Ich möchte Sie wieder auf den Punkt 6 der Tagesordnung zurückführen und es ganz kurz machen. Zwei Anmerkungen noch. Die erste: Herr Krauß, es wäre schon ein wenig besser gewesen, Sie hätten nachgedacht. Wenn Sie ausgerechnet mir unterstellen, dass ich in einer Beschlusslage wäre, bei der ich dem Recht auf Faulheit frönen würde, müssten Sie sich das bitte noch einmal überlegen. Darum würde ich Sie ganz herzlich bitten.
Vielleicht können wir uns auch einmal über die gegenseitigen Biografien unterhalten. Es kann manche Barriere einreißen, die mitunter zwischen einem steht.
Frau Staatsministerin, ich mache es auch gelegentlich. Aber wissen Sie, wie viele Gerichte in der unteren Instanz gegenwärtig sehr unterschiedlich über Höhe und Zumutbarkeit von Regelsätzen entscheiden? Das ist nun einmal so. Warten wir doch einfach auf eine höchstrichterliche Entscheidung. Das dauert noch ein bisschen. Aber im Augenblick können wir uns gegenseitig die Bälle unterschiedlicher Urteile zuwerfen. Das bringt nichts.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Selbstverständlich könnten wir heute über den Antrag abstimmen, aber die Frau Staatsministerin hat eigentlich deutlich gemacht, dass die Staatsregierung selbst noch Klärungs- und Regelungsbedarf sieht. Wäre es nicht sinnvoller – wir haben es schon einmal gemacht und das war nicht so schlecht –, wenn wir diesen Antrag – das bedürfte nach meiner Geschäftsordnungskenntnis eines Mehrheitsbeschlusses – an den Ausschuss überweisen und dort die Möglichkeit haben, mit den Fachexperten noch einmal intensiver zu diskutieren. Das wäre mein Vorschlag.
Ich beantrage also eine diesbezügliche Abstimmung. Sollte sie wider Erwarten anders ausgehen, müsste über den Antrag selbstverständlich abgestimmt werden.
schuss rücküberwiesen werden solle. Dies ist das Weiterführende, meine Damen und Herren. Jetzt bestimmt die Mehrheit des Hauses darüber, ob der Antrag in der Drucksache 4/4755 der Linksfraktion.PDS an den Ausschuss zurücküberwiesen werden soll. Wer diesem Antrag folgt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! –
Die Enthaltungen? – Bei einigen Gegenstimmen und keinen Enthaltungen ist dies so erfolgt und damit einer Rücküberweisung stattgegeben. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Mittelstandsfreundliche Überarbeitung der internationalen Bilanzregeln „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) und Berücksichtigung von nationalen Besonderheiten beim Standardsetzungsverfahren der mittelständischen Bilanzierung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausgesprochen heißt das: International Financial Reporting Standards (IFRS). Ich werde die Abkürzung IFRS jetzt benutzen, um zu vermeiden, jedes Mal dieses Wortungetüm zu benutzen. Insgesamt ist der Antragsname etwas sperrig, aber anders ließ es sich nicht formulieren. – Ich bitte Sie nach den Ereignissen, die uns gerade die Staatsministerin Frau Orosz mitgeteilt hat, um Aufmerksamkeit, weil es ein Thema ist, das den sächsischen und deutschen Mittelstand insgesamt stark berührt.
Es geht bei diesem Antrag um Bilanzierungsregeln. Wozu dienen diese? Bilanzierungsregeln sollen Bilanzen lesbar und verständlich machen. Insofern kann man Bilanzierungsregeln mit einer Sprache vergleichen. Die Sprache HGB war lange anerkannt, weil sie im Regelfall deutschen Adressaten gewidmet war. Erste internationale Einflüsse gab es im Jahre 1985 mit dem Bilanzrichtliniengesetz. Ende der neunziger Jahre wurde dann die Frage nach einer international verständlichen Bilanzierungssprache gestellt.
