Protocol of the Session on November 17, 2006

Herr Porsch, heute nicht.

Durch die Umsetzung derartiger Wahnvorstellungen glaubt man, eine sogenannte Exzellenz in Sachsen und anderswo regelrecht züchten zu können. Durch soziale Auslese beim Schulbesuch und die Entsorgung der eigenen kulturellen Identität soll Sachsen zur bildungs-, wirtschafts- und technologiepolitischen Drehscheibe einer globalisierten Welt gemacht werden, und das trotz Geburtenarmut, trotz Jugendabwanderung und trotz der Verödung ganzer Landstriche. Dessen ungeachtet werden den

internationalen Schulen weitere Schickimicki-Schulen folgen.

Um sie auf Kosten der Berufsfachschulen fördern zu können, hat die Staatsregierung tief in die Trickkiste gegriffen und eine regelrechte Zauberformel erfunden, die für die Berechnung der Personalausgaben für Lehrer maßgeblich werden soll. Diese Formel hat es in sich, denn erstens kann das Kultusministerium für die verschiedenen Berufsbildungsgänge ihre Parameter per Rechtsverordnung festsetzen und damit beliebig manipulieren, und zweitens hat man sich speziell für die Berufsfachschulen den Trick einfallen lassen, die Parameter getrennt für verschiedene Unterrichtstypen festzulegen, nämlich für den Theorieunterricht, den Fachunterricht und die Begleitung von Berufspraktika. Was man damit erreichen will, liegt auf der Hand.

Die fachlichen Teile des Unterrichts sollen abgewertet, die entsprechenden Lehrkräfte als weniger qualifiziert eingestuft und damit Personalausgaben für Lehrer heruntergerechnet werden. Entsprechend niedriger fallen dann die staatlichen Zuschüsse für die von diesem Schwindel betroffenen Berufsfachschulen aus. Mit derartigen Methoden will das Kultusministerium zwischen den verschiedenen Bildungsgängen säuberlich „differenzieren“, wie es so schön heißt, frei nach dem Motto: „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“. Die Schlechten sind nun einmal nach Auffassung der Regierung die Berufsfachschulen, also jene „stinknormalen“ Schulen, die zwar von 40 000 sächsischen Jugendlichen besucht werden, sich aber nicht so sehr zu der von der Staatsregierung angestrebten Bildung von Scheineliten eignen. Was dabei herauskommen würde, ist schon aus dem Ministerium herausgesickert, nämlich dramatische Kürzungen, zum Beispiel bei den Ergotherapeuten um 29,5 %, bei den Köchen um 38,8 %, bei den Masseuren und Bademeistern um 45,2 % usw. usf.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Das sind konkrete Kürzungen der Zuschüsse für die betroffenen Berufsfachschulen bereits im kommenden Jahr. Das wird dazu führen, dass die betroffenen Schulen reihenweise schließen müssen, denn bei den genannten Mittelkürzungen kann kein Schulbetrieb mehr aufrechterhalten werden oder das Schulgeld müsste um bis zu 300 Euro im Monat erhöht werden. Das geht schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht, ist aber bereits aus ganz nahe liegenden sozialen Gründen nicht realisierbar. Bereits im Oktober forderte die NPD-Fraktion deswegen die Staatsregierung auf, den betreffenden Gesetzentwurf einfach zurückzuziehen, weil noch nicht einmal eine Folgenabschätzung veröffentlicht wurde, obwohl diese im Kultusministerium vorliegen müsste.

Bitte zum Schluss kommen.

Die NPD-Fraktion hält es geradezu für sittenwidrig, wenn Abgeordnete blind nach Fraktionszwang und Parteibuch entscheiden sollen, ohne die

Konsequenzen ihrer schulpolitischen Beschlüsse überhaupt einsehen zu können.

Ich komme zum Ende. – Solange der Kultusminister diese Fragen und viele andere nicht beantwortet hat und sich noch nicht einmal die Mühe macht, den Landtag zu informieren, hält die NPD-Fraktion die Pläne der Staatsregierung für nicht einmal beratungsfähig. Wir bitten noch einmal darum, den Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes wegen zahlreicher Unwägbarkeiten für die sächsische Schullandschaft zurückzuziehen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gansel, Ihr Wettern über Eliten und Scheineliten hat gezeigt, dass Sie nicht annähernd in die Reichweite von Eliten kommen.

