und Inspektionskriterien verständigt. Genau aus diesem Grund hat sich in den vergangenen beiden Dekaden eine Katastrophe der Qualität Tschernobyls nicht mehr ereignet, trotz weltweit gestiegener Atomstromproduktion. Sie haben gesehen, der Praxistest wurde bestanden. Deutsche Ingenieure, meine Damen und Herren, haben an dieser positiven Entwicklung einen beträchtlichen Anteil. Deutschland war immer stark, wenn es auf Innovation gesetzt hat, und immer schwach, wenn es mit wie auch immer gefärbten Ideologen beschäftigt war. Das gilt auch und besonders am 20. Jahrestag der TschernobylKatastrophe.
Das Bessere ist der Feind des Guten. Das gilt auch für die Energieerzeugung. Solange das Bessere aber nicht seine Leistungsfähigkeit nachgewiesen hat, sollten wir uns vom Guten nicht trennen. Da helfen auch Ihre Tiraden nichts, Herr Lichdi. Darum werden wir den Punkt 1 Ihres Antrages ablehnen.
Gestatten Sie mir aber noch eine Bemerkung zum Punkt 2. Nächstenliebe ist eine der christlichen Tugenden. Spätestens seit dem Hochwasser vor vier Jahren wissen viele Sachsen, wie gut Solidarität tun kann. Die CDUFraktion dankt allen Familien, die Sommer für Sommer Kinder aus der Ukraine oder aus Weißrussland in ihre Familien aufnehmen, und allen Initiativen, die diese Ferienaufenthalte organisieren.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, es auch einmal zu versuchen. Meine Familie hat nun schon zum achten Mal Kinder aus Weißrussland aufgenommen. Ich kann Ihnen berichten, dass der Nutzen gegenseitig ist. Den Ferienkindern wird Deutschland immer in guter Erinnerung bleiben. Die Gastfamilien haben die Chance, ihre russischen Sprachkompetenzen zu pflegen, und die exklusive Chance zu erfahren, wie man am östlichen Rand unseres Kontinents heute noch so lebt. Das ist eine Horizonterweite
rung, die auch die deutschen Luxus-Grünen gebrauchen können. Aus diesem Grund werden wir dem Punkt 2 zustimmen.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nimmt die 20. Wiederkehr der größten uns bekannten Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zum Anlass, erneut auf die Risiken und Gefahren für Gesundheit und Leben von Menschen bei der zivilen Nutzung von Kernenergie aufmerksam zu machen. Das begrüßen wir, denn Menschen und Politiker scheinen Katastrophen immer wieder zu verdrängen,
Nur wenige Monate nach der Katastrophe von Tschernobyl fand auch in Deutschland ein regional begrenzter radioaktiver Unfall im Kernforschungszentrum nahe dem AKW Krümmel in der Elbmarsch statt. Das ZDF berichtete vergangene Woche ausführlich darüber.
Eine Bürgerinitiative kämpft um ihre Rechte, weil dort, in dieser Gegend, das größte weltweite Leukämiecluster seit 20 Jahren beobachtet wurde. Wenn es von Politikern immer wieder beschwichtigend heißt, in Deutschland würden die sichersten AKWs der Welt stehen, dann ist das kein Argument, die Gefahren der Kerntechnologie kleinzureden.
Zusätzliche Gefahren gehen von Atomkraftwerken in Deutschland aus, die sich im Rheingraben befinden. Das ist das in Deutschland von Erdbeben gefährdetste Gebiet. Die Atommeiler sind für Erdbeben auf der Richterskala von fünf gebaut. Was ist aber, wenn es ein stärkeres Erdbeben gibt? Was geschieht, wenn wahnsinnige Terroristen ein oder mehrere Atomkraftwerke angreifen? Wie sicher kann die Endlagerung radioaktiven Atommülls sein? Es gibt weltweit bisher kein sicheres Endlager. Aber schon die Suche nach einem Endlager und ihre Finanzierung birgt politischen Zündstoff selbst in der GRÜNENBundestagsfraktion. So haben sich die GRÜNEN von einem Endlagerkonzept, das Reinhardt Loske vorgeschlagen hat, verabschiedet und dem Trittinschen zugestimmt. Der Unterschied der beiden besteht darin, dass Loske die Endlagersuche für Atommüll nach wissenschaftlichen Kriterien in staatlicher Hoheit vertritt. Die Finanzierung sollte nach Loske aus einem öffentlichen Entsorgungsfonds gewährleistet werden, in den die Atomkraftbetreiber einen Teil ihrer Milliardenrückstellungen einzahlen, Geld, das steuerfrei für die Entsorgung des Atommülls angespart werden durfte.
Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN entschied sich stattdessen für das Trittinsche Konzept. Es sieht die Endlagersuche im verantwortlichen Handeln der AKWBetreiber vor, also in privater Hand. Da frage ich mich schon: Wie kann die sichere Endlagerung in die Hand privater Betreiber gelegt werden? Es gehört zu den wohl vornehmsten hoheitlichen Aufgaben des Staates, heutige und künftige Generationen vor irreparablen gesundheitlichen Schäden zu bewahren.
Die GRÜNEN waren schon einmal weiter. Die Bevölkerung, egal in welcher Region, will diesen Müll nicht vor der Haustür. Für das langfristige Betreiben der zivilen Nutzung der Kernenergie gibt es in Deutschland Gott sei Dank keine Mehrheit. Deshalb muss es beim Einstieg in den Ausstieg aus der Kerntechnologie bleiben.
