Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, dass im Mittelpunkt der Problematik die Vorbereitung auf den Ernstfall stehen sollte, das heißt die rechtzeitige Eruierung dessen, was notwendig ist, sollte es zu einer so genannten Pandemiesituation kommen, oder auch Maßnahmen, die helfen können, ein derartiges Szenario zu verhindern.
Ich möchte betonen, dass es für die Menschen wichtig sein muss und nicht für die Pharma-Industrie und andere Wirtschaftszweige, die momentan von dieser Situation profitieren. Ich betone dies deshalb, weil die öffentliche Debatte zeitweise fast noch davon dominiert ist, welches Bundesland die meisten Vorräte an den antiviralen Medikamenten Tamiflu oder Relenza hortet.
Verschiedene namhafte Forscher haben bereits seit einiger Zeit gefordert, die Mittel und Möglichkeiten für die grundlegende Erforschung des Virus stark aufzustocken. Nur wenn so viele Erkenntnisse wie möglich über die Funktionsweise der verschiedenen Virustypen und die Art und Weise, wie sich diese verändern, vorliegen, werden die Wissenschaftler tatsächlich in der Lage sein, im Ernstfall schnell einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln. In diesem Bereich, nämlich bei der Mittelbereitstellung für die Forschungseinrichtungen speziell zu diesem Zweck, hat es in der Vergangenheit erhebliche Defizite gegeben.
Viel wesentlicher ist aber, dass schnellstens ausreichende Kapazitäten für die Produktion der potenziell wirksamen Impfstoffe geschaffen werden. Wenn schon die als Vorsorgemaßnahme durchzuführende Beschaffung des begrenzt wirksamen Impfstoffes Tamiflu für 20 % der sächsischen Bevölkerung nach Auskunft des sächsischen Sozialministeriums erst 2007 abgeschlossen sein soll, frage ich mich ernsthaft, wie lange es dauern soll, im Ernstfall einen neu entwickelten Impfstoff in ausreichender Menge zu produzieren.
Die Staatsregierung sollte sich im Rahmen ihrer Kompetenzen und gegenüber dem Bund dafür einsetzen, dass die notwendigen Kapazitäten schnellstens geschaffen werden. Der Aussage von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, dass bei einer möglichen Pandemie innerhalb von drei bis sechs Monaten genügend Impfstoff für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen soll, kann ich angesichts der schon jetzt bei Tamiflu bestehenden Produktionsschwierigkeiten keinen Glauben schenken. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem auch, dass die Kompetenzverteilung diesbezüglich klar geregelt werden muss. Für Fälle wie die Gefahr der Vogelgrippe oder andere mögliche Seuchen ist es zwingend notwendig, dass die Kompetenzen ganz klar beim Bund angesiedelt werden, um ein einheitliches Vorgehen sicherzustellen.
Dass sich verschiedene Länder ungeachtet dessen, worum es geht, fast schon reflexartig zur Wehr setzen, wenn der Bund ihnen Kompetenzen abnehmen will, ist gerade in solchen Fällen mehr als kontraproduktiv. Der viel beschworene Föderalismus stößt irgendwann an seine Grenzen, und es ist für mich das Natürlichste der Welt, dass im Falle der Gefahr von Seuchen nicht jedes Bundesland nach eigenem Ermessen handeln kann, sondern die Hauptkompetenzen in solchen Fällen ganz klar beim Bund liegen müssen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es seit Anfang dieses Jahres auch hier in Deutschland mit H5N1 zu tun, und wir haben zwei Phänomene: Seit Anfang März werden die Schutzmaßnahmen verschärft. Es wird beruhigt. Weiten Teilen der Bevölkerung wird suggeriert, dass die Vogelgrippe eine Tierseuche sei, die nicht zur Gefährdung des Menschen beitragen könne.
Seehofers Maßnahmen dagegen drücken etwas ganz anderes aus. Spezialtrupps der Bundeswehr, die mit Hochsicherheitsspezialanzügen tote Vögel einsammeln, tragen eben nicht zu einem Bild bei, das dem Bürger Entwarnung signalisieren kann.
