Protocol of the Session on October 12, 2006

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die Drucksache 4/6380, Antrag der Linksfraktion.PDS, auf. Wer diesem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und einer Reihe Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe die Drucksache 4/6597, Antrag der Fraktion der FDP, auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Eine Stimmenthaltung und eine Reihe Stimmen dafür; dennoch ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7

Leistungsvergleich zwischen Finanzämtern

Drucksache 4/4904, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Es beginnt die CDU, dann folgen die Fraktionen SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, entgegnete Jesus den Pharisäern, als sie ihn versuchten und ihn zur Steuerhinterziehung verführen wollten. In der Provinz Syrien, zu der damals Judäa gehörte, existierte eine leistungsfähige Steuerverwaltung, aber keine zufriedenen Steuerbürger. Geldgierige Steuerpächter pressten damals das Volk bis aufs Blut aus.

(Heinz Lehmann, CDU: Das ist das Finanzamt!)

Einer dieser Steuerpächter, Quintilius Varus, scheiterte mit dem Versuch im Jahre 9, das römische Steuersystem auf das freie Germanien zu übertragen. Meine Damen und Herren, unter den im Teutoburger Wald erschlagenen Römern waren auch Finanzbeamte.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Inzwischen sind fast 2 000 Jahre vergangen und man hat sich an einiges gewöhnt. Wir verfügen in Deutschland und in Sachsen über leistungsfähige Finanzämter, die keinen Leistungsvergleich zu scheuen brauchen. Dabei geht es nicht um das langsamste oder das schärfste Finanzamt irgendwo in Gebirgslagen, sondern um Auftragserfüllung, Wirtschaftlichkeit und zügige Erstellung von

Steuerbescheiden. Kurz gesagt, es geht vor allem um die Zufriedenheit des Steuerbürgers, dem natürlich ein Beitrag zum Funktionieren unseres staatlichen Gemeinwesens abverlangt werden muss. Natürlich geht es auch um die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Aber wenn der Kunde Steuerzahler im Vordergrund steht, dann muss das auch deutlich werden.

Leistungsvergleiche zwischen Behörden sind keine Selbstverständlichkeiten. Meist scheuen diese den Wettbewerb – jedenfalls war es bisher so – wie der Teufel das Weihwasser. Nicht so die sächsische Finanzverwaltung, die dabei übrigens recht gut abschneidet und unsere Anerkennung verdient.

Natürlich muss sich die Durchlaufzeit von Steuererklärungen noch verkürzen. Natürlich müssen wir ergebnisorientierte Verwaltungssteuerung zügig einführen. Die mit den sächsischen Finanzämtern bereits abgeschlossenen Zielvereinbarungen müssen zügig ausgefüllt werden. Natürlich brauchen wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch Offenheit für die Kritik des mündigen Steuerbürgers, die letztlich zur Qualitätsverbesserung der Verwaltung führen soll. Dabei muss dieser und jener Staatsdiener noch lernen, dass er Diener, Dienstleister, Angestellter von selbstbewussten Staatsbürgern ist und eben nicht Vertreter der Obrigkeit.

Unsere Finanzverwaltung hat dies erkannt. Den Sachsen soll wenigstens ein gutes Gefühl beim Steuerzahlen vermittelt werden. Ich denke, das gelingt. Der Berichtsantrag, meine Damen und Herren, ist für uns mit dem Bericht der Staatsregierung erledigt.

Für die Höhe des Steuerbescheides – das an unsere Adresse gerichtet – bleibt allerdings die Politik zuständig. Sie kann die Sympathie des Steuerzahlers und der Leistungsträger dieser Gesellschaft, die irgendwann zur Wahl gehen, gewinnen, wenn sie konsequent Staatsausgaben senkt, Schulden vermeidet und vor allem Steuern senkt. Dies – und weniger das Geldausgeben – ist die eigentliche Aufgabe der Parlamente, die dafür in den angelsächsischen Ländern vor Jahrhunderten entstanden sind.

Das Hohe Haus hat bald Gelegenheit dazu bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2007/2008.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion, bitte. – Sie wünscht nicht das Wort. Dann die Linksfraktion.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Ich kann Ihnen versichern, dass die sächsische Steuerverwaltung eine moderne und dienstleistungsorientierte Verwaltung ist.“

(Antje Hermenau, GRÜNE: In der Tat!)

