Protocol of the Session on December 12, 2006

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Staatsregierung meint, sie könnte in der gegebenen Situation noch Lehrerstellen in immensen Größenordnungen abbauen. Bedenken Sie eines, meine Damen und Herren von der Staatsregierung und der Koalition: Sie werden eines Tages nicht danach beurteilt, wie viele Straßen- und Autobahnkilometer und wie viele Start- und Landebahnen Sie gebaut haben, sondern danach, was Sie unseren Kindern und Enkelkindern auf den Lebensweg mitgegeben haben, welche Chancen Sie ihnen fürs Leben eröffnet haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Was passiert nach der Schule? Lehre im dualen System? – Für die meisten Fehlanzeige. Vollzeitschulische Berufsbildung? – Dafür fehlen allein an den öffentlichen Berufsschulen 565 Stellen zur Absicherung des regulären Unterrichts. Wir sind wieder da, wo wir waren. Vollzeitschulische Berufsausbildung bei freien Trägern? – Noch ist das der Ausweg; aber schon im nächsten Zweijahresplan soll hier massiv gekürzt und demnach auch zerstört werden – und dies zum Wohle, zur Förderung und zum Ausbau der dualen Ausbildung, sagt Herr Dulig. Da bin ich gespannt, wie es ausgeht. Ich glaube, Sie, Herr Dulig, gehen wirklich schon mit dem Vogelbauer Bier holen.

(Leichte Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wer kümmert sich um die vielen Problemfälle unter Jugendlichen? Wenn es um unsere Zukunft und die

Kinder und Jugendlichen geht, muss ich leider das wiederholen, was ich hier schon in der 1. Lesung gesagt habe: Auf nichts anderes ist im Haushalt so sicher Verlass wie auf die Kürzungen bei der Jugend.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Daran haben leider auch die Haushaltsberatungen nichts geändert. Kein müder Cent ist hinzugekommen. Sowohl die Staatsregierung mit ihrer Ergänzungsvorlage als auch die Koalitionsfraktionen mit ihren Änderungsanträgen haben zwar lustig Geld innerhalb dieses Bereiches hin- und hergeschoben, aber mehr geworden ist es doch dadurch nicht.

(Heinz Eggert, CDU: Aus gutem Grund!)

Unsere Vorschläge haben Sie wiederum vom Tisch gewischt, sowohl den Vorschlag zur Erhöhung der Jugendpauschale – wenn das gut ist, dann soll es mir in Ihrem Sinne recht sein;

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

aber es wird mir nicht billig sein, das können Sie wissen – als auch den Vorschlag zur Wiedereinführung der Förderung von Kinder- und Jugendferienlagern, eine Maßnahme, die gerade für die Feriengestaltung der Kinder aus einkommensschwächeren Teilen der Bevölkerung von großem Nutzen wäre – übrigens auch ein Element im Kampf gegen Extremismus.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Wer glaubt, eine kontinuierliche Kinder- und Jugendarbeit durch immer neue Hauruckaktionen, wenn wieder einmal ein Kind in den Brunnen gefallen ist, gestalten zu können, der befindet sich einfach auf dem Holzweg. Glück hat, wer aufs Gymnasium geht und Abitur macht – der oder die bekommt natürlich die raren Lehrstellen leichter, vor allem in zukunftssicheren Berufen.

Universitäten und Hochschulen haben wir ja auch noch. Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger geht in Sachsen zurück; es könnte also Platz werden. Aber warum geht die Zahl der neu Immatrikulierten zurück? Nicht – oder am wenigsten – wegen der demografischen Entwicklung, sondern weil die Qualität nicht mehr stimmt. Man muss sich doch schämen, wenn zum Beispiel beim Ranking des Lehrerstudiums Leipzig bei der Deutschlehrerausbildung seit neuerer Zeit an letzter Stelle in Deutschland steht. Einer Kürzung an den Hochschulen folgt die nächste; zurzeit befinden wir uns in der zweiten Phase des unter Matthias Rößler begonnenen Stellenabbaues, an dessen Ende insgesamt 1 000 Stellen wegfallen sollen. Allein bis zum Jahre 2009 sind noch einmal 300 Stellen fällig. Damit wäre dann innerhalb eines Jahrzehnts fast jede zehnte Stelle gestrichen. Hier ist nichts anderes geboten als Stopp und dann Umkehr.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Hören Sie einmal auf die Orientierungssysteme in Ihren Autos, wenn Sie sich verfahren haben.

