Protocol of the Session on January 19, 2005

Inzwischen sind die Städte und Gemeinden so weit, dass sie zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen auf die Rücklagen zurückgreifen müssen. Der Preis einer solchen Investitionspolitik schlägt wie ein Bumerang zurück, wenn es um die Rückzahlung von Schulden geht: Schulden werden fortan zu einem Großteil nur noch mit neuen Schulden finanziert. Tilgungsvorsorge findet nicht mehr statt. Die Städte und Kommunen sind am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Das, meine Damen und Herren, ist keine seriöse Politik.

(Beifall bei der PDS)

„Pro Kopf liegt der Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern doppelt so hoch wie in den alten“, heißt es in dem vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag herausgegebenen Gemeindefinanzbericht. Und weiter: „In den neuen Bundesländern ist der Aufwand, der allein durch die Herstellung einer an das niedrigste westdeutsche Niveau anknüpfenden funktionierenden Infrastruktur entsteht, nach wie vor weitaus größer als das Ausgabenvolumen.“ Die Kommunen kämpfen ver

zweifelt um die Überwindung der klaffenden Infrastrukturlücke. Dafür brauchen sie allerdings einen verlässlichen Partner an ihrer Seite.

Um dem immensen Nachholbedarf der sächsischen Kommunen Rechnung zu tragen, steht es für uns außer Frage, dass der Freistaat seiner Verantwortung in neuer Weise gerecht werden muss. Mit den Verhandlungen über den Nachfolger des Solidarpaktes I haben die Länder dem Bund die Verwaltungshoheit über die damaligen Investitionsmittel abgetrotzt. Der Weg Sachsens, hier eine klare Zweckbindung für Investitionen festzulegen, hat sich als richtig erwiesen. Wir haben diesen Schritt damals begrüßt und halten ihn auch weiterhin für sinnvoll.

Wir wollen, meine Damen und Herren, mit diesem Antrag in keiner Weise die Zweckbindung dieser Solidarpaktmittel aufweichen. Im Kern geht es, ganz lapidar gesagt, nur um eine Neuregelung der Innenverteilung der Investitionsmittel zugunsten der Städte und Gemeinden im Freistaat.

Ihnen, meine sehr verehrten Mitglieder der Koalitionsfraktionen, müsste doch ein Paradoxon im von Ihrer Staatsregierung vorgelegten Entwurf des FAG aufgefallen sein.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Die machen Krach, die hören nicht zu!)

Der Entwurf spricht von der Notwendigkeit, die unterentwickelte Steuerkraft der sächsischen Kommunen aus den Mitteln des Solidarpaktes II auszugleichen. Es ist traurige Tatsache, dass unsere Städte und Gemeinden auf diese Alimentationen angewiesen sind, um ihre laufenden Ausgaben zu decken. Dann klammert die Staatsregierung die ehemaligen IFG-Mittel einfach aus der Berechnung des FAG aus. Um diesem Treiben die Krone aufzusetzen, werden die kargen Investitionszuweisungen im FAG auch noch umgewidmet, um damit alte Schulden zu begleichen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Entschuldigung, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, das ist blanker Zynismus.

(Beifall bei der PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Die hören auch nicht zu!)

Es sind ja auch leider nicht mehr allzu viele da.

Wer heute derart die Investitionsfähigkeit der Kommunen beschneidet, der handelt vorsätzlich fahrlässig am Ausbau einer an der Zukunft orientierten Infrastruktur der sächsischen Städte und Gemeinden.

Doch ein Hoffnungsstreif erscheint am Horizont. Ob es nun das schlechte Gewissen oder aber die Einsicht in die Realität der Haushaltslage der sächsischen Städte und Gemeinden war, bleibt dem geneigten Beobachter überlassen. – Fakt ist, dass sich die Staatsregierung herabgelassen hat und dem Vernehmen nach für dieses Jahr 50 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für Investitionszuweisungen bereitstellen will.

