Protocol of the Session on July 20, 2006

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Frau Abg. Hermenau, Sie dürfen für Ihre Fraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Scheel, ich kann Ihre emotionale Grundhaltung zu diesem Antrag nachvollziehen. Mir ging es ähnlich. Ich schwankte auch zwischen Empörung und Amüsiertheit.

Um zur Sache zu kommen: Bei dem Koalitionsantrag werden wir den ersten Punkt sinnvoll zu ergänzen versuchen, wenn es geht; den zweiten müssen wir sowieso ablehnen. Ich begründe das auch gern kurz. Wenn Sie sich unseren eingebrachten Änderungsantrag ansehen, dann erkennen Sie, dass es nicht darum gehen kann, dass man die Gewerbe- und Grundsteuer isoliert von allen anderen betrieblichen Belastungen, die sich aus Abgaben und anderen Steuerarten, auch wenn sie von anderen Ebenen kommen, insgesamt ergeben. Sie müssen das als kommunizierende Röhren begreifen, die miteinander im Zusammenhang stehen. Wenn Sie nur an einer Schraube drehen, wissen Sie gar nicht, was im ganzen System noch durch die Kolben gluckert. Das halte ich an sich schon für sehr gefährlich. Deswegen wäre es bei der Analyse wichtig, einfließen zu lassen, welche Maßnahmen der Bund beschlossen hat. Da gibt es einige wichtige Sachen. Die Mehrwertsteuer ist schon erwähnt worden, aber es gibt

auch andere Dinge, die eine Rolle spielen. Außerdem ist dort gerade ein Prozess im Gange, die Dinge zu diskutieren. Darauf komme ich gleich noch.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene vom letzten Herbst ist beschlossen worden, dass man in Zukunft besser darauf achten will, ob man ein Flächensparpotenzial entdeckt, weil man merkt, dass man unter den Bedingungen des demografischen Wandels nicht mehr in der Lage ist, eine so weitläufige Besiedelung im Lande und eine Entdichtung der Besiedelungsräume überhaupt noch mit Infrastruktur finanziell abzudecken. Wenn sich Kommunen beschweren, die diese Infrastruktur erstellen müssen, dass Dinge teuer werden, hat das auch etwas damit zu tun, dass der demografische Wandel berücksichtigt werden und eine Verdichtung der Innenstädte stattfinden muss. Dort hat die Grundsteuer vielleicht eine Aufgabe zu erfüllen. Das können Sie noch gar nicht wissen, weil Vormodelle gerade untersucht werden. Es ist ziemlich schwierig, sich aus aktuellen Prozessen herauszuhalten, die eigentlich für die Entwicklung des Freistaates sehr wichtig sind. Immerhin ist das Thema wichtig genug, dass sich der Landtag eine EnqueteKommission Demografie gönnt, und immerhin ist es wichtig genug, dass die Regierung eine Expertenkommission berufen hat, die auch solche Fragen der Infrastrukturfinanzierung in diesem Land berücksichtigen muss. Die Grundsteuer, über die ich spreche, wird mit in Bezug kommen müssen. Deswegen jetzt die Hebesätze bei der Grundsteuer deckeln zu wollen, ohne zu prüfen, welche Auswirkungen im Gesamtsystem zu erwarten sind, ist kurzsichtig und abenteuerlich.

Wenn Sie den Flächenverbrauch einschränken wollen, werden Sie diese Steuerart noch brauchen. Ich habe einmal nachgesehen, was im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung publiziert worden ist. In gering verdichteten Gemeinden liegen die Kosten je angeschlossenem Einwohner im Mittel bei etwa 10 % über dem Regionaldurchschnitt. Kostenaufwändiger sind vor allem die gering verdichteten Gemeinden mit Bevölkerungsrückgang, also demografischem Wandel. Hier zeigen sich 20 bis 30 % höhere Kosten, gemessen am regionalen Durchschnitt. Und Sie wollen die Hebesteuersätze anpacken, obwohl es Aufgabe der Kommunen ist, die vor Ort am besten einschätzen können, was geht.

