Protocol of the Session on April 7, 2006

Wir meinen, dass Abschiebungen in Länder, die die Sicherheit von Leib und Leben der Flüchtlinge nicht gewähren können, unverzüglich auszusetzen sind.

Wir sind des Weiteren der Auffassung, dass humanitäre Aspekte und der Grad der bisherigen Integration in die Gesellschaft bei solchen Entscheidungen Berücksichtigung finden müssen.

Solange es jedoch – das muss ich auch dazu sagen – keine anderen Regelungen als diese bestehenden kritikwürdigen gibt, müssen wir dafür sorgen, dass Abschiebungen, wenn sie schon zustande kommen, wenigstens halbwegs menschenrechtlich vertretbar sind.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Menschenwürde muss dabei für jeden gelten, egal, woher der- oder diejenige kommt, ob es Kinder oder Erwachsene sind. Das ist Ziel unseres Antrags, darauf haben wir ihn abgestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir und insbesondere die Behörden müssen darauf achten und dafür stehen, dass nie wieder ein Kind als Gegenstand zur Erpressung einer Abschiebung missbraucht wird. Niemand darf zulassen, dass Kinder als Faustpfand gegen ihre Eltern zum Zwecke der Abschiebung genommen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das darf nicht wieder passieren. Dafür, Herr Staatsminister Buttolo, brauchen wir Ihr Engagement, und zwar dringend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb ist auch der Fokus unseres Antrags darauf gerichtet, bei künftigen Amtshilfen anders vorzugehen und den Vorschlag der

Ausländerbeauftragten, dass generell für solche Aktionen nur geschulte Kräfte herangezogen werden können, aufzunehmen und zu unterstützen. Das ist im Grunde genommen das mindeste, gewissermaßen das unterste Level.

Ich sage es einmal so: § 1 solcher Richtlinien kann nur heißen: Auch Personen, die abgeschoben werden, sind Menschen. Und § 2: Kinder sind Kinder, auch in Deutschland, und sie unterliegen der UN-Kinderrechtskonvention.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ich sage auch, dass es mich wirklich freut – das meine ich ehrlich –, dass die Koalition Gedanken aus unserem Antrag in ihrem Änderungsantrag aufgreift. Das finde ich okay, wir werden dem gern zustimmen. Ich meine, dass es wichtig ist, dass dieser Antrag ebenso wie der Antrag der GRÜNEN, zu dem wir ebenfalls stehen, angenommen wird. Allerdings, Frau Hermenau, wenn ich das so sagen darf, denn Sie wissen es so gut wie ich, ist Punkt 2 per Akklamation natürlich nicht zu erwirken. Wenn dem so wäre, würde ich ganz schnell – Sie werden es mir nachsehen – in mein Büro laufen, die drei Akten, die momentan auf meinem Tisch liegen, herholen und sie bei Punkt 2 unterbringen. Das würde ich gern tun, wir sind aber politisch Ihrer Auffassung. Deswegen unterstützen wir das selbstverständlich auch, denn Abschiebungen, gerade solche, die sinnlos sind, wie im Fall der angolanischen Mutter und ihres Kindes, wollen wir nicht. Deshalb denke ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist alles, was zu diesem Themenpunkt auf Ihrem Tisch liegt, zu unterstützen. Dafür geben wir auch unsere Zustimmung.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Frau Abg. Matthes spricht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Kommen wir bei allen Gründen für die umfassende Diskussion zurück zum konkreten Fall. Die Polizei hat ein dreijähriges Kind aus einer Kindertagesstätte abgeholt und in Gewahrsam genommen, weil es mit seiner Mutter zusammen abgeschoben werden soll. Das ist schon ein gravierender Vorgang, der zahlreiche Fragen aufwirft und über den man nicht so ohne Weiteres hinweggehen kann.

Das Vorgehen der Polizei war in diesem Fall zumindest höchst unsensibel. Richtig ist: Die Mutter war mit ihrem Kind vollziehbar ausreisepflichtig, und das war der Mutter seit Sommer vergangenen Jahres bekannt.

Richtig ist auch: Die Polizei sollte, nachdem die Mutter nicht freiwillig ausreiste, an diesem Tag, dem 6. März, eine vollstreckbare Abschiebungsverfügung vollziehen.

