Protocol of the Session on October 13, 2006

Die Linksfraktion.PDS, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich einsteigen, Herr Dulig. In die Ausgestaltung des Kompromisses, den Sie ausgehandelt haben, werden wir natürlich auch sehr den Finger legen. Ich denke, darüber wird es noch sehr viel zu diskutieren geben, insbesondere bei der Ausgestaltung dessen, was dann wirklich kommt. Ich gehe davon aus, dass wir wesentlich intensiver einbezogen werden, insbesondere im Schulausschuss, wenn es um die Ausgestaltung dieses Kompromisses geht.

Nun zu unserem Thema. Der Antrag der Linksfraktion.PDS, Drucksache 4/5559, hatte das Staatsministerium für Kultus aufgefordert, bereits im Juni über die sogenannte Reform der gymnasialen Oberstufe zu informieren, denn bis zu dem Zeitpunkt gab es noch keine Informationen über die Reform der gymnasialen Oberstufe. Damit wurden die Medien aufmerksam und die öffentliche Diskussion hatte begonnen. Ja, selbstverständlich hatte es im Vorfeld bereits Diskussionen gegeben. Herr Colditz hatte es schon benannt, Insider-Diskussionen hatte es gegeben und der Philologenverband hatte aktiv Diskussionsbeiträge im Kultusministerium und selbst in öffentlichen Veranstaltungen dargelegt.

Aber: Selbst die Schulleiter der Gymnasien haben erst im April und im Mai eine Aufforderung bekommen, Stellung zu dieser Stundenübersicht zu nehmen, denn ein Konzept hat es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Eine öffentliche Diskussion fand also im Wesentlichen in der Sommerpause, in den Ferien, statt. Wir sind der Auffassung, dass das nicht der Zeitpunkt ist, in dem man eine öffentliche Diskussion für eine Veränderung in der gymnasialen Oberstufe führen kann.

Ja, zahlreiche Stellungnahmen sind im Kultusministerium eingegangen. Zumindest haben wir das vom Kultusministerium erfahren. 280, 300 – das ist in Ordnung und ist auch gut. Ich finde das ganz hervorragend. Allerdings sind mir nur Stellungnahmen bekannt, die diese Reform und die Überlegungen des Kultusministeriums eher ablehnen. Ich würde mich sehr freuen, Herr Flath, wenn Sie – das hätte eigentlich schon längst geschehen müssen – vielleicht heute einmal eine ausführliche Darstellung geben könnten, wie die Stellungnahmen nun sind, welche Tendenzen sie haben, was sie fordern usw. usf. Ich denke, das sollte man öffentlich klar und deutlich auswerten.

Es war im Juni/Juli zugesagt worden, dass das Kultusministerium vor der Sommerpause ein Konzept für die Umgestaltung, für die Reform der gymnasialen Oberstufe vorlegt. Bis heute haben wir ein solches Konzept nicht in die Hand bekommen, sondern lediglich einen Zettel mit einer Stundenübersicht.

Zum alten Konzept und auch zum neuen, das in der Koalition nun aufs Papier gebracht worden ist: Wir haben dazu in der Sondersitzung massiv gefordert, dass uns ausführliche Darlegungen bzw. eine neue Stellungnahme auch zu dem neuen Papier, das uns vorliegt, zur Verfügung gestellt werden. Das hat bis heute nicht funktioniert.

In diesem neuen Papier gibt es natürlich günstige, bessere, neue Ansätze. Herr Dulig, das will ich hier eindeutig sagen und will es auch unterstützen. Aber es gibt auch faule Kompromisse. Das ist ganz eindeutig und klar. Wenn wir von Leistungskursen und Grundkursen in der gymnasialen Oberstufe sprechen, geht jeder normale Mensch davon aus, dass das nicht zwingend im Klassenverband passiert.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das alte Modell ist klar auf den Klassenverband ausgelegt gewesen. Wie sieht es nun in der Realität aus? Das ist die Ausgestaltung, bei der wir genau aufpassen und schauen müssen, weil: Zurzeit sagt die Verwaltungsvorschrift „Mindestschülerzahl Leistungskurs 12 Schüler, Mindestschülerzahl Grundkurs 14 Schüler“. Real wird aber an den Schulen bereits im Klassenverband unterrichtet, denn der Richtwert für die Schulen sind 24 Schüler.

(Zuruf des Staatsministers Steffen Flath)

Herr Flath, Sie haben jetzt eine Frage gestellt ohne Mikrofon. Ich antworte jetzt, ohne dass meine Zeit angehalten wird. Das Problem ist die Motivation der Schüler, ganz klar. Wenn ich in einem Leistungskurs unterrichtet werden will, will ich dort eine entsprechende Leistung haben. In den Klassen 11, 12 haben wir es nicht mit kleinen Schülern zu tun, sondern mit jungen Erwachsenen, die sich auf das Studium und auf ihren weiteren Weg vorbereiten wollen. Wenn Sie die Papiere der Kultusministerkonferenz ausführlich gelesen haben – davon gehe ich aus –; dort steht klar und deutlich drin: Ein Schüler, der sich für einen Leistungskurs entscheidet, entscheidet sich in der Regel für die Studienrichtung. In der Regel – es gibt immer Ausnahmen.

