Protocol of the Session on May 11, 2006

Herr Kollege Eggert, diese Aussage gilt als Gründungskonsens der Partei des Demokratischen Sozialismus; er ist weder befristet noch taktisch und gilt selbstverständlich auch für die Linkspartei.PDS.

(Heinz Eggert, CDU: Man merkt nur nichts davon!)

Zu diesem Bruch mit dem Stalinismus als System gehört auch eine kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des real existierenden Sozialismus in der DDR, mit dem Führungsanspruch der SED und auch mit der Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit.

(Volker Bandmann, CDU: Aber vom Vermögen hat sich die SED nie getrennt! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist der größte Blödsinn!)

Die SED/PDS hat sich bereits im Jahre 1989 beim Volk der DDR entschuldigt. Daraus erwächst für uns, erwächst für die Linkspartei.PDS eine anhaltende Verpflichtung gegenüber allen, deren Menschen- und Bürgerrechte verletzt wurden. Zugleich ergibt sich daraus für uns aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, aktuelle Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen anderer Systeme oder anderer Staaten zu kritisieren.

Dazu gehört auch, dass wir für eine sachliche und kritische Debatte über die Vergangenheit zur Verfügung stehen. Ungerechtfertigte Angriffe oder gar eine Dämonisierung der DDR werden wir aber auch künftig eindeutig zurückweisen.

Im Gegensatz zur CDU, die ihre Mitverantwortung als Blockpartei nie wirklich aufgearbeitet hat, haben wir uns in einem zum Teil quälenden Prozess sehr ernsthaft mit der Geschichte auseinander gesetzt. Es mag in diesem Hause einige geben, die das alles für unzureichend halten. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Sie müssen es wenigstens zur Kenntnis nehmen. Viele aber pflegen lieber ihre alten Feindbilder.

Wenn man diese bisweilen geradezu irrationalen Debatten im Zusammenhang mit der Abgeordnetenanklage verfolgt hat, kann man nur feststellen: Es geht insbesondere den Eiferern ganz offenkundig nicht um eine ergebnisoffene kritische Auseinandersetzung mit strittigen Vorgängen aus DDR-Zeiten. Es geht vielmehr um Abrechnung, es geht

um Stellvertreterkriege, es geht um eine Delegitimierung des Lebens im realen Sozialismus, und es geht nicht wenigen auch um den Versuch einer Entscheidungsschlacht gegen die unbequeme Linkspartei.

(Heinz Eggert, CDU: Das hätten Sie gern!)

Sie wollen – Herr Eggert, auch Sie – nicht Aufarbeitung und objektive Aufklärung. Sie wollen Kniefall und Selbstverleugnung. Aber das, meine Damen und Herren, werden Sie von uns nicht bekommen.

Noch einmal: Für ernst gemeinte Debatten über die Vergangenheit steht die Linkspartei PDS, steht auch die Landtagsfraktion jederzeit zur Verfügung. Doch genau darum geht es heute nicht. Heute geht es um einen konkreten Vorgang, um einen ganz konkreten Menschen. Heute geht es um unseren Fraktionsvorsitzenden Prof. Peter Porsch. Dazu will ich als Einleitung ganz klar sagen: Wer für die Linkspartei PDS im Landtag sitzt, bestimmt zunächst meine Partei in der Nominierung, und darüber entscheiden in letzter Konsequenz die Wählerinnen und Wähler. Alle anderen Fraktionen in diesem Hause würden sich jede Einmischung in ihre Personalfragen zu Recht verbitten. Wir nehmen für uns das Gleiche in Anspruch.

Auch wenn es Ihnen nicht passen mag, nehmen Sie es doch bitte endlich zur Kenntnis: Peter Porsch ist als Spitzenkandidat der PDS 2004 im Wissen um die gegen ihn erhobenen und von ihm bestrittenen Vorwürfe von fast einem Viertel der sächsischen Wählerinnen und Wähler in den Landtag gewählt worden, und die Fraktion hat ihn einstimmig zu ihrem Vorsitzenden bestimmt. Substanziell ist seitdem nichts Neues bekannt geworden. Dennoch beabsichtigt jetzt offenbar eine Mehrheit in diesem Haus, den demokratisch gewählten Vorsitzenden der stärksten Oppositionsfraktion aus dem Parlament zu werfen. Dass wir uns dagegen mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen, kann doch wohl niemanden ernsthaft wundern.

