Protocol of the Session on November 15, 2006

Der amtierende Justizminister hat einen Bericht gegeben. Nachfragen und hinterfragen können wir als Abgeordnete des Sächsischen Landtages aber nicht. Dies ist eine Reihenfolge, von der sich die Staatsregierung offensichtlich eine Druckentlastung erhofft. Der notwendigen Sachaufklärung dient sie aber nicht.

(Jürgen Gansel, NPD: Stimmen Sie unserem Untersuchungsantrag zu!)

Meine Fraktion hatte bereits am Donnerstagmorgen der letzten Woche eine Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragt, um den Justizminister zu der Justizpanne befragen zu können. Nach der Geschäftsordnung des Landtages wäre es kein Problem gewesen, die Sondersitzung am heutigen Mittwoch durchzuführen. Dann hätte der Justizminister morgen seine Erklärung vor dem Landtag abgeben können und wir hätten eine festere Beurteilungsgrundlage dafür gehabt, ob der Justizminister seinen Hut nehmen muss oder nicht.

Nach meiner Ansicht wäre es auch kein Problem gewesen, im Einverständnis aller Fraktionen die Ladungsfrist zu verkürzen und bereits am Freitag oder Montag zu tagen. Stattdessen hat es der Ausschussvorsitzende, Herr Prof. Schneider, für richtig gehalten, die Sondersitzung erst auf den nächsten Montag, den 20.11., zu verlegen. Herr Schneider gehört, wie wir alle wissen, derselben Partei an wie der Justizminister und wird in den Medien bereits als sein Nachfolger gehandelt.

Ich habe Herrn Schneider in einem Telefonat am Donnerstag letzter Woche erklärt, dass meine Fraktion mit der Verschiebung der Sondersitzung nicht einverstanden ist. Dies hat Herr Schneider nicht angefochten. Nach meiner Kenntnis lag auch die Genehmigung des Präsidenten vor.

Unabhängig von den taktischen Spielchen der Koalition, die offensichtlich ihren Minister schützen will, steht hier eine grundsätzliche Frage: Nehmen wir uns als Landtag selbst in unserer Aufgabe als Kontrollorgan der vollziehenden Gewalt nach Artikel 39 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung ernst genug? In den Medien läuft seit Monaten eine Kampagne gegen die „Schwatzbude Landtag“. Wir sollten als Abgeordnete alle ein Interesse daran haben, dies zu widerlegen. Nach meiner Ansicht ist es schlichtweg unvertretbar in einem solchen Fall von so hohem öffentlichen Interesse, ja in so einem Fall, bei dem sich ganz Deutschland fragt, was denn hier in Sachsen los ist, mit Geschäftsordnungstricks die verfassungsmäßigen Kontrollrechte des Landtages zeitlich zu verzögern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Die erforderliche Sachaufklärung hat also bis jetzt nicht stattgefunden. Uns interessiert besonders: Warum wurde nach dem gewaltsamen Auftritt von Mario M. am Vortag im Gerichtssaal keine neue Gefahreneinschätzung vorgenommen? Wir würden gerne wissen, wann der Justizminister von der Flucht informiert wurde und wann er sich in welcher Weise um diesen Fall gekümmert hat. Warum wurde die Akte aus Bautzen nicht gelesen? Warum wurden daraus nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen? Wir werden dazu jedenfalls einen umfangreichen Fragenkatalog einreichen, dessen Beantwortung wir erwarten.

Über den Fall Mario M. hinaus sind weitere Fragen zu beantworten. Die Staatsregierung plant im gesamten Justizbereich einen massiven Stellenabbau von 9 000 auf 8 000 Stellen. Auch das Wachpersonal in Gefängnissen soll bis 2008 – es soll dann weitergeführt werden über 2010 hinaus – um 110 auf 2 037 Mitarbeiter abgebaut werden. Wir sollten alle prüfen, ob das nach den Erfahrungen mit Mario M. überhaupt vertretbar ist.

Gestern ging der Fall eines kurzzeitig entflohenen Häftlings wiederum durch die Medien, der beim Toilettengang entwischen konnte. Nach Medienberichten gab er an, dass er sich vor Übergriffen anderer Gefangener gefürchtet habe und eine Verlegung in ein anderes Gefängnis verlange. Auch hier stellt sich die Frage, ob die sächsische Justizverwaltung ihren Aufgaben gewachsen ist.

Ich erinnere an den schrecklichen Fall vom September 2004, in dem ein Gewalttäter einen Untersuchungsgefangenen erhängt hat. Auch bei diesem Gewalttäter gab es kurz vorher Hinweise, dass er gewalttätig gegen Mitgefangene geworden ist.

Bitte zum Schluss kommen.

Ich habe mit Entsetzen zur Kenntnis genommen in einer Pressemitteilung der „LVZ“ vom April dieses Jahres, dass die staatliche Justizverwaltung in Sachsen bisher keinen Anlass zu disziplinarischen Vorgehensweisen gesehen hat.