Da bin ich voll in Ihrem Antrag, Herr Colditz und Herr Dulig. Wir sind – genau wie Sie – der Auffassung, dass eine Stärkung der naturwissenschaftlichen Bildung bereits in der Sek. I notwendig ist. Ich will Sie jetzt nicht quälen, aber denken Sie bitte an Astronomie! Wir wollen noch immer, dass die Astronomie mit einer naturwissenschaftlichen Bildung ausführlich dargestellt wird.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das wäre ganz einfach, denn sowohl die Lehrer sind vorhanden als auch die Lehrpläne usw. Aber ich will Sie damit nicht nerven, denn ich denke, dass das ganz klar ist und auch die Anhörung es gezeigt hat.

Ich möchte trotzdem weiter auf Ihren Antrag eingehen.

Zum Thema selbstständige Arbeit und die Lernprozesse selbst organisieren teilen wir die Auffassung, die Sie in Ihrem Antrag vertreten. Schüler können das aber nur in einem System, in dem sie selbst entscheiden dürfen und sich auch gefordert fühlen und nicht in einem Klassenverband mit Leistungsstarken und -schwachen im Unterricht arbeiten müssen.

Zur naturwissenschaftlichen Bildung habe ich schon gesprochen, das lasse ich jetzt weg. Wir sind auch der Auffassung, die Sie in Ihrem Punkt 2 oder 3 – das weiß ich jetzt nicht genau – äußerten, dass die Sozialwissenschaften, die Sprachen und die musischen Fächer in der gymnasialen Oberstufe nicht benachteiligt werden dürfen. Ich denke, das ist auch zu realisieren.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Aber der entscheidende Punkt, der in Ihrem Antrag steht und den wir in der Anhörung ausführlich erörtert haben, ist, dass die sächsischen Abiturienten bei den Studienzulassungen nicht benachteiligt werden dürfen. Es kam in der Anhörung deutlich zum Ausdruck, dass das passieren wird, wenn wir nicht darauf achten, dass Leistungsspitzen auch wirklich in der gymnasialen Oberstufe gefördert werden und sie dann einen Leistungsdurchschnitt bekommen können, der es ihnen ermöglicht, mit ihren Ergebnissen mit anderen Abiturienten aus anderen Bundesländern mitzuhalten.

Insofern können wir Ihrem Antrag zustimmen. Allerdings ist mir und vielleicht auch anderen aufgefallen, dass in Ihrem Antrag nicht mehr von einer Reform der gymnasialen Oberstufe die Rede ist. Sie nehmen offensichtlich Abstand davon, Sie sprechen lediglich noch von einer Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe.

Wenn wir uns das genau anschauen, sind wir der Auffassung, dass bis auf die Veränderung in der Sek. I – das ist aber nicht die gymnasiale Oberstufe – dieser Antrag für eine Veränderung der gymnasialen Oberstufe eigentlich gar nicht notwendig ist, weil das jetzt schon passiert. Eine Reform ist offensichtlich auch in der Koalition bereits vom Tisch.

Veränderungen der gymnasialen Oberstufe sollten nur durchgeführt werden, wenn die Notwendigkeit klar und deutlich gegeben ist. Diese Notwendigkeit wird immer wieder mit der demografischen Entwicklung begründet. Wenn es weniger Schüler gibt, dann wäre für mich der logische Schluss, kleinere Kurse zu bilden, damit das bestehende Angebot realisiert werden kann. Die Zahlen für den Erhalt von Gymnasien werden meines Wissens – vielleicht täusche ich mich da – für die Zukunft nicht ausgehebelt. Nach wie vor gilt das Schulgesetz, nach dem bei 60 Schülern in der Klassenstufe drei Klassen gebildet werden. Selbst wenn es weniger Schüler gibt, habe ich nicht gehört, dass der Minister geäußert hat, dass das geändert wird. Deshalb werden wir auch bei weniger Schülern kein anderes Bild bekommen. Für die Gymnasien bleibt alles bestehen.

Die Notwendigkeit für die Veränderung der gymnasialen Oberstufe ist aus unserer Sicht nicht zwingend gegeben. Es gibt keine Evaluation, es gibt keine Evaluationsergebnisse, es gibt auch keinen Nachweis. Den haben wir auch in der Anhörung nicht bekommen.

Die Leistungsbeschreibung für das Gymnasium wurde erst 2004 veröffentlicht. Da sie erst zwei Jahre greift, sehen wir keinen Grund, eine Veränderung vorzunehmen. Die langfristig erarbeiteten Lehrpläne sind noch nicht einmal eingeführt und sollen schon wieder verändert werden. Das halten wir nicht für zwingend erforderlich.

