Protocol of the Session on December 12, 2006

Soll das der Weg zurück zu den Wurzeln sein, wie ihn Herr Bütikofer auf Ihrem Parteitag vorvoriges Wochenende forderte? Bei diesem Parteitag gehörten Sie als Bündnis 90 schon fast gar nicht mehr dazu – Logo.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Was wollten Sie dann mit der CDU, zurückgekehrt zu den Wurzeln, als die alten Schmuddelkinder ihrer Anfänge – Polizisten verprügeln, Minister in Turnschuhen, Wechsel im Mandat nach der halben Legislaturperiode –, als die pazifistische Antikriegspartei, die man in keinen Verteidigungsausschuss und in keine PKK gelassen hat und die niemand für koalitionswürdig hielt? Nein, das passt von den Wurzeln her überhaupt nicht. Aber so, wie Sie heute wirklich sind, wirtschaftspolitisch zum Beispiel und mit Ihrem Faible für Auslandseinsätze der Bundeswehr, würde vieles zur CDU passen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Lassen Sie dennoch lieber die Finger davon, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen und auch von der FDP, denn attraktiv ist die sächsische CDU schon lange nicht mehr

(Antje Hermenau, GRÜNE: Die Linksfraktion.PDS aber auch nicht!)

schauen Sie mal in die Umfragen! –, und der von ihr maßgeblich mit- oder wahrscheinlich sogar weitgehend vorgeschriebene Entwurf des Doppelhaushalts zeugt davon. Auch das penetrante, eigentlich peinliche Eigenlob des Ministerpräsidenten, wie heute vorgeführt, kann davon nicht ablenken.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Man hat von Anfang an nichts Bemerkenswertes zu diesem Haushalt gehört. Gebetsmühlenartig und in Wallungen, die niemanden wirklich erregten, wurde einzig die Schuldenproblematik immer wieder als die entscheidende Botschaft verkündet, als Kampf um die ominösen schwarzen Nullen, im Unterbau vielleicht auch noch rote Nullen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Davon hat die CDU viele!)

Von weniger neuen Schulden, die man machen wollte, wie nach der Haushaltsklausur des Kabinetts am 19. März dieses Jahres mitgeteilt wurde, kam man schließlich peu à peu zu der sensationellen Mitteilung: „Es geht ganz ohne Schulden“, was wir von der Linksfraktion.PDS

allerdings schon nach unserer März-Klausur wussten und auch vermeldeten.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Lesen Sie es nach! Wir haben schon am 22. März gesagt, dass wir uns an der Phantomdebatte über Neuverschuldung nicht beteiligen wollten. Denn ob null, 50 oder 150 Millionen Euro neue Kredite im Etat-Plansoll festgelegt werden, das ist angesichts einer üblichen Abweichung von 2 bis 3 % des Ist vom Soll im Haushaltsvollzug de facto bedeutungslos.

Im Übrigen, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, sollten wir uns lieber um den schuldenfreien Bürger/die schuldenfreie Bürgerin kümmern statt um den schuldenfreien Staat.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Solange aber eine Staatsregierung Bildung auf privatem Pump sehr wohl für normal hält und solange wir im Land noch die höchsten Gas- und Wasserpreise in Deutschland zahlen, werden wir davon noch sehr weit entfernt sein – und die Menschen wissen das.

Sie haben nicht mehr zu bieten als Ihre Vertrauensseligkeit in die horrenden Irrtümer und ständige Korrekturen bei der Steuerschätzung und in der Folge dieses Potemkinsche Dorf des Verzichts auf Neuverschuldung. Sie suggerieren damit einen Spitzenhaushalt und verdecken dahinter doch nur das Nichts bezüglich der Bewältigung vieler drängender Probleme.

Sie verzichten auf gestaltende Politik. Sie verteilen für Sie überraschend ins Haus gekommenes Geld aber wie Nikolaus, Weihnachtsmann und Osterhase zusammen und flüchten sich, wenn gar nichts mehr geht, in die Eleganz haushalterischer Rechenkunststücke.