Meine Damen und Herren! Uns scheint es, dass der Fall Mario M. nur die Spitze eines Eisberges ist. Dieser Fall – das kann man eigentlich nicht sagen, denn wir sind froh, dass er wieder in Haft ist – ist glimpflich abgegangen. Aber dahinter verbirgt sich ein Berg von Problemen. Wir erwarten, dass diese Probleme gelöst werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Erklärung des Sächsischen Staatsministers der Justiz ist damit beendet, aber der Tagesordnungspunkt noch nicht abgeschlossen. Es gibt eine persönliche Erklärung von Herrn Prof. Schneider.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Die unzutreffenden Ausführungen von Herrn Abg. Lichdi geben mir Anlass, eine persönliche Erklärung abzugeben. Herr Lichdi hat eben gesagt:

1. Nachfragen können wir nicht. Ich stelle fest, dass Nachfragen natürlich an den Staatsminister jederzeit im Rahmen einer Ausschusssitzung zugelassen und möglich ist.

2. Der Abg. Lichdi hat ausgeführt, dass eine Sondersitzung des Rechtsausschusses vonseiten der Fraktion der GRÜNEN beantragt gewesen sei. Ich stelle dazu Folgendes fest: Zum einen habe ich in einem Telefonat Herrn Lichdi darauf hingewiesen, dass eine Ladungsfrist von fünf Tagen nach der Geschäftsordnung bestehe. Ich habe mich diesbezüglich auch mit dem Ausschusssekretariat besprochen. Eine Verkürzung der Ladungsfrist ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Das habe ich Herrn Lichdi mitgeteilt und von ihm darauf die Antwort erhalten, dann müssten wir es abkürzen.

Herr Präsident! Die Möglichkeit einer Abkürzung habe ich nicht. Im Übrigen habe ich Herrn Lichdi deutlich darauf hingewiesen, er möge dies im Ausschuss vorbringen. Ein solches Vorbringen ist von ihm mir und dem

Ausschusssekretär gegenüber zu keinem Zeitpunkt gestellt worden.

Darf ich bitten, dass Sie jetzt zum Schluss kommen!

Den Hinweis, es gehe hier um taktische Spielchen und Geschäftsordnungstricks, weise ich zurück.

Mir ist ein Fehler unterlaufen. Ich hätte diese persönliche Erklärung und auch die Richtigstellung nicht zulassen dürfen, weil wir nicht vor Abstimmungen sind.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Missbrauch des Parlaments!)

Ich wusste das in diesem Fall nicht. Ich habe gedacht, es geht um einen Redebeitrag. Nehmen wir es als Redebeitrag ins Protokoll.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 abgeschlossen.

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 1

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 5 aufrufe, die Aktuelle Stunde, möchte ich Ihnen das Ergebnis der geheimen Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes für den 1. Untersuchungsausschuss bekannt geben.

Es wurden 113 Stimmscheine abgegeben. Ungültig waren 17. Für Herrn Gansel haben 24 Abgeordnete, mit Nein 21 Abgeordnete gestimmt bei 51 Stimmenthaltungen.

Damit ist Herr Jürgen Gansel gewählt. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.

(Jürgen Gansel, NPD: Ja!)

Er nimmt an. Damit ist die Wahl zum Abschluss gebracht, meine Damen und Herren, und der Tagesordnungspunkt 1 beendet.

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 3

Ich möchte Ihnen das Ergebnis des Tagesordnungspunktes 3, der geheimen Wahl eines Mitgliedes und zweier Stellvertreter des Landesjugendhilfeausschusses, bekanntgeben. Es wurden 114 Stimmscheine abgegeben. Es gab keine ungültige Stimme. Herr Philipp Schäfer hat 80 Ja-, 12 Neinstimmen und 22 Enthaltungen erhalten. Für Frau Almuth Thomas haben gestimmt: 82 Abgeordnete mit Ja, 15 mit Nein bei 16 Enthaltungen. Für das stellvertretende Mitglied Frau Petra Seiboldt wurden 85 Jastimmen bei

12 Neinstimmen und 17 Enthaltungen abgegeben. Damit sind Herr Philipp Schäfer, Frau Almuth Thomas und Frau Petra Seiboldt gewählt. Sie werden von dem Ergebnis dieser Wahl von mir schriftlich informiert, und die Wahlannahme wird bei dieser Gelegenheit auch abgefragt.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 3 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Einführung eines Frühwarnsystems in Sachsen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Kosten der Unterkunft – Interessen von Freistaat und Kommunen wahren

Antrag der Linksfraktion.PDS

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 39, Linksfraktion.PDS 31, SPD 14, NPD 12, FDP 12, GRÜNE 12, Staatsregierung 20 Minuten.

Wir kommen damit zu

1. Aktuelle Debatte

Einführung eines Frühwarnsystems in Sachsen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD