Bei allen Problemen, die damit verbunden waren – diese will ich gar nicht abstreiten –, haben wir mit der deutschen Einheit die Menschen, die in der DDR fleißig und unter harten Bedingungen gearbeitet haben, so behandelt, als sei die DDR nicht pleite gewesen. Das haben wir auch innerhalb der Rentenversicherung versucht. Herr Prof. Porsch, eines kann ich Ihnen nicht ersparen: Wir haben die so genannten Staatsdiener behandelt, als hätten sie ihre Lebensleistung in einem Rechtsstaat erbracht, und noch heute werden dafür sehr beträchtliche Pensionen gezahlt.
Unter anderem zur Begleichung dieser Pensionen wird diese Mehrwertsteuererhöhung auch gebraucht. Deshalb ist es unredlich von Ihnen, sich hier hinzustellen und das Ganze in einer lächerlichen Art populär abzuhandeln. Das wollte ich hier einmal klarstellen.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren. Ich wundere mich schon, dass die eigentlichen Fachleute der Staatsregierung zu diesem Thema heute nicht da sind. Ich weiß nicht, warum sie nicht da sind, vielleicht haben sie gute Gründe. Aber ich finde es schon interessant, wenn diejenigen, die von dem Thema Ahnung haben, nämlich Herr Milbradt und Herr Metz, sich davor drücken, heute zu diesem Thema zu sprechen.
Ich will Ihnen deswegen auch einige Punkte nachsehen, Herr Flath, weil Sie ja letztendlich dazu verdammt waren, den etwas missglückten Redeentwurf Ihres Kollegen Metz vorzutragen, und ich ihn dafür jetzt nicht schelten kann. Aber wenn Sie nach der heutigen Debatte und nach den Argumenten, die mein Kollege Zastrow dazu vorgetragen hat, noch behaupten, dass Geringverdiener bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht belastet werden, obwohl wir festgestellt haben, dass 46 % des privaten Konsums der Geringverdiener mit einem Mehrwertsteuersatz von zurzeit 16 % belastet sind, kann ich das nicht nachvollziehen.
Wenn Ihr Kollege Patt behauptet, dass das alles nicht stimme, dann schauen Sie einmal in das Statistische Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, Ausgabe 2005. Auf Seite 548 unter Punkt 22.2.1 ist es genau nachzulesen. Wie man sich als Staatsminister eine Rede vorbereiten lassen kann, in der diese Unwahrheiten – aus der Stellungnahme – wiederholt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich auch nicht nachvollziehen.
Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum man plötzlich seitens der Staatsregierung der Auffassung ist, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Deckung von Haushaltslöchern sinnvoll sei. Wir haben in der Vergangenheit etwas anderes gehört. Ich möchte jemanden zitieren, der davon Ahnung hat, nämlich den Ministerpräsidenten. Ich zitiere die Aussage von Herrn Ministerpräsidenten Milbradt in diesem Hause, Plenarprotokoll vom 14. Juli 2005: „… habe immer gesagt, dass ich eine Mehrwertsteuererhöhung zur Deckung von Haushaltslücken für falsch halte. … Da bleibt es bei den Strukturen beim Alten. Dann ist die nächste Mehrwertsteuererhöhung bereits vorprogrammiert.“ – So Herr Prof. Milbradt in diesem Hause. Recht hat er!
