Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nach dem blendenden juristischen Seminar meines Vorredners Dr. Martens – ich muss es ihm zugestehen – sehr kurz fassen.
Herr Bartl, mir scheint, Sie wollen schlicht und ergreifend dem Rechtsgrundsatz, dass das Eigentum am Gebäude dem Eigentum am Boden folgt, einfach nicht nachkommen. Sie sagen es nicht klar. Ich habe das Gefühl, Sie wollen diesen Grundsatz nicht akzeptieren.
Ich habe aber den Eindruck und Ihre Aktionsweise bestätigt ihn. Wenn ich Ihren Antrag lese, erkenne ich, dass Sie sozusagen versuchen, nicht den Grundsatz als solchen
anzugreifen, sondern die Wirkungen, die diesem Grundsatz folgen, etwas abzumildern oder in ihr Gegenteil umzukehren. Sie übersehen dabei, dass es das Vorkaufsrecht gibt. Aber das nur als Randbemerkung.
Ich denke, es ist auch angesichts des juristischen Seminars notwendig, dass ich noch einmal auf die Grundlagen zurückkomme. Sie haben in Ihrem Redebeitrag systematisch das Recht und den Anspruch der Grundstückseigentümer auf Beachtung ihrer Positionen ausgeblendet.
Es ist tatsächlich so, Herr Kollege Bartl, dass es im Grunde um die Abwägung von zwei sehr schwierigen Rechtspositionen geht. Da kann man jetzt wieder die alten Debatten von vor 16 Jahren führen, ob die Restitutionsbestimmungen gerecht sind. Diese Debatten sind vorüber, aber Sie frischen hier – biografisch kann ich das vielleicht nachvollziehen – diese Debatten nach 16 Jahren wieder auf.
Worum geht es? Es geht um eine genaue Abwägung zwischen dem Recht des Grundeigentümers auf Verwertung und dem berechtigten Vertrauen der Garageneigentümer auf Bestand und Investitionsschutz, das ich in keiner Art und Weise gering schätzen möchte. Ich gestehe Ihnen auch gern zu, dass dieser Satz vom Refugium beim Bundesverfassungsgericht wohl doch nicht von sehr naher Kenntnis geprägt war. Aber trotzdem bleibt es dabei, dass das Schuldrechtsanpassungsgesetz vor nunmehr über zehn Jahren genau diesen Ausgleich vorgenommen hat. Wie hat es den vorgenommen? Es hat das Recht der Grundeigentümer auf volle Verwertung um sage und schreibe 16 volle Jahre hinausgeschoben. Herr Kollege Martens hat dargelegt, dass es im Grunde, weil die Pachtverträge weiterlaufen, unter Umständen noch weiter hinausgeschoben worden ist.
Wie ist das zu betrachten? Im Grunde ist es doch so, dass der berechtigte Vertrauensschutz der Garageneigentümer im Vorhinein dadurch entschädigt wurde, dass die Grundeigentümer in einem überlangen Zeitraum an der Verwertung ihres Grundeigentums gehindert wurden, und zwar in erheblicher Art und Weise. Da – das sage ich ganz klar – kann ich die Ungerechtigkeit dieser Regelung nicht erkennen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder DDRBürger, der nach langer Bestellzeit glücklicher PkwBesitzer werden konnte, war froh, wenn er ein Fleckchen
für die Errichtung seiner Fertigteilgarage bekommen konnte oder bei einer Garagengemeinschaft mitwirken durfte; denn der Schutz seines Fahrzeuges lag jedem stolzen Besitzer am Herzen. Er hatte nur das eine Fahrzeug, und das musste lange halten, behütet und gepflegt werden. Denn ein Neuwagen war – wie bereits gesagt – nicht so einfach zu erwerben, wie wir es heute nach der Wiedervereinigung Deutschlands gewohnt sind. Der Pkw war in der DDR ein Luxusartikel, heute ist er ein Gebrauchsgegenstand.
Die Frage nach dem Recht als solchem ist, wenn wir Herz und Gefühl sprechen lassen, nicht immer einfach zu beantworten. Wir Deutschen sind es jedoch gewohnt, Recht per Gesetz zu verordnen, und das kann knallhart sein, wenn irgendwelche Interessen damit bedient werden sollen.
Nun soll nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz bei Garagen das Recht der Grundstücksnutzung ab 2007 entschädigungslos an die Grundstückseigentümer übergehen. Es wird sicher für die meisten davon betroffenen Garageneigentümer schmerzhafte Folgen haben, wenn sie etwas einer Planierraupe preisgeben sollen, wofür sie früher hart schuften oder schwer verdientes Geld zahlen mussten, ohne dafür entschädigt zu werden. Wir sind der Auffassung, dass man die betroffenen Menschen, die den Mut und den Ehrgeiz hatten, sich in der DDR unter oft schwierigen Bedingungen etwas zu schaffen, als gleichberechtigte Bürger behandeln und nicht mit den Worten „Das war’s!“ abspeisen sollte.
Eine Entschädigung seitens des Grundstückseigentümers wäre bei unabwendbarer anderweitiger Nutzung von mit Garagen bebautem Land wohl das Mindeste, was man abverlangen dürfte.
