Herr Colditz, verstehe ich Sie mit Ihrer Äußerung richtig? Sie erwarten, dass einerseits die staatlichen Berufsschulzentren in absehbarer Zeit etwa um 50 % ihrer Kapazität schrumpfen werden, und wollen mit Ihrem Gesetzentwurf erreichen, dass dies auch bei Schulen in freier Trägerschaft geschieht?
Frau Günther-Schmidt, das Zitat, das ich gebracht habe, soll zweierlei deutlich machen: Es ist mir schon wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass mit einer Finanzierung des Staates für 217 Millionen Euro, die an die freien Träger fließen, meines Erachtens schon eine Maßgabe gesetzt ist, dass sich auch das Schulsystem in freier Trägerschaft bei uns im Land optimal entwickelt hat. Daran wollen wir auch festhalten.
Das Zweite, was wir aber tun müssen, bezieht sich besonders auf Ihre Fragestellung, wie Sie sie formuliert haben. Es ist sicherlich so, dass ein Wettbewerb zwischen dem freien Schulsystem und dem staatlichen Schulsystem stattfindet, wenn es um die Schülerzahlen geht. Wir müssen einfach der demografischen Entwicklung Rechnung tragen, da sich beide Schulsysteme auf die gleiche Schülerklientel beziehen.
Aber wenn der Wettbewerb fair stattfinden soll, müssen auch die geltenden Parameter für die Einrichtungen bei beiden Systemen vergleichbar sein.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da muss man die staatlichen Schulen pro Kopf des Schülers finanzieren!)
Meine Damen und Herren! Die Schaffung von mehr Transparenz, wie sie im Haushaltsbegleitgesetz realisiert wird, führt im allgemeinbildenden Bereich zu keinen Kürzungen. Im Gegenteil, sind doch geringe prozentuale Anstiege zu erwarten. Ich will sie kurz benennen.
Im Grundschulbereich kommt es zu einem Anstieg von 5 %, im Gymnasialbereich von 4 % und im Förderschulbereich um 9 %. Regelungen, wie sie im Frühjahr noch im Referentenentwurf enthalten waren, sind mittlerweile geändert worden. Damit ist auch das Gesetz im Sinne der freien Träger verbessert worden. Ich will sie punktuell benennen: die grundsätzliche Beibehaltung der Schulgelderstattung aus sozialen Gründen; die Finanzierung von Integrationsmaßnahmen bei behinderten Kindern im konkreten Fall; die Landeskinderklausel wurde gestrichen. Es gibt keine Abhängigkeit des Beginns der staatlichen Finanzhilfe vom Erreichen der Mindestschülerzahl und Mindestzügigkeit. Es ist eine angemessene Übergangszeit für die Umstellung vom bisherigen auf das neue Finanzierungskonzept realisiert. Die Baukostenzuschüsse werden auch weiterhin ausdrücklich gesetzlich geregelt. Zum Sachkostenzuschuss ist mittlerweile eine Änderung auf 25 % der Personalausgaben vorgenommen worden und eine Prüfklausel für die weitere Entwicklung vorgesehen.
Zudem – auch das sollte man in der Diskussion, die wir hierzu führen, nicht vernachlässigen – ist die Wartefrist für die Finanzierung der freien Schulen von vier auf drei Jahre abgesenkt worden.
Meine Damen und Herren! Die Bewertung einer fairen Finanzierung von freien Trägern, so wie sie die Debatte letztlich anregt, schließt die Einbeziehung auch solcher Argumente ein, wenn es denn tatsächlich um eine faire Betrachtung gehen soll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neu ist das Thema im Grunde tatsächlich nicht. Vor einem halben Jahr haben wir hier bereits über die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft debattiert, als es um den Referentenentwurf der Staatsregierung ging. Neu oder von einer besonderen Qualität ist die Frechheit, mit der die Staatsregierung die geplanten Kürzungen durch die Hintertür des Haushalts
begleitgesetzes wieder einbringt. Wir haben damals schon gesagt, dass das zu befürchten steht, und leider bewahrheitet es sich nun. Die SPD hält still. Nicht verwunderlich demnach, dass unser Dringlicher Antrag, das Thema zu diskutieren, nicht angenommen worden ist. Aber wir freuen uns, dass die Aktuelle Debatte die Möglichkeit bietet, die Situation der freien Schulen hier transparent zu thematisieren.
Sie wollen die Finanzierung der freien Schulen auf neue Füße stellen, Krähenfüße aber, wenn man es für die beruflichen Schulen betrachtet. Nicht umsonst ist Kollege Colditz in seinen Ausführungen darauf wohl recht wenig eingegangen.
