Frau Kollegin, können Sie mir bitte die Tunnelprojekte europaweit nennen, die die DEGES bisher realisiert hat?
Da müsste man sich mit der DEGES austauschen. Sicherlich hat diese viele Vorhaben realisiert. Sie ist zum Beispiel zuständig für den gesamten Autobahnausbau usw., wobei sicherlich auch solche Dinge vorgekommen sind.
Was ich noch als kritikwürdig ansehe – das ist aber Vergangenheit, wir müssen in die Zukunft sehen –, ist, dass wir gemeinsam noch 1999 an der Trassenführung der Strecke München–Nürnberg–Berlin herumdiskutiert und diese infrage gestellt haben. Diese Diskussion hat zwei Jahre gedauert, bis sie beendet wurde. Erst jetzt unter Staatsminister Jurk wurde dieses Tunnelprojekt zur Chefsache erklärt. Außerdem gibt es seit Kurzem eine Taskforce. Bei einem Projekt dieser Größenordnung
verwundert das schon. Das Ziel meiner Fraktion ist daher, nach vorne zu sehen und eine zügige Fertigstellung des City-Tunnels zu realisieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ursprünglich sollte es das größte Vergabeverfahren für Schienennahverkehrsleistungen werden, das bundesweit je durchgeführt wurde. Durch den Tunnel sollten S-Bahn-Züge bis nach Zwickau, Plauen und Altenburg im Süden sowie Bitterfeld, Wittenberg und Dessau im Norden fahren. Die Planungen gingen sogar davon aus, in Leipzig eine besonders hohe Taktfrequenz der Bahnen zu erreichen. Vom Fünfminutentakt pro Stunde und Richtung durch den Tunnel war die Rede. Doch daraus wird – man muss wahrlich kein Prophet sein, um dies festzustellen – leider nichts werden.
Der Leipziger City-Tunnel wird nach diversen Hiobsbotschaften, die im August dieses Jahres auf uns niedergeprasselt sind, zwar nicht bis zum Jahr 2009 fertig, dafür aber wohl voraussichtlich empfindlich teurer werden. Die größte Hiobsbotschaft ist aber die, dass die Sinnhaftigkeit des Projektes nun gänzlich infrage steht, da das Vergabeverfahren für die Verkehrsleistung durch den Tunnel gehörig abgespeckt werden musste, weil die Staatsregierung die Fristen für die Verhandlungen über Nahverkehrsleistungen mit den Nachbarbundesländern Thüringen und Sachsen-Anhalt verpasst hat. Diese weisen darauf hin, dass sie vertraglich bis teilweise in das Jahr 2015 hinein an andere Betriebsprogramme gebunden sind, in denen der Leipziger City-Tunnel aber keine Rolle spielt.
Aus der Traum vom ökologischen und verkehrspolitischen Modellprojekt, das nicht nur der Stadt Leipzig, sondern auch den umliegenden strukturschwächeren Regionen einen Entwicklungsschub gegeben hätte. Nimmt man noch die geologischen Unsicherheiten dazu, die die anstehenden Bohrungen begleiten, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der City-Tunnel eines Tages auf dem Friedhof der gescheiterten Leuchtturmprojekte in Sachsen liegt, leider gar nicht mehr so klein.
Umso dringender stellt sich nun die Frage nach der Verantwortung der Staatsregierung für die zu erwartenden explodierenden Kosten beim City-Tunnel in Leipzig. Noch im Februar 2005 schien alles in bester Ordnung zu sein. Damals antwortete Wirtschaftsminister Jurk auf meine Kleine Anfrage zum City-Tunnel, dass im Jahr 2008 mit der Fertigstellung desselben zu rechnen sei. Auf meine Frage, ob sich die Staatsregierung für den Fall, dass EFRE-Fördermittel wegen einer Projektverzögerung verfallen, in der Lage sieht, das Projekt aus eigenen Haushaltsmitteln zu finanzieren, antwortete die Staatsregierung betont selbstbewusst, da man keinerlei EFREMittel verfallen lassen wolle, so Wirtschaftsminister Jurk, sei die Staatsregierung bestrebt, die mit diesen Mitteln förderfähigen Maßnahmen gezielt in dem Zeitraum bis
zum Ende der laufenden Förderperiode abzuwickeln. Außerdem würde die Planung des Bauablaufes speziell auf diesen Zweck hin ständig überprüft, womit sich die Frage nach einer weiter gehenden Finanzierung aus Sicht der Staatsregierung überhaupt nicht stelle.
In der Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage von mir präzisierte Herr Jurk noch einmal, dass sich die Staatsregierung über die Bauherrenvertretung regelmäßig Bericht über den Baufortschritt erstatten lasse. So haben Sie es, meine Damen und Herren, so habe ich es schwarz auf weiß.
