Protocol of the Session on May 11, 2006

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die Linksfraktion.PDS erhält das Wort. Frau Abg. Kagelmann.

Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Das Frühjahrshochwasser 2006 bedarf unbenommen der Auswertung und es fordert Konsequenzen.

Die Linksfraktion.PDS unterstützt aus dieser Sicht die Anliegen des Antrages der Koalitionsfraktionen. Nur sagen wir auch, die im Antrag vorgeschlagenen Konsequenzen sind uns zu mager.

Stichwort: Arbeit des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft.

Die erste und wichtigste Konsequenz für das Umweltministerium und vor allem den Umweltminister sehen wir darin, weniger die Fertigstellung von allen möglichen Modellen oder der vielen Hochwasserschutzkonzepte medienwirksam zu feiern. So richtig und wichtig diese Modelle und Konzepte auch sind, sie bleiben zunächst erste Bausteine für eine bessere Hochwasservorsorge.

Herr Staatsminister Tillich, Sie haben mit Ihrem geradezu drakonisch anmutenden Deicherlass hier und da durchaus hektische Betriebsamkeit ausgelöst – zum Leidwesen vieler Betroffener allerdings erst nach dem Abfluss der Wassermassen.

Nun muss es vor allem um Lösungen für die Beschleunigung von Maßnahmen der Hochwasservorsorge im Gesamtkontext einer ausgewogenen Hochwasserschutzstrategie in Sachsen gehen. Frau Windisch und Frau Deicke haben selbst das Beispiel gebracht. In Gohlis bei Riesa soll nun im Herbst mit dem Bau einer Flutbrücke für die Staatsstraße 88 begonnen werden. Die Einwohner von Gohlis wird dies durchaus beruhigen. Ich stelle trotzdem noch einmal die Frage, wohl wissend, dass meine Kollegin Lauterbach in der zurückliegenden Hochwasserdebatte bereits eine Antwort bekommen hat: Warum wird unbedingt solch eine teure Flutbrücke gebaut? Warum wird nicht die Staatsstraße auf einer Länge von 100 bis 200 Metern einfach auf Geländehöhe abgesenkt und ab und an eine Überflutung in Kauf genommen?

Auch die Beantwortung solcher Fragen hat etwas mit langfristiger Hochwasservorsorge zu tun, denn die Finanztöpfe des Landes laufen eben nicht über – ganz anders als manche Flüsse. Allerdings – dies nur als Randbemerkung an dieser Stelle – scheint die Aussage von leeren Finanztöpfen nicht unbedingt haltbar, wenn man sich die Ergebnisse einer Leipziger Studie zur Verwendung von Geldern aus den öffentlichen Förderprogrammen im Zusammenhang mit den Hochwasserereignissen 2002 anschaut. Aber dies wäre ein eigenes Kapitel.

Stichwort: Rang- und Reihenfolge der Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes.

Im November vergangenen Jahres schloss das Umweltministerium die Priorisierung der Hochwasserschutzmaßnahmen ab. Im Ergebnis der Priorisierung aller in den 47 Hochwasserschutzkonzepten abgeleiteten Maßnahmen wurden allein 268 Maßnahmen mit einem Investitionsbedarf von über einer Milliarde Euro in die Kategorie „hoch“ eingestuft. Wie aber die Einordnung der Ergebnisse dieser landesweiten Priorisierung in die Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen, das heißt in den Maßnahmeplan für die Jahre bis 2008, erfolgen soll, bleibt offen.

Welches sind nun die Kriterien für die Rang- und Reihenfolge der 268 Maßnahmen der Kategorie „hoch“? Herr Tillich, diese Frage können Sie mir nachher sicher beantworten.

Das Frühjahrshochwasser 2006 vermittelt uns doch wohl, dass vor allem an der Elbe von Schmilka bis Meißen in kürzerer Zeit mehr geleistet werden muss – ich denke an die Deicherhöhung im Stadtgebiet Dresden und an mobile Hochwasserschutzwände in Meißen oder Pirna.

Während Hochwasserlagen in den anderen sächsischen Flussgebieten durch eine vorausschauende Steuerung der Talsperren und Speicher günstig beeinflusst werden können, stellt sich die Situation an der Elbe anders dar. Das Wasser, das die Elbe aus Tschechien bringt, lässt sich weder zwischenspeichern noch umleiten. Es muss durch das Elbtal. In Abs. 3 der Begründung zum Antrag der Koalitionsfraktionen wird genau dies erbeten; im Antragstext jedoch fehlt diese Schlussfolgerung.

