Protocol of the Session on October 13, 2006

Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 29. September hat der Bundestag das neue Elterngeldgesetz beschlossen. Demnächst wird es im Bundesrat verabschiedet werden. Am 1. Januar 2007 soll es in Kraft treten.

Das Ziel, das die Bundesregierung mit diesem neuen Bundeselterngeldgesetz verfolgt, ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit stellt es ein neues Denkmodell „Familienförderung“ dar, ein neues Modell für Deutschland. Frauen und Männer mit dem Anspruch auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehen nicht länger unter dem Verdacht, Rabeneltern zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit steht notwendigerweise die Anpassung des Landeserziehungsgeldgesetzes an. Frau Orosz hat das bereits im Mai dieses Jahres angekündigt. Anderenfalls würde eine Lücke zwischen dem Bezug des Elterngeldes und dem Anspruch auf Landeserziehungsgeld entstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Gelegenheit ist es doch sinnvoll, über die Ausgestaltung und die Bedingungen des Landeserziehungsgeldes nachzudenken. Wir sind der Meinung, dass man hier auch einen alten Zopf, der schon recht dünn geworden ist, abschneiden kann. Wenn Eltern sich nämlich für Landeserziehungsgeld entscheiden, dann dürfen sie ihre Kinder nicht in eine Kinderbetreuung geben, die unter anderem mit Steuermitteln finanziert wird.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Umgekehrt!)

Diese Konstruktion wurde damit begründet, dass es ungerecht sei, Familien doppelt zu fördern: einmal direkt und einmal indirekt über die Förderung der Kinderbetreuung als Familienentlastung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Logik hat sich überholt. Mit dem neuen Kita-Gesetz wird anerkannt, dass es hier nicht allein um Familienentlastung gehen kann, sondern um Bildungschancen. Nun könnte man konsequenterweise sagen: Lassen wir das Landeserziehungsgeld; denn es ist unlogisch, wenn Eltern durch das Elterngeld zu einer früheren Wiederaufnahme ihrer Arbeit animiert werden und wir in Sachsen dann doch wieder mit dem Landeserziehungsgeld Mütter fördern, die zu Hause bleiben.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Es sind fast ausschließlich die Mütter, die bisher zu Hause bleiben. Langfristig wird das Landeserziehungsgeld wirklich kaum noch nachgefragt werden. Für den Augenblick aber geht eine solche Argumentation an der Praxis vorbei, denn in der Praxis beantragen vor allem Frauen Landeserziehungsgeld, die keine Möglichkeit zu einem schnellen Wiedereinstieg in den Beruf haben, Mütter, die nur befristete Arbeitsverträge hatten, zum Beispiel Mütter, denen die Arbeitgeber sagen, mit zwei kleinen Kindern bekommst du auf lange Zeit keinen Job. Das ist doch die Realität in Sachsen. Diese Familien sind auf das Landeserziehungsgeld angewiesen. Üppig ist es ja ohnehin nicht.

Eltern werden zu einer Entscheidung zwischen Geld als Existenzgrundlage und Bildungschancen ihrer Kinder genötigt, wenn wir bei der Ausgestaltung des Landeserziehungsgeldes bleiben, wie dies bisher angelegt ist.

Gerade für Kinder, bei deren Eltern diese Entscheidung scheinbar problemlos pro Geldleistung fällt, ist es besonders wichtig, auch die Kita besuchen zu können. Diese Kinder können dort ihren Erlebnisraum erweitern, soziale Kontakte knüpfen und alle Bildungsangebote der Kita ausschöpfen. Auch diese Kinder werden künftig Sachsen mitprägen. Deshalb bitten wir Sie um Unterstützung für unseren Antrag. Lassen Sie uns diese Entscheidung der Landesregierung für die Novellierung des Landeserziehungsgeldes mit auf den Weg geben.

Recht vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Für die CDU-Fraktion Herr Krauß, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Landeserziehungsgeld ist ein Markenzeichen der sächsischen Familienpolitik. Wir geben jedes Jahr 30 Millionen Euro in dieses Landeserziehungsgeld. Wir wollen dieses Landeserziehungsgeld auch fortführen. Das haben wir in den Koalitionsvertrag geschrieben.