Ich habe nur eine Frage, sehr geehrte Mitglieder der Staatsregierung: Ist dies Ihr Verständnis von partnerschaftlichem Umgang?

Für zwei Partner, die angeblich im selben Boot sitzen, erinnert dieses Vorgehen an die Besatzung eines alten Seglers: Während es sich die Offiziere in der Messe gut gehen lassen, bleibt für die Mannschaft nur das angegammelte Brot übrig. Ich werde das Gefühl nicht los, sehr geehrter Herr Ministerpräsident – der uns auch schon verlassen hat –, dass Sie mit dem Ihnen eigenen „Würgegriff“ versuchen, die Kommunen auf den rechten Weg zu zwingen. Die Wegweiser sind schon aufgestellt: Hier entlang zur Aktivierung von Beteiligungen, auch Privatisierung genannt, oder dort das massenhafte Ausweichen auf private Investorenmodelle. Nicht nur die Art und Weise, gerade die Richtung ist gefährlich, und Sie werden in uns harte Kritiker eines solchen Kurses finden.

(Beifall bei der PDS)

Sie, Herr Minister, ich nehme Sie jetzt einmal persönlich mit ins Wort, sonnen sich gern im Lichte hoher Investitionsquoten. Dieses Sonnenbad bezahlen die Menschen da draußen mit maroden Schulen und Kindertagesstätten. Auf 175 Millionen Euro beziffern Sie selbst den notwendigen Sanierungsbedarf allein an Kindertagesstätten. In diesem Fall erweist sich die Landesregierung allerdings als ein schlechter Partner. Mit der Macht des Geldes oder in diesem Fall der Komplementärmittel zwingt der Freistaat den Kommunen seine Vorstellungen von richtigen und guten Investitionen auf. Den Kommunen bleibt nur die Wahl, den einen Euro in die Kita-Sanierung zu stecken oder aber noch einen oder zwei zusätzlich zu bekommen, dann allerdings für den grundhaften Ausbau einer Straße.

Die PDS fordert in ihrem Antrag nicht mehr, aber auch nicht weniger als einen gerechten Anteil der Kommunen an den 882 Millionen Euro, die der Freistaat jährlich vom Bund bekommt. Damit erhalten sie eine reale Chance, eigene Prioritäten in der Investitionspolitik zu setzen, nicht nur, weil es ein Zeichen für eine neue Politik in diesem Land wäre, sondern auch aus Respekt vor der Rolle und den Leistungen der sächsischen Städte und Gemeinden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Die CDU-Fraktion hat das Wort. Herr Abg. Albrecht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat im Prinzip zwei Seiten, einen eher pragmatischen und einen – nennen wir es einmal – sachlichen Teil. Ich will es vorwegnehmen: Der Antrag der PDS-Fraktion in der Form, wie er hier vorliegt, den Kommunen einen Teil der Ergänzungszuweisungen in Höhe von 245 Millionen Euro als Pauschale außerhalb – darauf liegt die Betonung – des FAG zur Verfügung zu stellen, vermag auch nach dem, was ich jetzt gehört habe, sachlich nicht zu überzeugen. Warum? Mit dem – langes Wort – „Gesetz zur Anpassung der landesgesetzlichen Vorschriften an die Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost“ vom Januar 2002 wurde im FAG ausdrücklich geregelt, die Bundesergänzungszuweisungen nicht in die Verbundgrundlagen des FAG einzubeziehen. Dies steht im Zusammenhang mit den Regelungen des Solidarpaktes II. Der Bundesgesetzgeber hatte seinerzeit die Mittel nach dem Investitionsförderungsgesetzes bis zum 31.12.2002 befristet. Als Ausgleich wurde die Höhe der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen ab 2002 entsprechend aufgestockt. Eine Einbeziehung dieser Mittel in die Verbundgrundlagen des FAG hätte zum einen die Entscheidung des Landesgesetzgebers über die gesetzlich fixierten Finanzausgleichsmassen missachtet und zudem zu einem kaum vertretbaren Potenzial an Haushaltsumschichtungen geführt. Das Gleichgewicht und die Kontinuität der Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat und seinen Kommunen wären empfindlich gestört gewesen. Diese sachliche Notwendigkeit wurde seinerzeit auch von der PDS-Fraktion anerkannt. Sie hat dem damaligen Gesetzentwurf der Staatsregierung zugestimmt. Eine sachliche Begründung, warum dies nun nicht mehr gelten soll, vermag ich dem Antrag, so wie er vorliegt, nicht zu entnehmen. Ich möchte – um dies auch zu bekräftigen – einmal aus dem Protokoll vom 17. Januar 2002 zitieren. Der Redner der PDS führte damals aus – Zitat –: „Ohne die landesrechtliche Anpassung würde nach dem geltenden Wortlaut des FAG und des Festlegungsgesetzes die kommunale Finanzausgleichsmasse um rund 616 Millionen DM sprunghaft zulasten des Freistaates ansteigen. Das aber würde gegen den Gleichmäßigkeitsgrundsatz in Bezug auf die Finanzmasse zwischen dem Freistaat und den Kommunen verstoßen.“ So weit die Historie. – Dennoch – und das möchte ich an dieser Stelle betonen – ist es für die CDU-Fraktion klar, dass das prinzipielle Anliegen das Antrages – die Investitionsfähigkeit der sächsischen Kommunen in den kommenden Jahren zu stärken und damit die Solidarpaktmittel für ihren eigentlichen Zweck, nämlich den Abbau der nach wie vor bestehenden Investitionslücken zu verwenden – getragen wird.