Im Gegensatz dazu, zur Beruhigung der Bürger, kommt Herr Minister Seehofer seiner Vorbildfunktion als
Verbraucherschutzminister nicht ordentlich nach und hat ein schlechtes Krisenmanagement gezeigt. Sein Besuch an der Wittower Fähre, also in einem Hochinfektionsgebiet, ohne strikte Beachtung der Sicherheitsvorkehrungen, wie beispielsweise das Tragen eines Schutzanzuges, lässt seine warnenden Hinweise und die von ihm angeordneten Maßnahmen dem Bürger höchst unglaubwürdig erscheinen.
Der Präsident des Friedrich-Löffler-Institutes sagte zum Besuch Seehofers, dass ihm das Herz stehen geblieben sei, als er am Morgen zur Wittower Fähre gekommen sei und den Presseandrang gesehen habe, obwohl dort jede Menge Vogelkot gelegen habe und sich möglicherweise auch infizierte Tiere dort befunden hätten. Man soll dabei ein Kind gehört haben, das sagte: „Der hat ja gar nichts an!“
Dann die Autosperre, wobei Autos über Schutzmatten fahren mussten, um die Räder zu desinfizieren, während über der Schlange die Schwäne gen Festland flogen. Das wirkt schon sehr skurril und beruhigt die Menschen auf keinen Fall.
Das Gleiche gilt für die sehr widersprüchlichen Angaben, Mutmaßungen, Diskussionen und Presseberichte über die Art der Verbreitung der Vogelgrippeviren. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Zugvögel wohl doch nicht die alleinige Schuld an der Infektion tragen. Es mehren sich die Stimmen, die eine Verbreitung der Viren über verseuchtes Futtermittel nicht mehr ausschließen. Wie gründlich wird denn kontrolliert, was über die Futtermittel in die Geflügelhaltung hineinkommt oder was wieder hinausgeht? Der Ausbruch der Vogelgrippe in einer geschlossenen Putenfarm in Frankreich wäre so jedenfalls erklärbar. Die als Dünger verwerteten Exkremente aus der Geflügelhaltung stellen für Virologen derzeit die Hauptquelle der aktiven Viren dar.
In dieser Situation voller Widersprüche und Unklarheiten stellen wir uns die Frage, wozu dann die vielen Beschränkungen und Kontrollen gut sein können. Würden sich Zugvögel oder Wildvögel ausgerechnet über einem Hühnerhof entleeren und frei laufende Hühner infizieren, hätte unser Bundeslandwirtschafts- und –verbraucherschutzminister Seehofer konsequent den Verzehr von Feldgemüse und Obst verbieten müssen, nachdem Tausende Zugvögel unsere Felder überflogen haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, es wird höchste Zeit, nach den wirklichen Infektionsquellen zu suchen und zu forschen und hier auch einen finanziellen Schwerpunkt zu setzen. Die Entscheidung der Staatsregierung, die Bestände an antiviralen Medikamenten zum Schutz der Menschen aufzustocken, wie auch wir gefordert haben, war sehr weise. Immerhin will die Staatsregierung bis 2007 für rund 20 % der Bevölkerung einen Medikamentenvorrat zur Verfügung stellen. Die WHO empfiehlt übrigens 25 %. Da im Fall der Fälle weltweit kein weiterer Vorrat
Nach dem Bekanntwerden weiterer Todesfälle bei infizierten Katzen und aktuell bei einem Steinmarder erfuhren wir schon vor ein paar Tagen von unserem Schutzminister Seehofer: Es gibt sie ja doch, die potenzielle Gefahr für die Menschen! Wie diese Gefahr aussieht, ist jedoch noch nicht bekannt. Wir werden uns nicht der Diskussion anschließen, die den Zweck hat, Panik zu verbreiten. Es bleibt die Frage, wie wir alle in Zukunft mit diesem Supervirus umgehen könnten, wenn er denn auftreten würde. Dazu werde ich nachher noch Ausführungen machen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Maßnahmen müssen natürlich der realen Gefahr angemessen sein. Darüber, was die reale Gefahr ist, unterscheiden sich offenbar auch hier die Ansichten. Ich möchte deshalb kurz auf die aktuelle Einschätzung der Situation durch Wissenschaftler eingehen.
