Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Überschrift „Altersgerechtes Wohnen“ liest, hätte ich eigentlich auch über Teenies berichten können, die bestimmte Formen entsprechend ihrer Altersgruppe wünschen.
Wenn man sich den Antrag allerdings anschaut, dann ist es schon klar, dass wir hier entsprechend der demografischen Entwicklung, die vor uns steht, tatsächlich das Wohnen älterer Menschen gemeint haben.
Jeder Mensch hat natürlich unterschiedliche Ansichten vom Leben, vom Wohnen. Das gilt auch für ältere Menschen. Bei allen unterschiedlichen Vorstellungen über die eigene individuelle Wohnsituation sind sich die meisten älteren Menschen darin einig: Sie möchten unabhängig und selbstständig leben und möglichst nicht auf fremde Hilfe angewiesen sein.
Ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter und ein möglichst langer Verbleib in der vertrauten Umgebung des eigenen Zuhauses, auch im Pflegefall, sind dann möglich, wenn die Wohnsituation älterer Menschen auf ihre Bedürfnisse abgestimmt wird. Hinzukommen muss jedoch ein angemessener Anteil an seniorengerechten Wohnungen im Gesamtwohnungsbestand in den kommenden Jahrzehnten. Dieser muss deutlich erhöht werden.
Die demografische Alterung der Bevölkerung, der mit zunehmender Lebenserwartung steigende Bedarf an Pflege und die Zunahme allein stehender Menschen – vielleicht ganz nebenbei mal eine Zahl, die AWO hat in ihren Pflegeheimen durchschnittlich ein Alter von 87 Jahren, so dass auch dort deutlich wird, dass die älteren Menschen andere Erwartungen an ihr Umfeld stellen – haben jetzt den Bedarf von altersgerechtem Wohnraum ansteigen lassen.
Es ist daher selbstverständlich, aber auch zwingend notwendig, dass auf diese Entwicklung frühzeitig mit gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Veränderungen reagiert werden muss. Vielfach fehlt es noch an stimmigen Konzepten und umfassenden Anpassungsstrategien, mit denen langfristig Akzente und Verständnis für die Bedürfnisse älterer Menschen gesetzt werden und somit auch ausreichend bezahlbarer Wohnraum schon im Wege einer veränderten Stadtentwicklung geschaffen wird.
Es gibt nicht wenige Kommunen, die diesen Schwerpunkt erst in ihre Stadtentwicklungskonzeption aufnehmen müssen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor der Verantwortung stehen aber auch kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften wie auch private Vermieter und nicht zuletzt Eigenheimbesitzer oder -bauer. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass schon heute viele ältere Menschen ein ausreichendes altersspezifisches Wohnraumangebot vermissen. Gerade auch weil ältere Menschen selbstbestimmt leben wollen, genügen traditionelle Sonderwohnformen wie Altenheime oder klassische Altenwohnungen nicht mehr den Bedürfnissen heutiger und insbesondere nicht künftiger Seniorengenerationen.
Dabei kommt der eigenen Wohnung und dem Wohnumfeld, insbesondere der vertrauten sozialen Umgebung, eine immer größere Bedeutung zu. Wenn im Alter der Aktionsradius kleiner wird und die Mobilität abnimmt, gewinnen die Fragen der Infrastruktur – Wo ist mein Supermarkt? Wo habe ich Kommunikationsmöglichkeiten? Wie komme ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln an die Stelle, wo ich hin möchte? – immer mehr an Bedeutung.
Zwar haben spezielle Wohnungsangebote und auch das Spektrum alternativer Wohnformen für Senioren durchaus zugenommen. Vielfach gehen aber diese Angebote noch an den tatsächlichen Bedürfnissen älterer Menschen vorbei. Oft sind die eigenen vier Wände oder die Mietwohnung schon räumlich nicht an die persönlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten eines älteren Menschen
angepasst und zugeschnitten. Dabei sind es manchmal nur kleine Veränderungen, die notwendig sind, zum Beispiel im Bad, oder größere, wie der Einbau eines Aufzuges, oder andere Maßnahmen, um die Lebensqualität für die älteren Menschen spürbar zu verbessern.