Herr Albrecht, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Dann bitte.

Vielen Dank, Kollege Albrecht. Sie haben die Vorgeschichte völlig korrekt dargestellt.

Sie haben aber Folgendes vergessen: Unser Antrag sagt ausdrücklich, dass wir diese Investpauschale außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes wollen, weil wir Ihrer dargestellten Logik folgen.

Das ist richtig.

Geben Sie mir Recht, dass unser Antrag nicht in das FAG eingreift, sondern diese Investpauschale außerhalb des FAG vorsieht?

Genau, denn das wäre die Konsequenz in der Gesetzgebungsdiskussion des Jahres 2002 gewesen, in der Sie sich mit deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen haben, dies nicht zu tun.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Damals waren andere Zeiten!)

Manches scheint bei Ihnen doch kurzlebig zu sein, lieber Herr Prof. Porsch.

Der vorliegende Antrag unterscheidet sich aus unserer Sicht wohltuend von anderen Anträgen, die in diesem Hause gestellt wurden und gerade das Gegenteil bezweckten, nämlich eine Umverteilung von Investitionen hin zu konsumtiven Ausgaben. Was ich allerdings im Kontext Ihrer Zwischenfrage vermisse, Herr Dr. Friedrich, ist der konkrete Deckungsvorschlag, womit die PDS, wenn das Ganze außerhalb des FAG finanziert werden soll, die Investitionspauschale finanzieren will. Ich bin auf diese Vorschläge gespannt und nehme an, dass sie in den Haushaltsberatungen auf den Tisch kommen sollen.

Auch uns schmerzt es sehr, dass im vorliegenden Entwurf des FAG die investiven Schlüsselzuweisungen für die Kommunen im Jahr 2005 zusammengeschmolzen sind. Zur Vollständigkeit gehört aber auch – oberstes Ziel unserer kommunalen Spitzenverbände, und deren Votum fühlen wir uns verpflichtet; bei den Verhandlungen zum FAG war es –, die kommunale Finanzausstattung mit allgemeinen Deckungsmitteln einigermaßen stabil zu halten. Sie merken an meiner vorsichtigen Wortwahl, dass das Ganze natürlich immer im Rahmen der Möglichkeiten gesehen werden muss. Dies wurde erreicht, aber eben nur unter einer schmerzlichen Reduzierung bei den investiven Schlüsselzuweisungen. Die einseitige Fokussierung auf das FAG wird jedoch der Gesamtsituation der kommunalen Investitionstätigkeit in diesem Jahr keinesfalls gerecht. Allein die in den Koalitionsvereinbarungen verankerten Beschlüsse führten zu einer deutlichen Verbesserung der Investitionstätigkeit der sächsischen Kommunen.