Die Pauschalierung der Kosten – bei aller Schwierigkeit, investive Mittel und reales Betreuungsverhältnis dabei zu berücksichtigen – fand im Grundsatz Anklang bei den freien Trägern und findet im Grundsatz auch unsere Zustimmung. Worum es bei diesem Haushaltsbegleitgesetz aber eigentlich geht, ist das Beschneiden des Netzes an beruflichen Schulen. Das ist klar und muss auch klar so gesagt werden.
Der Bundesdurchschnitt der Berufsausbildung bei privaten Bildungsträgern beträgt 8,2 %. In Sachsen sind es 25 %. Ja, das ist viel. Und ganz klar, ich bin nicht der Auffassung, dass privat von jeher gut sei. Ich zum Beispiel bestehe auf dem Primat staatlicher Verantwortung für Bildung. Aber wie ist denn diese Situation entstanden?
In den neuen Bundesländern ist der duale Ausbildungsmarkt entsprechend der gesamtwirtschaftlichen Lage eben schwächer. Anfang der Neunzigerjahre konnte das staatliche Schulwesen die Lücke nicht abdecken und schickte die freien Träger ins Rennen. Mit Zuschusskürzungen um die 40 % wollen Sie das jetzt begradigen. Aber wir fragen an dieser Stelle: auf wessen Kosten? Dabei geht es uns in erster Linie um diejenigen jungen Menschen, die auf der Suche nach einer Perspektive und einem Ausbildungsplatz sind, denn die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber ist in diesem Jahr um 9 000 gestiegen und erreicht 49 000, somit einen Höchststand seit der Wiedervereinigung.
In Ostdeutschland erleben wir sogar einen Rückgang der außerbetrieblichen Ausbildungsstellen um 7 %. Die Gesamtsituation steht im Zusammenhang mit der stetig wachsenden Zahl der Altbewerber. Eine Zunahme um 43 000, also um 13 %, ist die Situation. Hier ist Sachsen mit nicht ganz 55 % Anführer des letzten Drittels. Vor diesem Hintergrund ist das Angebot, an der Stelle mittels der geplanten Bereinigung zu reduzieren, den jungen Menschen gegenüber verantwortungslos.
Meine Fraktion ist der Auffassung, solange es nicht ausreichend Ausbildungsplätze im dualen staatlichen System beruflicher Bildung gibt, so lange müssen diese Plätze auch mit Hilfe freier Träger angeboten werden. Betroffen sind vor allem Berufsschulen ohne duale Ausbildung. Der Blick auf die Ausbildungsschwerpunkte macht deutlich, dass sie aber Bereiche abdecken, die
ansonsten vornehmlich nicht betrieblich ausgebildet werden. Den Beruf des Rettungssanitäters wird es nach diesem Haushaltsbegleitgesetz nicht mehr geben. Wie stellt die Staatsregierung sich vor, dass diese schwer auszubildenden und teuren Ausbildungsgänge weiter in Sachsen angeboten werden sollen?
Die Absenkung der Zuschusshöhe würde entweder zum Wegfall der Ausbildungsplätze führen oder müsste durch ein erhöhtes Schulgeld ausgeglichen werden. Das ist aber aus rechtlichen und sozialen Gründen schwer möglich. Beispiel: Ein Schreiben der Stadt Torgau macht deutlich, dass die dortige Heimererschule ein Schulgeld von 250 Euro erheben müsste, was natürlich von der Mehrzahl der Schüler nicht aufzubringen wäre. Die Erhöhung ist also angesichts der Lage auf dem sächsischen Ausbildungsmarkt abenteuerlich. Fazit: Die Maßnahmen führen lang- und mittelfristig zu einer weiteren Belastung des Lehrstellenmarktes in Sachsen, unverantwortlich angesichts der oben genannten Zahlen. Hier werden Zukunftschancen verspielt. Es führt zu Qualitätseinbußen bei der Ausbildung, und das bei wiederum steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt.
Die negativen sozialen Auswirkungen – heißt das, dass es qualifizierte Ausbildung nur noch für kinderreiche Eltern gibt? – müssen beachtet werden. Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben noch geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz und auf eine persönliche Entwicklung bei einer so angespannten Ausbildungsplatzmarktlage. Da, lieber Herr Dulig, hilft es auch nicht, öffentlichkeitswirksam den Referentenentwurf zu stoppen, wenn man dann mucksmäuschenstill das Haushaltsbegleitgesetz mit durchwinkt.
