nationale Jugendliche missbraucht, zum Beispiel um Versammlungen zu verbieten oder vorzeitig aufzulösen, die Freizügigkeit einzuschränken oder eben mit SEK-Einsätzen Einschüchterung zu betreiben.
Die wichtigste Lehre, die wir aus der Panne von Loschwitz ziehen können, ist unseres Erachtens, dass dies nicht ohne Folgen für die Moral der betreffenden Sicherheitsorgane und der zuständigen politischen Ebene bleibt. Es gibt nur einen Weg, daran etwas zu ändern: Wiederherstellung der Disziplin, kompromisslose Durchsetzung von rechtsstaatlichen, menschen- und bürgerrechtlich vereinbarten Prinzipien und absoluter Verzicht auf jedwede Instrumentalisierung des Polizeirechts für andere Zwecke als die reine Verbrechensbekämpfung.
Schwadronieren Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der bürgerlich-antifaschistischen Einheitsfront in diesem Hause, nicht länger mehr nur von einem demokratischen Rechtsstaat, sondern praktizieren Sie diesen endlich auch!
(Beifall bei der NPD – Heinz Eggert, CDU: Da können einem ja die Tränen kommen! – Holger Apfel, NPD: Sie wissen es, als Innenminister waren Sie ja oft dabei!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst folgende Anmerkung: Die vorherige Stellungnahme des Staatsministers hat die Tagesordnung oder die Redestruktur für uns insofern verändert, als es uns nicht möglich ist, zunächst einmal über den Antrag zu sprechen. Dazu gebe es schon einiges zu sagen. So wäre die Frage interessant, warum die Koalitionsfraktionen hier einen Antrag stellen, obwohl sie, wie Herrn Bandmanns Ausführungen zeigen, eigentlich doch schon genau wissen, dass alles „ganz wunderbar“ gelaufen sein soll. Ich möchte das nicht weiter ausbreiten, sondern auf das eingehen, was der Herr Staatsminister des Innern hier zum Einsatz in concreto gesagt hat. Denn das ist auch der Punkt, um den es heute geht, der konkrete Einsatz des SEK in Loschwitz. Die politischen Fragen, die hinterher kommen, zur Frage der allgemeinen Einsatzplanung und zur Durchführung von Einsätzen der Spezialeinsatzkommandos im Freistaat Sachsen, werden Gegenstand der von uns beantragten Aktuellen Stunde sein. Hier geht es um den konkreten Einsatz in Loschwitz, und der, Herr Staatsminister, ist alles andere als ein Ruhmesblatt für die sächsische Polizei.
Es bedarf keiner großen Überlegung, dass das Stürmen einer Wohnung von Unbeteiligten nachts um drei Uhr und der anschließend dort stattfindende massive Einsatz von Schusswaffen geeignet sind, in die Grundrechte der Betroffenen nachhaltig einzugreifen. Die dafür gegebenen Rechtfertigungen sind meines Erachtens bisher unzureichend.
Bereits die Planung des Einsatzes – so zeigen die Ausführungen hier – waren alles andere als professionell. Wenn vom 11. oder vom 13. ein Durchsuchungsbeschluss vorlag, ist es richtig, dass die Polizei diesen auszuführen hat. Aber niemand verbietet der Polizei, vorher gründlich zu recherchieren, welche Objekte man durchsuchen möchte.
Hier ging es nicht um den Notzugriff innerhalb weniger Minuten, sondern man konnte in Ruhe recherchieren. Es wäre auch möglich gewesen festzustellen, wie die Wohnverhältnisse dort sind. Es handelt sich nicht um ein Einfamilienhaus, in dem keiner weiß, wer wo lebt, sondern es gibt einen Ausgang im Erdgeschoss. Die eine Wohneinheit im Dachgeschoss ist über eine Treppe zu erreichen, und die Erdgeschosswohneinheit, in der die hier fraglichen Vorfälle stattgefunden haben, ist durch eine gesonderte Tür vom Flur abgetrennt, so wie in den meisten Mehrfamilienhäusern auch. Deswegen ist die Einlassung, man hätte das nicht auseinander halten können, in dieser Weise nicht akzeptabel. Für einen als Paketboten getarnten Beamten, der dort klingelt und in den Hausgang schaut, wäre es ohne Weiteres feststellbar gewesen und ohne Weiteres zu ermitteln. Nach meiner Erkenntnis verfügt die Polizei über solche raffinierte Ermittlungstricks, die sie bisweilen anwendet.
