Protocol of the Session on March 17, 2006

Drittel der Schüler – umgerechnet von den Eltern für Tausende von Euro erkauft – eine private Nachhilfeschule. In Finnland gibt es erstens eine viel homogenere Schülerschaft, weil die wesentlich weniger Migranten haben,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie irren sich!)

und außerdem werden zirka 20 % der Kinder aus der Regelklasse herausgenommen und differenziert beschult. In England und den USA laufen den Gesamtschulen in der Regel die Schüler und die Eltern davon, sofern sie die 10 000 bis 20 000 Dollar bzw. Euro Jahresgebühren aufbringen können.

Tatsache also ist: Wo immer es sich die Eltern leisten können, findet eine Abstimmung mit den Füßen gegen diese Schulart statt. Dass dadurch eine soziale Selektion in Gang kommt,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So ein Blödsinn!)

sollten sich gerade diejenigen hier im Hause, die Gesamtschule aus Gründen der angeblichen Chancengleichheit haben möchten, ebenfalls einmal vor Augen halten.

Die Lösung deutscher und damit auch sächsischer Schulprobleme kann nicht ein Ladenhüterrezept sein, mit dem so manche deutsche Landesregierung ihr eigenes Schulsystem an die Wand gefahren hat. Was wir vielmehr brauchen, ist noch mehr individuelle Förderung in den Schulen des gegliederten Schulwesens. Dafür brauchen wir zum Beispiel einen zusätzlichen Pool an Unterrichtsstunden von 5 bis 10 %. Damit könnte man noch mehr für die Förderung von Spitzenschülern und für die Förderung von „Langsameren“ tun. Gemeinschaftsschulen brauchen wir dafür nicht.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: „Volksschulen“ brauchen wir!)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Konfliktlinie bei diesem Thema ist doch völlig klar und deshalb braucht man sich über die Ergebnisse auch nicht zu wundern. Es gab eine SPD, die in Koalitionsverhandlungen das Thema Gemeinschaftsschule in den Koalitionsvertrag hineingebracht hat; es gab eine CDU, die das nicht wollte, und es gibt eine Kultusbürokratie, die das auch nicht will. Deshalb gibt es bis heute nur eine Gemeinschaftsschule, meine Damen und Herren.

Das Ziel des gemeinsamen längeren Lernens ist aber zu wichtig, um als einzelnes Vorzeigeprojekt zu enden oder zwischen den Ideologien zerrieben zu werden. Der Start war extrem schwierig und ich darf daran erinnern – gerade in Richtung CDU –, dass es ein FDP-Antrag war,

den wir gemeinsam in diesem Plenum beschlossen haben, um das Kind endgültig zum Laufen zu bringen. Bis dahin standen nämlich gar keine Bedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsschulen fest.

Dass es bis heute nicht richtig klappt, hat seine Gründe. Aber trotzdem: Der Schulversuch hat seine positiven Wirkungen: Man beschäftigt sich mit Schulkonzepten; konkrete Projekte entstanden und entstehen.

Aus Sicht der FDP-Fraktion – ich will das klar machen – ist längeres gemeinsames Lernen deutlich mehr, als Kinder unterschiedlicher Altersklassen gemeinsam in einem einzigen Gebäude zusammenzubringen. Die pädagogischen Anforderungen sind hoch – Martin Dulig hat darauf verwiesen –, und das sagen wir zu Recht. Denn was wir in Sachsen nicht brauchen, ist ein erneuter Aufguss einer gescheiterten westdeutschen Gesamtschule; das wird uns nicht weiterbringen.

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP, bei der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS sowie des Abg. Martin Dulig, SPD)

Für uns muss über die Schularten hinweg gesichert sein, dass jeder Schüler individuell gefördert wird. Das gilt für die Schwachen auf der einen Seite genauso wie für die Starken auf der anderen Seite. Es kann deshalb nicht die Gemeinschaftsschule geben, sondern es geht um eine Vielfalt an Lösungen. Dafür brauchen wir die Freiheiten, auch die Kapazitäten vor Ort, um genau diese Konzepte zu erarbeiten. Wir brauchen die Lehrer mit entsprechender Qualifikation, diese Konzepte umzusetzen, und wir brauchen die externe Unterstützung für die Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben. Es wurde ja gerade angesprochen: Es ist eines der größten Defizite, dass die Schulen eigentlich zum Teil überfordert sind, selbst diese Konzepte zu erarbeiten.

Meine Damen und Herren, der Weg zum längeren gemeinsamen Lernen in Sachsen in der Breite wird noch ein sehr langer und steiniger sein. Aber – daran darf ich auch erinnern – es gibt in diesem Haus eine politische Mehrheit für längeres gemeinsames Lernen nach der letzten Wahl.