Wir sehen auch, dass eine Veränderung der gymnasialen Oberstufe zumindest ein ausgewogenes Konzept als Grundlage braucht. Dieses Konzept ist nicht vorhanden. Für eine Akzeptanz brauchen wir außerdem eine ausführliche Diskussion.

Die Kollegen, die in der Anhörung waren, werden sich erinnern, dass dort selbst der Vertreter des Philologenverbandes, Herr Haubitz, nicht dafür war, ab 2007 eine Versuchsphase durchzuführen, weil er Angst hatte, dass diese Gymnasien keine Schüler mehr in der 11. und 12. Klasse haben werden, weil sie sich ein anderes Gymnasium suchen würden. Darüber sollte man nachdenken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Falken, ich wollte Sie noch etwas zur Erprobungsphase fragen.

Ist es richtig, dass sich Ihre Fraktion im Vorfeld der Diskussion gegen eine Erprobungsphase ausgesprochen hat? Wenn der Minister realisiert, was Sie gefordert haben, dann stellen Sie das auch wieder infrage. Das ist für mich unglaubwürdig und ein Widerspruch.

Herr Colditz, es tut mir leid. Entweder habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt oder Sie wollten mich nicht verstehen.

Nein, wir sind natürlich nach wie vor nicht für eine Erprobungsphase. Mir ging es nur darum nachzuweisen, dass offensichtlich auch die Schüler und möglicherweise die Eltern gegen diese Modelle sind. Wenn wir Bedenken haben, dass sich für die Schulen, die dieses Modell erproben sollen, nicht genügend Schüler finden, dann ist das doch ein klares Zeichen. Wir sind nach wie vor gegen diese Erprobungsphase.

Wir möchten Ihren Antrag, dem wir – das habe ich gesagt – zustimmen werden, gern ergänzen, weil wir der Auffassung sind, dass eine Veränderung in der gymnasialen Oberstufe zwingend im Parlament und nicht nur hinter verschlossenen Türen beschlossen werden sollte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal ist das Kultusministerium für Überraschungen gut. Eine dieser Überraschungen haben wir im April erlebt. Das war die Ankündigung der Reform der gymnasialen Oberstufe, die einige wie der Blitz aus heiterem Himmel überrascht hat und aus unserer Sicht in Bezug auf Zeitpunkt und Zeitdruck nicht nachvollziehbar war. Aber sei es drum – wir stellen uns der Diskussion.

Ich erinnere mich, Herr Flath, dass Sie – ich glaube, es war am Mittwoch – in diesem Haus zu einem Antrag der FDP gesagt haben, man solle die Schulen nicht jeden Tag mit etwas Neuem konfrontieren; das waren mehr oder weniger Ihre Worte.

(Rolf Seidel, CDU: Nicht die Grundschulen!)

Diese Aussage trifft offenbar auf Ihre eigene Reform viel mehr als auf unseren Antrag zu. Wir wollten keine so revolutionären Veränderungen.

Wir sind froh, dass der öffentliche Druck zumindest dafür gesorgt hat, dass die für das kommende Schuljahr vorgesehene Erprobungsphase, die mit der heißen Nadel gestrickt wäre, vom Tisch ist.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Es ist zweifelsohne eine schwierige Reform, die natürlich heiß diskutiert wird und über die man unterschiedlicher Meinung sein kann. Das will ich gern zugeben. Aber wenn man so etwas erfolgreich umsetzen will, muss man sich die Mühe machen, die Beteiligten einzubeziehen.

Die inhaltlichen Ziele der Reform – eine bessere Allgemeinbildung, eine breitere naturwissenschaftliche Ausbildung und eine verbesserte Studierfähigkeit – unterstützen wir als FDP, auch wenn wir in der Opposition sind.

Wir erkennen auch an, dass sinkende Schülerzahlen natürlich zu Veränderungen bei der Organisation des Unterrichts führen müssen. Wer den Veränderungsbedarf leugnet, fällt das Todesurteil für viele kleine Gymnasien auf dem flachen Land. Schulschließungen sind aber mit der FDP-Fraktion nicht zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben ein eigenes Konzept entwickelt. Wer nachlesen will, findet es in der Drucksache 4/6307. Ich möchte gern die Kernpunkte umreißen.

Wir wollen die Allgemeinbildung der Abiturienten verbessern. Dazu soll ein breites Fächerspektrum verbindlich belegt werden. All diese Fächer gehen dann konsequenterweise in die Benotung ein. Nach unserer Auffassung ist es nicht Aufgabe der Gymnasien, kleine Wissenschaftler hervorzubringen. Das wollen wir den Universitäten überlassen. Wir wollen eine breite humanistische Allgemeinbildung. Wir wollen, dass die Absolventen des Gymnasiums die allgemeine Studierfähigkeit haben. Dieser Wunsch wurde in der Anhörung auch von den Vertretern der Hochschulen geäußert. Sie legten darauf mehr Wert als auf spezialisiertes Wissen in einem Fach, wenn sie sich nicht darauf verlassen können, dass ihre Studenten auf dem gleichen Stand sind.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)