Dass wir den Artikel 118 der Sächsischen Verfassung, der die Abgeordnetenanklage regelt, für eindeutig grundgesetzwidrig halten, ist seit Langem bekannt. Hinzu kommen im aktuellen Verfahren gegen Peter Porsch eine ganze Reihe von Form- und Verfahrensfehlern, von denen jeder für sich genommen ein Scheitern des Verfahrens auslösen kann. Dazu wird Kollege Bartl noch sprechen. Ich will mich zur politischen Dimension der geplanten Abgeordnetenanklage äußern.

Was hier heute stattfinden soll, ist ein absurder Vorgang und eines demokratischen Parlamentes unwürdig.

(Heinz Eggert, CDU: Unerhörte Beschimpfung des Parlamentes!)

Es geht nicht um Aufklärung oder Wahrheitsfindung, Herr Eggert, denn das Urteil steht für die Meisten schon lange fest. Es geht vielmehr, den Meisten jedenfalls, um die Abrechnung mit einem unliebsamen Oppositionspolitiker, und es geht um einen Frontalangriff aller anderen auf die Linkspartei.PDS. Es geht also – auch Herr

Gerstenberg hat es deutlich gemacht – in letzter Konsequenz um eine knallharte politische Auseinandersetzung. Peter Porsch ist dabei das Instrument. Das eigentliche Ziel ist die Beschädigung und die Schwächung der Linkspartei. Doch ich sage Ihnen schon heute, egal, was Sie diesbezüglich auch anstellen: Sie werden grandios scheitern.

Das Vorgehen einiger hat im Übrigen schon sehr eigenartige Züge. So fordert Kollege Gerstenberg von den GRÜNEN noch am vergangenen Freitag von unserem Fraktionsvorsitzenden, er solle nicht juristische Schritte gehen, sondern sich der politischen Auseinandersetzung stellen.

(Heinz Eggert, CDU: Völlig richtig!)

Derselbe BÜNDNIS/GRÜNE-Abgeordnete will heute den Oppositionsführer über eine Abgeordnetenanklage aus dem Landtag werfen lassen, anstatt sich mit ihm und der Linksfraktion politisch auseinander zu setzen. Ich glaube, das kann wirklich niemand mehr ernst nehmen. Herr Gerstenberg, ich füge auch noch hinzu: Dass sich ausgerechnet ein früherer Bürgerrechtler für die Aberkennung eines in freien Wahlen errungenen Mandats wegen lange zurückliegender Vorgänge einsetzt, das hätte vor 16 Jahren auch niemand für möglich gehalten.

Die Dinge, die unserem Fraktionsvorsitzenden vorgehalten werden, liegen bekanntlich mehr als 20 Jahre zurück. Eine wissentliche Zusammenarbeit mit dem MfS hat es nach Aussagen von Peter Porsch nie gegeben. Es gibt weder eine Verpflichtungserklärung noch von ihm verfasste Berichte, und es gibt auch keine IM-Akte. Dennoch meint eine Mehrheit im GO-Ausschuss, eine Tätigkeit für das MfS sei erwiesen. Wir haben dazu bekanntlich eine dezidiert andere Auffassung. Aber selbst wenn man für einen Moment unterstellen würde, dass die Mehrheit im GO-Ausschuss mit ihrer Ansicht Recht hätte, dann wäre erst ein Teil des umstrittenen Artikels 118 der Sächsischen Verfassung erfüllt, nämlich eine Tätigkeit für das MfS. Für eine Abgeordnetenanklage muss aber eine zweite Voraussetzung erfüllt sein, nämlich die Unzumutbarkeit einer fortdauernden Innehabung des Mandats. Da wird es nun völlig abstrus.

Die Vorgänge, die Peter Porsch vorgeworfen werden – hier im konkreten Fall, ich habe es erläutert –, liegen mehr als zwei Jahrzehnte zurück. Seit 1990 hat er nicht nur an der Leipziger Universität eine anerkannte Arbeit geleistet, sondern auch im Sächsischen Landtag erfolgreich an der demokratischen Umgestaltung in Sachsen mitgewirkt. In der vorliegenden Beschlussvorlage findet sich von alledem nichts – keine Abwägung, keine Zukunftsprognose, wie sie das Verfassungsgericht ausdrücklich fordert, und es gibt auch keine Heranziehung womöglich entlastender Punkte. Selbst die uns nun wahrlich nicht wohlgesonnene Frau Birthler musste im Ausschuss öffentlich einräumen, dass man die Akten auch so lesen könne, dass Herr Porsch seine Frau schützen wollte.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: Eine Passage!)