Die Auswirkungen auf die Lehrstellenzahlen sind gravierend. 50 000 Ausbildungsplätze sind gefährdet. Dies führt zu einer weiteren sozialen Spaltung. Es wird in Kauf genommen, dass eine hohe Anzahl von Jugendlichen niemals einen Ausbildungsplatz finden wird. Das führt zu sozialer Spaltung, nimmt den Menschen die Entwicklungsperspektive und führt zu Abwanderung. Sie verstärken die demografische Entwicklung nach unten. Das nehmen wir nicht sehenden Auges in Kauf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft beschäftigt den Landtag immer wieder, und das hat berechtigte Gründe. Zum einen melden sich die Träger immer wieder zu Wort – sei es in Schreiben an uns oder durch Anrufung der Gerichte –, zum anderen ist der Landtag direkt auch mit der Finanzierungsverordnung für freie Träger befasst.
In all diesen Diskussionen wurde deutlich, dass es schwer einzuschätzen ist, wie hoch die Zuschüsse an freie Träger im Vergleich zu den Kosten staatlich-kommunaler Schulen sind. Mittlerweile liegt wohl schon das vierte Gutachten zu diesem Thema vor, und – das zeigt das Problem – die Gutachten weichen zum Teil beträchtlich voneinander ab. Legen Sie zum Beispiel das Gutachten von Günther neben das Steinbeiß-Gutachten, dann ergeben sich Abweichungen von fast 50 %. Während das eine Gutachten für die Mittelschulen 5 479 Euro ermittelt, kommt das andere nur auf 2 530 Euro pro Schüler. Was ist nun eine faire Behandlung der freien Mittelschulen? Sicher kann man sich an einen Wert annähern, wenn man genauer hinsieht, was alles an Kosten berücksichtigt und wie es ermittelt wird. Aber die Abweichung beträgt auch dann noch über 20 %.
Für den berufsbildenden Bereich müssten die Kosten für jeden Bildungsgang ermittelt werden, denn die Aufwendungen können dort beträchtlich variieren. Das leuchtet wohl jedem ein, der auch nur einen flüchtigen Blick auf die Ausbildung einer Hebamme im Vergleich zu der eines Wirtschaftsassistenten wirft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor diesem Hintergrund ist also nicht nur die Frage, was fair ist, schwierig zu beantworten. Es ist auch klar, dass wir in der Vergangenheit mit einer eher pauschalen Bezuschussung gerade im berufsbildenden Bereich selbst dazu beigetragen haben, dass es zu Überfinanzierungen und Fehlsteuerungen kam; denn wenn Träger in diesem Bereich aus ihren Rücklagen einmal locker die vierjährige Wartefrist für eine allgemeinbildende Schule finanzieren, dann lag das nicht in der Absicht des Gesetzgebers und muss zu denken geben. Allerdings muss ich politisch relativieren, denn wenn ich sage, dass wir selbst daran schuld sind, so muss ich doch auch sagen, dass wir, also die SPD-Fraktion, bei Beratungen der Finanzierungsverordnungen im damaligen Schulausschuss genau auf diesen Punkt nicht nur aufmerksam gemacht, sondern auch die entsprechenden Änderungsanträge eingebracht hatten. Ich muss fairerweise hinzufügen, dass die CDU-Schulpolitiker diese Änderung nicht einfach abgebügelt hatten, sondern einige Auszeiten brauchten, bevor sie sich der Entscheidung des Finanzausschusses beugten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aber auch mit einer anderen Finanzierungsverordnung wäre das Problem geblieben, dass die tatsächlichen Sachkosten bei kommunalen Trägern nur schwer zu ermitteln sind und sehr differieren. Die bisherige Philosophie der Bezuschussung, nämlich die prozentuale Bindung an die Kosten staatlichkommunaler Schulen, führt immer wieder dazu, dass genau diese Kosten nur schwer erfassbar sind. Außerdem zeigt sich im Grundschulbereich mit den einbrechenden Schülerzahlen, dass es in solchen Situationen gar nicht fair ist, die Kosten eines freien Trägers an die des staatlichen Schulwesens zu binden. Dieses muss auch bei geringeren Schülerzahlen für ausreichend Schulen in der Fläche sorgen und dafür in der Regel einen höheren Preis zahlen. Diesen Auftrag hat ein freier Träger nicht, jeden
falls nicht in diesem Bereich. Genau das ist der Grund dafür, weshalb nach der Statistik der Gutachten die Grundschulen bei einer Finanzierung von unter 60 % landen.