So lautet das von mir vorweg genommene Fazit des Finanzministers, nachdem er über sieben Seiten sachsen

typisch Lob, Lob und nochmals Lob über sich und die weise Staatsführung ausgeschüttet hat.

Wir aber möchten die heutige Debatte zum Anlass nehmen, den Mitarbeitern der Finanzämter und der Steuerverwaltung unsere Anerkennung auszusprechen, die im täglichen Steuerwahnsinn das Ganze am Laufen halten und mit scheinbar stoischer Gelassenheit neue steuerpolitische Provokationen und Belastungen umzusetzen versuchen und den Zorn der Bevölkerung zuerst spüren, obwohl sie vor allem Blitzableiter und nicht Verursacher sind. Das war es dann aber auch schon an Positivem, was wir diesem Leistungsvergleich der Finanzämter abgewinnen können.

Warum wurde ausgerechnet im Bereich der Finanzämter ein Leistungsvergleich eingeführt bei Strukturen, die unterschiedlicher nicht sein können – nicht nur von den gesetzlichen Steuergrundlagen her und der unterschiedlichen Spezifik der Finanzämter, sondern auch von den regionalen Gegebenheiten, den Unterschieden allein zwischen den Finanzämtern in Großstädten und ländlichen Regionen?

Hat man je von einem Leistungsvergleich zwischen den Ministerien und Regierungspräsidien, von einem Leistungsvergleich zum am schnellsten bearbeiteten Fördermittelantrag, zum fehlerfreiesten Hartz-IV-Bescheid oder zum am zügigsten genehmigten Schulnetzplan gehört? – Alles Fehlanzeige! Was eigentlich haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von diesem Wettbewerb? Eine leistungsgerechtere Bezahlung? Eine höhere öffentliche Anerkennung? Bessere Aufstiegschancen? – Wieder Fehlanzeige!

Im Stellenabbaubericht der Staatsregierung – Bestandteil der Beratungen zum Doppelhaushalt 2007/2008 – ist nachzulesen, dass im Einzelplan 04, dem des Finanzministeriums, im Kapitel 04 06 Finanzämter gemäß Kabinettsbeschluss Nr. 040286 vom 18.03.2006 schon im vorauseilenden Gehorsam 140 Stellen noch im Jahre 2006 abgebaut werden. Dem folgen für 2007 210 kw-Vermerke, 2008 160 kw-Vermerke, 2009 und 2010 je 37 bzw. 34.

Nun wissen wir ja alle, dass Personal abgebaut werden soll, aber die Frage „wie und wo?“ ist schon sehr spannend. Darüber hinaus ist im Entwurf zum Einzelplan 04 vermerkt, dass im Bereich der Finanzämter in den Besoldungsgruppen A16, Leitender Regierungsdirektor, bis A10, Steuerinspektor, erst mal alles beim Alten bleibt. Im höheren und gehobenen Dienst gibt es außer ein paar Höhergruppierungen fast keine Änderungen im Stellenplan. Aber darunter, ab A9, Steuerinspektor, schlägt das Kabinett mit seinem Beschluss richtig zu. Allein in der A9, Steuerinspektor, werden 2007 63 Stellen zusätzlich abgebaut. Beim Steuersekretär in der A6 sind es 2007 102 Stellen und 2008 156 Stellen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, allein mit Häuptlingen werden sich wohl keine Steuern erheben lassen. Ein paar Indianer, noch dazu und vor allem ein paar junge an der Seite erfahrener, braucht es schon.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ebenso fehlt eine Aussage zur regionalen Aufgliederung der Abbaumaßnahmen auf die einzelnen Finanzämter. Legen Sie diese doch bitte einmal offen. Ich würde darauf wetten, dass Finanzämter in den ländlichen Regionen wieder einmal überproportional von Abbau und Ausdünnung betroffen sein werden.

Damit komme ich zu einem weiteren Kritikpunkt. 1998 wurde der Leistungsvergleich initiiert. Mitte 2004 wurden wesentliche Arbeitsbereiche mit Kennzahlen ausgestattet. Explizit im Selbstlob nennen Sie, Herr Finanzminister, der nicht anwesend ist, beispielhaft die Ergebnisse der Arbeitnehmerveranlagung: 800 000 Fälle mit 570 Vollzeitäquivalenten. Im Falle einer Änderung ergeben sich Mehrsteuern von – man höre und staune – 451 Euro. Im Bereich der Umsatzsteuer, der betrugsanfälligsten Steuerart überhaupt, worüber wir hier in diesem Hause schon zigmal ergebnislos diskutiert haben, wird schon – oder noch? – ein Kennzahlenvorschlag für das Jahr 2006 entwickelt. Das heißt, bis heute liegt offensichtlich noch keine Kennzahl für einen Leistungsvergleich, der 1998 eingeführt wurde, vor, und das bei der aufkommensstärksten Steuerart, in der ganz andere Mehrerlöse als bei Arbeitnehmerveranlagungen zu erzielen wären.

Aber auch das ist offizielle Regierungspolitik in Berlin und Dresden: den kleinen Leuten erbarmungslos in die Tasche zu greifen und für die Großen Sondertatbestände durch Verlustvortrag und -rücktrag, gegenseitige Verlust- und Gewinnverrechnung usw. zu schaffen.

Doch zurück zu Leistungsvergleich und Stellenabbau. Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat zu den Problemen beim Vollzug der Steuergesetze Stellung genommen und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen: Bei der Bearbeitung der Steuererklärungen steht nur noch die Quantität und nicht die Qualität im Vordergrund. Veranlagungsbegleitende und -fremde Tätigkeiten beanspruchen zunehmend Zeit in den Veranlagungsstellen. Die Fallzahlen pro Bearbeiter sind zu hoch. Im Durchschnitt bleiben für die Erledigung eines Steuerfalles im Arbeitnehmerbereich sage und schreibe ganze 20 Minuten. Die sich ständig ändernde Rechtsprechung erschwert die ohnehin komplizierte Arbeit zusätzlich. Eine Flut von Verwaltungsanweisungen und Gerichtsurteilen überhäuft die Mitarbeiter. Die Arbeit in den Veranlagungsstellen wird durch Massenrechtsbehelfe, die die Verfassungsmäßigkeit von einzelnen steuerlichen Vorschriften infrage stellen, zusätzlich belastet.

Der Präsident des Bundesrechnungshofes kommt zusammenfassend zu der Auffassung, dass der gesetzmäßige und gleichmäßige Vollzug der Steuergesetze nicht mehr gewährleistet ist. Mit anderen Worten: Eigentlich braucht die Steuerverwaltung mehr Personal und bessere materielle, technische und finanzielle Bedingungen sowie eine konsequente Fortbildung.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Auch der Sächsische Rechnungshof kritisiert alle Jahre wieder Mängel in Ausbildung, Ausstattung und Koordinierung und weist anhand konkreter Beispiele nach, in welcher Höhe dadurch dem Freistaat Steuern entgehen. Das geschieht, wie gesagt, alle Jahre wieder.

Nun wissen wir ja, dass diese Debatten im Landtag vor allem der politischen Meinungsbildung dienen und Weichen für die Zukunft stellen sollen. Lassen Sie mich also auch unter dem Gesichtspunkt des fortzuführenden Leistungsvergleichs einen Blick in die Zukunft der sächsischen Steuerverwaltung werfen. Jeder weiß, dass diese Zukunft erheblich von der sogenannten Föderalismusreform geprägt sein wird.

Sachsens Staatsregierung will die Besoldung und Versorgung seiner Beamten selbst regeln können. Das hat natürlich überhaupt nichts mit Kleinstaaterei zu tun, auch wenn in den Siebzigerjahren gerade zur Überwindung solcher Zustände eine zentrale Regelung als notwendig erachtet wurde.