Leute vom Schlage eines Leichsenring verhöhnen die Opfer des Holocaust, wollen wieder Sonderzüge rollen lassen – Ja, aber die Passage steht nicht im Text. Diese Passage findet sich nicht in der Beschlussempfehlung. (Holger Apfel, NPD: Sie leiden an einer Wahrnehmungsstörung!) Stattdessen wird als einziger Beleg für die angebliche Unzumutbarkeit der weiteren Innehabung des Mandats eine Aschermittwochsrede aus dem Februar dieses Jahres angeführt. Wer auf so etwas zurückgreifen muss, der hat offenkundig keinerlei Argumente mehr, von nachweisbaren Fakten ganz zu schweigen. Ich will auch hier Klartext reden. Wenn Sie allen Ernstes die Unzumutbarkeit und damit die Abgeordnetenanklage mit einer Aschermittwochsrede begründen wollten, dann ist dies eine Brüskierung, ja, eine Beleidigung der Leipziger Verfassungsrichter.

und wissen auch schon, wen sie damit am liebsten als Erste in ein Lager transportieren würden.

(Jürgen Gansel, NPD: Gehen Sie einmal zum Psychodoktor!)

Die Drohung in Richtung von Herrn Porsch – schauen Sie ins Protokoll! – war eindeutig.

Herr Leichsenring wird nach dem Absitzen seiner Ordnungsmaßnahme schon im Juni wieder unbehelligt im Landtag Platz nehmen und kann hier bis 2009 weiter sein Unwesen treiben. Herr Porsch aber soll wegen Vorgängen, die zwei Jahrzehnte zurückliegen, womöglich mit Unterstützung der Nazis, aus dem Landtag geworfen werden.

Die Abgeordnetenanklage wird spätestens vor dem Verfassungsgericht scheitern, und die Allermeisten von denen, die heute zustimmen werden, wissen das auch ganz genau. Trotzdem wollen sie die Sache durchzuziehen, koste es, was es wolle; denn die Entscheidung, die heute getroffen werden soll, steht seit Monaten fest.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Ich versuche mich einmal in Ihre Position zu versetzen: Selbst wenn man die Meinung der Mehrheit des GOAusschusses teilt – was wir nicht tun –, aber wenn man es tut, dann ist es doch allemal noch eine Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Hier sollte vielleicht jeder einzelne Abgeordnete vor der Abstimmung noch einmal in sich gehen.

Wie ergebnisoffen das Ganze angeblich ist, zeigt schon der Umstand, dass die Koalitionsfraktionen schon vor mehreren Tagen einen Antrag in den Geschäftsgang gebracht haben, in dem die Vertreter des Landtages für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof namentlich benannt werden, also bereits bevor der Landtag überhaupt einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Deshalb bleibe ich auch bei meiner Aussage vom September letzten Jahres: Das, was hier stattfinden soll, ist ein politischer Willkürakt mit inquisitorischen Zügen.

Bitte zum Schluss kommen.

Herr Präsident, wir haben klar gesagt, dass wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen. Es gibt keinen Beschluss zur Redezeit, und ich möchte das auch zu Ende führen.

Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen. Die Aberkennung eines in freien Wahlen errungenen Mandats wegen mehr als 20 Jahre zurückliegender und zudem unbewiesener Vorgänge ist rechtsstaatlich nicht haltbar. Wenn es dennoch zu einer Anklage kommen sollte, dann haben wir großes Vertrauen in das Verfassungsgericht. Diesem wird sich im Übrigen dann auch Prof. Porsch stellen,

Es gibt eine Empfehlung des Präsidiums für die Redezeit, die auf 10 Minuten begrenzt ist.

(Heinz Eggert, CDU: Es wird Zeit, dass Schluss ist!)

(Heinz Eggert, CDU: Unerhört!) Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: – Ja, Herr Eggert, das hätten Sie gern; ich werde Ihnen aber trotzdem noch etwas sagen. denn dort ist anders als im politisch instrumentalisierten Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuss ein Höchstmaß an unabhängiger und vor allen Dingen unvoreingenommener Behandlung des Vorgangs sichergestellt. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann und ich will mir nicht vorstellen, dass CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsame Sache mit den Neonazis machen, – Herr Eggert, da Sie in keinem Gremium dabei waren, frage ich mich, woher Sie das wissen. (Empörte Zurufe von der CDU – Starke Unruhe) Ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen, den Sie auch nicht gerne hören werden, der aber jeden Demokraten in diesem Haus mehr als nachdenklich stimmen müsste. Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass die für eine Erhebung der Abgeordnetenanklage erforderliche Zweidrittelmehrheit letztlich nur mit den Stimmen der NPD zustande kommen kann. Wir alle wissen, was heute hier im Landtag geschehen ist.

um sich eines unliebsamen Oppositionspolitikers zu entledigen.

