Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der „Leipziger Volkszeitung“ vom 22.03. dieses Jahres konnte entnommen werden, dass der so genannte Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln hinsichtlich der besten deutschen Bildungssysteme Sachsen auf dem dritten Platz sieht. Das ist erst einmal ganz positiv, wenn nur die Bildungspolitiker der schwarz-roten Koalition nicht gerade dabei wären, auf vielfältige Art und Weise die Schulstruktur zu zerschlagen, die für die nicht eben schlechte Bewertung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln gesorgt hat.
So war ebenfalls am 22.03.2006 in der „Sächsischen Zeitung“ zu lesen, dass es im nächsten Schuljahr für 71 Mittelschulen allein im Regierungsbezirk Dresden personell sehr eng wird, da diese die gesetzlich geforderten Mindestschülerzahlen nicht mehr erreichen würden. Im Weißeritzkreis sollen von zwölf Mittelschulen sogar nur noch drei die Mindestschülerzahl erreichen.
Vorgestern meldete die „Sächsische Zeitung“, dass das sächsische Schulnetz weiter dramatisch ausgedünnt werde. Ich zitiere: „Etwa 35 Mittelschulen müssen in diesem Schuljahr wegen Schülermangels schließen. Weitere 20 Schulen dürfen keine fünften bzw. ersten Klassen mehr bilden, weil sie die gesetzlich geforderte Mindestschülerzahl nicht erreicht haben.“
Mit dieser alarmierenden Meldung sind wir auch beim Thema der Aktuellen Stunde, deren Titel „Gefahr einer weiteren Schulschließungswelle und Auswirkungen der aufgeweichten Bildungsempfehlung – Konsequenzen für das Schulnetz“ ausnahmsweise einmal der Debattenlage und der Problematik gerecht wird. Im letzten Jahr wurden von Kultusminister Flath bereits 83 Schulen im Freistaat abgewickelt, wofür stereotyp der Schülermangel infolge des Geburtenrückgangs verantwortlich gemacht wird. Das ist aber nur eine Teilwahrheit. Der andere Teil der Wahrheit ist, dass die Staatsregierung – wir sprachen oft darüber – seit 1990 nichts Wirksames gegen die demografische Katastrophe getan hat und den Teufelskreislauf aus sozialer Existenzangst, Geburtenrückgang, Schulschlie
Als NPD-Fraktion haben wir in diesem Haus mehrere landesgesetzlich problemlos umsetzbare Initiativen eingebracht, um finanzielle Anreize für die Elternschaft in Sachsen zu schaffen. Aber in ihrer bevölkerungspolitischen Amoklauf-Mentalität haben die Blockparteien ja sowohl den NPD-Antrag auf Einführung eines Müttergehaltes als auch – es war erst gestern – den NPD-Antrag auf Einführung eines Ehekredits zur Förderung von Familiengründungen in Sachsen kaltblütig abgelehnt. Das ist ein Teilgrund der Schulschließungsmisere und der andere ist die Auswirkung der aufgeweichten Bildungsempfehlung.
Wir erinnern uns, dass die Änderung der Bildungsempfehlung für das Gymnasium von der Note 2,0 auf 2,5 dem ganz sicher mickrigsten Wurf der sächsischen Parlamentsgeschichte, nämlich dem schwarz-roten Koalitionsvertrag, entspringt. Dabei hätte für die Großkoalitionäre aber von Anfang an klar sein können und müssen, dass nicht unerhebliche Schülerwanderungen zulasten der Mittelschulen die Folge sein würden.
Wie die Staatsregierung bereits in der Drucksache 4/0975 darlegte, haben 1 578 Grundschüler zum Halbjahr des Schuljahres 2004/2005 eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium bekommen, die vorher noch eine Bildungsempfehlung für die Mittelschule erhalten hätten. Damit stiegen die Anmeldungen für das Gymnasium im Vorjahresvergleich um 7 %.