Ich würde nun gern vom Wirtschaftsminister Jurk wissen, worin und mit welchen konkreten Ansprechpartnern genau diese ständige Prüfung des Bauablaufes bestanden haben soll, ob sie sauber dokumentiert wurde und deshalb bis heute nachvollziehbar ist und warum dann das Wirtschaftsministerium, wenn es denn eine ständige Aufsichtsfunktion gegenüber dem City-Tunnel-Projekt ausgeübt hat, nicht schon viel früher alle Alarmglocken klingeln ließ. Schließlich berichtete die „Leipziger Volkszeitung“ schon im September 2005, dass der Tunnelexperte Artur Franz bei einer nicht öffentlichen Sitzung des Leipziger Stadtratsausschusses für Planung und Bau erhebliche Schwierigkeiten mit Zeitplan und Budget beim Bau des City-Tunnels eingeräumt hatte. Wieso um alles in der Welt hat sich das sächsische Wirtschaftsministerium nicht schon damals mit Wolfgang Tiefensee zusammengesetzt, um mit ihm über eine möglicherweise für die Stadt und das Land zu erwartende Kostenlawine zu beraten?
Herr Jurk, die NPD wird Sie mit all den Fragen, die im Zusammenhang mit dem Problemkomplex City-Tunnel nun an die Oberfläche kommen, nicht aus der Verantwortung lassen. Wenn man bedenkt, wie viele kleinere und mittlere Unternehmen in Sachsen über eine gezielte einzelbetriebliche Förderung zu Trägern von Wachstum und Innovation werden könnten, dann können wir es uns nicht mehr lange leisten, Hunderte von Millionen Euro in solche Bauprojekte versickern zu lassen, die das Ergebnis Ihrer fragwürdigen Leuchtturmpolitik sind.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat werden Bauprojekte gelegentlich teurer. Das ist nichts Ungewöhnliches, das kommt vor. Aber man muss sich fragen, warum das passiert, um es entsprechend werten zu können.
Wir haben eine Kostensteigerung – von Herrn Jurk als möglich in Aussicht gestellt – von 73 Millionen Euro und wir haben den Sachverhalt, dass uns diese Kostensteigerung nicht durch den Minister oder durch zuständige Gremien bekannt gegeben wurde, sondern dass diese mögliche Kostensteigerung durch Indiskretion bekannt geworden ist.
In diesem Zusammenhang stellen sich ein paar Fragen: Warum wird das Projekt teurer? Und was sagen die zuständigen Gremien über diesen Sachverhalt, von dem wir quasi durch Indiskretion erfahren haben?
Die Unwägbarkeiten bezüglich des Baugrundes, die Sie auf Ihre Antwort bezüglich des PDS-Antrages anführen, erscheinen mir zwar logisch, aber im Rahmen des Projektes ungewöhnlich. Denn die Baugrundprobleme in Leipzig dürften allgemein bekannt gewesen sein. Sie waren Gegenstand von Diskussionen in Leipzig, die auch öffentlich waren und die man in der Zeitung nachlesen konnte.
Das heißt also, diese Informationen hätte man im Ausschreibungsverfahren doch verwenden und damit verhindern können, dass es tatsächlich zu diesen Kostensteigerungen kommt – das ist eigentlich der Vorwurf; nicht, dass sie eingetreten sind –, die von der Ursache her hinreichend bekannt gewesen sind und auf die man hätte Rücksicht nehmen können.
Zur Frage des Umgangs mit den Informationen. Herr Jurk, Sie haben noch im letzten Jahr auf meine Kleine Anfrage hin geantwortet, dass Kostensteigerungen für den City-Tunnel überhaupt nicht zu erwarten sind.
Das ist das Problem: dass das Ministerium letztendlich über die Vorgänge in der Projektsteuerung überhaupt nicht informiert war. Ich weiß sehr wohl, dass Sie, als das Projekt angeschoben wurde, noch nicht Minister waren, aber Sie müssen nun hier als Minister die Verantwortung für die Situation übernehmen. Die erheblichen Defizite bei der Projektsteuerung sind offensichtlich – Projektmanagement DEGES, Kostenmanagement DB AG. Die machen vielleicht, was sie wollen – wir als Freistaat erfahren es nicht –, und hier müssen Sie, Herr Jurk, erklären, welche Maßnahmen Sie ergriffen haben, um in der Zukunft zu verhindern, dass solche Kostensteigerungen eintreten, und wie Sie sicherstellen, dass die Zahlen, die in der Öffentlichkeit genannt werden, tatsächlich das Ende der Fahnenstange sind und dass das Projekt zeitgerecht und in dem Kostenrahmen abgewickelt werden kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich einmal folgende Überschrift auf Seite 1 der Tageszeitung vor: „Öffentliches Bauvorhaben im Freistaat Sachsen kommt mit den
(Peter Wilhelm Patt, CDU: Das haben wir doch permanent! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das zeigt, dass die GRÜNEN Träumer sind!)