Damaliger Ausgangspunkt war, dass bei Börsenzulassungen außerhalb der EU oder bei Ratingprozessen durch die angelsächsisch beheimateten Ratingagenturen Schwierigkeiten mit deutschen bzw. kontinentaleuropäischen Bilanzierungssprachen entstanden. Da die Wünsche der großen multinationalen Konzerne von der EU eigentlich immer positiv beschieden werden, war es dann auch kaum verwunderlich, dass für börsennotierte Konzerne in der EU seit dem 1. Januar 2005 die vorgeschriebene Bilanzierungssprache IFRS lautet. Diese IFR-Standards unterscheiden sich stark vom deutschen und kontinentaleuropäischen System, denn sie sind darauf ausgerichtet, dem Leser, insbesondere dem Anleger, einen auf den Gegenwartswert des Unternehmens fixierten Blick zu bieten, und weisen eine starke Tendenz zur Zeitwertbilanzierung auf.
Es liegt in der Natur der Sache, dass bei diesem System eine Vielzahl von Marktbewertungen nötig wird, durch
die ein großer Ermessensspielraum in die Bilanzierung getragen wird. Werden jährliche Wertveränderungen in die Gewinn- und Verlustrechnung eingebucht, dann gewinnt sie einen anderen Charakter und eignet sich immer weniger als Basis für ein internes Rechnungswesen. Zur Beurteilung der Situation in Deutschland ist darüber hinaus wichtig, dass die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich eher gering ist und die Einführung der neuen Eigenkapitalvereinbarungen für Banken – wir kennen das alle unter der Bezeichnung Basel II – die Kreditaufnahme erschwert. Deshalb spielt das Eigenkapital beim deutschen Mittelstand eine immer größere Rolle.
Besonders bedenklich im Zuge der Entwicklung der IFRS stimmen die neueste Fassung des Standards IFRS 32 und der dazu vorliegende Entwurf einer Stellungnahme des Instituts für Wirtschaftsprüfer. Sowohl die Fassung als auch die Stellungnahme besagen, dass Minderheitsanteile fremder Gesellschafter bei Personenhandelsgesellschaften keinen Eigenkapitalcharakter haben. Genau dort liegt der Hase im Pfeffer, meine Damen und Herren. Diese Minderheitsanteile fremder Gesellschafter werden nach diesen Bilanzierungsregeln als Fremdkapital ausgewiesen. Die Begründung lautet, dass die Fremdeinlage kündbar ist und durch die aufseiten der Gesellschaft bestehende Rückzahlungsverpflichtung eine Bilanzverpflichtung ausgewiesen werden muss.
Meine Damen und Herren! Diese formale Argumentation geht an der tatsächlichen Rolle der GmbH & Co. KG vorbei, die aus steuerlichen Gründen vielfach an die Stelle der GmbH getreten ist. Zudem werden in aller Regel solche Beteiligungsverhältnisse nicht durch Kündigung eines Minderheitsgesellschafters aufgelöst, sondern durch den Verkauf des Gesellschaftsanteils. Deshalb sollte auch sachlich eine solche Beteiligung wie eine GmbHBeteiligung bilanziert werden.
Der entsprechende Entwurf sollte überprüft und entsprechend verändert werden. Gerade deutschen Personenhandelsgesellschaften drohen Nachteile, wenn Gesellschaftereinlagen künftig als Verbindlichkeiten zu bilanzieren sind. Es ist deshalb schönfärberisch, wenn Herr Jurk in
der Antwort auf eine von mir gestellte Kleine Anfrage einseitig davon spricht, dass die Bilanzierungsregeln des IFRS tendenziell zu einem höheren Eigenkapitalausweis insbesondere über eine frühere Gewinnrealisierung führen würden. Das ist etwas einseitig, weil aus der Zeitwertbetrachtung heraus natürlich eine Pflicht zur früheren Verlustrealisierung entsteht. Herr Jurk hat ausgerechnet den für den deutschen Mittelstand so fatalen Punkt der Neuregelung des IFR-Standards 32 ausgespart.
Wie schrill die Alarmglocken im deutschen Mittelstand schon läuten, lässt sich aus einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 20. Januar 2006 ersehen, der auch im Landtagspressespiegel dokumentiert war und Ihnen sicherlich nicht entgangen ist. In diesem Artikel wurde die Gründung einer Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften gemeldet – wiederum ein sehr sperriger Name –, aber hinter diesem Namen verbergen sich rund 120 Milliarden Euro Konzernumsatz und zirka 470 000 Mitarbeiter. Zu den Gründungsmitgliedern dieser Vereinigung zählen unter anderen Bertelsmann, Boehringer, Oetker, Merck, Lidl usw.