Mindestens seit Herbst des vergangenen Jahres stand die Frage im Raum, inwieweit Zugvögel die Ausbreitung der Viren verursachen können. Mittlerweile kann die Rolle der Zugvögel neu bewertet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass Zugvögel an der Verbreitung beteiligt sind; sie spielen aber in jedem Falle nur eine untergeordnete Rolle. Warum? Die Ausbreitungsmuster der Geflügelpest decken sich bisher kaum mit den Vogelflugwegen, weder geografisch noch zeitlich. Die in Deutschland den Viren zum Opfer gefallenen Höckerschwäne sind keine Zugvögel. Bis heute ist keine ziehende Vogelart bekannt, die das Virus in die Region eingeschleppt haben könnte. H5N1-Viren sind bisher nur bei toten oder sterbenden Wildvögeln festgestellt worden, nie bei gesunden und damit flugfähigen Tieren. Und – ganz wesentlich! – zwischen Juli und Dezember 2005 wurde in der EU ein länderübergreifendes Monitoring von rund 25 000 Wildvögeln vorgenommen. Sie wurden getestet, ohne dass H5N1-Viren nachgewiesen werden konnten. In Südostasien wurden bereits zuvor in zwei Jahren 100 000 klinisch gesunde Wildvögel untersucht. Alle Tests auf das hochpathogene H5N1-Virus verliefen negativ.
Die Vogelwarte Randolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie stellt fest: „Aus der derzeitigen Diskussion ist zu folgern, dass eine signifikante Rolle der Wildvögel bei der Übertragung der hochpathogenen Vogelgrippeerreger auf Hausgeflügelbestände nicht erbracht wurde.“ Das heißt, Wildvögel können zwar den Geflügelpestviren zum Opfer fallen, als Täter scheint ihr Einfluss jedenfalls begrenzt.
Wie wandert das Virus also dann? Viel wahrscheinlicher ist – Herr Günther hat es schon angesprochen –, dass für die globale Wanderung des Virus nicht die Wildvögel verantwortlich sind, sondern der Handel mit Abfällen, infiziertem Geflügel, Geflügelprodukten, Futtermitteln usw., unter anderem auch der illegale Handel mit Wildvögeln.
An diesen Tatsachen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen sich unsere Gegenstrategien messen lassen. Da sind zum einen vorbeugende seuchenhygienische Schutzmaßnahmen – Frau Orosz ist auf sie eingegangen – und zum anderen das Wildvogelmonitoring, das weitergeführt werden muss. Auch darauf ist Frau Orosz eingegangen. Nötig ist weiterhin unbedingt ein Importstopp, verbunden mit umfangreichen Kontrollmaßnahmen. Hierbei sollte man überlegen, ob die Kontrollen nicht noch ausgeweitet werden sollten. Der Handel mit Wildvögeln, unter anderem mit Beizvögeln, ist zu unterbinden.
In Bezug auf die Stallpflicht wäre Folgendes zu überlegen: Mit dem Auftreten infizierter Wildvögel in der heimischen Fauna in Deutschland ist jetzt die Möglichkeit des Kontakts zwischen infizierten Wildvögeln und Hausgeflügel entstanden, die es mit Zugvögeln so bisher nicht gab. Deshalb kommt Stallpflicht als Vorsorge infrage, obwohl man natürlich auch die Kehrseite betrachten muss.
Im Zusammenhang damit ist die Frage zu stellen, wie wir mit Tieren umgehen. Artgerecht gehaltene Tiere sind robuster und weniger anfällig. Es kann deshalb nicht angehen, dass die Stallpflicht zur Bekämpfung der Vogelgrippe von Verfechtern der Käfighaltung vorgeschoben wird, um das Verbot der Käfighaltung aufzuheben.
Tierschutz ist ein Staatsziel und das Verbot der Käfighaltung basiert auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Der Verlauf der Ausbreitung legt im Gegenteil nahe, kleineren Strukturen mit geschlossenen Kreisläufen den Vorzug zu geben.