(Stöhnen bei der NPD)

Das ist offensichtlich. Herr Gansel hat schon an der normalen Schule nicht richtig aufgepasst.

Aber zum Thema. Im Frühjahr 2006 stand der damalige Entwurf des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft schon einmal auf der Tagesordnung. Wie wir alle wissen, scheiterte er grandios; es wurde eine große Blamage für Schwarz-Rot. Jetzt reden wir im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes erneut über eine Novelle, zugegeben, diesmal in einer abgespeckten Variante, doch auch diese Gesetzesänderung beinhaltet im Kern den gleichen Anschlag auf die freien Träger wie der alte Referentenentwurf. Es geht natürlich ums Geld und im Kern um die Frage, welches Geld künftig in die Ausbildung von Jugendlichen durch freie Träger fließen soll. Der Vorschlag zur Umstellung auf eine Soll-Kosten-Rechnung wird von uns unterstützt. Statt objektive Zahlen für die Soll-Kosten-Rechnung zu ermitteln, orientiert sich der Zuschuss für die freien Träger an einem willkürlichen statistischen Wert des Ministeriums, der nicht nachvollziehbar ist, meine Damen und Herren.

Was heißt das im Ergebnis? Einige Vorredner haben es gesagt. Für einige Ausbildungsgänge bedeutet das bis zu 50 % weniger Geld für die freien Träger. Geflissentlich übersieht man, dass auch freie Träger Gebäudekosten haben und dass sie Ergänzungsstunden geben. Alles, was bei staatlichen Schulen in der Kalkulation enthalten ist und finanziert wird, will man freien Trägern vorenthalten. So geht das nicht, meine Damen und Herren!

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Die Staatsregierung dachte vielleicht, die geplanten Einschnitte im Haushaltsbegleitgesetz verstecken zu können, weil dort vieles zusammengepackt wird. Doch dank der vielen engagierten freien Träger, auch dank der Lehrer und Schüler ist Ihnen das nicht gelungen. Wir

haben die Demonstration erlebt und das öffentliche Signal war beeindruckend.

Die FDP-Fraktion hat im Landtag eine Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz und zu dieser Passage beantragt. Das Ergebnis kann man mit einem Wort umreißen: verheerend. Ich darf einen Experten zitieren: „Wenn Sie die Jugendarbeitslosigkeit verdoppeln wollen, müssen Sie dieses Gesetz beschließen.“ Das Vorhaben der Staatsregierung ist nichts anderes als eine Fortsetzung der Schulschließungspolitik, dieses Mal durch das finanzielle Aushungern der freien berufsbildenden Schulen. Daran werden auch die Übergangsfristen nichts ändern.

Nun können wir darüber diskutieren, welche Ausbildungsangebote bei zurückgehenden Schülerzahlen weiter gefördert werden sollen. Für die FDP-Fraktion gibt es eine klare Messlatte. Wir müssen die Ausbildungen unterstützen, die unseren Jugendlichen die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt verschaffen. Darum geht es im Kern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ausbildungsqualität spielt nämlich im Gesetzentwurf der Koalition keine Rolle. Es gibt sowohl im dualen Bereich als auch bei den freien Trägern schlechte Ausbildungen. Das ist völlig klar. Aber das ignoriert, dass gerade freie Träger zum Teil sehr erfolgreich benachteiligte Jugendliche ausbilden. Was sind die Alternativen für diese Jugendlichen? Es könnte die Straße sein – das können wir nicht wollen – oder es sind die üblichen Warteschleifen in den Berufsschulzentren oder sonstige Hilfsprogramme. Die jungen Leute werden dadurch nicht ausbildungsfähiger und sie erhalten erst recht keinen Ausbildungsplatz. Das jetzt eingesparte Geld zahlen wir später doppelt und dreifach. Das kann nicht die Strategie des Freistaates sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion.PDS)