Die Durchführung ist alles andere als professionell. Denn nachdem man in diesem Rotlichtobjekt nichts angetroffen hat, obwohl man – so die polizeiliche Erkenntnis – sicher davon ausgehen konnte, dass die Zielperson dort war, hat man erst einmal das Konzept bei völlig geänderter Tatsachenlage so durchgeführt wie vorher geplant, obwohl die Planungsgrundlage entfallen war. Das ist nicht professionell, das ist in der Tat dilettantisch. Anschließend kommt es zu diesem Eindringen in die Wohnung der Unbeteiligten. Sie sind in keiner Weise verdächtig. Dieses Eingreifen ist nach unserer vorläufigen Bewertung schlicht rechtswidrig gewesen. Es handelt sich um getrennte Wohnräume und die dort später Beteiligten waren eigentlich unbeteiligt. Das Eindringen – und da vermag ich die feine Differenzierung zwischen der bloßen Sicherung und der Durchsuchung nicht nachzuvollziehen – war rechtswidrig. Es macht für den Betroffenen, der nachts nackt aus dem Bett gezerrt wird, keinen Unterschied, ob er im Rahmen einer Durchsuchung oder einer Sicherung nachts nackt aus dem Bett gezerrt wird. Diese Durchführung war auch unüberlegt und wurde später nach meinem Dafürhalten auch rechtswidrig. Aber was die Sache für uns politisch beanstandenswert macht, ist weniger, dass der Einsatz selbst in die Hose gegangen ist, sondern das sind die anschließende Bewertung und das Verhalten von Polizeiführung und Staatsregierung. Wir haben im Innenausschuss einen Bericht erhalten, so wie ihn das Plenum auch heute bekommen hat, angereichert mit einigen Details. Aber dort sind Ant
worten gegeben worden, die zum Teil falsch waren, wie die Frage der getrennten Wohnungstüren, oder die ausweichend waren zu der Frage, warum trotz erkennbar nicht mehr vorhandener Planungsgrundlage der Plan dann doch so weiter vollzogen worden ist – wie es auch Fragen gab, die überhaupt nicht beantwortet worden sind.
Das waren keine Fragen von großem Geheimhaltungsinteresse, sondern das waren ganz einfache Fragen, die nicht beantwortet worden sind. Man kann sie hier aber trotzdem stellen und nach unserer Kenntnis auch beantworten. Es geht zum Beispiel um die Frage, dass eine geringe Menge Kokain aufgefunden worden ist. Zu der genauen Menge wollte man sich nicht äußern. Ich weiß jetzt, warum: Es waren 0,01 Gramm Kokain.
Herr Staatsminister, bereits auf der Toilette des Deutschen Bundestages sind größere Mengen gefunden worden.
Aber das wird nicht gesagt. Das bleibt unter der Decke. Das sollen der Ausschuss und das Parlament nicht erfahren. Herr Minister, ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn bei der Durchsuchung 22 Kilogramm Kokain gefunden worden wären.
Ich nehme in der Tat an, dann wären Sie am nächsten Morgen um neun Uhr mit zwei Beuteln in der Hand vor der Landespressekonferenz erschienen.
Wir beanstanden, dass Auskünfte nicht oder nur teilweise gegeben werden und dass die Staatsregierung meint, auf diese Art und Weise die Sache halbwegs doch noch im grünen Bereich halten zu können. Das ist nicht der Fall. Es geht auch um eine falsche Bewertung. Was mich besonders stört, ist das anschließende Losgehen auf die Betroffenen nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“.
Abgesehen davon: Wenn jemand nachts in seinem Schlafzimmer angetroffen wird und, wie Sie sagen, nicht den Anweisungen der SEK-Beamten Folge leistet, wird daraus mit Sicherheit kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne des Strafgesetzbuches. Gleichwohl wird den Betroffenen aber mit einer entsprechenden Anzeige gedroht und es im Landtag im Rahmen der Berichterstattung auch noch als Ausgangslage und Rechtfertigung für die Fixierung von Unbeteiligten genommen. Nein, so einfach können wir es uns nicht machen!
