige Ausrichtung der Gedenkstättenarbeit die Untaten der NS-Diktatur zu relativieren. Insbesondere betrifft das die Verbrechen des Holocaust. Aber ebenso wichtig ist die Auseinandersetzung mit dem Unrecht des SED-Regimes. Sie hat nichts von ihrer Bedeutung verloren. Ich glaube, dass der Landesbeauftragte mit seiner differenzierten, sachlichen und abwägenden Position in seinem Tätigkeitsbericht sein Gewicht in den Stiftungsrat einbringen muss. Wir stehen hier vor einer wichtigen Aufgabe: das Porzellan, das zerschlagen worden ist, mit Hilfe der neuen zuständigen Ministerin wieder zu kitten und die Arbeit der sächsischen Stiftung auf eine neue und zukunftsfähige Position zu stellen. Wir möchten dem Landesbeauftragten und seiner Behörde dafür und für alle weiteren Aufgaben in seinem Spektrum viel Kraft wünschen. Er hat die Unterstützung unserer Fraktion in seiner Arbeit und ich denke auch die Unterstützung des Sächsischen Landtages.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die Staatsregierung spricht Herr Staatsminister Mackenroth, Minister der Justiz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe gestern zum ersten Mal von diesem Pult aus zu Ihnen sprechen dürfen. Das geschah in einer etwas aufgeheizten Atmosphäre, um es vorsichtig zu sagen. Daher möchte ich heute in Ruhe den Satz nachholen, den ich eigentlich gestern schon hätte sagen wollen: Der neue Justizminister des Freistaates Sachsen bietet allen Beteiligten hier im Hohen Hause eine offene und faire Zusammenarbeit an. Darüber hinaus werden all diejenigen in mir einen engagierten Mitstreiter finden,

die mit mir für die Akzeptanz unseres Rechts, das unserem Gemeinwesen seinen Namen gegeben hat –

(Beifall bei der CDU)

und für die Stärkung unserer wehrhaften – das betone ich – Demokratie eintreten wollen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Zur Sache: Die Debatten – gerade in der letzten Zeit – zeigen, dass die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR auch 15 Jahre nach der friedlichen Revolution vom Herbst '89 nicht abgeschlossen ist. Die so genannten Rosenholz-Dokumente haben Fragen nach einer neuerlichen Überprüfung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und von öffentlichen Mandatsträgern aufgeworfen. Die Diskussion über die Verlängerung der Antragsfristen in den Rehabilitierungsgesetzen hat Schicksal und Leid der von Verfolgungsmaßnahmen Betroffenen erneut in das öffentliche Blickfeld gerückt. Die anhaltende Debatte über die Zukunft der Behörde der Bundesbeauftragten und ihrer Außenstellen hat neben organisatorischen Aspekten auch die Frage nach dem künftigen Umgang mit der Hinterlassenschaft des Staatssicherheitsdienstes wieder auf die Tagesordnung treten lassen.

Die Arbeit unseres Landesbeauftragten hat dazu beigetragen, Sachverstand über die Funktionsweise des Staatssicherheitsdienstes und Erfahrungswissen aus Beratungstätigkeit in die Diskussion einfließen zu lassen. Genau so sinnhaftig war aber auch im letzten Berichtszeitraum die erneut gestiegene individuelle Beratung von Bürgerinnen und Bürgern und die Unterstützung von Opfer- und Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen. Die Arbeit des Landesbeauftragten will ferner die Bevölkerung über totalitäre Strukturen aufklären und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Einzelnen stärker ins Bewusstsein rücken. Ohne undifferenzierte Vergleiche zwischen verschiedenen Diktaturen ziehen zu wollen, muss gerade jetzt das Ziel der Arbeit aller öffentlichen Stellen dieses Landes sein, die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaat zu stärken und jeglicher totalitärer Intoleranz, jedem verbalen Bestreben, dieses System abzuwickeln, entschieden entgegenzutreten.

(Beifall der Abg. Volker Bandmann, und Heinz Lehmann, CDU)

Häufig ist Dokumentationsund Bildungsarbeit ein Kampf gegen das Vergessen. Unter anderem mit der Ausstellung „Herbst '89 – Entscheidungstage in Sachsen“ ist dem Landesbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas gelungen – nämlich, in Erinnerung zu rufen, dass es die Bürger – insbesondere der sächsischen Städte – selbst waren, die im Herbst '89 mit großem Mut grundlegende Freiheitsrechte für sich und andere errungen haben.