Andererseits klagen Anbieter von altersgerechten Wohnanpassungsmaßnahmen und Dienstleistungen noch häufig darüber, dass ihre Angebote in der Öffentlichkeit von den Betroffenen und von den Vermietern kaum wahrgenommen werden. So stellten Wohnungsgenossenschaften auf einer Tagung im Oktober vergangenen Jahres in Leipzig fest – ich zitiere aus den Verbandsmitteilungen des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften vm aktuell 11/2005: „Die Scheu der Mitglieder, altengerechte Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, wird am besten durch persönliche Gespräche oder auch durch die Information des Familien- oder Bekanntenkreises überwunden. Das erfordere allerdings, dass alle Mitarbeiter einer Genossenschaft den Schritt von der Verwalter- zur Dienstleistungsgenossenschaft mitgehen. Nachbarschaftsvereine, wohnbegleitende Dienstleistungen sowie Wohnanpassungsmaßnahmen im Bestand sowie im Wohnumfeld sind nachhaltige Maßnahmen, die das Wohnen in den eigenen vier Wänden bis zum Lebensende ermöglichen.“
Sie sehen an diesem Beispiel, dass sich Wohnungsgenossenschaften langsam darauf einstellen, für ihre Klientel bessere Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Damit gehen die Ansätze in die richtige Richtung. Einzelne Wohnungsunternehmen, ob kommunal oder als Genossenschaft, haben sich bereits auf den Weg begeben und können gute Erfolge vorzeigen. Es funktioniert besonders dort sehr gut, wo sich Wohnungsunternehmen gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden, Vereinen oder privaten Dienstleistern auf den Weg gemacht haben, in Kooperation neue wohnortnahe Betreuungsformen anzubieten.
All diese zarten Pflänzchen werden allerdings mit einem gesellschaftlichen Kontext konfrontiert, der die Bedeutung dieses Themas bisher noch wenig erfasst hat. So versäumen es viele Menschen, schon bei der Wahl oder der Gestaltung des eigenen Zuhauses solche Vorüberlegungen oder Maßnahmen mit zu berücksichtigen, die auf ihre späteren Bedürfnisse im Alter Rücksicht nehmen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein völlig anderes Thema aufgreifen. Kommunen, Wohnungsunternehmen wie auch Betroffene selbst sollten, nein, müssen zukünftig darauf achten, dass einer weiteren Entmischung der Generationen entgegen gewirkt wird. Die Folgen sind schon heute Entleerung ganzer Gemeinden oder Stadtquartiere. Es ist daher aus meiner Sicht ein ganzes Bündel von Maßnahmen nötig, um Wohnen im Alter als ganz normalen Bestandteil einer Gesellschaft zu ermöglichen.
Erstens. Barrierefreies Bauen sollte konsequent in den Ländern und damit auch bei uns im Freistaat als Fördervoraussetzung für den sozialen Wohnungsbau verankert werden. Mein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen.
Zweitens. Auch im Rahmen der Modernisierungsförderung sollten verstärkt Maßnahmen zur Barrierefreiheit in den Wohnungen gefördert werden.
Drittens. Wohnungsbauprojekte, die innovative Wohnangebote und Betreuungskonzepte für neue ambulante oder stationäre Wohnformen im Alter anbieten, sollten gezielt unterstützt werden. Zu nennen sind hier vor allem ambulante Haus- und Wohngemeinschaften sowie betreute Wohnformen im kleinräumigen stationären Bereich mit einem ganz engen, quartierbezogenen Konzept.
Viertens. Der hohen Nachfrage nach gemeinschaftlichen Wohnformen im Alter stehen allerdings noch erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten entgegen. Finanzierungsbedingungen sind kompliziert, und auch die Abstimmungsprozesse zwischen Kommunen, Wohnungsunternehmen bis hin zu den Anbietern von Dienstleistungen und der Pflege sind noch zu kompliziert.
Fünftens. Um solche Probleme anzugehen oder zu bewältigen, bedarf es in jedem Landkreis oder in jeder Kreisfreien Stadt mindestens einer öffentlich geförderten Wohnberatungsstelle. Sie sind als Anlauf- oder als Informationsstelle für ältere Menschen unverzichtbar. Im Übrigen verhindern diese sehr oft Nachfolgekosten, die später auftreten.
Sechstens. Angesichts der demografischen Entwicklung muss auch beim frei finanzierten Wohnungsbau bzw. beim Eigenheimbau der Fokus verstärkt auf barrierefreies altersgerechtes Wohnen gerichtet werden. Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, habe ich selbst bemerkt, dass es hierbei wohl Nachholbedarf bei der Ausbildung der Architekten gibt.