Dieser konkrete Einsatz, Herr Staatsminister, ist alles andere als erfolgreich verlaufen. Er zeigt erhebliche Mängel auf. Wir werden die nächste Aktuelle Stunde zum Anlass nehmen, die Strukturen und die weiteren Konsequenzen mit Ihnen zu diskutieren.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte um den SEK-Einsatz ist schnell in den Kreislauf politischer Rituale gelangt. Die CDU-Fraktion blockt jede Kritik ab und stellt sich pauschal vor unsere Polizei. Jede kritische Nachfrage ist unangenehm und dem Frager werden unlautere Absichten und Pauschalkritik an der Polizei unterstellt. Herr Bandmann hat dafür heute wieder ein schlechtes Beispiel abgegeben. Anderseits sollten die PDS- und die FDP-Fraktion der Versuchung widerstehen, den Innenminister wegen des SEK-Einsatzes vorschnell einen Polizeiskandal ans Bein binden zu wollen. Ich sage aber zugleich an dieser Stelle: Herr Staatsminister, völlig unpassend und verfehlt sind Ihre Äußerungen in der Öffentlichkeit, mit der Sie die Betroffenen des Einsatzes in ein kriminelles Umfeld gerückt haben, obwohl gegen sie kein – ich betone ausdrücklich: kein – strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft – bis zum heutigen Tag. Es ist eine vornehmliche Aufgabe des Parlamentes, die Polizei zu kontrollieren, ob sie bei ihren Maßnahmen die Bürger- und Menschenrechte einhält, wie sie unsere Verfassung vorgibt. Jedenfalls sieht das die bündnisgrüne Fraktion als ihre vordringliche Aufgabe an.
Gerade weil die Sitzungen des Innenausschusses nichtöffentlich sind und die Beratungen und damit auch der Bericht des Innenministers vom letzten Donnerstag eigentlich vertraulich sind – Sie haben diesen Bericht jetzt zitiert, was mich etwas erstaunt hat –, ist es um so wichtiger, dass die Abgeordneten als Vertreter des Volkes ihre Kontrollaufgaben ernst nehmen. Eine reflexartige Vorab-Entschuldigung, wie sie die CDU praktiziert nach dem Motto „Die Polizei kann gar nicht irren“, untergräbt dagegen erst recht das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit des Handelns der Polizei und vor allem die Grundrechtssensibilität dieses Handelns. Andererseits ist es unzulässig, Herr Bartl, allein aus den Umständen, dass von dem Einsatz Personen betroffen wurden, gegen die kein Ermittlungsverfahren läuft, und das SEK zwei Hunde erschossen hat, auf die Rechtswidrigkeit dieses Einsatzes zu schließen.
Den Sachverhalt könnten wir alle in diesem Haus erst dann beurteilen, wenn wir die Akten vollständig kennen. Das tun wir aber nicht. Wir sind auf die Medienberichte und auf den Bericht des Innenministers angewiesen. Daher ist nur eine Plausibilitätskontrolle möglich. Nach der Geschäftsordnung könnte ich in der Öffentlichkeit nicht über die Einzelheiten der Beratung des Innenausschusses berichten. Einzelheiten sind nun offen gelegt worden, was aus meiner Sicht die Frage aufwirft, wie ernst sich der Innenausschuss nimmt angesichts dessen, dass ich und Kollege Martens aufgrund insistierenden Fragens vonseiten der Regierungskoalition bzw. der CDU-Fraktion scharfen Angriffen ausgesetzt waren.
Wenn wir hier Einzelheiten offen legen, dann möchte ich das an dieser Stelle klar aussprechen und kritisieren.
Das habe ich gerade getan. – Auf unsere ausdrückliche Nachfrage hat der Minister bestätigt, dass während der Schussabgabe auf die Hunde keine Bewohner des Hauses gefährdet gewesen seien. Zugleich möchte ich aber nicht verschweigen, dass der Innenminister keineswegs alle Fragen im Innenausschuss beantwortet hat. Ich gebe darin dem Kollegen Dr. Martens ausdrücklich Recht.