In Sachsen gibt es seit Jahren hohe Studienabbrecherquoten, und trotz Verringerung der Studierendenzahlen sind die Hörsäle nach wie vor überfüllt und es gibt Losverfahren für Seminare. So können viele ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit abschließen. Doch die Staatsregierung ist in der Pflicht, den Hochschulen solche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass jeder und jede, der oder die ihr Studium hier in Sachsen beginnt, es auch in der Regelstudienzeit abschließen kann.

Es ist die Frage nicht wirklich beantwortet, warum es in westdeutschen Bundesländern wesentlich mehr Promovenden je Lehrstuhl als in Sachsen gibt. Offensichtlich sind Reserven ungenutzt. Die Unterschiede zwischen den potenziellen Betreuerinnen und Betreuern sind zu groß. Wie kann es denn sein, dass der angestellte Inhaber einer halben Professorenstelle mit einem anspruchsvollen zweiten Beruf an der Universität Leipzig von 1990 bis 2004 acht Promotionen für sieben Frauen und einen Mann erfolgreich zum guten Ende betreute, seine verbeamteten Kolleginnen und Kollegen am gleichen Institut in der gleichen Zeit aber nur einen, im günstigsten Fall zwei Abschlüsse produzierten?

Ich will Ihnen die Frage beantworten oder zumindest den Weg zeigen, wo man die Antwort finden kann. Es ist gar nicht die Frage des Fleißes. Da sind nicht die einen faul und die anderen fleißig. Es ist eine Frage der Themenfindung, der Zukunftsrelevanz der Themen, die man stellt und für die man dann auch gute Promovenden findet. Viel zu oft sitzt man noch in den bequemen Ohrensesseln der alten Themen. Unbeantwortet ist bisher auch die Frage, wie es sein kann, dass es für Frauen an unseren Hochschulen so viele Barrieren auf der Karriereleiter gibt.

Frau Staatsministerin Stange – sie ist gerade nicht da – tritt ein schweres Erbe an. Denn in den letzten fünf Jahren wurde nur abgebaut und nicht gestaltet. Alles, was ich jetzt gesagt habe, war ausdrücklich keine Kritik an der aktuellen Staatsministerin für Wissenschaft, Kunst und Kultur. Ich habe hier das Bild gezeichnet, von dem sie ausgehen muss, und wir setzen viel Hoffnung in sie. Aber es fehlt derzeit ein ganzheitliches Konzept von Innovation.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und von der Staatsregierung, beziehen Innovationen zumeist einseitig auf Technik und Hochtechnologien und konzentrieren sich im Wesentlichen auf schnell vermarktbare Forschungsergebnisse. Das klang auch in der Rede des Ministerpräsidenten wieder durch. Der Bereich gesellschaftlicher Innovationen wird fast vollständig ausgeblendet. Das wird sich langfristig rächen. Wenn es um die Zukunft geht, ist nämlich ein Innovationstyp gefragt, der Nachhaltigkeit zum Ziel hat und der Ökologie, Ökonomie, Kultur und Soziales gleichrangig integriert. Nur eine nachhaltig orientierte Innovationspolitik kann dauerhaft Beschäftigung, soziale Sicherheit, kulturelle Lebensqualität und Wertschöpfung fördern.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Opfern Sie die Geistes- und Sozialwissenschaften auf dem Altar schneller Marktfähigkeit von Forschungsergebnissen, so zerstören Sie damit die Potenziale der Gesellschaft zu einer kritischen Aneignung und kulturellen Anverwandlung von Ergebnissen der technischen und Naturwissenschaften. Es muss also auch die kritische wissenschaftliche Reflexion und die Verwandlung von Forschungsergebnissen in Kultur im Sinne eines wesentlichen Faktors alltäglicher Lebensqualität nachhaltig gestärkt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für uns hat es höchste Priorität, eine nachhaltige Entwicklung in allen Wissenschaftsbereichen zu sichern. Deshalb müssen die Ressourcenverteilung, Strategien, Formen und Instrumente der Forschungs- und Technologiepolitik an demokratischen, ökologischen, kulturellen, sozialen und auch nichtmilitärischen Zielen sowie der Gleichstellung ausgerichtet sein.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Deshalb muss man das Ressortdenken überwinden. Nachhaltigkeit ist allein in den Grenzen eines Ressorts nicht möglich. Gerade deshalb wollen wir innerhalb einer neu zu schaffenden sächsischen Stiftung für wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen die Technologie-, Wissenschafts- und Forschungsförderung strukturell vernetzen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir von der Linksfraktion.PDS haben ein ganzheitliches Bildungskonzept. Wir werden Ihnen das durch entsprechende Änderungsanträge vorführen und haben dies auch in den Ausschüssen getan. Das ganzheitliche Bildungskonzept ist verbunden mit einem Konzept von Wissenschaft als wesentliches Element nachhaltiger Landesentwicklung. Wir haben ein Konzept von Zukunft in Prosperität, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität. Sie können das alles in unseren Veröffentlichungen nachlesen. Dies prägt auch unsere Vorstellungen von einem Haushalt, der dem Lande und seinen Menschen gerecht wird.