Manchmal frage ich mich, ob Sie in der Koalition überhaupt überregionale Presse lesen oder ob Sie eventuell ab und zu mit Ihren Parteikollegen auf der Bundesebene sprechen. Es wäre wichtig, dies in die Reformprozesse auf Bundesebene einzubetten. Beide Steuerarten, sowohl die Grund- als auch die Gewerbesteuer, sind Gegenstand der laufenden Steuerreform auf Bundesebene – übrigens wurde sie von den Landesfinanzministern beauftragt, das zu tun. Da muss man nicht wieder die sächsische Insellösung versuchen, sondern in diesen Reformprozessen mitreden und vernünftige Sachen zustande bringen. Ich hoffe, Herr Finanzminister, Sie gehen dann noch einmal darauf ein.

(Beifall der Abg. Bettina Simon und Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS)

Ich will die Details weglassen, das muss alles nicht sein, denn der Antrag an sich ist sehr schwierig. Wenn Sie unserem ersten Änderungsantrag zum Punkt zustimmen können, können wir dem ersten Punkt zustimmen. Den zweiten Punkt werden wir sowieso ablehnen müssen. Wenn Sie die Hebesätze beider Steuerarten jetzt deckeln und eine sächsische Insellösung machen wollen, dann ist das ganz und gar nicht in der Sache zutreffend. Es ist sogar sachfremd.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Bettina Simon und Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS)

Gibt es aus den Fraktionen weitere Redewünsche? – Herr Pecher, bitte.

Meine Damen und Herren! Ich wollte die Diskussion nicht unnötig ausdehnen, aber ich muss einen Aspekt richtig stellen. Ich bin neu in dieser Koalition seit knapp zwei Jahren und denke, die Linksfraktion.PDS vertritt auch die These vom lebenslangen Lernen. Diesen Anspruch nehme ich mir an. Da fällt mir auch kein Zacken aus der Krone, Herr Scheel. Das ist auch keine Beleidigung. Im Übrigen, denke ich, kann man Intelligenz nicht beleidigen. Entweder man hat sie oder man hat sie nicht.

Des Weiteren möchte ich sagen, dass Sie Recht hatten, Herr Scheel, indem Sie diesen Änderungsantrag zum FAG beim letzten Doppelhaushalt gestellt haben. Bei diesem Antrag geht es doch nicht darum, Frau Hermenau, in das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen hineinzureden, wie diese ihre Hebesätze gestalten, und es ist auch nicht Sinn und Zweck des Antrages, einen Durchschnittshebesatz zu definieren. In diesem Antrag geht es darum, in Durchsetzung der Kommunalaufsicht zu verhindern, dass die Regierungspräsidien die Kommunen ständig drängen, über diesen Hebesatz zu gehen. Das ist ein sächsisches Problem, das wir hier beeinflussen können. Das ist Kern dieses Antrages. Das löst man nicht, indem man einen neuen Durchschnitt definiert, der dann, nachdem alle durch das Ministerium darübergetrieben worden sind, nach zwei Jahren wieder ein Stück höher angepasst wird. Wir wollen darauf drängen, dass bei der Kommunalaufsicht darauf geachtet wird, nicht immer wieder bei den Grundsteuer- und Gewerbesteuerhebesätzen maßlos zuschlagen. Also praktisch ein verwaltungstechnisches Problem zu klären, das ist eigentlich Grundtenor dieses Antrages.

Zu dem Bereich, weil hier immer wieder Bundespolitik benannt wird, Frau Hermenau, zu Ihrem Änderungsantrag: Wenn ich dieses Problem, wie ich es beschrieben habe, also die Mehrwertsteuer, nehme, gehört das ja nicht auf diese Tagesordnung, so oft wir es hier auch diskutiert haben.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das Thema Grundsteuer ist in beiden AK von SPD und CDU genau mit dieser Intention verabschiedet und ist in der Pipeline, sodass es auf der Tagesordnung des nächsten Plenums stehen wird. Das hat die Koalition bereits abgearbeitet. Ganz so hinter dem Mond, wie es dargestellt wird, sind wir nicht. Deshalb werden wir Ihren Änderungsantrag ablehnen. Das noch einmal zum Verständnis, Herr Scheel.

Der Abg. Scheel möchte darauf noch einmal erwidern.

Ich gestehe Ihnen gern Lernfähigkeit zu. Das steht eigentlich jedem Menschen das ganze Leben lang zu.