Es stellt sich dennoch die Frage: Warum kam die Polizei nicht rechtzeitig zur Wohnung der Mutter, um diese mit ihrem Kind gemeinsam in Gewahrsam zu nehmen? Völlig

inakzeptabel ist, dass die Polizeibeamten zunächst das Kind – ein dreijähriges Kind wohlgemerkt – allein in Gewahrsam nahmen, bevor sie der Mutter habhaft werden wollten – umso mehr, als sie den Aufenthalt des Kindes ermitteln konnten, den der Mutter jedoch nicht.

Dieser Vorgang bedarf deshalb einer umfassenden Aufklärung, und zwar – das betone ich ausdrücklich – auch im Hinblick darauf, ob er über die unbestrittene Unsensibilität hinaus überhaupt durch die Abschiebungsverfügung gedeckt und damit rechtmäßig war. Ist das nicht der Fall, stellt sich die Frage, ob daraus für die handelnden Beamten gegebenenfalls auch strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen sind.

Ich bin dem Innenminister und der Polizeiführung insoweit dankbar, als sie offenbar um eine umfassende Aufklärung bemüht sind. Sie haben selbst diese strafrechtliche Überprüfung durch die zuständige Staatsanwaltschaft beantragt.

Das Ergebnis dieser Prüfungen muss allerdings zunächst abgewartet werden – dies umso mehr, als sich der Vorgang anscheinend doch etwas anders abgespielt hat, als er in den Medien dargestellt wurde. Das wurde auch in der letzten Sitzung des Innenausschusses deutlich. So wurde dort – entgegen den früheren Darstellungen – zum Beispiel mitgeteilt, dass das Kind von einer Betreuerin aus der Kindertagesstätte begleitet wurde, als es die Polizei in Gewahrsam nahm, und zwar die gesamte Zeit über.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das stimmt nicht!)

Die Diskussion im Innenausschuss hat gezeigt, dass selbst bei der Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes noch viele Detailfragen offen sind. Diese bedürfen dringend einer Klärung. Offenbar sind die Darstellungen der Polizei, der Erzieherinnen und der betroffenen Mutter nicht ganz deckungsgleich. So ist es meines Erachtens eben noch nicht eindeutig klar, ob das Kind tatsächlich gegen den ausdrücklichen Widerstand der Erzieherinnen abgeholt wurde und welche Rolle der Beauftragte der Mutter spielte.

Wenn diese Überprüfungen abgeschlossen sind, müssen die erforderlichen Schlussfolgerungen gezogen und konsequent umgesetzt werden – bis hin zu möglichen Strafverfahren gegen die beteiligten Polizeibeamten, wenn sich tatsächlich der Verdacht einer Straftat bestätigen sollte.

Davor aber – zudem noch auf der Basis offensichtlich lückenhafter Kenntnisse des Sachverhaltes – ist eine abschließende Beurteilung unseriös. Aus diesem Grund lehnen wir die eindeutige Vorverurteilung ab, welche in den beiden hier zur Debatte stehenden Anträgen zum Ausdruck kommt. Das gilt insbesondere für den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Ungeachtet der abschließenden rechtlichen Prüfung des Vorganges und auf der Basis unseres derzeitigen Erkenntnisstandes lässt sich jedoch schon jetzt sagen: Ein derart unsensibles Vorgehen darf sich künftig nicht wiederholen.

Diesen Vorgang auch auf Schlussfolgerungen für die polizeiliche Aus- und Fortbildung zu prüfen, halten wir deshalb für angebracht. Beamte müssen noch stärker als bisher für solche Situationen sensibilisiert werden.

Aus diesem Grund haben Ihnen die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag vorgelegt, der verschiedene richtige Anregungen der Linksfraktion aufgreift, ohne allerdings über das Ziel hinauszuschießen. Dies betrifft insbesondere die Ziffern 1 und 2 des Antrages der Linksfraktion.

Abschiebungen sind sicher nicht das übliche Alltagsgeschäft der Polizei, und weil sich dahinter oft schwierige menschliche Schicksale verbergen, verlaufen sie nicht immer unproblematisch. Sie stellen daher für die Betroffenen wie auch für die Polizeibeamtinnen und -beamten regelmäßig eine Ausnahmesituation dar – ganz besonders dann, wenn Kinder mit betroffen sind.

Ich bin sicher: Die sächsischen Polizeibeamtinnen und beamten meistern derartige Situationen in aller Regel korrekt und mit der nötigen Sensibilität. Der vorliegende Fall zeigt dennoch: Die Polizei muss noch besser auf diese Aufgabe vorbereitet werden.