(Heinz Eggert, CDU: Ihnen ist wirklich alles Recht!)

Ja, ich weiß, warum Sie sich aufregen. Es wäre nämlich ein deutschlandweit einmaliger Tabubruch, wenn der in freien Wahlen gewählte Oppositionsführer im Sächsi

Ich erteile dem Abg. Gerlach, SPD-Fraktion, das Wort.

schen Landtag mit Hilfe von NPD-Stimmen angeklagt werden würde. Die Folgen für die ohnehin angeschlagene politische Kultur in diesem Land wären unübersehbar.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Prof. Porsch, ich spreche heute in erster Linie als Kollege zu dem Kollegen Prof. Peter Porsch; aber nach all dem, was hier inzwischen gesagt wurde, kann ich es nicht allein bei meiner privaten Meinung bewenden lassen, sondern ich kann mir gut vorstellen, dass ich für nicht wenige andere SPDKollegen – zumindest in Teilen – mitspreche; das schicke ich vorweg.

(Volker Bandmann, CDU: Wenn Sie gemeinsame Sache mit der NPD machen, stört Sie das überhaupt nicht!)

Nicht zuletzt deshalb, Herr Bandmann, fordern wir Sie und die anderen Abgeordneten der demokratischen Fraktionen des Landtages auf, bei der heutigen Abstimmung gegen die Abgeordnetenanklage zu votieren oder sich zumindest der Stimme zu enthalten.

Als ich in Dresden studiert habe, stand an einem Gebäude – es steht auch heute noch dran –: „Nichts ist so fein gesponnen, dass es nicht käm’ zur Sonnen“. Man kann eine Menge daraus lernen – vor allem, dass es wichtig ist, Probleme, Dinge, die irgendwo noch im Raum stehen, nicht auf Dauer zu verdrängen, auch nicht zu verniedlichen, auch nicht zu versuchen, sie zu eliminieren, sondern man muss sich den Problemen stellen. Ein Mensch, der seine Probleme nicht lösen kann, weil er sie verdrängt, ist aus meiner Sicht nicht für die Problemlösungen anderer Menschen geeignet!

Wir bleiben dabei, auch im Sinne von Herrn Gerstenberg: Politische Auseinandersetzung – ja, Stigmatisierung und Ausschlussverfahren – nein. Ersparen Sie den Verfassungsrichtern unnötige Arbeit und ersparen Sie sich selbst eine Blamage – noch ist es nicht zu spät.

Lassen Sie mich abschließend drei Punkte aus dem bemerkenswerten Beschluss des Brandenburger Landtags zitieren, der die Überschrift trägt: „Mit menschlichem Maß die Vergangenheit bewerten“. Dieser Beschluss stammt aus der ersten Wahlperiode des Brandenburger Landtags; ich will nur drei Punkte daraus vortragen:

(Beifall des Abg. Gunther Hatzsch, SPD) „Erstens. Der öffentliche Umgang mit Biografien muss der Menschenwürde verpflichtet sein. Eine nur selektive Kenntnisnahme von Lebensläufen und Lebensleistungen und ihre Bewertung unter dem Gesichtspunkt heutiger politischer Opportunitäten sind ungerecht, verhindern einen aufrichtigen Umgang mit der Geschichte und schaden dem inneren Frieden. Aus diesem Grund werde ich heute für diesen Antrag stimmen. Herr Hahn, was Sie hier gemacht haben, ist, dass Sie – fangen wir halbrechts an – versucht haben, alle in eine finstere Schmuddelecke zu stecken, und zwar aus Ihrer Ideologie heraus. Zweitens. Eine der Achtung der Menschenwürde verpflichtete Auseinandersetzung mit politischen Biografien ist unvereinbar mit Vorverurteilungen und Verletzungen von Grundrechten. Das Bekennen zu eigener Verantwortung und gegebenenfalls zu Schuld wird dadurch erschwert. (Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)