Aber – halt! – da ist noch etwas. Dagegen sollten Sie, meine Damen und Herren von FDP und Bündnisgrünen, gemeinsam mit uns ankämpfen: Das sind die offenkundigen Verstöße gegen die Verfassung, die in dem zu diesem Haushaltsentwurf gehörenden Haushaltsgesetz enthalten sind, ja, dieses prägen.

Das sagt natürlich auch viel über das Verhältnis von Ministerpräsident und Staatsregierung zum Parlament und die damit verbundene Unterwürfigkeit der Koalitionsfraktionen aus.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Übrigens, Herr Ministerpräsident, es war die Selbstgerechtigkeit Ihrer heutigen Rede, ohne einen kritischen Anflug, ohne Problembewusstsein; es war diese Rede dann auch eine Zumutung für den Landtag, zumindest für die oppositionelle Seite.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Der Verstöße gegen die Verfassung und Missachtung des Parlaments gibt es in Ihrem Haushaltspaket viele. Fast schon harmlos möchte man angesichts anderer Verstöße

die Tatsache nennen, dass in der letzten Runde im Haushalts- und Finanzausschuss handstreichartig Beschlüsse für vier Haushaltsjahre gefasst wurden – davon allein 662 Millionen Euro für den noch laufenden Haushalt 2006 –, ohne seitens der Koalitionsfraktionen auch nur einen halben Gedanken an einen Nachtragshaushalt und damit die Beteiligung des Parlaments zu verschwenden.

Über eine halbe Milliarde Euro für die Leipziger Messe, Staatsweingut Wackerbarth, Rücklagen für kommunalen Finanzausgleich, Pensionsfonds für Beamte, Rücklagen für die Weitergabe von Wohngeldeinsparungen und für den Flughafen Halle/Leipzig – und die große Mehrheit der Landtagsabgeordneten erfährt das aus der Zeitung. 210 Millionen Euro als Rückstellung für 2009 werden gleich noch draufgesetzt.

Meine Damen und Herren, zu Recht wird betont, dass das Budgetrecht eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle ist, die die rechtsstaatliche Demokratie entscheidend prägt. Das Parlament und mithin der Sächsische Landtag darf diese Aufgabe zur Regierungskontrolle mittels des Budgetrechts nicht ohne Weiteres und auch nicht durch bewussten und freiwilligen Verzicht einer Mehrheit an die Exekutive oder nur Teile des Parlaments abgeben, so bequem dies für den Ministerpräsidenten, den Finanzminister und die Koalitionsfraktionen auch sein mag.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Löblich ist deshalb zunächst, dass sich die Staatsregierung angesichts früherer massiver Kritik an der Masse der Ermächtigungen ein Rechtsgutachten zur Verfassungskonformität einiger geplanter Ermächtigungen eingeholt hat. Folgt man diesem von Prof. Wieland erstellten Gutachten, so gibt es keine Probleme.

Nun existiert aber auch ein Gutachten des Juristischen Dienstes unserer Landtagsverwaltung, in dem das alles nicht so glatt herüberkommt. Da lese ich als Nichtjurist, dass bezüglich der Ermächtigungen des Staatsministeriums der Finanzen in den Vorschriften des § 12 Abs. 15 und 16 des Haushaltsgesetzes durchaus verfassungsrechtliche Bedenken bestehen bzw. die Verfassungskonformität überhaupt nicht mehr gegeben ist. Dann kann man doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen!

Im § 12 Abs. 15 wird das Staatsministerium der Finanzen im Hinblick auf eine Zentralisierung der Veranschlagung von Ausgaben und Personal für den Bereich der Informationstechnologie im Einvernehmen mit dem betroffenen Ressort und nach Einwilligung des Haushalts- und Finanzausschusses des Sächsischen Landtages erstens ermächtigt, einen Einzelplan neu zu bilden und Mittel und Planstellen über § 50 Abs. 1 Sächsische Haushaltsordnung hinaus umzusetzen, die dazu erforderlichen neuen Titel über § 37 Abs. 1 Satz 2 Sächsische Haushaltsordnung hinaus auszubringen sowie Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für gegenseitig oder einseitig

deckungsfähig zu erklären und zweitens, bei Bildung eines Staatsbetriebes gemäß § 26 Sächsische Haushaltsordnung Mittel und Planstellen oder Stellen über § 50 Sächsische Haushaltsordnung hinaus in den Wirtschaftsplan des Betriebes umzusetzen und entsprechende Zuführungstitel an den Staatsbetrieb auszubringen und auszustatten.

