Protocol of the Session on November 16, 2006

Im Gesetzentwurf haben wir mit der Übergangsregelung für das Jahr 2006 der Tatsache Rechnung getragen, dass viele sächsische Kommunen vor dem Hintergrund des bestehenden Bundesgesetzes über den Ladenschluss die Möglichkeit der Öffnung an Sonntagen bereits im laufenden Jahr genutzt haben. Mit einer großzügigen Regelung wird einmalig für das Jahr 2006 eine Nutzung der Adventssonntage auch über die vier im Jahre 2007 geltenden Sonntage hinaus eingeräumt.

Dass wir uns mit dieser Entscheidung auf dem richtigen Weg befinden, zeigen die positiven Stellungnahmen des Handelsverbandes Sachsen und der kommunalen Spitzenverbände.

Meine Damen und Herren! Das von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Vorschaltgesetz schafft mit seiner Verabschiedung in der heutigen Sitzung Klarheit und Rechtssicherheit für die Ladenöffnung an Adventssonntagen im Jahre 2006 und ist gleichzeitig richtungweisend für die Ausgestaltung der Ladenöffnung an Sonntagen auch über das Jahr 2006 hinaus, ohne dass wir den von der Sächsischen Verfassung garantierten grundsätzlichen Schutz der

Sonn- und gesetzlichen Feiertage gefährden oder infrage stellen.

Wenn ich die Aussagen der Fraktionen aus der Beratung des Landtages vom vergangenen Jahr und die Entscheidung des Wirtschaftsausschusses vom 10. November dieses Jahres als Prognose für die heutige Abstimmung zum Ladenöffnungsvorschaltgesetz heranziehe, dürfte einer Verabschiedung dieses Gesetzes in breiter Mehrheit nichts entgegenstehen.

Auch in den kommenden Wochen werden wir das Thema Ladenschluss weiterhin auf der Tagesordnung des Landtages und seiner Ausschüsse wiederfinden, da es unsere Zielstellung ist, ein ganzheitliches und ausgewogenes Gesetz über die Ladenöffnungszeiten für den Freistaat Sachsen zu verabschieden, das auch im Einklang mit den angrenzenden Bundesländern Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg stehen sollte. Der von der Staatsregierung vorgelegte Referentenentwurf wird hierfür die Ausgangsbasis bilden.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zum gleichfalls vorliegenden Entwurf der FDP-Fraktion zum Gesetz über die Ladenöffnungszeiten verlieren.

Ich hatte bereits in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Sächsischen Landtages unsere Position zu diesem Gesetzentwurf klar definiert. Der vorliegende Gesetzentwurf verstößt nach Auffassung unserer Fraktion gegen Artikel 109 Abs. 4 der Sächsischen Verfassung. Die CDU-Fraktion ist der Auffassung, dass die Sonn- und Feiertage mit den von uns getragenen geringfügigen Ausnahmen weiterhin unter Schutz gestellt werden sollten, um diese der Familie, der persönlichen Erholung, der Ausübung der Religion, der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen usw. widmen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Daher lehnen wir den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion über die Ladenöffnungszeiten im Freistaat Sachsen ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Anmerkung: Wir haben mit der Veränderung des Grundgesetzes im Rahmen der Föderalismusreform die Möglichkeit, dass die Bundesländer eigenständig Gesetze erlassen können. In diesem Zusammenhang gab es auch eine klare Regelung zur Frage des Ladenschlussgesetzes. Jetzt ist es so, dass die Bundesländer davon Gebrauch machen können, eigene landesrechtliche Regelungen umzusetzen.

Wenn das Ganze aber – das ist meine persönliche Überzeugung – tatsächlich im Rahmen der Föderalismusreform zur Stärkung von Länderkompetenzen beitragen sollte – das ist ja das Ziel der Föderalismusreform –, ist

aus meiner Sicht das Thema Ladenschluss ein denkbar ungeeignetes Beispiel; denn hier handelt es sich im Wesentlichen um Pseudoföderalismus. Durch unterschiedliche Regelungen zum Thema Ladenschluss wird nämlich das föderale Instrument nicht gestärkt, sondern wir werden im Wesentlichen erleben, dass ein Flickenteppich entsteht und dass es zu einem Rückfall in die Kleinstaaterei kommt.

