Hier spreche ich für das Land, das uns hierher gewählt hat. Wir sind doch nicht verpflichtet, nach der friedlichen Revolution von 1989 das über Bord zu werfen, was sich die Menschen wieder zurückerstritten haben. Das steht uns nicht zu. Ich glaube, dass in letzter Zeit über Grundgesetz, Verfassung und Änderung von Länderstrukturen sehr, sehr locker in diesem Land gesprochen wird. Ein bisschen Würde verlangen solche Themen auch.
Es geht hier um Teile unserer wichtigen Geschichte, und ich bin froh, dass wir die Chance hatten, im Jahr 1989 in dieses Vaterland zurückzukehren, das auf die Stärke seiner Länder gegründet ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Sachsen haben bittere Erfahrungen in unserer Geschichte hinter uns. Das war eine sehr stolze Geschichte, aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass mein Redebeitrag gegenüber den anderen Ländern als arrogant bezeichnet wird. Das haben wir nicht nötig und gegen den Vorwurf möchte ich mich von vornherein wehren. Es gibt keine Arroganz zu unseren Nachbarländern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele Faktoren muss man bedenken. Denken wir aber auch an die Erfahrungen, die wir gemacht haben. 1934 wurden die Länder abgeschafft, und es wurde eine Zentralregierung in Berlin geschaffen, eine Zentralregierung mit schlimmen Folgen. 1952 hat die DDR-Regierung die Länder wiederum abgeschafft, und ich glaube, es war nicht zum Vorteil, einen Zentralstaat zu schaffen. Die nicht mehr existierenden Länder mussten gleichsam die Kriegsfolgelasten bezahlen. Es bestand die Schwierigkeit, den Aufbau in unserem Land voranzutreiben und trotzdem noch viele, viele Millionen an Kriegsfolgelasten abzutragen. Jetzt wiederhole ich: Deshalb ist es für uns wichtig gewesen, dass der Freistaat Sachsen 1989/90 wiedererstanden ist.
Die von den Befürwortern der Fusion insbesondere gepredigten wirtschaftlichen und finanziellen Vorteile für sächsische Bürger sind gerade nicht zu erwarten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass für Sachsen dadurch Vorteile zu erwarten sind. Zunächst würde die Beschäftigung im Zusammenhang mit der Fusion die Verwaltung lähmen und uns im Aufbau Ost – da stimme ich Frau Hermenau zu – zurückwerfen. Es würde auch nicht mehr stattfinden im Aufbau Ost, wenn wir uns auf einen solchen Weg begeben würden. Der Freistaat Sachsen hat in den letzten 15 Jahren solide mit den Steuergeldern gewirtschaftet. Wir haben die Staatsfinanzen nach unseren Möglichkeiten in Ordnung gehalten. Das soll auch weiterhin so bleiben. Welchen Sinn macht es denn, zwei arme, aber leistungsfähige Länder mit einem ganz armen Land zusammenzulegen? Überhaupt keinen Sinn. Wenn man ein Finanzmi
nister ist, kann man doch nur den Vorschlag machen, dass sich der Freistaat Bayern mit dem Freistaat Thüringen und dem Freistaat Sachsen zusammenstellt.
(Beifall des Abg. Peter Willhelm Patt, CDU – Widerspruch bei der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Toskana wäre nicht schlecht!)
Aus finanzpolitischen Gründen macht das doch keinen Sinn. Wie kann denn ein Finanzminister einen so blödsinnigen Vorschlag machen. Sachsen-Anhalt muss alle Kraft aufwenden, um seine eigenen Probleme zu lösen. Ich glaube, das muss im Vordergrund stehen. Wir haben zu DDR-Zeiten – –
Wir haben die Kombinate erlebt, die die Ressourcen aufgefuttert haben. Zentralistisch geführte Strukturen sind kein Allheilmittel, um etwas für unsere Länder zu machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen schöpft die Kraft während seiner 900-jährigen wechselvollen Geschichte aus Kultur, aus Wissenschaft, aus der Geschichte, aus seiner landsmannschaftlichen Vielfalt, aus der Kraft der Menschen, die hier leben, die anpacken, die für dieses Land einstehen und die dieses Land auch nach vorn bringen werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brangs, bis jetzt sind Sie bei jeder Wahl ein Stück kleiner geworden, und Größe wird ja hier auch anders definiert als in Zentimetern.
Nun zur Sache. Die Märchenwelt ist voll von Geschichten, in denen der verarmte alte König sein Töchterchen dem reichen Prinzen zur Frau gibt, so sein eigenes Königreich rettet und die vereinigten Königreiche stärker und mächtiger denn je sein lässt. Es müssen nicht immer Könige und Fürsten sein, denen solches gelingt, auch die Befreiung der Aschenputtels und Cinderellas aus Armut und Abhängigkeit durch günstige Heirat findet sich in vielerlei Varianten in den Märchen der Völker.