Aus der Sicht meiner Fraktion ist es nicht hinnehmbar, dass ohne Zustimmung des Landtages selbst ein neuer Einzelplan geschaffen wird und Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für diese Zwecke deckungsfähig erklärt werden oder gar die Bildung eines Staatsbetriebes vorgenommen wird.

Die Bildung neuer Einzelpläne steht nach unserer Auffassung allein dem Haushaltsgesetzgeber, also dem Landtag als Ganzes, zu, der den aus Einzelplänen bestehenden Gesamtplan nach Verfassung aufstellt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dementsprechend kommt der Juristische Dienst in seinem Gutachten vom 24. November dieses Jahres zu dem Schluss, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 5 Haushaltsgesetz gegen das Delegationsverbot und den Vollständigkeitsgrundsatz aus Artikel 93 Abs. 2 Satz 1 der Sächsischen Verfassung verstößt,

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

sofern die Umsetzung der IT-Reform nicht zusätzlich an die Zustimmung des Sächsischen Landtages gebunden wird. Bei dieser Wertung stützt sich die Landtagsverwaltung vor allem auch auf diesbezügliche Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichtes. Sie schwebt also nicht im freien Raum irgendwie beziehungslos durch die Welt.

Es liegt auf der Hand, dass eine Entscheidung des Haushalts- und Finanzausschusses anstelle des Landtages eine öffentliche Befassung unmöglich macht und dass der einzelne im Haushalts- und Finanzausschuss nicht vertretene Abgeordnete dann keinerlei Möglichkeit hätte, sich an der Entscheidung zu beteiligen.

Warum, so frage ich, will sich die Mehrheit in diesem Landtag über die geäußerten Bedenken schlichtweg hinwegsetzen? Warum will diese Mehrheit ureigenste Rechte und Pflichten des Landtages delegieren oder – um mit den Worten des Abg. Martens zu sprechen, ich zitiere gern –: „Warum soll sich der Landtag nicht gönnen, was ihm zusteht?“

Aus unserer Sicht jedenfalls ist die Selbstbeschränkung des Landtages in Bezug auf die Festsetzung von Einwirkungs- und Kontrollrechten im Haushaltsgesetz mit seiner herausragenden Stellung im politischen System Sachsens nur sehr schwer vereinbar und muss deshalb ein Ende haben. Meine Fraktion wird deshalb entsprechende Änderungsanträge einbringen. Sollte eine Mehrheit diese Änderungsanträge ablehnen, so ist für uns – ich sage das hier ganz deutlich – die Anrufung des Landesverfassungsgerichtes unumgänglich.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Noch etwas: Es mag ja in dieser Sache Gutachten gegen Gutachten stehen. Wenn aber im Gutachten von Wieland 16 Jahre nach der deutschen Einheit und der Gründung des Freistaates Sachsen eine „fortbestehende Aufbausituation“ – das war Zitat – als Legitimation für eine „deutliche Flexibilität des Haushaltsvollzuges“ – wieder Zitat – angeführt wird, muss das mehr als Kopfschütteln hervorrufen.

Wieland meint damit offenkundig einen Haushaltsvollzug an der Verfassungskonformität vorbei. Verfassungsverstöße können aber durch nichts gerechtfertigt werden, auch nicht durch eine Aufbausituation oder Aufbauphase.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ehrlich gesagt sollte die Aufbausituation so viele Jahre nach der Wende auch nicht mehr so drückend sein, obwohl wir ja gerade vom Ministerpräsidenten wieder gehört haben, erst die Hälfte des Weges des Aufbaus hinter uns zu haben.

Sie haben vom Marathonlauf gesprochen. 32 Jahre Marathonlauf – das wäre wahrlich Weltrekord;

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

natürlich negativer.

Aber Ihr Konzept vom Schuldenabbau nun dagegengesetzt: 20 Milliarden Euro Schulden wollen Sie in 15 Jahren abbauen. Das ist deutlich mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. Das ist auch Weltrekord, Weltrekord der Fantasterei.