Der Gesetzentwurf ist ein Frontalangriff auf die freien Träger, auf die freien berufsbildenden Schulen. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass ein Kultusminister staatliche Schulen schützen will. Er hat auf der anderen Seite aber auch eine Verantwortung für freie Schulen. Wir wollen beste Arbeitsmarktchancen für sächsische Jugendliche, und zwar sowohl für die in dualer Ausbildung als auch für die, die sich für ein Angebot freier Träger entscheiden. Eine Ausbildungsplatzvernichtung, die jetzt von CDU- und SPD-Fraktion im Haushaltsbegleitgesetz geplant wird, werden wir nicht mitmachen. Wir werden dagegen Anträge stellen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man legt uns einen Gesetz

entwurf vor, von dem im Grunde jeder weiß, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen keinen Bestand haben wird. Auch das haben die Anhörungen zum Haushaltsbegleitgesetz ziemlich eindeutig ergeben. Sie wissen, dass mit den vorliegenden Vorschlägen eine Lücke in die Finanzierung der freien Schulen geschlagen wird, die nicht mit der Erhebung von Schulgeld zu schließen ist, da dies dem verfassungsrechtlich normierten Sonderungsverbot unterliegt. Sie kennen das Gleichwertigkeitsgebot des Grundgesetzes und der Sächsischen Verfassung, das dem Grunde und der Höhe nach eine Gleichbehandlung von freien Schulen unter Einbeziehung aller Kosten garantiert. Sie sagen sich jetzt vielleicht, probieren wir es aus, vielleicht klappt es ja. Warten wir mal die Klagen der betroffenen Schulen ab. Die werden sicher Recht bekommen, aber bis das soweit ist, wird es sie schon längst nicht mehr geben.

Herr Minister Flath, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, das ist unverantwortlich. Als Minister haben Sie einen Eid auf die Verfassung geschworen, den Sie nun im vollen Bewusstsein ignorieren. Der Glaubwürdigkeit Ihrer Politik ist das jedenfalls nicht dienlich. Wir haben festgestellt, dass es eine breite öffentliche Protestbewegung gegen den vorgelegten Gesetzentwurf von den Kirchen bis hin zur PDS gibt.

Eine Anmerkung zur Linksfraktion.PDS. Das Manöver der Einbringung eines Dringlichkeitsantrages war schon sehr durchsichtig und am ehesten kaufe ich es noch André Hahn ab, dass er sich um den Fortbestand der freien Berufsschulen der Sächsischen Schweiz sorgt und dafür Lobbyarbeit betreibt. Wenn ich auf der anderen Seite jedoch in einer aktuellen Pressemitteilung der Linksfraktion.PDS lese, dass die Abg. Frau Roth zu einem Aktionsbündnis in der Stadt Schneeberg aufruft, das erklärtermaßen „der Abwehr der Einverleibung des regionalen Schulwesens in den unmittelbaren Einflussbereich der Kirche dienen soll“, muss ich feststellen, dass uns Welten trennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Beifall des Staatsministers Steffen Flath)

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS! – –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr schön, was Sie mit denen verbindet!)

Herr Porsch, ob uns das verbindet oder nicht, das ist doch hier nicht die Frage.

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, Sie können sich nicht auf der einen Seite mittels eines Dringlichkeitsantrages als Robin Hood der freien Schulen versuchen und auf der anderen Seite drei Tage später ein Aktionsbündnis zur Verhinderung einer freien Schule ins Leben rufen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Bonk, bitte.

Frau Abg. GüntherSchmidt, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass natürlich auch angesichts der schwierigen Situation durch den Schülerzahlenrückgang ein Konkurrenzverhältnis zwischen freien und öffentlichen Schulen besteht, dem wir aus Sicht der betroffenen Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden versuchen,

(Zuruf des Abg. Thomas Colditz, CDU)

und dass es uns gerade jetzt unter dem Primat staatlicher Verantwortung – –

(Zurufe von der CDU)

Selbstverständlich, natürlich ist Konkurrrenz die Situation, in die Sie die Schulen hineinstürzen.

Frau Bonk, bitte die Frage stellen!

Sie provozieren diese Konkurrenz.