Ich kann nur unterstützen, was der Verbandsdirektor des Verbandes Sächsischer Wohnungsunternehmen, Dr. Axel Viehweger, im Oktober 2005 auf jener Fachtagung formuliert hat: „Altersgerechtes Wohnen ist eine komplexe Aufgabe, die ein Netzwerk von Partnerschaften erfordert.“
In dieses Netzwerk gehören neben den Wohnungsgenossenschaften die Kommunen, die Wohlfahrtsverbände und privaten Anbieter, aber auch die Menschen selbst gehören dazu. Auch sollten wir unsere Förderpolitik nicht losgelöst vom demografischen Wandel realisieren. Hier bestehen Möglichkeiten, im Freistaat Rahmenbedingungen zu beschließen. Andererseits müssen Generationen wieder lernen, miteinander zu leben und füreinander Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung der unterschiedlichen Generationen muss nicht nur innerhalb der Familie sein, insbesondere deshalb, da wir ja voraussehen können, dass es tatsächlich in einigen Jahren viele ältere Menschen geben wird, die allein stehend sind und Hilfe brauchen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist wichtig und notwendig, dass wir uns zu dieser Thematik, und wenn es am Freitag Nachmittag ist, äußern. Ich halte es auch für angemessen, wenn wir das in gebotener Ausführlichkeit tun. Allerdings hätte ich mir dazu einen qualifizierteren Antrag gewünscht,
denn Sie greifen mit Ihrem Antrag doch das im Bericht auf, was wir bereits – ich habe noch einmal nachgeschaut – vor fünf oder sechs Jahren fast gleichlautend wissen wollten.
Sie haben es damals abgelehnt, das stimmt. Die Mehrheit zumindest. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass wir nach diesen Jahren nicht nur zu einem Berichtsantrag kommen, wo ich noch nicht einmal die Stellungnahme habe, sondern dass wir vielleicht aus Ihrer Sicht einen Antrag mit einer Aufforderung zum Handeln gehabt hätten. Das wäre die Konsequenz. Möglicherweise werden wir Ihnen den dann schreiben müssen, in der Hoffnung, dass Sie dem auch zustimmen. Dennoch, trotz dieser Einschränkung, meine Damen und Herren, werden wir uns auch heute, wie wir das immer tun, an der Debatte beteiligen. Ich füge hinzu: Wir werden selbstverständlich deutlich zu machen haben, dass wir in vielem, was auch Dr. Jähnichen oder Frau Weihnert bereits dargestellt haben, mit Ihnen übereinstimmen. Aber – das war meine erste Mahnung – wir dürften dieses Übereinstimmende nicht ständig auf gleichem Niveau wiederholen, sondern wir müssen wirklich jetzt zur Aktion kommen.
Lassen Sie mich aus sozialpolitischer Sicht noch einmal – ich muss es allerdings in dieser Abstraktion heute auch tun, da der Antrag nicht mehr hergab – einige Punkte deutlich machen, auf die wir als Linksfraktion besonderen Wert legen.
Erstens. Ja, die Lebenserwartung der Menschen hat sich erheblich verändert. Durch den medizinischen Fortschritt und durch andere Faktoren werden die Meisten von uns älter, und es kommt hinzu, dass sich auch die Bedürfnisse im Alter verändert haben. Darin stimme ich Dr. Jähnichen völlig zu und gehe darüber hinaus. Es ist nicht nur die Mahnung an die Älteren sich einzumischen – auch in Ämtern –, sondern wir brauchen regelrecht den Aufruf, es zu tun, und zwar in Stadträten, in Gemeinderäten, auch auf anderer Ebene. Nicht nur in so genannten Positionen des bürgerschaftlichen Engagements, wo es möglicherweise viel Arbeit gibt und wenig Ruhm.