Weil er Recht hat, ist es so wichtig, dass wir heute ein klares Signal senden, die Erhöhung der Mehrwertsteuer
im Sächsischen Landtag ablehnen und den Auftrag an die Staatsregierung geben und sie dabei unterstützen, hierin hart zu bleiben und am 16. Juni 2006 mit Nein zu stimmen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 4/4468. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Föderalismusreform: Keine Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen zulasten von Bildung und Wissenschaft, Umwelt, Strafvollzug und Heimunterbringung
Herr Lichdi steht als erster Redner schon parat, danach folgen die Linksfraktion.PDS, CDU, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Herr Abg. Lichdi, ich bitte Sie, den Antrag einzubringen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl es uns als Abgeordnete im Sächsischen Landtag in besonderer Weise betrifft, haben wir zum Thema Föderalismusreform durchaus selten beraten. Wir meinen, dass dies angesichts der Wichtigkeit des Themas nicht angemessen ist. Wir können auch nicht sagen, die Föderalismusreform wird sowieso auf Bundesebene entschieden; denn wir werden so oder so die erheblichen Auswirkungen hier zu verhandeln haben.
Wenn wir die Föderalismusreform ernst nehmen, dann sollten wir uns als Länderparlament zu den verschiedenen Materien äußern, und zwar bevor in Berlin die Anhörungen – bekanntlich Massenanhörungen in allen Ausschüssen, weil sich die Koalition nicht getraut hat, die einzelnen Materien in die Fachausschüsse zu geben – beginnen sollen.
Es besteht wohl Einigkeit in Deutschland und auch in unserer Fraktion darüber, dass eine Entflechtung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern dringend erforderlich ist. Wir erhoffen uns dadurch auch einen
erheblichen Fortschritt in der Kompetenzzuweisung, in der Verantwortungszuweisung und der Entflechtung zwischen Bund und Ländern. Aber das bedeutet nicht, dass wir bei den einzelnen Materien nicht sehr genau hinschauen sollten. Wir haben in einem sehr umfänglichen Antrag, der sehr viele Materien bündelt, die aus unserer Sicht wichtigsten Gravamina und Mängel des Koalitionsentwurfs aus Berlin hier zur Abstimmung gestellt und werden sie nacheinander nach Fachbereichen abarbeiten.
Ich komme zum Umweltrecht. Das Umweltrecht – das ist allen klar, die sich mit diesem Themenbereich beschäftigen; ich weiß, es sind in diesem Haus nicht allzu viele – ist außerordentlich zersplittert. Ziel des Umweltrechtes sollte eine dauerhafte umweltgerechte Entwicklung sein. Dazu ist ein einheitliches Bundesumweltgesetzbuch von zentraler Bedeutung. Was sind die Argumente, dass die Koalition in Berlin durch ihren Vorschlag mit der Abweichungskompetenz für die Länder ein Bundesumweltgesetzbuch jetzt unmöglich macht? Wenn diese Reform beschlossen wird, bedeutet das de facto, dass wir sämtliche sehr tiefgründigen wissenschaftlichen Vorarbeiten aus den neunziger Jahren – den Professorenentwurf, den Sachverständigenentwurf zu einem UGB – in den Papierkorb werfen.
Wenn wir dann in der Begründung des Gesetzentwurfes der Koalition in Berlin nachlesen, finden wir dazu keine Begründung. Wir finden exakt keine Begründung. Sie wagen also tatsächlich hineinzuschreiben, eine Abweichungsbefugnis in zentrale Umweltrechtsmaterien zu wollen, aber begründet wird es nicht. Dementsprechend ist auch ihr Vorschlag in der Fachwelt einhellig zerrissen worden.
Ich bitte Sie auch zur Kenntnis zu nehmen, dass sich in dieser Frage Herr Glos, Wirtschaftsminister – meines Wissens Mitglied der CSU –, und Herr Gabriel, SPDUmweltminister, einig sind. Sie befürchten nämlich beide einvernehmlich, dass wir dann 16 verschiedene ÖkoUmweltstandards in Deutschland bekommen. Das ist wahrlich kein Standortvorteil, sondern ein erheblicher Standortnachteil, weil sich im Grunde dann jedes Unternehmen sein Extra-Gesetz zurechtlegen muss. Hier muss dringend nachgebessert werden.