Stichwort: Hochwasserentstehungsgebiet.

Vor knapp zwei Jahren wurden die im Sächsischen Wassergesetz neu verankerten Regelungen über Hochwasserentstehungsgebiete – das ist § 100b – von diesem Hohen Hause als vorbildlich und richtungweisend für alle Bundesländer gewürdigt.

Heute entpuppt sich diese Art von Gesetzgebung gleich mehrfach als Fehlschlag – dies unter anderem deshalb, weil zeitweilig gesetzeswidrig alle Kaufverträge über Grund und Boden in Sachsen der Landestalsperrenverwaltung zur Klärung des Vorkaufsrechts vorzulegen waren. Dies hatte ich im Rahmen der Aktuellen Debatte im April bereits angesprochen. Die Mitglieder der PDS-Fraktion der 3. Legislaturperiode erfuhren in der damaligen Debatte zum Wassergesetz von der Staatsregierung, dass die Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltefähigkeit der Gebiete, in denen die erhöhte Wahrscheinlichkeit starker Niederschläge zum Beispiel mit einem starken Geländegefälle zusammentrifft, von enormer Bedeutung für das Entstehen bzw. die Höhe von Hochwasser sei – wohlgemerkt: von enormer Bedeutung.

Was zeigt sich heute? Ungeachtet der „enormen Bedeutung“ sucht man im Gesetz- und Verordnungsblatt oder im Amtsblatt vergeblich nach Rechtsverordnungen über die Ausweisung von Hochwasserentstehungsgebieten. Nicht ein einziges Hochwasserentstehungsgebiet ist bisher rechtsförmig festgesetzt worden. Der § 100b blieb somit ein Papiertiger. Das Landesamt für Umwelt und Geologie experimentiert lediglich mit zwei Pilotprojekten.

Ich muss an dieser Stelle die Erläuterungen des Umweltministeriums zu § 100b des Wassergesetzes in Erinnerung rufen – Zitat –: „Bei der Festsetzung von Hochwasserentstehungsgebieten handelt es sich nicht um eine Entscheidung mit materiellem Planungscharakter, da die Festsetzung vom Vorhandensein gesetzlich definierter natürlicher Gegebenheiten abhängig ist. Liegen diese vor, hat die Behörde grundsätzlich in der gesetzlich festgelegten Weise zu reagieren, das heißt das Gebiet festzusetzen.“ – „… hat zu reagieren“ – sollte dies möglicherweise in Vergessenheit geraten sein, Herr Staatsminister Tillich? Auch darauf können Sie mir nachher Antwort geben.

Letztes Stichwort: Umgang mit der Hinweiskarte über Hochwassergefahren.

In diesem Punkt, der meiner Meinung nach in der zukünftigen kommunalen Hochwasservorsorge große Beachtung finden wird, muss man auf die vom Bund initiierte Informationskampagne „Eigenvorsorge beim Hochwasserschutz“ zurückgreifen. Doch auch die Gemeinden müssen mehr tun und können dies auch recht kostengünstig im Rahmen des Stadtumbaus; denn vielerorts wurde seit Jahrhunderten viel zu dicht am Wasser gebaut. Daraus entstanden mit der Zeit gewaltige Schadenspotenziale. Deshalb müssen die Anforderungen des Hochwasserschutzes in den Integrierten Stadtentwicklungskonzepten – kurz: INSEK – eine bedeutendere Rolle spielen.

Die außerordentlich aussagekräftige Gefahrenhinweiskarte des Landesamtes für Umwelt und Geologie sollte deshalb sowohl den Entscheidungen über den Abriss von Gebäuden als auch über Auswertungsmaßnahmen verbindlich zugrunde gelegt werden. Eine solche Bestimmung sollte zu einer Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Stadtumbaumitteln werden.

Trotz – oder gerade wegen – unserer Kritik und der Hinweise unterstützen wir den Gesamtantrag, der noch einmal eine ehrliche Auseinandersetzung der Staatsregierung mit dem Frühjahrshochwasser ermöglicht; und dies sollte letztendlich Ziel der Übung sein.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Abg. Paul, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition hat in der Begründung ihres Antrages formuliert, dass der Hochwasserschutz eine Generationenaufgabe ist und sich alle darin einig wären. – Das stimmt; meiner Meinung nach muss damit nur endlich begonnen werden.