Wir haben diese Vorstellungen als alternativen Haushaltsansatz der Öffentlichkeit übergeben. Daraus wird sich unser weiteres Verhalten in den Debatten der nächsten Tage ableiten. Wir sind sozial, wir sind solidarisch, wir sind innovativ und wir sind kompetent. Wollen Sie Gutes für das Land, dann sollten Sie sich auf uns einlassen.

(Lebhafter, anhaltender Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass von meinem Redebeitrag zur Generaldebat

te am Beginn der Haushaltsberatung kaum etwas an die Öffentlichkeit dringen wird,

(Demonstratives Stöhnen bei der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

mal abgesehen von denen, die unser Treiben von der Besuchertribüne aus oder über den uns zugeteilten Mittelwellensender am Radio direkt verfolgen. Ich hoffe, dass Herr Porsch nicht noch einige verschreckt hat, aber sei es drum. Dass es so ist, wie ich es ein wenig beklage – aber nur ein wenig – hängt mit dem an sich löblichen Bemühen der Medien um eine ausgewogene Berichterstattung zusammen; denn da gilt das Prinzip, die Meinungsäußerung jeder Fraktion sollte sich wenigstens mit einem Satz im jeweiligen Artikel wiederfinden. Da der Ministerpräsident selbstverständlich der CDU-Fraktion zugerechnet wird – und das ist auch gut so –, gilt die Erwähnung der Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden der CDU als des Guten zu viel.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht ausschließlich darum,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Unterhaltungswert haben Sie!)

in den Medien vorzukommen, so wie das dem Herrn Porsch und den FDP-Profis wichtig sein mag,

(Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

sondern die parlamentarische Demokratie beruht auf einer Debattenkultur, die geeignet ist, im Laufe der Diskussion zu Ergebnissen zu kommen, die von einer Mehrheit verstanden und akzeptiert werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Porsch, ich möchte keine Zwischenfrage beantworten. Ich möchte wie Sie die Möglichkeit haben, meine Gedanken im Zusammenhang vorzutragen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Sie können ja mal wieder einen Dia-Vortrag halten! – Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wie kann das gehen?

Herr Dr. Hähle, gilt das generell, weil jetzt noch ein Wunsch zu einer Zwischenfrage besteht?

Ich werde mir vorbehalten, eventuell andere Entscheidungen zu treffen. Ich habe erst wenige Gedanken geäußert und weiß nicht, was es da schon zu fragen gibt. Ich weiß nur, dass Herr Prof. Porsch immer damit rechnet, mich stören zu können.