Die Ausländerbeauftragte regte an, beim Vollzug von Abschiebungen besonders geschulte Polizeibeamtinnen und -beamte einzusetzen. Dieser Vorschlag muss auf seine Realisierbarkeit geprüft und, wenn möglich, umgesetzt werden.

Noch einmal: Ein solcher unsensibler Vorgang darf sich nicht wiederholen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Herr Innenminister, Sie fordere ich auf, den Landtag nach Abschluss der Untersuchungen rückhaltlos und selbsttätig zu informieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Jetzt ist Herr Bräunig von der SPD-Fraktion an der Reihe; bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwangsweise Rückführungen – ich benutze das Wort Abschiebung nicht gern, weil es politisch nicht korrekt ist –

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

in ihre Heimatländer sind leider notwendig, weil sie im Prinzip ohne Alternative sind, wenn es darum geht, dass der Staat in letzter Instanz Recht und Gesetz durchzusetzen hat; das ist nun einmal so. Die Natur der Sache will es, dass Rückführungen damit zum polizeilichen Tagesgeschäft gehören, aber so alltäglich sind sie nicht.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass bei diesen Rückführungen regelmäßig in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen wird. Solange diese Grundrechtseingriffe im

Rahmen der bestehenden Gesetze erfolgen, ist das rechtens und gesellschaftlich auch akzeptiert.

Aber gerade wegen dieser regelmäßigen schwerwiegenden Grundrechtseingriffe ist bei allen Beteiligten höchste Sensibilität angezeigt, damit sich diese Rückführungsmaßnahmen so gestalten, dass die Würde des Einzelnen auch unter diesen besonderen Umständen immer gewahrt bleibt.

Nun sind jenseits aller rechtlichen Betrachtungen, die im vorliegenden Fall umfassend geprüft werden müssen – die Staatsanwaltschaft ist bereits aktiv – für meine Fraktion die Ereignisse des 6. März in dieser Kindertagesstätte keinesfalls hinnehmbar.

Ich danke auch der Sächsischen Ausländerbeauftragten, Frau de Haas, besonders für ihre in den Medien geäußerten mahnenden Worte, dass im Zweifel das Interesse an einer schnellen Rückführung hinter dem Wohle des Kindes zurückzustehen hat.

Meine Damen und Herren, der Sachverhalt, über den wir hier debattieren, ist von meinen Vorrednern bereits umfassend dargestellt worden. Auch folgen – wie ich doch hoffe – noch deutliche Worte des Staatsministers. Für meine Fraktion ist die tatsächliche und rechtliche Aufklärung der Vorgänge mit der heutigen Aussprache noch nicht beendet. Dass die Staatsanwaltschaft auf Initiative der Polizei die Ereignisse prüft, begrüße ich ausdrücklich. Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch die Dresdner Polizei zeigt, dass unsere sächsische Polizei durchaus um eine Aufklärung bemüht ist, wenn Fehler passieren. Dies kann man und muss man hoch anrechnen.

Herr Lichdi hat uns ausführlich seine Rechtsposition dargestellt. Ich denke aber, dass wir hier nicht bei der Staatsanwaltschaft sind, Herr Lichdi. Für uns Parlamentarier sollte sich eher die Frage stellen, wie wir auf die bisher bekannt gewordenen Vorgänge zu reagieren haben.

Die Koalition macht ihre Kritik am Vorgehen der Polizei öffentlich und fordert die weitere Aufklärung der näheren Umstände des Geschehens am 6. März. Die Koalition ist zu der Auffassung gelangt, dass im Vorfeld von Rückführungsmaßnahmen die Schulung von Einsatzkräften dringend zu verbessern ist. Interkulturelle Kompetenz, meine Damen und Herren, ist das, was wir in diesem Zusammenhang vermitteln müssen.

(Beifall der Abg. Stefan Brangs, SPD, Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Hier gibt es in der Tat Defizite. Wir müssen bedenken, dass Soldaten der Bundeswehr im Umgang mit fremden Kulturen geschult werden, bevor sie in Auslandseinsätze geschickt werden. Das gilt auch für deutsche Polizeibeamte, die im Ausland tätig sind. Während diese Polizeibeamten in einem fremden Land leben und arbeiten, eignen sie sich in der Regel ein Höchstmaß an interkultureller Kompetenz an. Ich bin selbst ein lebendes Beispiel dafür. Warum sollte man sich nicht der Erfahrungen dieser Kolleginnen und Kollegen bedienen, um die hier Tätigen