Gerade in einer Zeit tiefgreifender sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen kann ein Erinnern an eigene Stärke und ein Zurückblicken auf eine großartige Leistung mit berechtigtem Stolz helfen, die Herausforderungen der Zukunft mit Entschlossenheit

und Selbstbewusstsein anzugehen. Insoweit, Herr Abg. Dr. Martens, finde ich, dass Herr Abg. Schiemann zu Recht von einer „Erinnerungskultur“ gesprochen hat. Ein solches Bewusstsein nämlich, verbunden mit dem Wissen um Funktionsweisen und Folgen von Diktaturen, kann auch dazu beitragen, manchem im Schafspelz daherkommenden Wolf jedweder Pelzfarbe den Boden unter den Füßen zu entziehen. Lassen Sie das im Herbst '89 Erreichte durch eine kleine Schar den wahren Werten der friedlichen Revolution zutiefst feindlich gegenüberstehenden Demagogen nicht zerstören! Dieses System, unser Rechtsstaat ist – bei allen eingeräumten Unzulänglichkeiten – besser als jedes andere, in jedem Fall haushoch überlegen dem Modell „Braun“ – nicht vorrangig besser für die politischen Mandatsträger, nicht vorrangig besser für diejenigen, die für unsere Demokratie aktiv arbeiten, sondern für alle sächsischen Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU, und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung zu folgen und den 12. Tätigkeitsbericht billigend zur Kenntnis zu nehmen. Nach meiner Überzeugung hat sich der Landesbeauftragte an die ihm durch das Gesetz gezogenen Grenzen gehalten. Dem Landesbe

auftragten und seinen Mitarbeitern danke auch ich für ihre engagierte Arbeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Das war die erste Runde der Aussprache. Gibt es Bedarf zur weiteren Aussprache? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Dann wäre jetzt die Gelegenheit, dass der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Prof. Schneider, die Möglichkeit hätte zu sprechen.

(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Nein!)

Es wird verzichtet. Danke schön. – Dann kämen wir zur Beschlussfassung. Meine Damen und Herren! Wir stimmen ab über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 4/0465. Bei Zustimmung bitte ich um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Keine Gegenstimmen. Die Stimmenthaltungen! – Eine Anzahl von Stimmenthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechtsund Europaausschusses in der Drucksache 4/0465 beschlossen. Ich danke Ihnen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Elfter Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten

Drucksache 4/0044, Unterrichtung durch den Sächsischen Ausländerbeauftragten

Drucksache 4/0288, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Das Präsidium hat eine Redezeit von 10 Minuten für jede Fraktion festgelegt. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, PDS, SPD, NPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der Sächsische Ausländerbeauftragte und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Meine Damen und Herren, ich bitte den Vertreter der CDU-Fraktion zur ersten Runde. Herr Abg. Bandmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Elfte Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten, der letzte, der von Heiner Sandig verantwortet wird, liegt uns vor. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, zunächst Heiner Sandig für seine zwölfjährige Tätigkeit zu danken.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Er hat 1992 in schwieriger Zeit sein Amt angetreten. Er hat dieses Amt mit Leben und Engagement hervorragend ausgefüllt. Ich danke ihm für seine gute, ja, für seine sehr gute Arbeit. Ich danke ihm insbesondere für seine Mitmenschlichkeit, die als Leitmotiv seine gesamte Tätigkeit geprägt hat. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass das Amt des Ausländerbeauftragten – und in Zukunft der Ausländerbeauftragten – beim Landtag angesiedelt ist. Dies ist in Deutschland einmalig. Heiner Sandig hat mit seiner Arbeit und mit seinen Mitarbeite

rinnen dieses Amt nachhaltig positiv geprägt und damit zu dem guten Ruf unseres Freistaates Sachsen in der Welt beigetragen.

Dieser Erfolg schlägt sich auch – ich möchte dies nicht betonen, aber doch nicht unerwähnt lassen – im wirtschaftlichen Bereich, in ausländischen Investitionen, im Tourismus und im Kauf sächsischer Produkte nieder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Sachsen leben – dem Ausländerzentralregister zufolge – bei einer Gesamtbevölkerung von gut 4,3 Millionen knapp 92 000 Ausländer. Dies entspricht einem Prozentanteil von zirka 2,11 %. Im Vergleich zu den anderen deutschen Ländern handelt es sich dabei um einen außerordentlich geringen Anteil. Wir haben in Sachsen wahrlich keinen Anlass, von Überfremdung oder gar Ausländerschwemme zu reden. Das ist glatter Unsinn. Der größte Teil der Sachsen will weltoffen und fremdenfreundlich sein.

Leipzig als jahrhundertealter Messeplatz und Schnittpunkt bedeutender Handelsstraßen besitzt eine historische Tradition der Weltoffenheit und Pluralität. In der alten Verlagsund Bürgerstadt haben sich viele konsularische Vertretungen angesiedelt. Die Herrnhuter Brüdergemeinde in der Oberlausitz agiert weltweit als Missionsgemeinschaft und hat ihre Zentrale eben in Sachsen. Das Völkerkundemuseum der Herrnhuter dokumentiert diese Weltoffenheit seit Jahrhunderten. Die Kirchen tragen zur Fremdenfreundlichkeit und Weltof