Mit der Umstellung auf eine Soll-Kosten-Formel wird ein grundsätzlich richtiger Schritt zur gerechten oder fairen Finanzierung der freien Träger gegangen, denn nunmehr ergibt sich ein sehr differenziertes Bild je nach konkretem Bildungsgang. Was aber auch mit einer solchen Formel nicht geklärt werden kann, ist die Frage des Vergleichs mit den Kosten des staatlichen Schulsystems. Diese Frage bleibt offen und kann nur über Gutachten immer wieder neu beantwortet werden. Je nachdem, wie diese Gutachten ausfallen, wird die Antwort auf die Frage nach einer fairen Finanzierung ausfallen. Eines aber sollte klar sein: Was wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz ändern, ist zunächst fairer als das, was wir vorher hatten, und zwar vor allem und gerade im berufsbildenden Bereich.
Eine andere Frage ist, ob die früher vorgenommene Absenkung der Zuschüsse für berufsbildende Schulen um 10 %, die jetzt bis 2010 in zwei Schritten nachvollzogen werden soll, tatsächlich gerechtfertigt und möglich ist. Aber wir werden ja gerade deshalb diese Absenkung um ein Jahr nach hinten schieben, um vor dem nächsten Doppelhaushalt die Möglichkeit zu haben, dies gegebenenfalls zu korrigieren. Wenn die Soll-Kosten-Formel richtig funktioniert, werden wir an dieser Stelle noch einmal diskutieren müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um eine faire Finanzierung geht, will ich aber auch auf ein weiteres Ergebnis unserer koalitionsinternen Abstimmung zum Haushaltsbegleitgesetz hinweisen. Wir haben die Behandlung und damit die Finanzierung im Bereich der Förderschulen korrigiert. Vor allem haben wir die Bezuschussung integrierter Schüler auf eine neue Grundlage gestellt. Dies möchte ich kurz vorstellen.
Während bisher und auch nach dem vorliegenden Entwurf bei Integration ein pauschaler zusätzlicher Zuschuss gezahlt wird, haben wir jetzt eine Regelung vereinbart, wonach der Förderschüler praktisch seinen Zuschuss an die Regelschule mitbringt. Freie Schulen haben in Sachsen in der Mehrzahl Großes geleistet. Sie gehen vor allem im allgemeinbildenden Bereich mit einer modernen Lernkultur voran, fördern und betreuen mit hohem Engagement behinderte und benachteiligte junge Menschen nicht nur an Förderschulen. Dafür möchte ich an dieser Stelle herzlich danken und versichern, dass die SPD dies auch künftig beachten wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon zur Plenarsitzung im Oktober stellte die NPD-Fraktion einen Antrag zur fairen Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft. Als am Montag der vorigen Woche die Lehrer und Schüler der Berufsfachschulen hier vor dem Landtag demonstrierten, mischten sich auch Abgeordnete unserer Fraktion unter die Schüler, um sich mit dem völlig berechtigten Anliegen zu solidarisieren. Sie dürfen mir glauben, dass wir damit auf viel Sympathie gestoßen sind.
Die Debatte um eine „faire Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft“ findet die ungeteilte Unterstützung meiner Fraktion. Im Moment sind es aber gerade die Berufsfachschulen in freier Trägerschaft, die diese angemahnte Fairness brauchen; denn ihnen will der Kultusminister unzweifelhaft den Garaus machen. Das kann jeder im Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes nachlesen. Der Effekt der darin enthaltenen Novellierung des „Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft“ wäre nämlich vor allem eine radikale Umverteilung der etwas über 200 Millionen Euro staatlicher Fördergelder für freie Schulen, und zwar eben zum Nachteil der Berufsfachschulen. Das gibt das Kultusministerium auch unumwunden zu.
Gleichzeitig zeigt die Regierung durch die beabsichtigte Förderung der sogenannten internationalen Schulen überdeutlich, wohin die Reise tatsächlich gehen soll, nämlich zu privaten Eliteschulen für die Kinder von Besserverdienern. An diesen Schulen wie an vielen anderen Privatschulen, die jetzt überall in Deutschland wie Pilze aus dem Boden schießen, ist die Unterrichtssprache Englisch. Deutsch wird – dahin geht die Reise – perspektivisch zur Freizeitsprache degradiert, zur verkümmernden Sprache der breiten Masse der Bevölkerung, die weder globalisierungswillig noch globalisierungstauglich ist. Das ist alles ganz im Sinne des CDUMinisterpräsidenten von Baden-Württemberg, Günther Öttinger, der dieses Zukunftsmodell ernsthaft propagiert.