Protocol of the Session on June 22, 2006

(Stefan Brangs, SPD: Das ist nur der Neid!)

Herr Brangs, es wäre schön, wenn wir ein bisschen mehr Substanz bekommen würden und nicht solche nichts sagenden Folien vorgehalten bekommen. Dazu ist das Projekt zu wichtig, und auch die politische Willensbildung, auch wenn sie von manchen nicht so besonders geschätzt wird, ist uns ziemlich wichtig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Dr. Friedrich von der Linksfraktion.PDS hat sich noch einmal gemeldet, als Nächstes Herr Lichdi.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Theoretisch kann ich noch 23 Minuten sprechen – keine Angst, ich spreche höchstens drei Minuten.

Die Debatte hat jetzt einen gewissen Unterhaltungswert bekommen,

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Eben, eben!)

aber ich möchte noch einmal den realen Kern auf den Punkt bringen. Herr Dr. Hähle, Sie haben vorhin gesagt: Was regen wir uns auf, wir bekommen die Gesetze schon noch und dann können wir ja stänkern. Mein Fraktionsvorsitzender hat es auf den Punkt gebracht: Uns geht es darum, auf Augenhöhe zu beraten. Natürlich haben Sie die Verantwortung. Sie stellen die Regierung, Sie bringen die Gesetze ein, aber wir möchten gern auf Augenhöhe mit Ihnen diskutieren und nicht auf nichtoffiziellen Wegen eingesogene Informationen, die nicht zuverlässig sind und vielleicht zu berechtigtem oder unberechtigtem Populismus auffordern, verwenden. Wir hätten gern gesicherte, transparente Informationen. Das ist der Punkt. Die haben wir heute wiederum nicht bekommen.

Ich mache es an einem ganz ernsten und eigentlich in jedem Kreistag oder Stadtrat aktuellen Beispiel klar. Es gibt kaum einen Kreistag im Freistaat Sachsen, der nicht in den letzten Wochen bereits über das Problem Freiwilligkeitsphase und Kreisgebietsreform diskutiert hat oder in den nächsten Wochen diskutieren wird. Grundlage war die außerordentlich fleißige mehrfache Rundreise des Herrn Innenminister Dr. Buttolo. Das sei ihm nicht verwehrt. Auch der Kreistag Delitzsch wird sich in der nächsten Woche mit dem Problem beschäftigen. Nun gibt es diese angebliche oder tatsächliche Freiwilligkeitsphase bis 31. Oktober 2006, wie man hört. Das ist viel zu kurz, um irgendetwas Seriöses freiwillig machen zu können. Das wird wirklich ein Alibi werden, denn es ist ja so: Wenn man Kreise nicht wieder zerschneiden kann, was eine gewisse Berechtigung hat, gibt es nur drei oder vier sinnvolle Varianten. Das ist schlichte Mathematik.

Was sollen denn die Kreistage oder Stadträte ernsthaft beschließen, wenn sie überhaupt keine offiziellen Informationen haben? Wie belastbar sind die 200 000 oder die

170 000? Gelten sie jetzt? Gelten sie 2020? In welcher Rang- und Reihenfolge sind die verschiedenen Kriterien, die in Ihrem Leitbild stehen, zu ordnen? Was soll der Kreistag ernsthaft diskutieren, wenn sowieso schon alles vorgegeben ist?

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben Sie die Karten in Ihrem Ministerium längst fertig. Oder Sie gaukeln eine Freiwilligkeit vor. Wir möchten – da sind wir Anwalt der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter, der Kreisräte und Stadträte –, dass die Kommunen und die Kreise, wenn sie schon über diese Freiwilligkeit diskutieren, tatsächlich mit belastbaren Informationen diskutieren und tatsächlich eine reale Chance der Auswahl haben, aber dass hier keine Pseudodiskussion stattfindet.