Dennoch ergibt sich für mich ein schlüssiges Bild des Sachverhalts, um den Vorgang vorläufig rechtlich und politisch zu bewerten. In rechtlicher Hinsicht ist meines Erachtens Folgendes zu beachten: Es ist zu trennen zwischen der Hausdurchsuchung gegen den Beschuldigten, den in der Presse so genannten Rotlichtkönig, und den unmittelbar Betroffenen, den Polizeibeamten, der Mitarbeiterin des Innenministeriums und ihrer Familie. Weiterhin ist zu trennen erstens zwischen der Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichtes Dresden, zweitens der Recht- und Zweckmäßigkeit der Anordnung des SEK-Einsatzes und drittens der Durchführung des SEK-Einsatzes.
Der SEK-Einsatz war gegen den beschuldigten „Rotlichtkönig“, und zwar auf die Durchsuchung von dessen Bordell und Wohnung, und nicht gegen den Polizeibeamten und dessen Lebensgefährtin gerichtet. Daher stellt sich die Frage, ob der Einsatz rechtswidrig wird, weil er nicht den Beschuldigten getroffen hat. Der Minister hat aus meiner Sicht jetzt glaubwürdig dargestellt, dass sowohl der Beschuldigte als auch die Betroffenen für die Polizeibeamten in einer Wohnung wohnten.
Herr Bartl, aus meiner Sicht bewegen wir uns im Bereich des § 102 und nicht des § 103. Ich denke, deshalb ist Ihre durchaus zutreffend dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes an dieser Stelle zwar im Grundsatz richtig, aber hier nicht anzuwenden.
Nein, Entschuldigung, es ist schon anzuwenden, aber Sie haben damit insinuiert, als ob wir damit im Bereich des § 103 wären; das sind wir nicht. Aber das möge dann ein Gericht beurteilen. Dazu sind wir nicht hier.
Die Zweckmäßigkeit des SEK-Einsatzes ist unter Einbeziehung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse im Vorfeld des Einsatzes zu beurteilen, insbesondere ob es die Gefährlichkeit des Beschuldigten für angezeigt erscheinen ließ, das SEK und keine normalen Kriminalbeamten einzusetzen.
Herr Staatsminister, Sie haben auf meine Nachfrage im Innenausschuss gesagt, dass der Verwalter des SEK seit Herbst dieses Jahres wegen Waffenbesitzes in Untersuchungshaft sitzt. Das ist für mich ein wesentlich stärkeres Argument als das Argument, dass der Beschul
Das wollten Sie nicht öffentlich vortragen. Deshalb habe ich es angesprochen. Wir müssen uns wirklich darüber Gedanken machen, wie wir in der Öffentlichkeit mit solchen Daten umgehen.
Zu der Art der Durchführung des SEK-Einsatzes ergeben sich aber durchaus Fragen: War es tatsächlich unvermeidlich, sofort zu schießen? War es tatsächlich ausgeschlossen, dass Menschen durch den Schusswaffengebrauch gefährdet wurden? War die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Polizeibeamten wirklich unvermeidbar? Wurden die Tochter und ihr Freund tatsächlich in menschenwürdiger Weise behandelt?
Das Problem ist doch, dass das SEK durch das Training und ihre Einsatzroutine auf die sofortige Brechung jedes Widerstandes ausgerichtet ist. Umso wichtiger ist es, den Einsatz des SEK erst nach sorgfältiger Vorermittlung anzuordnen.
Nach dem jetzigen Kenntnisstand komme ich zu der Beurteilung, dass die Durchsuchung und die Anordnung des Einsatzes des SEK, aber auch die Durchführung des Einsatzes nicht rechtswidrig waren. Ich gehe davon aus, dass der Anwalt der Betroffenen eine gerichtliche Klärung herbeiführen wird. Dem sollten wir nicht vorgreifen.
Wie fällt die vorläufige politische Wertung aus? Zunächst möchte ich mitteilen, dass mich der Auftritt des Inspekteurs der Polizei, Herrn Spang, entsetzt hat. Ich möchte seine Aussage nicht wiederholen. Sie lässt jede Sensibilität für die Schwere des Grundrechtseingriffs, der tatsächlich stattgefunden hat, sei er nun rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen, vermissen. Sollte diese Aussage die Stimmung in der sächsischen Polizei widerspiegeln, dann haben wir wirklich ein Problem.
Eine zweite Kritik geht an den Innenminister. Der Minister hat durch seine Aussagen in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, als ob es ausreiche, mit einem Rotlichtkönig unter einem Dach zu wohnen, um vom SEK überfallen zu werden.