Zweitens. Ich möchte deutlich machen, dass die Zeit der Großfamilien vorbei ist. Das zeigt die Statistik, und das zeigt auch die Erfahrung. In den letzten 15 Jahren haben wir es, insbesondere in den neuen Bundesländern, mit einer Massenabwanderung zu tun. Das werden wir nicht, trotz der so genannten Heimatschachteln, kompensieren können. Genau deshalb muss man doch die Frage stellen,
wenn schon jungen Menschen auferlegt wird, sie haben, bitte schön, mobil für den Arbeitsmarkt zu sein, dann müssen die Gleichen, die das fordern, auch hertreten und sagen, wie sie dann mit dem, was im Osten hinterlassen wird, gedenken umzugehen. Dann ist es eben nicht nur, wie bei Dr. Jähnichen deutlich wurde, in erster Linie eine Angelegenheit der Kommunen. Auch wir hier auf Landesebene und auch im Bund haben selbstverständlich eine entscheidende Verantwortung, damit wir nicht zur Region der Großeltern herabsinken, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Gefahr ist leider gegeben.
Das bedeutet dann auch, dass wir wesentlich mehr – da können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen – Mittel für Pflege und Betreuung älterer Menschen gesamtgesellschaftlich einplanen müssen. Davon sind wir weit entfernt. Bestenfalls sind einige zur entsprechenden Erkenntnis gekommen. Aber wer meint, das könne man alles der Privatinitiative überlassen, der irrt.
Drittens. Wir haben eine Situation, auf die wir uns einstellen müssen. Aufgrund der sozialen Verwerfungen in unserer Gesellschaft, der Absenkung sozialer Standards, müssen wir doch die Frage beantworten, wie viele der älteren Menschen das Wohnen noch bezahlen können. Es droht Altersarmut. Wie gehen wir damit um, damit Menschen im Alter nicht nur ein selbstbestimmtes und wohnortnahes Leben führen können, sondern an ihrem Lebensabend auch ein angenehmes Leben führen können?
Viertens. Ja, ich stimme zu, dass wir eine Weiterentwicklung alternativer Wohnformen auch für ältere Menschen brauchen. Das heißt insbesondere, dass auch hier gelten muss – da stimme ich zu –: ambulant vor stationär. Denn eines ist völlig klar: Wenn wir dem nicht folgen, wird es nicht möglich sein, die Anforderungen, die wir in Alten- und Pflegeheimen bezahlen müssen, zu finanzieren. Das wird nicht gehen. Ja, wir brauchen, bitte schön, nicht nur die Privatinitiative. Hier eine Bemerkung zum betreuten Wohnen: Frau Weihnert, Sie hatten mit Verweis auf die Wohnungsgenossenschaften der Klage zugestimmt, dass die Angebote zu wenig wahrgenommen werden. Ich sage Ihnen: Es liegt auch und in erster Linie daran, dass sie schlicht und ergreifend bereits jetzt zu teuer sind. Insbesondere Privatinvestoren haben hier einen so genannten freien Markt entdeckt und meinen, dass man damit viel Geld verdienen kann. Dies wird im Einzelfall sicher möglich sein, aber in der großen und breiten Masse wird es nicht gehen. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass dieser Prozess auch öffentlich gefördert wird. Betreutes Wohnen muss öffentlich gefördert werden. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Jähnichen, dass Sie sachsenweit ein Zertifikat, oder wie Sie es genannt haben, für betreutes Wohnen fordern. – Schön; das haben wir bereits vor fünf, sechs Jahren gefordert, und ich freue mich darüber, dass diese Erkenntnis, die damals abgelehnt wurde, nun auch bei Ihnen Platz greift.
Fünftens – und ich gehöre inzwischen schon zu einer Altersgruppe, die sich noch daran erinnern kann –: Auch das generationenübergreifende Wohnen sollte gefördert
werden. Wir sollten es nicht einfach beiseite wischen, da ja niemand mehr da ist, der dies kennt oder gern möchte; denn es kann ein Wert sein, den wir wieder entdecken müssen, der aber noch verschüttet ist. Ich würde es so bezeichnen: Wir brauchen mehr Solidarität zwischen den Generationen.
Nicht unterbrechen, das bringt nichts. Wenn ich mich mit Herrn Bandmann auseinander setzen will, wird das nichts.
Ich möchte Ihnen dazu Folgendes sagen: Sie machen doch diese Solidarität zwischen den Generationen mit solchen Formulierungen – nicht von Herrn Kohl, der ist zu seriös; aber von Ihren Nachwuchskadern – kaputt, indem Sie ständig von Generationengerechtigkeit reden lassen und davon, dass die Alten auf Kosten der Jungen leben. Also wenn, dann machen Sie Ihre Hausaufgaben bei sich, und räumen Sie mit solchen Dingen, die älteren Menschen wirklich nicht gerecht werden, auf. Das wäre nötig.