Da konnten Ihre Ausführungen, Herr Staatsminister Buttolo, heute beim besten Willen nicht erhellen. Ich bin ehrlich gesagt so schlau, wie ich zuvor war, und es ist bedauerlich, dass wir diese anderthalb Stunde diskutiert haben, ohne in der Sache voranzukommen. Hier muss wirklich ein Ruck durch die Koalitionsfraktionen gehen. Es ist ja sehr interessant, Herr Brangs, dass es gewisse Arbeitsgruppen und Prüfaufträge gibt. Das konnte ich auch schon selbst lesen, aber weitergeholfen hat es uns nicht. Ich bedauere, dass Sie mit einem so dünnen Ergebnis hier auftreten. Sie haben einmal großmundig geschrieben: Die Reform soll kein Rohrkrepierer werden. Hört! Wenn Sie so weitermachen, Herr Kollege Brangs, sind Sie auf dem besten Weg, sich der Beihilfe zum Rohrkrepierer schuldig zu machen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Lichdi, Sie haben außerhalb des Schlusswortes verzichtet. Herr Dr. Buttolo, Staatsminister des Innern, hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich möchte ich nicht das gesamte Diskutierte der letzten eineinhalb Stunden wiederholen. Aus doch berechtigtem Anlass heraus möchte ich auf einige Punkte eingehen.

Herr Dr. Friedrich, ich halte es für nicht ganz fair, mir zu unterstellen, ich würde den Sächsischen Landtag wie unmündige Kinder behandeln. Was tue ich denn? Ich bin so dreist, dass ich den Auftrag, den ich von der Staatsregierung habe, erfülle, ein Gesetzgebungsverfahren vorzubereiten, das ganz legitim ist; denn die Staatsregierung darf in diesen Landtag Gesetze einbringen. Ich bin dabei, diese Aufgabe zu erfüllen. Damit ich nicht auf die Weisheit nur meiner Mitarbeiter angewiesen bin, bin ich sehr froh darüber, dass mich dieser Lenkungsausschuss bei der Meinungsbildung zu dem, was ich dem Kabinett vorschlage, berät, wo wir Eckpunkte festsetzen.

Herr Dr. Martens, ich bin schon etwas erstaunt über Ihren Beitrag, wenn Sie meinen, dass ich keinen Zeitplan

vorgelegt habe. Ich habe in unserem Gespräch und heute klar gesagt: nächste Woche Kabinettsbefassung zu den Punkten, die wir dem Lenkungsausschuss vorgelegt haben. Ich habe auch gesagt, unmittelbar danach beginnt die Formulierung von Gesetzentwürfen und eines Referentenentwurfes in beiden Richtungen, nämlich Funktionalreform und Verwaltungsreform. Ich hatte weiterhin gesagt, dass ich zum Jahresende diese Gesetzentwürfe so weit haben will, dass wir in die Anhörungen gehen können. Ich habe Ihnen auch mitgeteilt, dass wir beabsichtigen, dem Parlament in unserem Entwurf vorzuschlagen, dass Teile dieser Gesetze zum 01.01.2008, aber der ganz große Rest zum 01.07.2008 in Kraft treten soll. Es verwundert mich schon, dass Sie sich nach diesem Gesagten hier hinstellen und meinen, es sei zum Zeitplan nichts gesagt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Was ist mit der Freiwilligkeitsphase?)

Dazu komme ich auch noch, wenn ich Sie, Herr Dr. Hahn, noch um ein klein wenig Geduld bitten darf.

Herr Dr. Friedrich, in der Tat war ich so dreist, mit meiner Mannschaft den erst gegründeten Sachsenforst mit zu analysieren, ob bei diesen 1 900 Arbeitskräften nicht auch Aufgaben enthalten sind, die von denjenigen Arbeitskräften realisiert werden, die auf die kreisliche Ebene verlagert werden könnten. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass durchaus die Aufgaben von 400 Personen aus diesem Staatsbetrieb Sachsenforst ausgegliedert werden sollten und in die kommunale Hoheit zu überführen sind. Ich halte an diesem Vorschlag fest und bin schon verwundert, dass Sie dann von der Zerschlagung Sachsenforst sprechen. Der Staatsbetrieb besteht nach wie vor auch nach meinem Vorschlag mit 1 500 Beschäftigten weiter.