Ich möchte fair bleiben und durchaus eingestehen, dass seit 2002 bereits einiges in Sachsen geschehen ist. Wir verlieren allerdings in aller Regelmäßigkeit weiterhin viel zu viel Zeit. Seit 2002 werden Programme aufgestellt, wird geplant, lässt man sich berichten, wird diskutiert, wird debattiert, wird koordiniert, evaluiert und was weiß ich noch. Aber bevor wir das Geplante umsetzen, vergehen meist Jahre. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird der Begriff Generationenaufgabe eine völlig neue Bedeutung bekommen.

Erfreulich ist zumindest, dass sich ein Umdenken im Hochwasserschutz abzeichnet. Der Pressemitteilung von Herrn Staatsminister Tillich vom Dienstag zufolge sollen demnächst verstärkt Hochwasserentstehungsgebiete ausgewiesen werden. Dies war längst überfällig. Außerdem sollen endlich der Wasserrückhalt in der Fläche und zum anderen die Aufforstung wieder eine größere Rolle spielen.

Wenn ich mich dabei an die Aktuelle Debatte in der letzten Plenarwoche erinnere, ist dies schon ein erstaunlicher Sinneswandel. In der Debatte vor vier Wochen war der Ministerpräsident noch der Auffassung, es sei in der gegenwärtigen Situation nicht von Belang, ob man im Erzgebirge weitere Bäume anpflanzt oder nicht. Frau Windisch von der CDU-Fraktion hat damals gegenüber der Presse Herrn Timm vom BUND wegen seiner Äußerungen zum Hochwasserschutz in Sachsen Bösartigkeit, Dummheit und Ignoranz vorgeworfen. Dieser Mann hat aber nichts anderes gefordert als eine Verbesserung der Vorsorgemaßnahmen, also des Wasserrückhaltes in der Fläche, Flächen- und Gewässerrenaturierungen und Neuaufforstungen.

Meine Fraktion begrüßt die Ankündigung des Herrn Staatsministers, weil wir diese Forderung bisher schon in allen Debatten zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht haben. Ich frage mich allerdings, wie zum Beispiel diese Aufforstungsmaßnahmen aussehen sollen. Ich verweise dabei auf zwei Kleine Anfragen, die ich zum Thema Aufforstung gestellt habe. Demnach ist im Hause von Herrn Tillich niemandem so richtig bekannt, in welchen Eigentumsformen die Flächen der Waldmehrung in Sachsen stehen. Es ist auch nicht so recht bekannt, mit welchen forstlichen oder waldbaulichen Mitteln diese Waldflächenzunahme erreicht wird. Es weiß auch keiner so richtig darüber Bescheid, welcher Anteil der Waldmehrung in Vorranggebieten des Landesentwicklungsplanes bisher realisiert werden konnte. Man kommt sich bei dieser Beantwortung irgendwie vor wie im Tal der Ahnungslosen.

Nun zum Antrag. Den ersten Punkten des Antrages kann unsere Fraktion zwar folgen, da es sich um Auskunftsbegehren handelt. Es ist aber schon längst an der Zeit, zu handeln und nicht nur zu berichten.

Der in Punkt 4 des Antrages gestellten Forderung kann ich wenig abgewinnen. Offensichtlich wird hier auch die Bedeutung des Wortes „präventiv“ verkannt. „Präventiv“ bedeutet so viel wie „zuvorkommen“ bzw. „verhüten“. Der Bürger kann leider nichts tun, um einem Hochwasser zuvorzukommen oder ein Hochwasser zu verhüten. Der Bürger kann lediglich versuchen, die Schäden am eigenen Hab und Gut gering zu halten.

Sie können ja dem Haus einmal erklären, welche eigenverantwortlichen Präventivmaßnahmen Sie in diesem Zusammenhang meinen. Sind Sie der Meinung, dass die betroffenen Menschen bisher nicht genug getan haben und ihr Eigentum nur so zum Spaß dem Hochwasser aussetzen? Ich glaube, die betroffenen Menschen haben vorher schon versucht, alles ihnen Mögliche zu tun, um ihr eigenes Hab und Gut zu schützen. Ich weiß nicht, was eine entsprechende Informationskampagne, die auch wieder verdammt viel Geld kosten würde, bringen soll. Oder soll sich vielleicht jeder Betroffene für die nächste Flut sozusagen präventiv ein paar Sandsäcke unter das Sofa legen?