Diese Gefahr eines personellen Aderlasses der Mittelschulen und der Bestandsgefährdung vieler dieser sächsischen Regelschulen war für die NPD-Fraktion bereits im Juni letzten Jahres absehbar. Zu diesem Zeitpunkt fand eine wie immer folgenlose Landtagsdebatte zu ebendiesem Thema statt. Der personelle Druck auf die Mittelschulen musste geradezu wachsen und dazu führen, dass viele Mittelschulen die erforderlichen Mindestschülerzahlen nicht mehr erreichen würden.
Eine weitere, ebenfalls absehbare Gefahr der geänderten Bildungsempfehlung ist die Abschwächung des Gesamtleistungspotenzials der Mittelschulen, denen nun durch einen forcierten Gang von Grundschülern auf das Gymnasium potenzielle Bildungsspitzen genommen werden. Dies muss nicht, aber dies kann zu einem Niveauverlust der Mittelschulen und deren Absinken zu einer Art Restschule führen. Darüber hinaus können aber auch die Gymnasien Schwierigkeiten mit der Aufrechterhaltung des bisherigen Niveaus bekommen, weil gute Mittelschüler, obgleich mit einer Bildungsempfehlung für das Gymnasium im Rücken, nicht zwingend gute Gymnasiasten sind.
Alles in allem ist ein unschönes Durcheinander aus Schülerwanderungen, Leistungssenkungen und Schulschließungen zulasten von Schülern, Eltern, Lehrern und Schulleitungen in Sachsen entstanden.
Herr Minister Flath, wenn ich an Ihren äußerst dürftigen Redebeitrag in der 21. Sitzung des Sächsischen Landtages zu den Zielen und Folgen der geänderten Bildungsempfehlung und an Ihr Rumgeeiere in der Frage reihenweiser Schulschließungen denke, dann wundert mich gar nichts. Herr Minister Flath, ein Prädikat – das lässt sich für mich und meine Fraktion nach anderthalbjähriger Landtagszugehörigkeit feststellen – haben Sie sich wirklich verdient, nämlich das des schulpolitischen Geisterfahrers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nunmehr bereits zum zweiten Mal wurden die Bildungsempfehlungen für die sächsischen Viertklässler nach den neuen Regelungen vergeben. Wer in den beiden Unterrichtsfächern Deutsch und Mathematik einen Notendurchschnitt von mindestens 2,5 erreicht, darf ab Klasse 5 das Gymnasium besuchen. Die Folge ist, dass wesentlich mehr Eltern ihre Kinder auch tatsächlich für das Gymnasium anmelden als in den Jahren zuvor, als die Bildungsempfehlung noch an einen Notendurchschnitt von 2,0 gekoppelt war.
Grundsätzlich ist ein Stadt-Land-Gefälle auszumachen. Im ländlichen Raum gehen tendenziell weniger Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium als in den großen Städten.
Wir GRÜNEN treten seit Langem für die vollständige Abschaffung der Bildungsempfehlung ein. Wir sind sicher, dass Eltern verantwortungsbewusst und fürsorglich zum Wohle ihrer Kinder über deren Bildungsweg entscheiden. Deshalb ist eine staatliche Reglementierung nicht nötig. Insofern sind wir GRÜNEN mit einer Durchschnittsnote von 2,5 für die Bildungsempfehlung nicht zufrieden, erkennen aber gern an, dass die Konsequenz, ein anteilig höherer Übertritt auf das Gymnasium, begrüßenswert ist.
Allerdings ist das eigentliche bildungspolitische Problem nicht gelöst. In Sachsen werden nach wie vor Zukunftschancen mit zehn Jahren vergeben. Das ist unmenschlich und wenig treffsicher.
Aus empirischen Analysen wissen wir: Ungefähr die Hälfte der Bildungsempfehlungen ist falsch. Kinder bekommen vielmehr ihre soziale Herkunft bestätigt. Für Schüler aus Akademikerhaushalten wird bei vergleichbaren Leistungen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium erteilt als für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Auch in Sachsen ist das so.