Herr Dr. Müller, Sie hatten die Führerscheinstelle und die Kfz-Stelle als Stellen benannt, die man doch für die Bürgernähe für so wichtig empfinden müsse. Zu den KfzZulassungen: Ein Großteil der Zulassungen wird nicht von den Bürgern selbst vorgenommen, sondern über die Autohäuser bzw. über die Autohändler als Service angeboten.

Die Führerscheinstelle hat man im Normalfall als Bürger relativ selten in seinem Leben in Anspruch zu nehmen, es sei denn, dass man häufig mit Fahrverboten belegt ist. Dann kann es sich natürlich häufen, dass man dort vorsprechen muss. Ansonsten, glaube ich, ist man mit einem Mal sehr wohl schon auf der sicheren Seite.

Bürgernähe, die wir anvisieren, realisiert etwas ganz anderes, nämlich durch Entscheidung aus einer Hand. Wir versuchen, all die Behördenteile in die Landkreisebene zu verlagern, die man auf Landkreisebene braucht, um endgültig zu entscheiden. Ich hatte das das letzte Mal am Beispiel von Bauentscheidungen bereits dargelegt.

Zu der von Ihnen angefragten Freiwilligkeitsphase, Herr Dr. Hahn, möchte ich Folgendes sagen: Ich habe bewusst im Papier eine Findungsphase festgehalten, weil ich ansonsten gewusst hätte, dass ich Gefahr laufe, das von

Ihnen vorgehalten zu bekommen. Wenn man sich freiwillig entscheiden soll, braucht man keinen Vorschlag. Ich habe bewusst vor, in absehbarer Zeit mit einem Vorschlag zur Neustrukturierung des Landes ins Land zu gehen, ihn den Landräten zur Verfügung zu stellen, um dann zu sagen, dies ist ein Vorschlag. Lasst uns gemeinsam darüber befinden, ob es bessere zielführende Lösungsansätze gibt.

Herr Dr. Martens, Gemeindehopping ist heute schon erlaubt. Ein Umverlagern einer Gemeinde in einen anderen Kreis kann durchaus erfolgen, wenn die Gemeinde einen entsprechenden Beschluss im Gemeinderat herbeiführt, wenn der abgebende Landkreis in diesem Kreistag und wenn der aufnehmende Kreistag in seinem Kreistag zustimmt. Dann wären wir als Staatsregierung sicherlich in der Lage, einen entsprechenden Gesetzesantrag einzubringen, um ein Umstrukturieren einer Stadt vorzuschlagen, damit Sie als Gesetzgeber dem folgen können oder auch nicht. Für das tatsächliche Geschäft einer Kreisneugliederung wäre dieses Verfahren Gemeindehopping in der Tat nur eine zusätzliche Funktion, auf die ich bewusst in meinem Vorschlag verzichten werde.

Herr Lichdi, ich habe bewusst in der Entscheidung beim Lenkungsausschuss nicht die Bündelung der Sonderbehörden eingebracht, sondern lediglich zunächst einmal die Grundentscheidung zur Mittelbehörde. Mir war es wichtig, zunächst diese Grundsatzentscheidung zur Mittelbehörde zu haben, um dann tatsächlich zu sehen, wie wir vor diesem Hintergrund die staatliche Verwaltung im Detail strukturieren. Diesen Punkt der Strukturierung der staatlichen Verwaltung werden wir jetzt angehen, wenn das Kabinett den Vorschlägen des Lenkungsausschusses folgt. Wenn man erst einmal zwei Landesdirektionen für die Mittelebene festsetzt, habe ich die Möglichkeit, die weiteren Sonderbehörden zu strukturieren.