Also, meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktionen CDU und SPD wird uns zwar nicht unbedingt viel weiterbringen. Man kann sich ihm jedoch nicht verschließen, da es dennoch wichtig ist, dass sich auch das Ministerium selbst kritisch damit befasst. Daher werden wir diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Günther.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Elbpegel sinkt wieder, das Grundwasser geht langsam zurück, Schäden und Dreck werden beseitigt und auch die medialen Dreckspritzer beim Betreten eines kleinen Fettnapfes werden jetzt beseitigt. Jetzt ist die Zeit der Auswertung, der Beratung und des Ziehens von Konsequenzen aus dem diesjährigen Frühjahrshochwasser.

Die FDP-Fraktion stimmt dem Antrag der Koalition zu. Wir haben schon im letzten Plenum angeregt, die neue Prioritätenliste im Hochwasserschutzinvestitionsprogramm nach neuer Sachlage, mit neuem Kenntnisstand zu ändern. Mich und uns freut es sehr, dass die Koalitionsfraktionen diese Anregung offensichtlich in ihren Antrag aufgenommen haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Probleme mit dem Hochwasser wird es in diesem Land immer wieder geben und alle Betroffenen wissen das auch. Deshalb ist und bleibt der Hochwasserschutz eine Solidaraufgabe, die für uns Liberale höchste Priorität hat.

(Beifall bei der FDP)

Aber es bleibt immer wieder die Frage: Was geschieht im Zweifel? Wofür entscheiden wir uns im Zweifel, wenn Hochwasserschutz und zum Beispiel Denkmalschutz und Naturschutz gegeneinander abgewogen werden müssen? Dabei ist es für uns wichtig, dass sich im Zweifel dieses Hohe Haus, die Staatsregierung und das Ministerium prinzipiell für den Hochwasserschutz entscheiden.

Weiterhin ist es wichtig, dass Fehlplanungen und Fehlentscheidungen wie beispielsweise in Gohlis bei Riesa – heute genug angesprochen – zukünftig vermieden werden müssen. Der Antrag ist auch in diesem Punkt konsequent. Angesichts des Umfangs von geplanten 1 600 Einzelmaßnahmen wird uns der Hochwasserschutz logischerweise noch mindestens 20 Jahre beschäftigen und ungefähr eine Milliarde Euro kosten. Darum können wir uns Fehler nicht mehr leisten.

Bau, Sanierung und Ausbau von Deichen und vor allem von Rückhaltebecken kosten viel Geld, sehr viel Geld. Bezüglich der Umschichtung – der Finanzminister ist jetzt nicht da – wird es noch sehr interessant werden, wie wir das im Haushalt darstellen, was notwendig ist, damit es auch eingestellt werden kann.

Dass dies von Staatsminister Tillich mit dem Deicherlass jetzt zügig in die Wege geleitet wird, begrüßen wir sehr. Kritik an diesem Deicherlass finden wir nicht richtig. Wir finden es richtig, dass man sich in Zukunft zum Beispiel auch mit der Ausgestaltung des ELER-Programms mehr auf Hochwasserschutz orientiert, wobei andere Programme logischerweise dann zurückgefahren werden müssen.

Mir ist in diesem Zusammenhang noch folgender Punkt sehr wichtig, der aus unserer liberalen Sicht unbedingt in eine Debatte über die Folgen und Konsequenzen des diesjährigen Frühjahrshochwassers gehört: Wir als Fraktion haben am vergangenen Donnerstag und Freitag ganz bewusst eine Fraktionssitzung nach Bad Schandau verlegt, um ein Zeichen für den Tourismus vor Ort zu setzen. Permanente Negativberichterstattung während des Hochwassers und danach ist Gift für die sächsischen Regionen, die ganz besonders vom Tourismus leben und in denen jetzt wieder Tausende Arbeitsplätze direkt oder indirekt betroffen sind.

Herr Günther, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hallo, ja, immer, gerne!

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)