Ich selbst bin Besitzer eines Grundstücks in Meißen, auf dem sich Garagen befinden, und könnte mir durchaus vorstellen, dass mir eine anderweitige Nutzung höhere Einkünfte einbringen würde, als das bei den derzeitigen Garagenpachten der Fall ist. Ich muss sagen: Es ist gut so gewesen, dass die Garagenbesitzer geschützt worden sind. Ansonsten würde heute dort ein Supermarkt oder eine Tankstelle stehen.
Was meinen Umgang mit diesem Problem betrifft, so kann ich guten Gewissens sagen, dass mein Herz für Sachsen und seine Bürger schlagen und nicht zum Geldbeutel wird. Deswegen springen wir über unseren eigenen Schatten und stimmen dem Antrag der PDS-Fraktion zu.
Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann erteile ich Herrn Staatsminister Mackenroth das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag trägt den Titel „Garageneigentümer in Sachsen wirkungsvoll vor Enteignung schützen“. Dieses Ziel wäre unterstüt
zenswert. Der Antrag ignoriert aber leider die tatsächlichen und rechtlichen Hintergründe und verzerrt die Problematik.
Nach der Wiedervereinigung sah sich der Gesetzgeber mit der Herausforderung konfrontiert, auch die Nutzungsrechtsverhältnisse an Garagengrundstücken nach DDRRecht in unser jetzt gemeinsames Rechtssystem überführen zu müssen. Er entschied sich dafür, diese Überführung und deren Rechtsfolgen in dem am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Schuldrechtsanpassungsgesetz zu regeln. Herr Kollege Bartl, ich gebe Ihnen Recht, die Geschichte hat selbstverständlich vorher begonnen. Das wird nicht bestritten.
Das Schuldrechtsanpassungsgesetz füllt den Einigungsvertrag aus. Es ist keine Rede davon, dass dies Betrug an einer der Vertrag schließenden Seiten wäre. Es ist auch kein Bruch des Einigungsvertrages. Darauf hat der Abg. Dr. Martens, sich an den Holmen des juristischen Stufenbarrens hochschwingend bis zum Hochreck und sich wie immer elegant bewegend, eindrucksvoll hingewiesen.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Ablauf der Investitionsschutzfrist des § 12 Abs. 2 Schuldrechtsanpassungsgesetz zum Ende des Jahres 2006 und begehren darüber hinaus eine Korrektur der in den §§ 11 ff. geregelten Folgen der Beendigung des Nutzungsrechtsverhältnisses.
Erlauben Sie mir, dass ich meiner Stellungnahme hierzu folgendes Zitat aus dem bereits erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1999 voranstelle:
„Der Gesetzgeber hat bei der Erfüllung des ihm in Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz erteilten Auftrags sowohl der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsstellung des Eigentümers als auch dem aus Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes folgenden Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung Rechnung zu tragen. Er muss dabei die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. In Bezug auf Garagengrundstücke“ – so das Bundesverfassungsgericht weiter – „ist die Kündigungsschutzregelung des § 23 Abs. 6 Schuldrechtsanpassungsgesetz nur insoweit mit Artikel 14 Grundgesetz vereinbar, als sie in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Schuldrechtsanpassungsgesetz die Kündigung für die Zeit vom In-KraftTreten des Gesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 1999 ausschließt. Die Kündigungsbeschränkungen für den Anschlusszeitraum bis zum 31. Dezember 2002 belasten dagegen die Eigentümer solcher Grundstücke unangemessen, sind mit Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. Die Regelung führt zu einer einseitigen, die Interessen der Grundstückseigentümer nicht mehr hinreichend berücksichtigenden und deshalb verfassungsrechtlich unzulässigen Bevorzugung der Grundstücksnutzer.“
Die Regelungen, deren Korrektur Sie mit diesem Antrag verfolgen, gründen sich auf ebendiese, vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Interessenabwägung. Dieses zurzeit auch verfassungsrechtlich ausgewogene Verhältnis von Nutzerschutz und Eigentümerschutz würden wir in eine neue Schieflage bringen, wenn wir Ihrem Antrag folgten.
Vor diesem Hintergrund von einem „Schutz vor Enteignung“ zu sprechen ist geradezu grotesk. Die Rechte der Garagennutzer wurden immerhin 17 Jahre lang höher gewichtet als die der Grundstückseigentümer.
Herr Bartl, gestatten Sie mir bitte eine persönliche Bemerkung, weil Sie vorhin von der Arroganz des Wessis gesprochen haben. Trotz meines norddeutschen Dialektes habe ich im Freistaat Sachsen schon einiges gelernt. Ich habe vor allen Dingen gelernt, dass die Garagen, um die es hier geht, für viele mehr sind als Holzverschläge. Ich habe gelernt, wie mühsam die Materialien zusammengeholt wurden, wie mühsam man sich eine solche Garage errichtet hat. Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Betroffenen in diesen Garagen ein Stück ihrer Geschichte und damit auch ein Stück ihrer Heimat sehen. Ich akzeptiere das, und das hat mit Arroganz des Wessis überhaupt nichts zu tun.