(Beifall bei der CDU)

Für uns ist auch klar: Das Landeserziehungsgeld muss mit dem Elterngeld zusammenpassen. Veränderungen sind also nötig. Zu diesen Veränderungen gibt es schon seit einigen Monaten Überlegungen. Frau Herrmann hat darauf hingewiesen, dass das Ministerium schon seit Mai daran arbeitet. Wir wissen, dass die Zeitschiene relativ kurz ist, denn der Bundestag hat das Gesetz zum Bundeselterngeld soeben erst verabschiedet.

Es gibt in unserer Fraktion verschiedene Überlegungen zu diesem Thema, Überlegungen, wie sie auch bei den GRÜNEN angestellt werden. Doch das ist nicht der einzige Punkt. Wir schauen auch einmal nach Bayern, was dort gemacht wird, wenn es zum Beispiel darum geht, Mehrkindfamilien zu fördern. Kurzum, es gibt noch eine ganze Menge zu bedenken und einen sehr großen Beratungsbedarf. Das sehen wir heute an dieser Debatte. Ende des Jahres, glaube ich, sollten wir den Familien Klarheit geben, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es dazu kommt. Wir werden, weil es noch viel Beratungsbedarf gibt, Ihren Antrag ablehnen. Gut Ding will Weile haben.

Ihr Antrag ist außerdem falsch formuliert. Sie sagen, die Staatsregierung solle Anspruchsvoraussetzungen ändern. Doch das kann sie gar nicht so einfach machen, denn das Gesetz muss geändert werden. Das hat die PDS zumindest auch in ihrem Änderungsantrag erkannt.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Vielen Dank!)

Man kann nicht alles allein auf die Staatsregierung übertragen, sondern auch wir als Landtag müssen uns Gedanken machen und überlegen, in welche Richtung es gehen soll. Wir werden das auch tun.

Zum Antrag der Linksfraktion.PDS: Wir werden ihn ablehnen. Wenn Sie dort anfangen zu fordern, 900 Euro einzuführen, dann ist das natürlich vollkommen unrealistisch und leider kein ernsthafter Beitrag für die Debatte, die wir führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns zusammen das Landeserziehungsgeld weiterentwickeln, aber die Anträge, die heute vorliegen, ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Neubert für die Linksfraktion.PDS, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Wochen hat der Bundestag endlich das Elterngeld beschlossen. Wir hatten als Linksfraktion bereits Anfang dieses Jahres einen Antrag eingereicht, in dem wir unsere Mindestforderungen für die Ausgestaltung eines solchen Elterngeldes formuliert haben. Ich will gar nicht auf die Details unserer Vorstellungen und die Diskussionen der letzten Monate auf Bundesebene eingehen. Nur eines grundsätzlich: Die Linksfraktion.PDS unterstützt den gleichstellungspolitischen Ansatz des Bundeselterngeldes.

Das Konzept ist ein richtiger Schritt der Politik zur Förderung der erwerbstätigen Frauen und zur Sicherung der Eigenständigkeit von berufstätigen Frauen nach der Geburt eines Kindes. Es ist deshalb ein richtiger und vernünftiger Schritt, weil gerade durch die Geburt eines Kindes angesichts der tatsächlichen Verhältnisse in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt selbst emanzipierte und qualifizierte junge Frauen häufig auf die traditionelle Rolle als Hausfrau zurückgeworfen werden, während die jungen Väter in ihrem Beruf zum Workaholic werden, aber die Familienarbeit häufig meiden. Dieses Phänomen finden Sie in einer Vielzahl von Studien untersetzt. Verschärft wird diese Situation dann weiter, wenn es zur vollständigen finanziellen Abhängigkeit der Mutter von ihrem Partner kommt. Das war angesichts von lächerlichen 300 Euro Erziehungsgeld – egal, ob Bundes- oder Landeserziehungsgeld – in der Regel der Fall. Dieser Betrag hat nicht die Eigenständigkeit der Frau gesichert, sondern im Gegenteil eher die Abhängigkeit vom Partner.