Dieter Truxius, Vorstandsmitglied dieser Vereinigung, erklärt im gleichen Artikel gegenüber der „FAZ“ – ich zitiere –: „Durch die Standards ist etwas herausgekommen, was wir nicht akzeptieren können. Der IFRS 32 ist der Todesstoß für die GmbH & Co. KG.“
Meine Damen und Herren! Wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit dieser Rechtsform in Deutschland zirka 130 570 Gesellschaften existieren, die meist Mittelständler sind, und diese mit den 796 000 GmbHs das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden, dann dürfte wohl jedem von uns die Dramatik des Problems bewusst sein.
Eine weitere Verdrängung des Problems ist aus unserer Sicht nicht mehr möglich. Selbst die betroffenen Unternehmen gestehen ein, dass es Versäumnisse ihrerseits gegeben hat, indem sie nicht auf die Politik eingewirkt haben, früher gegenzusteuern. Ich denke, wir sollten jetzt handeln, und freue mich auf eine sachliche Auseinandersetzung mit Ihnen zu diesem Problem.
Danke. – Die CDUFraktion hat keinen Redebedarf angemeldet. Die Linksfraktion.PDS? – Ebenfalls nicht. Dann spricht für die Koalition Herr Abg. Pecher von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der NPD zielt auf gegebenenfalls bestehende Nachteile für deutsche Unternehmen bei der Bilanzierung – da mein Englisch etwas mangelhaft ist, bitte ich, es mir nachzusehen, ich hatte nur Schulenglisch – nach den International Accounting Standards, kurz IAS. Es gibt deren 41, die im IFRS zusammengefasst sind, die so genannten International Financial Reporting Standards, auf gut Deutsch – das versuche ich im Folgenden durch
Diese werden erarbeitet vom International Accounting Standards Board, einer privaten Organisation. Die Aufgabe des International Accounting Standards Board ist die Ausarbeitung von internationalen Buchhandels- und Revisionsstandards. Deren gibt es zurzeit zirka sieben, so genannte Rahmenrechnungslegungsstandards.
Was sind die Ziele dieser Standards? Die IFRS, die internationalen Rechnungslegungsstandards, sollen die Vergleichbarkeit der Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen weltweit erleichtern, den Aufbau eines integrierten Kapitalmarktes, der wirksam, reibungslos und effizient funktioniert, gewährleisten, den Schutz der Anleger verbessern, das Vertrauen in die Finanzmärkte und den freien Kapitalverkehr am Binnenmarkt stärken und für grenzüberschreitende Geschäfte oder die Zulassung an allen Börsen der Welt nutzbar machen.
IFRS sind also kein Teufelszeug oder eine Gefahr für die bundesdeutsche Wirtschaft, nein, diese Standards sind notwendig für die weltweite Vergleichbarkeit und damit für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Diese internationalen Bilanzierungsstandards gelten in Deutschland zurzeit nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Aus oben genannten Zielen kann man unschwer erkennen, dass sie auch für diese gemacht wurden. Diese Unternehmen müssen aber auch eine Bilanz nach Handelsgesetzbuch, HGB, aufstellen. Diese Doppelbelastung ist ein echter Standortnachteil für deutsche Unternehmen und zeigt, wie wichtig es ist, endlich zu weltweit einheitlichen Standards zu kommen.
Für alle anderen Unternehmen ist die Anwendung freiwillig. Grundsätzlich gelten in Deutschland die Bilanzierungsregeln nach dem HGB. Hierbei haben wir eine unterschiedliche Herangehensweise und Zielsetzung zwischen IFRS und HGB. Wir haben auf der einen Seite den code law des HGB, die regelorientierte, gesetzliche Herangehensweise zur Problemlösung und Darstellung, und wir haben auf der anderen Seite bei den IFRS eine fallorientierte Herangehensweise, case law genannt. Das widerspiegelt sich auch in den Umfängen: Das HGB hat zirka 50 Seiten, IFRS Richtlinien haben zirka 1 000 Seiten.