Stattdessen holt uns auch beim City-Tunnel in Leipzig die immer wieder traurige Normalität ein: Der Bau wird teurer als erwartet, die Terminfolgen können nicht eingehalten werden, mit der Fertigstellung ist erst Jahre später zu rechnen.
Meine Damen und Herren, schon jetzt ist eine bis zu 15-prozentige Überziehung der Kosten festzustellen – das ist alles andere als ein Pappenstiel. Aber, Herr Staatsminister Jurk als oberster Bauherr: Noch mehr als die Überziehung selbst hat mich an diesem Vorgang gestört, dass nicht Sie es waren, der das Parlament und den zuständigen Haushaltsausschuss über diese bedauerlichen Vorgänge informiert hat. Zu danken ist an dieser Stelle den Journalisten, die ihrer Rolle als „vierte Gewalt“ im Staate gerecht geworden sind und ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben, was ans Licht der Öffentlichkeit gehört.
Zu dem Thema Unwägbarkeit Baugrund fällt mir eigentlich nur der Spruch ein, dass der Sand ja nichts dafür kann, wenn der Unwissende auf ihm baut.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Jurk, im Februar haben Sie dem Kollegen Pellmann noch geantwortet, dass alles im Rahmen läuft. Wäre es nicht Ihre Pflicht gewesen, uns zu informieren, als Ihnen bekannt wurde, dass Ihre Aussage vom Februar überholt war und dass der Rahmen bereits gesprengt ist? Ich bin weit davon entfernt, Sie politisch für die Kostenüberschreitung verantwortlich zu machen. Was ich aber von Ihnen erwarte, ist, dass Sie das Parlament und die Öffentlichkeit von sich aus informieren, wenn es dazu Anlass gibt. Nur das zu bestätigen, was die Medien bereits berichtet haben, scheint mir keine gute Informationspolitik zu sein.
Ihre Aufgabe wird nun sein, die Steuerung und das Controlling der diversen Projekte, die im SMWA laufen, sehr zügig zu verbessern und dafür zu sorgen, dass rechtzeitig gegengesteuert wird. Ich denke, auch im Interesse weiterer Großinvestitionen im Freistaat müssten Sie über personelle Konsequenzen in Ihrem Hause nachdenken.
Meine Damen und Herren, was mich als Leipziger besonders stört, ist der Umgang des zuständigen Ministeriums mit den von den Baumaßnahmen betroffenen Unternehmern, besonders den Händlern und Gastronomen. Es ist ohne Zweifel so, dass das Leipziger Innenstadtgewerbe sehr stark beeinträchtigt wird. Anstatt nun den dortigen Steuerzahlern hilfreich die Hand auszustrecken, führen sich die Vertreter des SMWA in Leipzig wie preußische Beamte auf. Das Maß an Arroganz, was dort vor den
Sehr geehrter Herr Minister, wenn Sie in der Leipziger City das von Ihren Spitzenbeamten zerschlagene Porzellan wieder kitten wollen, dann müssen Sie sich persönlich der Sorgen und Nöte der Betroffenen vor Ort annehmen. Ich möchte Sie ausdrücklich darum bitten, sich um die Problematik der Umsatzeinbußen und nötiger Entschädigungen zu kümmern, ansonsten sind eine Prozess- und vielleicht auch eine Insolvenzlawine zu befürchten; das wollen wir vermeiden.
Als Leipziger Stadtrat kann ich Ihnen natürlich versichern, dass Sie vonseiten der Stadt volle Unterstützung haben. Gefragt ist jetzt keine kleinliche Paragrafenreiterei, gefragt sind keine Beamten, die wissen, was alles nicht geht, sondern gefragt ist, was und wie es geht, gefragt sind sehr schnelle und vielleicht auch unbürokratische Lösungen. Herr Minister, nochmals meine Bitte: Kümmern Sie sich um diese Probleme!
Meine Damen und Herren, ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Entscheidung für den City-Tunnel richtig war – richtig hinsichtlich des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und der Standort-, Wirtschafts- und Infrastrukturentwicklung in Leipzig. Trotzdem müssen wir heute feststellen, dass die Zustimmung zu diesem Projekt von Tag zu Tag sinkt. Das Loch wieder zuzuschütten ist keine Lösung. Die Staatsregierung wäre gut beraten, einmal öffentlich aufzuzeigen, welche Konsequenzen denn ein Baustopp für den Freistaat und damit für den sächsischen Bürger und Steuerzahler hätte.
Aus den begangenen Fehlern zu lernen, das Projektmanagement zügig zu verbessern, uns weitere Überraschungen zu ersparen und ein vernünftiger Umgang mit der Öffentlichkeit im Allgemeinen und den Leipziger Unternehmern im Besonderen – das ist jetzt die Aufgabe der Stunde. Herr Minister, das ist Ihre Aufgabe.