(Alexander Krauß, CDU: Wie hoch ist denn das Erziehungsgeld in PDS-geführten Ländern?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Notwendigkeit, vor welcher wir als Landesgesetzgeber stehen, ist die, jene nunmehr 30 Millionen Euro aus dem bisherigen Landeserziehungsgeld mit einem Konzept zu untersetzen, das mit dem Bundeselterngeld kompatibel ist. Es geht eben nicht darum, Frauen so lange wie möglich bei einem Taschengeld an Heim und Herd zu binden, sondern eine kurze Auszeit vom Beruf zu finanzieren und den beruflichen Wiedereinstieg als eine Selbstverständlichkeit zu begreifen.

Vor diesem Hintergrund plädieren wir für eine konzeptionelle Untersetzung der ehemaligen Landeserziehungsgeldmittel, die das Konzept eines Elterngeldes stützen und nicht konterkarieren.

Wenn man dem Gleichstellungsansatz des Bundeselterngeldes folgen will, muss man geradezu auf den großen Pferdefuß des Bundesgesetzes verweisen. Das ist die soziale Schieflage. Deswegen ist das Gesetz an dieser Stelle zu Recht in der Kritik. Der gleichstellungspolitische Aspekt wird für die Frauen am unteren Ende der Einkommensskala nicht nur außer Kraft gesetzt, diese werden sogar schlechter gestellt als bisher.

Deshalb wiederhole ich ganz deutlich die Forderung, dass der Sockelbetrag des Elterngeldes auf einer Höhe liegen muss, der die Eigenständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit, im Regelfall von Frauen, garantiert. Das heißt, ein Sockelbetrag für die Schwächeren der Gesellschaft muss mindestens bei 900 Euro liegen, was etwa der Pfändungsgrenze entspräche. Erst ein Elterngeld in dieser Höhe schafft eben diese Eigenständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit und kann sowohl dem gleichstellungspolitischen Ansatz als auch der elementaren sozialen Gerechtigkeit entsprechen.

Wenn wir also über 30 Millionen Euro des bisherigen Landeserziehungsgeldes diskutieren, dann sollten wir das

große Manko des Bundeselterngeldes, nämlich den viel zu niedrigen Sockelbetrag, für sächsische Familien korrigieren. Falls jemand den Taschenrechner bezüglich der Finanzierung zur Hand hat – und extra für Herrn Krauß –, möchte ich vorsorglich einen möglichen Denkfehler ausräumen, den Sie tatsächlich auch schon hatten: Nicht jeder, der den geplanten Bundessockelbetrag von 300 Euro erhält, müsste um 600 Euro aufgestockt werden, um am Ende 900 Euro zu bekommen. Vielmehr muss man die 300 Euro und die nicht gegenzurechnenden Sozialleistungen, wie zum Beispiel ALG II und KdU, addieren, um die konkrete Differenz zu 900 Euro zu bestimmen. Dann kommen auch ganz andere Zahlen heraus, Herr Krauß. Das wäre ein Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament, mit dem Sachsen wirklich mal einen großen Schritt in Richtung des erklärten Ziels des familienfreundlichsten Landes gehen würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN! Das wäre ein Ansatz, der konzeptionell bei der sächsischen Ausgestaltung des Elterngeldes auf der Hand liegt. Nur wenn die Mehrheit unseren Vorschlag ablehnen würde, wäre der Vorschlag zu diskutieren, der heute in Ihrem Antrag formuliert ist. Ihr Vorschlag hat das große Manko, dass er sich vollständig im Rahmen der antiquierten Vorstellung über Geschlechterrollen und damit natürlich im Rahmen des bisherigen Landeserziehungsgeldes bewegt. Das ist bei den GRÜNEN eher ungewöhnlich. Hier hätten wir von Ihnen eine andere Herangehensweise erwartet.

Innerhalb der bestehenden Regelungen ist Ihr Vorschlag freilich einleuchtend; dann stünde nämlich die Frage, warum Kinder aus einer Bildungseinrichtung ausgeschlossen werden, nur weil ihre Eltern eine staatliche Leistung erhalten. Ein solcher Ausschluss, geknüpft an ein Kriterium der Eltern, wäre natürlich abzulehnen. Dem pompösen Titel Ihres Antrages „Landeserziehungsgeld PISA-tauglich machen“ wird der Inhalt allerdings kaum gerecht. Wichtig ist aus meiner Perspektive jedoch: Zunächst sollten wir erst einmal über die Grundausrichtung und nicht über die Details der falschen Grundausrichtung diskutieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte, noch kurz auf zwei weitere Punkte unseres Antrages einzugehen. Der eine Punkt liegt auf der Hand: Selbstverständlich muss nach dem Bezug des Elterngeldes ein Krippenplatz für das Kind vorhanden sein, und zwar ganztägig und unabhängig von der Erwerbssituation der Eltern. Jedem Kind muss selbstverständlich der Zugang zu frühkindlicher Bildung ermöglicht werden.