Zu meinem zweiten Thema, dem Strafvollzug. Dort ist es genau das Gleiche. Sie planen, den Strafvollzug von der Bundeskompetenz auf die Länderebene zu nehmen. Auch hierzu ist die Reaktion der Wissenschaft eindeutig. Ich sage Ihnen einmal, wer sich alles dagegen ausgesprochen hat – ja, ich gebe zu, es ist ein wenig fachlich, nur für die Juristen: die Vereinigung der AnstaltsdirektorInnen, der Sächsische Richterverein, die Neue Richtervereinigung, die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe und zwölf ehemalige Justizminister und – jetzt hören Sie gut zu – die Abgeordneten, Herr Brangs, der Koalition, die noch anwesend sind und nicht gerade einnicken. Der Landtag von Schleswig-Holstein – meines Wissens auch schwarz-rot regiert – hat sich unserer Forderung angeschlossen, dass der Strafvollzug nicht auf Landesebene verlagert werden sollte.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie nur bitten, lesen Sie in den nächsten Tagen noch einmal etwas sorgfältiger in unserer Begründung nach, dort finden Sie einiges. Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde zu einigen bildungspolitischen Aspekten der Föderalismusrefom Stellung nehmen.
Der große Wurf sollte es werden. In inszenierter Traulichkeit fanden sich, wenn wir uns erinnern, vor allen Dingen die beiden Mehrheitsparteien CDU und SPD im Jahre 2004 zusammen und kündigten ein Ergebnis an. Das Ergebnis sollte es werden und d i e Reform schlechthin. Aber die demonstrierte Einmütigkeit scheiterte, und zwar an einem Punkt, nämlich der Bildungspolitik. Die SPD wollte mehr Kompetenzen des Bundes in der Bildungspo
litik, wie auch die Initiativen der Bundesbildungsministerin zum Beispiel für Junior-Professoren und Ganztagsschulen zeigen. Aber die SPD konnte sich damals nicht gegen den Kulturprovinzialismus der CDU-geführten Länder durchsetzen und so blieb alles beim Alten. Inzwischen ist die zur Schau getragene Einmütigkeit an der Tagesordnung. Wir haben die beiden Parteien in großer Koalition und nun wagen sie sich erneut an das Thema Föderalismusreform heran.
Die größte Veränderung seit den sechziger Jahren sollte es werden. Herausgekommen ist jetzt mit den Entwürfen der Bundesregierung nichts als technisches Kleinklein, denn die Regelung im Bildungsbereich bedeutet: Es bleibt alles beim Alten, nur die Verwaltungskompetenzen werden klar gezogen. So soll es im Grunde im Bildungsbereich keine Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern mehr geben. So haben sich die Länderfürsten gegen eine politische Vision für dieses Land durchgesetzt. Denn, meine Damen und Herren, 16 einzelne Schulsysteme in einem Land – klingt das in Ihren Ohren zeitgemäß? Einmal abgesehen von den Kosten, die 16 Bildungsverwaltungen, verschiedene Schulbücher usw. verursachen. Halten Sie das für angemessen in einer Zeit, in der den Menschen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, höchste Flexibilität abverlangt wird, in einer Zeit, in der Erwerbslose unter Androhung des Entzuges der Existenzgrundlage gezwungen werden, einfach einmal so flexibel zu sein? Was ist aber mit den schulpflichtigen Kindern dieser Menschen? Im Übrigen zeigt sich auch hier eine Verzahnung der Politikbereiche, eine Verbindung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Bildungs- und Familienpolitik, über die Sie offensichtlich nicht so richtig nachgedacht haben.