Wurde früher die Orientierung des Artikels 72 des Grundgesetzes auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse als Aufforderung verstanden, auf solche hinzuwirken, so sieht nun die Staatsregierung gerade in der Betonung solcher Unterschiede Chancen, daraus für die Staatskasse Kapital zu schlagen. Denn wie meint doch der Finanzminister? „Unterschiedliche wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse in den Regionen erlauben und erfordern auch regionale Unterschiede in der Bezahlung.“ Ich hoffe sehr, dass damit nicht gemeint ist, dass von den dann im Bundesvergleich sowieso schon niedrigeren sächsischen Gehältern für die Mitarbeiter in den Finanzämtern der Oberlausitz oder des Erzgebirges gegenüber denen der Großstädte vielleicht noch einmal 20 % abgezogen werden. Angesichts der sächsischen Leuchtturmpolitik ist dies allerdings zu befürchten.

Eindeutig sind übrigens schon heute unterschiedliche Länderregelungen, zum Beispiel bei der Sonderzahlung, zu verzeichnen. Nur noch Hamburg, Hessen, RheinlandPfalz, Saarland und Schleswig-Holstein zahlen Urlaubsgeld. Während Bayern, Bremen, MecklenburgVorpommern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland in den niedrigeren Besoldungsgruppen eine höhere Sonderzahlung als in den höheren Besoldungsgruppen sichern, bezahlt Sachsen als einziges Bundesland im höheren Dienst deutlich mehr als im einfachen bzw. mittleren Dienst. Während sich Baden-Württemberg und Bayern immerhin schon zum Thema Einmalzahlung und Linearanpassung nach der Föderalismusreform äußerten, wird in Sachsen alles offengehalten.

Analysiert man die zaghaft vorgelegten Details dieser sogenannten Reform, so bestätigt sich auch in diesem Fall wieder der Missbrauch dieses eigentlich positiven, schönen Wortes; denn von Erneuerung, Wandlung oder gar Weiterentwicklung im Sinne der Verbesserung kann auch bei dieser Reform keine Rede sein.

Chaotischer wird es außerdem. Dazu will ich einige Beispiele nennen. Baden-Württemberg plant schrittweise

die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre. Bayern entscheidet zu strukturellen Veränderungen erst nach der Wahl im September 2008. Warum wohl? Rheinland-Pfalz plant die Absenkung der Besoldung für die ersten drei Jahre um eine ganze Besoldungsgruppe – tolle Unterstützung für Einsteiger! –, will aber zumindest für den einfachen Dienst eine Anpassung in Höhe der Inflationsrate prüfen. Mecklenburg-Vorpommern will die Anpassung an die Westbesoldung ab 2008 bzw. 2010 erreichen. Darüber hinaus prüfen die Länder im „Nordverbund“ und im „Südverbund“.

All das führt laut Dr. Metz nicht zu einem flächendeckenden Wettbewerb, vor allem um gutes Personal. Das ist ganz schön lebensfremd.

Zurück zum Leistungsvergleich zwischen den Finanzämtern.

Herr Dr. Metz, wo immer er auch sein mag: Ich habe Ihre Antwort mehrfach gelesen. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass die Mitarbeiter der sächsischen Steuerverwaltung im Rahmen einer durchgeführten Mitarbeiterbefragung im Leistungsvergleich bei ihrer Zufriedenheit mit 2,94 den besten Wert der teilnehmenden sechs Länder erreicht haben.

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere, nämlich die viel wichtigere, die für einen Dienstherrn wie Sie ein Alarmsignal sein müsste, erwähnen Sie mit keinem Wort. Viel zu viele Beschäftigte haben nämlich an der Befragung überhaupt nicht mehr teilgenommen, ja, sie haben sie regelrecht boykottiert. Aus tiefem Misstrauen bezüglich der Wahrung der Anonymität bei einer Befragung per PC und aus Enttäuschung, wie man höheren Orts nach der letzten Mitarbeiterbefragung mit den damals schon schlechten Ergebnissen umgegangen ist, haben nicht einmal 43 % der Beschäftigten, in acht Ämtern sogar noch unter 33 %, die 52 Fragen beantwortet. Dazu kein Wort in der Stellungnahme, kein Eingestehen, wie heute die Stimmung ist angesichts sich kurzfristig ändernder Steuergesetze, der daraus resultierenden Flut von Rechtsprechungen, angesichts einer Gesellschaft, die legal und illegal sehr viel Energie darauf verschwendet, möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen und angesichts einer Stigmatisierung konstruktiv-kritischer Stimmen als ausschließliche Nörgler, Störenfriede und Neider der behaupteten Erfolge.