Herr Dr. Friedrich, eines kann ich mir bei allem Respekt vor den Abgeordneten nicht verkneifen: Ihre Rechnung war nicht ganz sauber. Sie kamen auf 120. Sie hatten aber in Ihrem Beitrag selbst gesagt, dass ich bei über 3 000 Stellen bin, die ich an die kommunale Ebene verlagere. Wenn ich zehn Kreise anvisiere, ist das einfach zu rechnen. Man braucht nur um eine Kommastelle zu verschieben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wenn es elf sind, geht es schon nicht mehr! – Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS: 320! – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die Einsparung war doch damit gar nicht diskutiert worden. Es war gerechnet worden, dass man auf 120 käme, und diese mathematische Leistung war schlichtweg nicht mit einer Eins zu bewerten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

In der Tat verzahnen wir die Verwaltungsreform und den Stellenabbau. Auch hier gibt es Abstimmungen. Da die Haushaltsverhandlungen den Stellenabbau in den einzelnen Häusern konkret benannt haben, sind wir durchaus in

der Lage, die Auswirkungen des Stellenabbaus auf die Verwaltungsreform nachvollziehbar darzulegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch einmal betonen: Es ist keineswegs mein Wille, dem Parlament etwas vorzuenthalten. Vielmehr ist es mein Wille, einen vernünftigen Gesetzentwurf durch mein Haus erarbeiten zu lassen, Ihnen diesen vorzulegen, um dann tatsächlich fachlich sehr fundiert in diesem Hohen Hause die Veränderungen, die im Lande anstehen, diskutieren zu können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Danke schön. – Meine Damen und Herren, gibt es daraufhin noch einmal das Bedürfnis nach einer allgemeinen Aussprache? – Dann kommen wir zu den Schlussworten und beginnen mit der FDP-Fraktion, Herr Dr. Martens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich kurz machen. Der Informationsbedarf, der hinter dem Antrag der FDP steckt, ist noch nicht erledigt. Wir wünschen uns weiter, dass der Ministerpräsident zu der Frage Verwaltungsreform gegenüber dem Parlament Stellung nimmt.

Lassen Sie mich noch eines anmerken, Herr Staatsminister, was mit der Zeitschiene gesagt war. Ich habe einige Punkte angesprochen, zu denen hier heute im Parlament nach meinem Dafürhalten zu wenig gesagt worden ist. Das betraf die Phase der Teilaufgliederung zwischen dem 01.01. und dem 01.07.2008 sowie die Freiwilligkeitsphase. Das wollte ich hier nur noch einmal klarstellen.

Aber wie gesagt, unser Informationsbedarf ist durch das, was heute hier vonseiten der Koalition und der Staatsregierung gesagt worden ist, nicht gedeckt. Wir bitten weiter um Annahme unseres Antrages.

(Beifall bei der FDP)

Danke. – Herr Lichdi, ich gehe recht in der Annahme, Sie sprechen für die GRÜNEN das Schlusswort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf die Zwischenfrage, die ich Herrn Brangs gestellt habe – und Herr Buttolo ist auch noch einmal darauf eingegangen –, wodurch denn die Koalition Bürgernähe herstellen will, habe ich gehört: Wir kommunalisieren und dann wird alles aus einer Hand gehen.

Ich möchte Sie auf Seite 27 Ihres Gliederungspapiers hinweisen. Das ist nämlich die einzige Stelle, an der sich zu diesem Themenkomplex überhaupt eine Aussage findet. Dort heißt es: „Die Bürgernähe wird vorrangig durch ein qualitativ hochwertiges Netz dienstleistender Verwaltung und in begleitendem Maße in Verantwortung der Aufgabenträger, also der Kreise usw., möglich werden.“ Dann kommt so ein wolkiger Satz: Wir hoffen, dass

das auch klappen wird, jedenfalls in Verantwortung der Aufgabenträger, also der Kreise.

Genau da setzt unsere Kritik an. Ich glaube nicht, dass Sie hier eine Reform anstellen können und dann einfach so sagen: Na ja, ihr Kreise habt jetzt ein paar kommunalisierte Stellen. – Wie viele es tatsächlich sind, haben wir gehört, nämlich nicht sehr viele. – Dann sollt ihr zusehen, wie ihr eure viel, viel größeren Räume tatsächlich mit bürgernahen Verwaltungen abdeckt.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)