Das Problem ist hier, Sie haben einen Antrag gestellt. Wenn Sie das wirklich ernsthaft wollten, Sie das Problem interessieren würde und Sie nicht einen populistischen Schaufensterantrag haben wollten, dann hätten Sie es in Ihren Fraktionen eingebracht und dem Finanzminister mit auf den Weg gegeben. Genau das habe ich gesagt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Das ist die wirkliche Intelligenz, wenn Sie das ernsthaft interessiert.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD – Unruhe bei den Fraktionen – Glocke der Präsidentin)

Herr Pecher, Sie können gern noch einmal ans Mikrofon gehen.

Meine Damen und Herren! Aus den Fraktionen gibt es im Moment keine Redewünsche mehr. Ich frage den Finanzminister. – Herr Staatsminister Dr. Metz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir eine lebhafte Debatte im Vorfeld des FAG führen, und weiß, dass wir es in diesem Hause in den nächsten Monaten ab September noch häufiger tun werden.

Ich freue mich auch, dass wir ein originäres sächsisches Problem, ein Landesproblem, behandeln.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bezieht sich auf den Ländervergleich – das will ich durchaus sagen – bei den tatsächlich hohen durchschnittlichen Hebesätzen bei Grund- und Gewerbesteuern. Ja, das ist so. Hier gilt es noch verschiedene Komponenten zu beachten, die die Aussagekraft solcher Ländervergleiche natürlich relativieren.

Fangen wir mit den Grundsteuern an. Bei den Grundsteuern liegen die ostdeutschen Länder deutlich bei niedrigeren Bemessungsgrundlagen, sodass die Hebesätze allein nicht aussagekräftig sind. Mein Haus hat daher einmal untersucht, wie sich das Grundsteueraufkommen je Einwohner im Ländervergleich darstellt. Das ist die

Messlatte, die wir immer so anlegen. Es zeigt sich, dass das Aufkommen an Grundsteuer A in Sachsen im Jahr 2005 mit 3,24 Euro je Einwohner nur halb so hoch war wie im Durchschnitt der übrigen neuen Länder. Da lag es mit 6,18 Euro je Einwohner auch unter dem Durchschnitt der alten Länder. Dort liegt es bei 4,56 Euro je Einwohner.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, dann gerne.

Auch das Aufkommen aus der Grundsteuer B je Einwohner in Sachsen mit 96,04 Euro liegt deutlich unter dem Wert der alten Länder von 121,08 Euro je Einwohner. Dass der Vergleich der Grundsteuerhebesätze mit denen der alten Länder – auch darauf will ich hinweisen – aufgrund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlage nicht sinnvoll ist, wissen wir. Das hat der Sächsische Rechnungshof auch in seinem Bericht aus dem Jahr 2004 festgestellt. – Bitte.

Ihrer Analyse folgend, stimmen Sie mir darin zu, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen in dem ersten Punkt, der die Grundsteuer betrifft, nicht sachgerecht ist?

Nein, das habe ich nie gesagt. Ich finde es auch durchaus richtig, hier über diese Dinge einmal zu sprechen, denn es sind wirkliche Probleme und Aufgaben, die wir im Land vor uns haben. Ich verrate auch kein Geheimnis, dass wir versuchen, das Grundsteuerproblem bundesweit neu zu regeln. Insofern finde ich diesen Antrag sehr sinnvoll.

Beim Vergleich der Gewerbesteuerhebesätze zwischen den Ländern muss zudem natürlich auch die unterschiedliche Siedlungsstruktur in den Ländern beachtet werden. In Ländern mit ländlich geprägter Struktur – Sie wissen, welche ich meine; ich brauche sie nicht zu nennen – liegen die Hebesätze tendenziell niedriger als in Ballungsräumen mit großen Städten. Gerade Sachsen hat mit seinen drei großen Zentren natürlich eine Ausnahmestellung in den neuen Bundesländern.

Den angesprochenen Anstieg der Hebesätze in den letzten Jahren will ich gar nicht von der Hand weisen. Ich möchte aber auf einige Ursachen eingehen.