Zur Erinnerung: Die letzten beiden DDR-Regierungen haben unter dem Druck des Runden Tisches und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Umweltverbänden den Ausstieg aus der Atomenergie in der DDR vollzogen, indem die Standorte Greifswald und Rheinsberg abgeschaltet wurden.
Sie von der CDU glauben doch nicht ernsthaft, dass der Einkauf von Uran langfristig preiswert bleibt. Die Nachfrage nach Uran, dessen Vorräte voraussichtlich bis 2050 reichen sollen, wird die Preise in die Höhe schnellen lassen. Allein China plant für die nächsten Jahrzehnte vierzig neue Kernkraftwerke und hat soeben mit Australien einen langfristigen Liefervertrag für Uran abgeschlossen. Das Betreiben von Atomkraftwerken wird uns keine preiswerte Energie liefern. Auch Uran ist wie Öl und Gas zu importieren und unterliegt der Preisentwicklung von Angebot und Nachfrage.
Das von Ihnen immer wieder vorgetragene Klimaschutzargument ist ein vorgeschobenes Argument. Die Atomenergie wird weder den Klimawandel nachhaltig aufhalten, noch kann sie als subventionierte Energie preiswert zur Verfügung gestellt werden.
Im Streit um die zivile Nutzung der Atomenergie geht völlig unter, welches Kernwaffenpotenzial noch immer auf der Welt und so auch in Deutschland vorhanden ist.
Immer mehr Staaten streben danach. Allein der Streit mit Iran verweist auf das Konfliktpotenzial, das sich nach Ende des Kalten Krieges in einer Region mit den größten Öl- und Gasreserven auftürmt.
Noch immer lagern mehr als 100 Atomwaffen auf zwei US-amerikanischen Stützpunkten in der Bundesrepublik,
90 in Rammstein und 20 in Büchel. Die aus Rammstein sollen angeblich an einen unbekannten Ort verlegt worden sein. Die 20 Atomwaffen in Büchel sind für den Einsatz der Bundeswehr nach Freigabe durch den US-Präsidenten vorgesehen. Daher fordern nicht nur die Linksfraktion im Deutschen Bundestag sondern auch wir heute im Sächsischen Landtag die Bundesregierung und die Staatsregierung auf, auf die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland zu verzichten und die USA-Regierung um deren Abzug zu ersuchen.
Der Atomwaffensperrvertrag kann die Weiterverbreitung von Kernwaffen nicht auf Dauer verhindern, wie die Fälle Israel, Pakistan und Nordkorea und sicher bald auch Iran zeigen. Wir steuern ansonsten in Mittelasien auf eine sehr gefährliche Situation zu.
Die einzige sinnvolle Alternative zum atomaren Supergau durch Kernwaffen ist die weltweite atomare Abrüstung.
Die fünf großen Atommächte müssen dabei freilich vorangehen. Hiroshima, Nagasaki und Tschernobyl sollten uns mahnen und zu konsequenter weltweiter atomarer Abrüstung bewegen.
Umso mehr ist eine reflexive Politik gefragt, die bereit ist, aus Katastrophen zu lernen und die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen. An der Beibehaltung des Einstiegs in den Ausstieg aus der Atomenergie führt kein Weg vorbei. Insofern unterstütze ich die Forderung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die entsprechende Passage im sächsischen Energieprogramm zu streichen, zumal es in Sachsen kein Atomkraftwerk gibt.
Nur sehr verwegene Politiker, wie der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Lehmann, fordern noch den Bau eines Atomkraftwerkes an der Neiße. Ihre Rede, Herr Lehmann, hat nichts anderes bewiesen, als dass Sie der größte ideologische Verfechter der Atomkraft sind,
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meinen Redebeitrag damit, dass ich im Namen meiner Fraktion – sicher schließen Sie sich an – noch einmal das Mitgefühl all denen ausdrücke, die von dieser schlimmen Katastrophe betroffen waren, über die wir heute reden.
Ich verbinde es auch – das ist heute schon gesagt worden – mit einem Dank an all jene, die in unterschiedlicher Art und Weise geholfen haben, das, was an schlimmen Folgen aufgetreten ist, zu lindern. Zu beseitigen war es ja nicht.
Ich möchte weiterhin klarstellen, dass es seitens der SPDFraktion in diesem Landtag überhaupt kein Wackeln gibt, was die unterzeichneten Verträge von verschiedenen Partnern auf Bundesebene betrifft, was den Ausstieg aus der Atomwirtschaft angeht. Das ist ganz eindeutig und klar. Aber das heißt ja nicht, dass man sich mit diesen Themen, mit diesen Argumenten nicht noch einmal auseinander setzen könnte und sollte.
Ich denke, dass Sachsen auch in den nächsten zehn bis 20 Jahren überhaupt keine Chance hat, ein Kernkraftwerk zu bauen, unabhängig davon, ob das hier einmal gesagt wurde oder nicht, und unabhängig davon, wer welche Position in diesem Landtag hat.
Ich erinnere nur daran, dass es Sachsen nicht einmal geschafft hat, das Verfahren einer Sondermülldeponie bis zum Ende durchzuführen. Das ist im Vergleich zu dem, was mit der Kernkraft und ihren möglichen Risiken zu tun hat, „vergleichbar harmlos“.