Der dritte Punkt unseres Antrages beschäftigt sich noch einmal mit der Ausgestaltung der PartnerInnenmonate, der sogenannten Vätermonate. Ja, wir wollen Männer in Verantwortung nehmen, sich an der Erziehung des Kindes in wesentlich größerem Maße zu beteiligen, als es jetzt Realität ist. Dabei geht es sowohl um die Rahmenbedingungen für den einzelnen Mann als auch um das Verständnis der Gesellschaft, ein Verständnis, das sich auch

dadurch ändern wird, dass es zur Normalität wird, dass auch Männer eine Auszeit nehmen und dafür nicht mehr schräg angeschaut werden.

Vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Damen und Herren, schlagen wir für die sächsische Ausgestaltung einen dritten PartnerInnen- oder sogenannten Vatermonat vor. Auch dies, Frau Orosz, wäre ein Signal und ein großer Schritt hin zu einer modernen Familienpolitik.

Ich freue mich auf die Diskussion in den kommenden Monaten zur Ausgestaltung des sächsischen Elterngeldes und bitte insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der Koalition, auch einmal etwas über den Tellerrand traditioneller Familienpolitik zu schauen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die SPDFraktion spricht niemand anderes als – wie gewohnt – Frau Dr. Schwarz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die SPD-Fraktion bekennt sich zum Landeserziehungsgeld. Es steht im Koalitionsvertrag, die entsprechenden Mittel sind in den Haushalt eingestellt, und Sie sagten es, Kollegin Herrmann, das Gesetz wurde erst kürzlich im Bundestag verabschiedet. Es sind bis zum Schluss noch Details verhandelt worden und wir sind gegenwärtig in den Gesprächen, um zu schauen, wie wir das Landeserziehungsgeldgesetz entsprechend anpassen können.

Das Bundeselterngeld hat eine neue Philosophie zur Unterstützung von Familien und ich denke, auch deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen. Wir werden uns natürlich auch bemühen, so früh wie möglich Klarheit zu schaffen, wie es damit in Sachsen weitergehen soll. Es ist auch nichts Neues, dass sich die SPD-Fraktion immer dafür eingesetzt hat, dass der Bezug des Landeserziehungsgeldes nicht den Besuch der Kinderkrippe ausschließt. Aber es gibt auch einige, die das Landeserziehungsgeld abgelehnt haben und es jetzt plötzlich ausgestalten wollen und begrüßen.

Wir sind auch der Meinung, dass die 30-stündige Berufsausübung, wie sie jetzt im Landeserziehungsgeldgesetz steht, nicht unbedingt begründet werden sollte. Das halten wir für entbehrlich. Auch da, denke ich, zeigt sich vielleicht, wie wir es an das Bundeselterngeld anpassen können.

Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, greift in diesem Fall zu kurz. Wir müssen im Moment prüfen, was wir in unser Landeserziehungsgeldgesetz hineinstecken, und dabei gibt es viele Baustellen. Wird es einkommensabhängig sein oder nicht, so wie es beim Bundeserziehungsgeld ist? Väter- oder Partnermonate? Wie soll die Bezugsdauer sein? Anfang und Ende der Bezugsdauer? Zum heutigen Tag ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen und auch dem

Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS nicht, Herr Neubert. Sie haben für mich eine etwas eigenartige Rechnung aufgemacht mit Ihren 900 Euro. Arbeitslosengeld II, Kosten der Unterkunft und 300 Euro sind nach Adam Ries mehr als 900 Euro. Außerdem tut sich die PDS mit der Finanzierbarkeit immer etwas schwer in ihrem virtuellen Haushalt.

Frau Dr. Schwarz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?