(Beifall bei der SPD)

Insofern hätte ich mir vor dem beschriebenen Hintergrund gewünscht – damit hätte ich gut leben können –, dass wir die bundeseinheitliche Regelung zum Ladenschluss auf der Grundlage des bestehenden Gesetzes weiterhin beibehalten.

Es ist nun aber der politische Wille, dass wir uns mit dem Thema Ladenschluss auf Länderebene auseinandersetzen müssen. Wenn das so ist – das haben wir auch als Koalition ausführlich diskutiert, Kollege Bolick hat dazu Ausführungen gemacht –, ist es wichtig, dass wir vor allem auf regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen. Wir haben mit dem Vorschaltgesetz gerade diese regionalen Besonderheiten berücksichtigt. Mit dieser Regelung wird auch die notwendige Rechtssicherheit insbesondere für die Ladenöffnungszeiten in touristischen Regionen geschaffen, in denen gerade in der Adventszeit das größte Geschäft gemacht wird.

Bekanntlich gibt es mit diesem Vorschaltgesetz jetzt die Möglichkeit, dass die Läden in diesem Jahr an drei Adventssonntagen zwischen 13 und 18 Uhr öffnen können. Diese Regelung kommt in der Tat dem sächsischen Einzelhandel und insbesondere den Gemeinden mit traditionellen Weihnachtsmärkten sehr entgegen. Damit gelingt Sachsen – das ist, denke ich, auch ein Punkt, den man erwähnen sollte – neben wenigen anderen Bundesländern eine Regelung für die Adventszeit, die den Mittelstand und den Einzelhandel stärkt.

Da wir in diesem Tagesordnungspunkt auch den Antrag der FDP-Fraktion behandeln, möchte ich einige grundsätzliche Ausführungen zur Frage der Ladenöffnungszeiten machen. Gestern ist von der Staatsregierung in 1. Lesung das Sächsische Gesetz über die Ladenöffnungszeiten eingebracht worden. Danach sollen die Ladenöffnungszeiten von montags bis sonnabends in der Zeit von 6 bis 22 Uhr freigegeben werden. Darüber hinaus gibt es eine Regelung, dass vier verkaufsoffene Sonntage keinerlei jahreszeitlicher Begrenzung unterliegen und daher auch im Advent genommen werden können. Um dem Handel und auch den Verbrauchern entgegenzukommen, besteht darüber hinaus an fünf Werktagen die Möglichkeit, die Geschäfte rund um die Uhr zu öffnen. Damit soll vor allem den besonderen regionalen Anlässen und den besonderen Festen in den Regionen Rechnung getragen werden.

Insofern sage ich Ihnen, meine Kollegen der FDP: Wir sind handlungsfähig.

(Lachen bei der FDP)

Die Koalition ist in der Lage, ausgewogene Gesetzesvorlagen einzureichen. Im Gegensatz zu Ihnen ist unsere Maxime eben nicht Schnelligkeit und Populismus, sondern unsere Maxime ist Gründlichkeit und Ausgewogenheit.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Marko Schiemann, CDU – Lachen bei der FDP)

Wie ist es denn sonst zu verstehen, lieber Kollege Zastrow, dass Sie auf dem 26. Landesparteitag im April 2006 unter dem Titel „Kinderland Sachsen – Für einen familienfreundlichen Freistaat“ feststellen, dass die Familie für die sächsische FDP das Herz der Gesellschaft sei?

(Beifall bei der FDP)

Aber wann genau, liebe Kolleginnen und Kollegen, soll denn dieses Familienleben in einer nach dem Kommerz ausgerichteten Gesellschaft stattfinden? Das müssten Sie mir einmal genau erklären. Nach meiner Auffassung brauchen Kinder vor allen Dingen Eltern und sie brauchen auch Zeit, sich miteinander zu beschäftigen. Das sollte, denke ich, nicht zu später Abendstunde stattfinden; denn dann stehen die Kolleginnen und Kollegen hinter der Ladentheke oder die Eltern der Kinder gehen gerade einkaufen.

Ich will Ihnen einmal ein Zitat vorlesen. Vielleicht gefällt Ihnen das besser: „Wenn Familien gestärkt werden sollen, darf man ihnen nicht solche Belastungen aufbürden, nur damit die Leute angenehm einkaufen können.“ Das ist nicht der Ausspruch eines „Gewerkschaftsblockierers“, um in Ihrem Vokabular zu bleiben, sondern er stammt von Kardinal Friedrich Wetter aus München. Außerdem zweifelt dieser Kardinal den ökonomischen Erfolg von längeren Öffnungszeiten an, denn er glaubt nicht, dass dadurch auch der Geldbeutel größer würde. Da kann ich in der Tat nur zustimmen.

Aber es gibt weitere interessante Zitate und auch interessante politische Entwicklungen. Die bayerische Sozialministerin, Frau Christa Stewens, Mitglied der CSU, einer Schwesterpartei unseres Koalitionspartners, befürchtet durch eine Ausdehnung der Arbeitszeit im Handel eine stärkere Belastung für die Familien. Sie führt weiter aus, dass sich viele Betroffene aus der ehrenamtlichen Tätigkeit in Vereinen oder Sozialorganisationen zurückziehen werden.

Diese Bedenken teile ich und anscheinend auch der Bayerische Landtag; denn die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag hat sich in der letzten Woche mit diesem Thema beschäftigt, wobei man sich bei einem Abstimmungsergebnis von 51 : 51 entschieden hat, das Thema Ladenöffnungszeiten im Moment nicht anzugehen.

Also, wenn Sie als FDP eine Stärkung des Ehrenamtes wollen und gleichzeitig davon reden, dass die Arbeitswelt einer Kommerzialisierung unterliegen müsse, dann lässt sich das aus meiner Sicht schwer vereinbaren. Wenn wir also auf der einen Seite das Ehrenamt wollen, dann

müssen wir auf der anderen Seite auch dafür sorgen, dass wir einen Prozess organisiert bekommen, der das auch fördert. Gerade in der Jugendarbeit – Jugendliche sind in unzähligen Sportvereinen – wird zu spüren sein, welche Folgen geänderte Arbeitszeiten haben können. Dabei weiß ich, dass dies nicht ausschließlich mit dem Ladenschluss zu tun hat, aber auch in dieser Hinsicht werden wir spürbare Veränderungen bekommen.

Jetzt kommt der Teil, der mich bei den Ausführungen von Kardinal Wetter besonders interessiert hat, nämlich das Thema der ökonomischen Auswirkungen. Was hat denn die bisherige Flexibilisierung im Bereich der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten tatsächlich gebracht? Im November 1999 wurde durch das Ifo-Institut und durch die Sozialforschungsstelle eine Bilanz der dreijährigen Praxis des liberalisierten Ladenschlussgesetzes gezogen. Ich habe es schon mehrfach gesagt, aber ich werde nicht müde, es zu wiederholen: Im Gegensatz zu der von der FDP immer wieder behaupteten Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze hat es in Wirklichkeit einen Rückgang des Umsatzes und einen Abbau der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten gegeben. Gleichzeitig hat das Ladenschlussgesetz dazu geführt, dass große Unternehmensketten, vor allem die Discounter, gerade in den Bereichen, in denen noch kleine und mittelständische Unternehmen ansässig waren, verstärkt den Wettbewerb betrieben haben. Das hat zu Schließungen gerade von kleineren Läden geführt. Das heißt, der erhoffte Impuls für mehr Umsatz und für die Sicherung von Beschäftigung – das ist ja immer das, was die FDP bei jeder Debatte zu vermitteln versucht – ist nicht eingetreten.

Für Sachsen gibt es leider Gottes ähnlich schlechte Zahlen. Das heißt, auch die Zahl der Beschäftigten im sächsischen Einzelhandel geht seit dem Jahr 2003 kontinuierlich zurück. Außerdem – das ist ganz entscheidend – ist der Anteil der Vollbeschäftigten im Einzelhandel ständig zurückgegangen.

Ich gehe also davon aus – das ist nicht neu, ich habe es ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt –, dass wir durch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten gerade im Bereich der Klein- und mittelständischen Unternehmen feststellen werden, dass sie weiter unter Druck geraten und ein Verdrängungswettbewerb am Markt stattfinden wird, der am Ende eher die großen Ketten stärkt und nicht die kleinen Händler.

Es gibt ein Beispiel des Bäckerhandwerks, das ich Ihnen noch einmal erläutern möchte. Dort gibt es bundesweit 280 000 Beschäftigte, und gerade durch die konjunkturelle Situation ist es so, dass es einen Trend gibt, dass immer mehr Menschen bei Discountern einkaufen. Deshalb ist genau dieses Handwerk sehr stark unter Druck geraten, und dieser Druck würde durch das Nachvollziehen von verlängerten Öffnungszeiten – durch höhere Kosten für Werbung oder Personal – weiter verstärkt werden. Insofern müssen wir uns – das kann ich Ihnen hier im Landtag nicht ersparen –, wenn wir uns über das Thema Ladenschlussgesetz verständigen, auch über die arbeitsmarktpo

litischen Auswirkungen solcher Gesetzgebungsverfahren unterhalten.

Hier hat die Vergangenheit eindeutig gezeigt: Nicht die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten ist das volkswirtschaftliche Problem, sondern die Tatsache, dass die Menschen den Euro eben nur einmal ausgeben können und dass die zurückhaltende Lohnpolitik der vergangenen Jahre, verbunden mit einer Inflation, auch zum Einbruch der Binnenkaufkraft geführt hat.

Zum Abschluss würde ich gern noch einen Blick auf die Regelungen anderer Länder werfen. Daran wird, denke ich, auch deutlich, wohin die Fahrt geht. In MecklenburgVorpommern setzt man auf eine völlige Freigabe. Das Saarland und Bayern wollen keine Veränderungen und Rheinland-Pfalz wählte – ähnlich wie in Sachsen, eingereicht durch die Staatsregierung – eine Regelung, nach der man von 6 bis 22 Uhr die Läden öffnen will.

(Frank Kupfer, CDU: Und Sachsen-Anhalt?)

Ich weiß aus Gesprächen, lieber Kollege Kupfer, damit auch Sie Ihre Wissenslücke schließen können, dass die Kollegen in Thüringen und Sachsen-Anhalt gerne die sächsische Regelung übernommen hätten.

(Empörung bei der FDP und des Abg. Frank Kupfer, CDU)

Aufseiten meiner Parteifreunde ist dies eine eindeutige Ansage. Das heißt, hätten wir wesentlich mehr Einfluss in den Regierungsbeteiligungen, wäre das sächsische Modell das Erfolgsmodell für den MDR-Bereich gewesen.

(Hört, hört! von der CDU)

Was aber viel interessanter ist: Das erste Bundesland, das die Ladenöffnungszeiten vollkommen freigegeben hat, nämlich Berlin, hat bereits durch die ersten Umfrageergebnisse eine erstaunliche Entwicklung zutage treten lassen. Die „Berliner Zeitung“ hat eine umfassende Befragung von mittleren und großen Händlern in Passagen und bei Discountern durchgeführt. Nun können Sie einmal raten: Was glauben Sie denn, wie viele von diesen über 300 befragten Einzelhändlern und Discountern länger als bis 22 Uhr öffnen wollen? – Einer. Einer will bis 23 Uhr öffnen. Alle anderen sagen: Wir bleiben entweder beim Status quo oder bis 22 Uhr.

(Empörung des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Ganz ruhig, Kollege Zastrow! Denken Sie an Ihren Blutdruck oder gehen Sie ans Mikrofon und stellen Sie eine Zwischenfrage. Eins von beiden: Blutdruck oder Zwischenfrage.

(Allgemeine Heiterkeit)

Klar ist, dass die Regelung, die wir in Sachsen haben, im Wesentlichen den Kern des Problems trifft. Das ist eine ausgewogene Regelung. Das bestätigt im Übrigen auch die IHK Südwestsachsen; denn in diesem Bereich, so wurde uns mitgeteilt, möchte niemand länger als bis 22 Uhr öffnen. Deshalb eine klare Ansage: Der gestern

eingebrachte Gesetzentwurf und die heutige Entscheidung zum Vorschaltgesetz sind ein guter Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen. Darum bitten wir um Zustimmung.