Der IFRS hat zum Ziel, Informationen für Investoren mittels eines so genannten Mixed Modells darzustellen, das heißt nicht nur die Einbindung der Anschaffungskosten, sondern auch des heranzuziehenden Zeitwerts, true and fair value genannt, bereitzustellen. Das HGB stellt den Gläubigerschutz in den Vordergrund, das Vorsichtsprinzip mit seinen vier Schwerpunkten: Realisations-, Niederstwerts-, Imparitäts- und Wertaufhellungsprinzip.
Noch einmal zur Erläuterung: Im HGB darf man Gewinnerlöse erst einstellen, wenn sie realisiert sind, während man Verluste bereits ausweisen muss, wenn auch nur droht, dass sie eintreten. Das ist der Unterschied in der Herangehensweise.
Aus dem oben genannten Primat des Zeitwertes im IFRS – im Übrigen ist dieses Mixed-Modell schon ein Kompromiss, also international geht man ganz straff auf den Zeitwert – resultieren demnach die Darstellungen nach IFRS 32, also Darstellung von Finanzierungsinstrumenten, und nach IFRS 39, Bewertung von Finanzierungsinstrumenten. IFRS 39 regelt hier den Ansatz und die Bewertung von finanziellen Vermögenswerten sowie finanziellen Verbindlichkeiten und ist auf alle Finanzierungselemente anzuwenden, also auch auf Eigenkapital. Das bedeutet, wenn ein vertraglicher Rückgabeanspruch besteht, ist dies nach IFRS 39 als Fremdkapital zu bewerten mit den entsprechenden Auswirkungen bei Personengesellschaften und Genossenschaften – ein Problem, das bei Aktiengesellschaften nicht auftritt.
Man kann im Übrigen diese Bewertung hilfsweise umschiffen zum Beispiel mit entsprechenden Anlagen zur Bilanz in Verbindung mit anderen Werthaltigkeitsanalysen unter anderem GuV, Kapitalflussrechnung, Auftragsbestand, Lagebericht usw. Im Übrigen nutzen auch deswegen immer mehr KMUs diese IFRS-Bilanzierung zusätzlich zum HGB, um international auch mit der entsprechenden Transparenz agieren zu können. Deshalb ist dieser Konflikt kein „Konflikt“ im wirtschaftlichen Sinne, sondern ein Aufwands- und Transparenzproblem. Es werden mit dieser Sache keine Werte vernichtet oder in irgendeiner Form Unternehmen in die Insolvenz gedrängt. „Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund,“ – ich zitiere hier aus der Begründung des NPD-Antrages – „von einer Gefahr für die gesamte deutsche Volkswirtschaft zu sprechen.“ Diese Gefahr besteht in keiner Weise. Deshalb möchte ich den Bogen nicht weiter spannen.
Ich möchte klarstellen, dass die Bundesrepublik Deutschland eng durch den Deutschen Standardisierungsrat, DSR, eingebunden und durch das Bundesjustiz- und -wirtschaftsministerium in der Regulierungskommission vertreten ist, wo die Auswirkungen auf die bundesdeutsche Wirtschaft analysiert werden. Nach Auskunft des Bundes werden derzeit keinerlei Überlegungen angestellt, eine Verpflichtung zur Rechnungslegung nach IFRS 32 oder 39 für KMU oder Genossenschaften zu begründen. Die deutschen Interessen sind ausreichend vertreten und gewahrt – auch ohne NPD-Panikschwaden. Der Antrag der NPD enthält keinen verfolgenswerten Ansatz und ist aus unserer Sicht abzulehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass sich ausgerechnet die NPD mit Besonderheiten der internationalen Bilanzierungs- und Rechnungslegung beschäftigt, hätte ich nicht gedacht.
Sonst streiten Sie doch mit aller Vehemenz gegen das internationale Kapital, den internationalen Kapitalmarkt sowie seine Regularien. Heute legen Sie hier einen Antrag vor, der lediglich eine Anpassung der Regeln und nicht deren Abschaffung verlangt.