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP, sowie bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Deshalb sollten wir uns daranmachen, die Steine, die einige noch in den Weg legen, zu beseitigen und all jene Schulen, die es wollen, auf diesem Prozess der Umsetzung des längeren gemeinsamen Lernens zu begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP, und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von der Fraktion GRÜNE noch das Wort gewünscht? – Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, Sie haben ja richtig Schwung in die Debatte gebracht, indem Sie sich

auf das Chemnitzer Schulmodell bezogen und das als Beleg für Gemeinschaftsschule in Sachsen angeführt haben. Ich teile Ihre Einschätzung. Ich frage Sie, ob Sie meine Besorgnis teilen, wenn Sie hören, dass der Freistaat ab 2007 das Chemnitzer Schulmodell nicht mehr einzügig, sondern zweizügig führen will, und damit den Bestand gefährdet?

(Thomas Colditz, CDU: Wir kommen auf zwei Züge!)

Herr Colditz, es geht nicht um die Frage, ob Sie zwei Züge haben, sondern ob Sie disee auch wieder bekommen können. Ich sehe das Chemnitzer Schulmodell deutlich gefährdet. Ich würde mich freuen, wenn Sie dagegen unterstützend wirken könnten.

Frau Henke, Sie haben eben quer durch den Saal auf den Vorwurf, es gibt nach zwei bzw. drei Jahren nur eine Gemeinschaftsschule, gerufen: Ja, und es wird auch nach fünf Jahren nur eine Gemeinschaftsschule geben.

(Rita Henke, CDU: Ich habe überhaupt nichts gesagt!)

Diese Äußerung macht allen klar, dass es notwendig ist, über Gemeinschaftsschule zu sprechen; denn wir haben die Sorge, dass Sie natürlich behindern und dass Sie in dieser Behinderung erfolgreich sein werden.

Es geht einer Mehrheit im Landtag, aber auch einer Mehrheit in der Bevölkerung darum, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen; vielen Kindern zu ermöglichen, zu einem hohen, qualifizierten Bildungsabschluss zu kommen. Gemeinschaftsschule, das längere gemeinsame Lernen, ist eine Möglichkeit, dies zu tun. Es ist peinlich, es ist beschämend, wenn zum Sommer nur eine Schule öffnen kann.

Zu der Frage nach der Mehrgliedrigkeit des sächsischen Schulsystems: Ich denke, es ist ein pseudo-zweigliedriges Schulsystem, denn die Notwendigkeit, einen Hauptschulbildungsgang abzuspalten, zeigt ja, dass Sie diesen in Sachsen etabliert haben.

(Widerspruch der Abg. Rita Henke, CDU)

Das heißt, Sie planen von vornherein, wenn Sie eine 5. Klasse anmelden lassen, dass ausreichend Schüler darunter sind, die keine ausreichenden Kompetenzen haben, um einen Mittelschulabschluss, einen Realschulabschluss, zu erwerben. Das halte ich für bedenklich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, sehr gerne.

Bitte, Herr Rasch.

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich bin nun wahrlich kein Kultuspolitiker. Ich verfolge aber doch die Diskussion mit Interesse. Könnten Sie mir gegebenenfalls zustimmen, dass es eine Form der Förderung derjenigen sein könnte, die die volle Leistungsfähigkeit nicht

mitbringen, wenn man sie in separaten Hauptschulgängen, integriert in die Mittelschule, fördert?

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Herr Rasch, ich stimme Ihnen zu, dass man es könnte. Ich fordere auch dazu auf, es zu tun. Es ist gerade der Punkt, dass man es zwar könnte, aber nicht tut.

(Zurufe von der CDU)

Sonst gäbe es keinen Hauptschulabschluss.

Lassen Sie mich als weiteren Aspekt auf die Förderschulen hinweisen, die Sie als drittes oder viertes Glied der Kette bezeichnen können. Dorthin werden alle die abgeschoben, die man überhaupt nicht mehr in das bisherige Schulsystem eingliedern kann.

Die Auffassung meiner Fraktion ist nach wie vor: Gemeinschaftsschulen braucht es. – Auch die CDU muss einmal die ideologischen Scheuklappen fallen lassen. Wir haben hier im Landtag eine Debatte zu den Gemeinschaftsschulen geführt. Ich verspreche Ihnen: Nächstes Jahr ist das Thema wieder auf der Tagesordnung.

(Rolf Seidel, CDU: Nein, im April wieder!)

Herr Flath, ich fordere Sie dringend auf – wenn Sie das vermeiden oder auch einmal Lob riskieren wollen –, Gemeinschaftsschulen zum Jahr 2007/2008 zu ermöglichen und zu befördern. Dazu gehört, dass Sie den Schulträgern die Möglichkeit einräumen, sich über die Antragstellung zu informieren. Dazu gehört, dass Sie die Regionalschulämter anweisen, den Bewerbungsprozess zu begleiten und aktiv zu unterstützen; denn das findet im Moment nicht statt. Stattdessen beklagen Sie die unzureichende Qualität der wenigen Bewerbungen. Es liegt doch an Ihnen! Sagen Sie, was Sie möchten; dann wird es bestimmt auch geliefert.

(Zuruf des Staatsministers Steffen Flath)

Herr Flath, das sind zwei Punkte, die Sie unserer Einschätzung nach zum Beginn des neuen Schuljahres in Gang setzen müssen. Frau Falken hat es vorhin gesagt: Im Februar nächsten Jahres läuft wieder die Bewerbungsfrist ab. Dann wollen wir deutlich bessere Ergebnisse sehen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)