Kinder zu bekommen stellt auch in diesem Kontext im Sinne der erwarteten Flexibilität ein Risiko dar. Unter all den einzelnen Aspekten muss dann niemand mehr verwundert aufschreien, wenn immer weniger Kinder geboren werden. Es wird zum Bildungsrisiko, zwischen den Schulwesen zu switchen. Da müssen Klassen wiederholt, Fremdsprachen nachgearbeitet werden. Wir sind sogar so weit, dass manche Länder die Abschlüsse der anderen nicht anerkennen. Da frage ich, wo die Chancengerechtigkeit den jungen Menschen gegenüber bleibt, die per Zufall in einem bestimmten Teil Deutschlands geboren werden und zur Schule gehen und deren Abschlüsse dann nicht anerkannt werden sollen. Das kann nicht im Interesse der grundsätzlich abgesicherten gleichen Lebensbedingungen sein. Darum sehen wir da auch Handlungsbedarf.
Weil wir Handlungsbedarf sehen, haben die Linksfraktionen der Landesparlamente und des Bundestages in den letzten Wochen und Monaten eine abgestimmte Initiative ergriffen. Wir wollen in die Debatte um die Föderalismusreform eingreifen, und wir geben mit diesem Antrag auch dem Sächsischen Landtag Gelegenheit dazu, dies zu tun. Denn eines muss man sich klar machen: Es handelt sich hier auch, wie mein Kollege Lichdi gesagt hat, um eine Reform, die primär die Kompetenzen von Bund und Ländern mit immensem Ausmaß regeln soll. Es gibt zwar
eine gemeinsame Kommission, in der auch Vertreter der Landesregierung mitdiskutieren, aber es muss doch auch das Landesparlament zu solch einer schwerwiegenden Veränderung Stellung nehmen.
Dies ist das „Hohe Haus“, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Legislative. Diese kann sich doch nicht aus einem so entscheidenden Diskurs um den Staatsaufbau heraushalten, wenn es zuweilen auch um die Kompetenzen des eigenen Landes geht. Seine Verantwortung nimmt man dann eben nicht wahr, meine Damen und Herren.
Wir aber wollen eingreifen, wir haben die Initiative ergriffen, und zwar mit klaren Inhalten. Wir setzen uns für gemeinsame Bildungsinhalte, formuliert als orientierende Standards, im Bildungsbereich ein. Wir wollen gemeinsame Abschlüsse und auch einen gemeinsamen Rahmen in den Schulstrukturen im Bundesgebiet. Um hier nicht wieder absichtlich missverstanden zu werden: Damit meine ich explizit nicht, dass alle Entscheidungen zentral von Berlin getroffen werden sollen. Ganz im Gegenteil. Wir wollen autonome Schulen, die demokratisch und eigenverantwortlich ihren Weg zu den pädagogischen Zielen bestimmen, die gemeinsam festgelegt werden, denn dies soll ein Weg zu bundesweit gemeinsamen Zielen sein. Dann können meinethalben auch die Abschlussprüfungen zentral sein, wenn sie denn kompetenzorientiert sind. Ganz klar also: Wir wollen die Rahmenbedingungen auf Bundesebene und die Ausgestaltung auf der Ebene der einzelnen Schule. So erst wird Demokratie in einem gemeinsamen Rahmen möglich.
Zum Antrag der GRÜNEN. Ich möchte mich da auf den Bildungsbereich beziehen. Wir sind uns in der Intention sehr nahe. Es wird hier noch ein weiterer Punkt aufgegriffen, der im Moment heiß in der öffentlichen Debatte diskutiert wird: die Investitionsprogramme. Tatsächlich sollen die Investitionsprogramme, wenn es nach den Schustern der Föderalismusreform geht, in Zukunft nicht mehr zulässig sein. Es grenzt für mich fast schon an politische Scharlatanerie, diese Option der progressiven Entwicklung abschaffen zu wollen. Natürlich steuert der Bund über solche Programme, führt die Länder am so genannten goldenen Zügel. Aber ist eine Steuerung in eine gemeinsame Richtung nicht auch die Aufgabe des Bundes, oder soll sich alles in völlig unterschiedlichen Richtungen entwickeln, bis dann tatsächlich jedes Bundesland seine eigene Botschaft in Brüssel hat?