Sicher hat hier auch die Verwaltungsvorschrift zur kommunalen Haushaltswirtschaft beigetragen, da diese im Zuge der Haushaltskonsolidierung natürlich einen Anstieg der Hebesätze über den Landesdurchschnitt vorgeschrieben hat. Meine Damen und Herren! Die Betonung liegt auf „hat“. Dieser Zwang zur Anhebung der Hebesätze im Rahmen der Haushaltskonsolidierung wurde daher gestrichen. Er findet sich nur noch für Gemeinden, die im Zuge der Haushaltskonsolidierung Bedarfszuweisungen erhalten. Hierauf haben auch schon einige Vorredner hingewiesen. Natürlich ist die Kommune verpflichtet, das Potenzi

al, das sie hat, auszuschöpfen. Da sind auch die Gewerbesteuern eine Komponente. An dieser Stelle ist es nur gerechtfertigt, da Bedarfszuweisungen lediglich eine Hilfe zur Selbsthilfe darstellen und nicht mehr.

Ein weiterer Grund ist natürlich in den jährlichen Orientierungsdaten vom SMI zur mittelfristigen Finanzplanung gegeben. In ihnen wurde den Kommunen empfohlen, meine Damen und Herren, bei Hebesätzen unter dem Landesdurchschnitt diese auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Auch auf diese Anforderung ist bereits in den aktuellen Orientierungsdaten verzichtet worden.

Ein dritter Grund kann natürlich auch an einem Missverständnis des Finanzausgleichsgesetzes liegen. Da bin ich bei dem Thema, das mich am meisten interessiert.

Im Finanzausgleichsgesetz ist festgeschrieben, dass sich die Schlüsselzuweisungen aus der Höhe der Bedarfs- und der Steuermesskraft einer Gemeinde errechnen. Zur Berechnung der Steuerkraftmesszahl werden im Sächsischen FAG – wie übrigens auch in allen anderen deutschen Bundesländern – nivellierte Hebesätze benutzt. Die sächsischen Nivellierungshebesätze errechnen sich aus den landesdurchschnittlichen Hebesätzen, unterteilt nach kreisangehörigen Kommunen und Kreisfreien Städten, wie Sie wissen. Die Gemeinden haben aus der Höhe der Nivellierungshebesätze teilweise den Schluss gezogen, sie müssten ihre Hebesätze jeweils auf dieses Niveau anheben, um nicht im FAG benachteiligt zu werden. Da kam wiederholt die Forderung auf, die Nivellierungshebesätze abzusenken oder einzufrieren.

Meine Damen und Herren! Zudem wären insbesondere steuerschwache Kommunen von einer Absenkung bzw. Einfrierung der Nivellierungshebesätze betroffen. Warum?

Die Schlüsselzuweisung einer jeden Kommune hängt nicht nur von der eigenen Bedarfs- und Steuerkraftmesszahl ab. Auch die Höhe der gesamten Steuereinnahmen, die dann in das System eingerechnet werden, hat einen entscheidenden Einfluss. Von dem derzeit praktizierten System profitieren daher vor allem wirtschaftlich schwache Kommunen mit niedrigen Steuerbemessungsgrundlagen, wie Sie sie gerade im ländlichen Raum finden.

Würde man nämlich die Nivellierungshebesätze absenken oder unverändert festlegen, obwohl die tatsächlichen Hebesätze im Durchschnitt steigen, würde das natürlich die Ausgleichswirkung zum Negativen für die wirtschaftlich schwachen Kommunen reduzieren.

Im Rahmen der FAG-Gespräche sind wir jedoch mit den kommunalen Landesverbänden, dem SSG und dem Landkreistag, übereingekommen, dass für die Bestimmung der Nivellierungsgrundsätze die landesdurchschnittlichen Hebesätze künftig auf den nächsten durch 7,5 teilbaren Hebesatz abgerundet werden. Bisher haben wir auf den nächsten durch fünf teilbaren Hebesatz abgerundet.

Meine Damen und Herren! Damit ist entsprechend weniger Dynamik in dem System und es gibt weniger Anpas

sungsnotwendigkeiten. Aber auf die Systematik werden wir nicht verzichten. Wir werden auch die Kommunalaufsicht über die wechselnden Nivellierungshebesätze informieren. Nach meiner Meinung muss es in den kommunalen Verwaltungshaushalten in Zukunft mehr auf Einsparungspotenziale ankommen, das heißt also, Ausgaben sind den Einnahmen anzupassen.

Nur wenn trotz Nutzung sämtlicher Konsolidierungspotenziale ein Fehlbetrag im Haushalt droht, sollte in den Kommunen auch auf die Anhebung der Hebesätze hingewirkt werden.