Aber: Es geht eben nicht um die Enteignung der Garagennutzer, sondern um die in einem Rechtsstaat unverzichtbare Annäherung der Rechtsverhältnisse zwischen DDR- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Mit dem Antrag verlangen die Antragsteller vom Sächsischen Landtag und von der Staatsregierung einen Verstoß gegen das Grundgesetz und gegen die Sächsische Verfassung. Sie erwarten nämlich eine Initiative, die eine nichtige Regelung zum Gegenstand haben würde. Das kann man nicht begründen.
Natürlich wollen auch wir die Interessen der Nutzer von Garagengrundstücken schützen und Sie werden der Sächsischen Staatsregierung nicht nachsagen können, dass sie sich nicht auch für die Belange der Nutzer stark gemacht hätte. Das Engagement der Staatsregierung zeigt sich unter anderem darin, dass wir der ursprünglichen Fassung des dann für verfassungswidrig erklärten Gesetzes zugestimmt hatten und uns einen anderen Ausgleich haben vorstellen können. Für uns war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auch nicht so ganz einfach, sondern schmerzhaft. Das zeigt aber, dass wir auch diesen Interessen einen hohen Stellenwert beigemessen und uns darum bemüht haben, den gesetzgeberischen Spielraum auszuschöpfen.
Die im Beschluss vorgenommene Feststellung der Nichtigkeit der über den 31. Dezember 1999 hinausgehenden Kündigungsbeschränkungen für Garagengrundstücke hat – darauf möchte ich hinweisen – Gesetzeskraft. Herr Bartl, man kann das für falsch halten, aber der Justizmi
nister hat sich schlicht und ergreifend daran zu halten. Dem Gesetzgeber blieb bei der Umsetzung der Entscheidung nicht der geringste Spielraum. Mir ist bisher auch nicht klar geworden, wo Sie diesen Spielraum juristisch sehen.
Sie fordern weiter, den Garageneigentümern gesetzliche Möglichkeiten für den vorrangigen Erwerb der entsprechenden Grundstücke einzuräumen. Das sieht § 57 des Schuldrechtsanpassungsgesetzes mit dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Nutzers bereits vor. Der Anspruch des Eigentümers auf Erstattung der hälftigen Abrisskosten – wenn es denn überhaupt dazu kommt; ich komme darauf zurück – im Falle der Kündigung des Vertragsverhältnisses steht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zur Disposition. Gleiches gilt für die geforderte Aufhebung der zeitlichen Befristung der Pflicht zur Entschädigung nach dem Zeitwert des Bauwerks.
Schließlich, meine Damen und Herren, besitzt die Staatsregierung keine Zuständigkeit, die Kommunen zum Beispiel im Rahmen der Rechtsaufsicht zu den beantragten Maßnahmen anzuhalten. Die Entscheidung darüber obliegt allein den Kommunen, die nach der Sächsischen Gemeindeordnung an die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung gebunden sind. Diese Grundsätze verbieten unter anderem die unentgeltliche Preisgabe kommunalen Vermögens, ohne dass es automatisch zu den von Ihnen, Herr Bartl, aufgezeigten Konsequenzen kommen müsste.
Auf die unentgeltliche Preisgabe läuft die im Antrag geforderte Selbstverpflichtung der Kommunen hinaus. Für eine Ermessensentscheidung der Kommunen bleibt wenig Raum. Die geforderte Selbstverpflichtung müsste gegebenenfalls sogar aufsichtsrechtlich beanstandet werden.
Meine Damen und Herren, die Staatsregierung sieht über ihr bisheriges Nutzer schützendes Engagement hinaus derzeit keine Möglichkeit, den Garagennutzern weitere Hilfe im juristischen Sinne zukommen zu lassen, weil dies einen verfassungswidrigen Eingriff in die Rechte der Grundstückseigentümer zur Folge hätte. Ob allerdings das mit dem Antrag skizzierte Schreckensszenario eines ab dem 1. Januar 2007 bedrohten Rechtsfriedens Realität werden wird, bleibt abzuwarten. Ich halte die in den letzten Wochen inszenierte Angst vor einem flächendeckenden sächsischen Garagensterben für eine unrealistische Mär.
Zum einen: Der Zugriff auf Grundstücke im Freistaat Sachsen ist leider derzeit nicht besonders intensiv ausgeprägt. Manche Eigentümer werden sich sagen: Lieber den Spatz in der Hand als eine nicht verwertbare Taube auf dem Dach.
Zum anderen: Die fraglichen Grundstücke stehen meist im Eigentum der Kommunen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer plant keine der 160 befragten ostdeutschen
Kommunen, die Garagennutzer ab 2007 vor vollendete Tatsachen zu stellen. Hierfür besteht auch keine Veranlassung, weil sowohl die Unterhaltung der Garagenkomplexe als auch die hälftige Tragung der Abrisskosten für manche Kommunen durchaus schwierig zu finanzieren wäre. Daher sind die Garagenkomplexe insgesamt vielerorts sogar Gegenstand langfristiger städtebaulicher Planung.