Die jüngste Pisa-Studie, welche der Kultusminister und die CDU gern als Kronzeugen für das Erfolgsmodell „Sächsische Schule“ bemühen, zeigt eindeutig, dass es
sowohl Gymnasiasten gibt, deren Leistungsstand dem eines Mittelschülers entspricht, als auch Mittelschüler, deren Kompetenzniveau dem eines Gymnasiasten entspricht. Das ist ein Beleg für die Untauglichkeit des Mittels Bildungsempfehlung.
Wenn man wollte, ließe sich diese himmelschreiende Ungerechtigkeit recht einfach beseitigen. Längeres gemeinsames Lernen heißt die Zauberformel, Gemeinschaftsschule die realitätsnahe Möglichkeit der Umsetzung.
Der Titel dieser Aktuellen Debatte lässt allerdings erahnen, dass es auch um etwas anderes gehen soll. „Aufgeweichte Bildungsempfehlungen und Konsequenzen für das Schulnetz“ – das ist eine seltsame Formulierung. Hier wird suggeriert, dass die Zugangsberechtigung zum Gymnasium allein schuld sein soll an der Schließungswelle für Mittelschulen.
Wie menschenverachtend muss man eigentlich sein, wenn man glaubt, Bildungsempfehlungen seien dazu da, die sächsischen Mittelschulen zu erhalten?
(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der SPD – Torsten Herbst, FDP, tritt ans Mikrofon.)
Werte Frau Kollegin, habe ich es gerade richtig gehört? Sie haben mir Menschenverachtung vorgeworfen?
Ich habe Ihnen vorgeworfen, dass die Sicht, Bildungsempfehlungen müssen so erteilt werden, dass Mittelschulen erhalten bleiben, menschenverachtend ist. Wir haben das vorhin als Zynismus bezeichnet.
Es ist unwürdig, Kindern zu sagen, aus Gründen des Schulnetzplanes wird eine Bildungsempfehlung in die eine oder andere Richtung vergeben.
Können Sie mir bitte exakt die Stelle aus meiner Rede nennen, an der ich genau das, was Sie hier falsch zitiert haben, ausgeführt haben soll?
ihn noch einmal vor: „Gefahr einer weiteren Schulschließungswelle und Auswirkungen der aufgeweichten Bildungsempfehlung – Konsequenzen für das Schulnetz“. Ich denke, das ist eindeutig.
In dieser Woche schließt sich der Kreis. Am Mittwoch haben wir über die Regierungserklärung der Sozialministerin Orosz gesprochen. Es ging in dem Beitrag und in den Erwiderungsreden regelmäßig darum, dass im Mittelpunkt aller Anstrengungen das Wohl der Kinder stehen soll. Heute in der Bildungsdebatte geht es auch um Kinder – gleich nach der Schulnetzplanung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es sich hier um eine Aktuelle Debatte handelt, sollten sich doch auch die Redner anderer Fraktionen bemühen, nur Dinge zu zitieren, die wortwörtlich gesagt wurden. Alles andere finde ich sehr unanständig.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung: Mehr Abiturienten für Sachsen sind durchaus begrüßenswert – wir würden uns freuen –, aber doch bitte durch bessere Leistungen mehr Abiturienten und nicht mehr Abiturienten auf Kosten der Leistung. Das ist der Unterschied, den wir machen: Leistungsgerechtigkeit statt Gleichmacherei.
Ich bin schon sehr verwundert, wenn ich die Meinung der SPD höre. Ich glaube, wir haben hier vor knapp einem Jahr über die Bildungsempfehlung gestritten. Es wurde ein Antrag verabschiedet. Erinnern Sie sich daran, was wir beschlossen haben, Herr Flath? Sie haben hier geklatscht.