Noch kurz zur Impfung: Derzeit darf in Deutschland Geflügel nicht gegen Vogelgrippe geimpft werden. Dagegen lautet die grüne Devise: Impfen statt töten! Besonders Zuchttiere, Zootiere und Tiere von Hobbyhaltern müssen geimpft werden, so wie dies auch im Jahre 2003 in Nordrhein-Westfalen geschehen ist. Mittlerweile gibt es bessere und effektivere Impfstoffe. Die Vögel scheiden damit kaum noch Viren aus. Impfen trägt somit zur Eindämmung der Seuche bei und ist aus Gründen des Tierschutzes geboten.
Ich möchte noch auf unsere vier Kleinen Anfragen zur Umsetzung des Nationalen Pandemieplanes hinweisen, die in dieser Woche beantwortet worden sind. Dort geht die Staatsregierung auf den Entwurf zu einem Maßnahmenplan zur Umsetzung des Nationalen Influenzapandemieplanes ein.
Da dieser noch in der Abstimmung ist, erwarten wir in der nächsten Zeit von der Staatsregierung weitere Informationen dazu.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zuerst kurz auf meine Vorredner einzugehen.
Eine Regierungserklärung sieht wohl doch ein wenig anders aus, Herr Pellmann. Das war nur eine kurze Information zum derzeitigen Sachstand.
Das Einschleppen des Virus in den Putenbestand in Frankreich – so kann man dem „Spiegel“ entnehmen – wurde durch Journalisten verursacht, die erst die toten Vögel gefilmt und dann mit denselben Klamotten Aufnahmen in dem betroffenen Bestand gemacht haben.
Zur Verbreitungsmöglichkeit: Hier gibt es in der Tat noch einiges Ungelöstes. Eine weitere Möglichkeit ist, dass auch durch in Baumärkten gehandelte Dünger und Komposte zur Verbreitung beigetragen werden kann.
Wenn man die angesprochene Art der Haltung mit dem Auftreten der bisherigen Fälle in Nutztierbeständen in Zusammenhang bringt, so kann man wohl feststellen, dass das Vogelgrippevirus eher in den Beständen aufgetreten ist, die dem Leitbild der grünen Geflügelhaltung näher kommen, währenddessen die großen industriemäßig betriebenen Anlagen bis jetzt Gott sei Dank davon verschont geblieben sind.
Ich bin erst einmal froh darüber, dass dieses Thema seitens der Politik nicht zur Profilierung missbraucht worden ist, wie wir es vor wenigen Jahren beim Thema BSE erleben mussten, wenn auch manche Maßnahme, die ergriffen worden ist, durchaus fragwürdig erscheint. Ich denke, Herr Günther hat dieses Thema ganz gut dargestellt.
Gestatten Sie mir noch einige kurze Worte zum Gefährdungspotenzial. Die Gefahr für den Menschen besteht wohl grundsätzlich. So wurden in Asien bisher 200 Millionen Stück Geflügel wegen der Geflügelpest getötet. Dort ist das Virus seit Jahren besonders präsent. Wir haben es mit 150 erkrankten Menschen, davon 80 Verstorbenen zu tun. Dies wohlgemerkt unter den typischen asiatischen Bedingungen. Das heißt, das Geflügel verbringt die meiste Zeit seines Lebens auch am Ort des späteren Verzehrs, es handelt sich also im wahrsten Sinne des Wortes um Haustiere.
In diesem Zusammenhang sollte man sich auch einmal die Zahl der jährlich beim Menschen auftretenden Fälle von Virusgrippe verdeutlichen. Den Medien kann man entnehmen, dass in Deutschland jährlich 15 000 Menschen an der Virusgrippe sterben.
Alle bisher untersuchten Fälle wurden dargestellt. Auf eine wissenschaftliche Erkenntnis, die am Rande mit abgefallen ist, möchte ich hier noch verweisen: Sollten Sie, meine Damen, und natürlich auch Sie, meine Herren, beim morgendlichen Blick in den Spiegel Anzeichen von Krähenfüßen entdecken, kann ich Sie beruhigen. Das hat mit Vogelgrippe wenig bzw. gar nichts zu tun.