Ich erinnere hierbei an die 50 Millionen Euro kommunale Investitionspauschale, an 15 Millionen Euro zusätzlich für den Schulhausbau und weitere 15 Millionen Euro für Investitionen in Kindertagesstätten. Das sind in Summe 80 Millionen Euro im Jahr 2005, die den Rück

gang der investiven Schlüsselzuweisungen weitgehend kompensieren.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Darüber hinaus sind weitere Entlastungen vorgesehen: erhöhte Zuschüsse bei der Kita-Pauschale, der Kulturraumförderung oder den Musikschulen. Dies ist eine wesentliche Entlastung, insbesondere der Verwaltungshaushalte, wofür auch die Spitzenverbände in den letzten Wochen eindeutig votiert haben. Schließlich wird die Steuerschätzung vom November 2004 – entgegen der Konzeption des FAG – nicht im Jahr 2005 umgesetzt, was ebenfalls zu einer Entspannung der kommunalen Haushalte im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen führen wird.

Zusammengefasst: Die kommunale Finanzausstattung bleibt angespannt, ebenso die des Freistaates. Dennoch sind Spielräume vorhanden, kommunale Investitionen auch in den Folgejahren zu finanzieren.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, einen Großteil des Anliegens dieses Antrages, soweit ich ihn erkenne und wie auch im Redebeitrag deutlich geworden ist, hat die Staatsregierung in dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf umgesetzt. Ich verweise auf die umfangreiche Pressemitteilung vom 11. Januar 2005, die uns allen vorliegt. Den Kollegen der PDS empfehle ich, angesichts des Sachstandes darauf zu verzichten, in Gemeinde- und Kreisräten im Sinne des vorliegenden Antrages einseitig zu diskutieren und kommunale Parlamente, wie dies in einigen Briefen inzwischen auch bei uns angekommen ist, zu instrumentalisieren. Ich glaube, das ist der Ernsthaftigkeit des Problems nicht dienlich.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Die allgemeine Aussprache wird fortgesetzt durch Frau Weihnert von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen. Ehrlicherweise – und das wissen eigentlich die Kollegen von der PDS – werden haushaltsrelevante Anträge auch zum Haushalt diskutiert, egal, ob wir über Haushalt oder FAG reden. Es wäre ehrlich und fair, wenn Sie die Dinge, die Sie tatsächlich möchten, zu gegebener Zeit in die Haushaltsdiskussion bzw. die Diskussion zum FAG einbringen. Sie wissen, dass solche Anträge außerhalb dieser Debatten nicht von Erfolg gekrönt sind. Ich weiß nicht, warum Sie immer wieder mit solchen populistischen Anträgen kommen. Andererseits könnte ich natürlich auch daraus schließen, meine Damen und Herren von der PDS, dass Sie das FAG offensichtlich anerkennen. Das wäre etwas ganz Neues; denn die Ausführungen meines Kollegen Albrecht haben bereits deutlich gemacht, dass wir von Ihnen schon ganz andere Töne gehört haben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Von Ihnen auch, Frau Weihnert!)

Wir haben auch gesagt, dass das FAG problematisch ist, aber wir diskutieren heute nicht zum FAG, sondern zu Ihrem Antrag.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das war schade!)

Wenn Sie diesen Antrag noch einmal genau betrachten, dann wissen Sie, auf welch heimliche Weise Sie Geld woanders abzwacken, das dann natürlich dem Haushalt nicht zur Verfügung steht und wofür Sie auch keinen Deckungsvorschlag machen.