Was in den Märchen Sehnsüchte, Wünsche und Hoffnungen ausdrückt, kam und kommt durchaus auch in der Realität vor: bei Königs- und Fürstenhäusern, Großbauern und Industriellen und manchmal auch immer noch bei den Aschenputtels. Die Habsburger gar haben das „Kriege mögen die anderen führen, du glückliches Österreich heirate!“ zum Grundsatz und zur Grundlage der Ausdehnung ihres Reiches gemacht, bis sie froh vermelden konnten, dass in diesem Reich die Sonne niemals untergehe, weil es neben weiten Teilen Europas selbst Mexiko mit einschloss.
Was den Märchen, den Großbauern und den Habsburgern recht war und ist, kann heute doch wohl armen deutschen Ländern billig sein. Sie suchen deshalb die lukrative Vereinigung in der Hoffnung, Schulden loszuwerden und Ausgaben zu vermeiden. Es steckt darin eine Logik, die nicht leicht von der Hand zu weisen ist. Mehr Länder, mehr Ausgaben für Verwaltung, Regierung und Parlament; je kleiner das Land, desto schwerer wiegt die finanzielle Last. Nun, wenn das alles wäre, dann sollte man mit Länderfusionen in Deutschland nicht allzu lange warten, und das mitteldeutsche Großbundesland wäre ein Gebot der Stunde. Gewichtige Stimmen dafür sind zu vernehmen; übrigens auch aus meiner Partei.
Dennoch sage ich: gemach, gemach! Denn Verwaltung, Regierung und Parlament sind beileibe nicht alles, was ein Bundesland ausmacht. Die Bundesländer – da gebe ich Herrn Schiemann Recht – sind das Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Sie sind zuallererst Kulturräume und damit auch Identifikationsräume. Ist die kulturelle Differenzierung aber konstituierende Grundlage der Bundesländer, so ist Beliebigkeit ihres Zuschnitts nicht möglich.
Wer sich einzig am administrativ Günstigsten und am Preis orientiert, vertritt das Modell von Verwaltungsbezirken, wie wir sie zum Beispiel in der DDR hatten; auch darin gebe ich Herrn Schiemann Recht. Dies gefährdet regionale Kultur als historisch gewachsenes Gut. Wie stark historisch gewachsene Kultur übrigens ist, haben wir
Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass mancher das Aussterben einer Insektenart mehr bedauert als das Verschwinden von Kulturen.
Ja, gerade bei den GRÜNEN. Wer also Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vereinigen will, der muss schon die Frage beantworten, ob dafür ausreichend kulturelle Gemeinsamkeiten vorhanden sind.
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, hält man sich nur an die objektiven Befunde. Es gibt viele Gemeinsamkeiten in der Geschichte und dennoch auch viele Unterschiede. Es gibt sprachliche Gemeinsamkeiten und deutliche Differenzen. Sprachräume sind aber immer auch Kulturräume. Hier ist keine Zeit, das im Detail darzulegen. Fakt ist aber – und das ist das Wichtigste in der Sache –, dass nicht die objektiven Befunde über Gemeinsamkeiten und Unterschiede entscheidend sind, sondern die von den betroffenen Menschen selbst gefühlten Unterschiede. Und die sind offensichtlich erheblich.
Das hat nichts mit Arroganz der einen gegenüber den anderen zu tun. Es handelt sich vielmehr ebenfalls um historisch gewachsene Identifikationsmuster, die für das Selbstbild und die psychische Stabilität der Menschen durchaus von Bedeutung sind. Daran kann man nicht einfach herumoperieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bedeutung solcher kulturellen Identitäten ebenfalls kulturgebunden ist, also an dem einen Ort stärker ausgeprägt sein kann als an dem anderen.
Die einen würden das Eigene vielleicht eher aufgeben können als die anderen, die sich schwerer damit tun. Klugerweise macht deshalb das Grundgesetz Volksabstimmungen zur Voraussetzung für Länderfusionen. In der Geschichte der Bundesrepublik ist dies erst einmal gelungen, nämlich bei der Bildung des Landes BadenWürttemberg 1952. Sage aber keine und keiner, deshalb seien in diesem Bundesland alle Schwierigkeiten des Zusammenlebens kulturell nach wie vor unterschiedlich geprägter und sich dialektal deutlich unterscheidender Menschen ausgeräumt.
Deshalb mein guter Rat: Wer schon beim Kooperieren versagt hat, sollte sich das Kopulieren noch sehr gut überlegen, zumal wenn es ein Dreier werden soll.